Medya Ludus und der Fisch, der die Welt verschlingen wird

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 4.442 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (14. Februar 2022 um 23:55) ist von melli.

  • Nur 20 angestellte? Ich meine, es braucht Wachleute, pfleger, Ärzte, Reinigungskräfte und eventuell noch Küchenpersonal. So wirkt die Anstalt recht klein

    Uff, ich glaube, da hast du recht, das werden einfach ein paar mehr.

    Außerdem... Was muss Medya da ausgleichen? Ist sie vielleicht die Inkarnation aller göttlicher Unzulänglichkeiten? Das würde erklären, wieso sie so verrückt ist? :rofl:

    Du bist gar nicht weit weg, ich sag mal so viel: Jeder gute Statistiker hätte gar nicht so schlechte Karten, Medya zu finden. Aber mehr verrate ich nicht :X

    Zielgruppeneinschätzungen finde ich so verwirrend! :D Ich mag die koksenden Götter und finde sie sehr passend :D In Fantasy-Literatur kommen ja auch häufig Alkoholexzesse, Gras und blutige Gewalt vor, ohne dass sich da jetzt die Einstufung als Jugendliteratur per se verbietet (ist mein Eindruck).

    Ja, vielleicht sehe ich das auch ein bisschen zu eng, ich habe manchmal das Gefühl, dass die Veröffentlichung meiner letzten Geschichte daran gescheitert ist, dass sie ein bisschen zu ernste und jungendunverträgliche Themen aufgegriffen hat, deswegen sehe ich da vielleicht auch Probleme, die gar nicht existieren.

    Hier war ich kurz verwirrt, ob Krieg sich das Röhrchen vom Anfang anzündet, um sozusagen etwaig daran klebende Reste zu rauchen.

    Da hast du recht, ich habe irgendwie nicht dran gedacht, dass die Formulierung nicht sehr eindeutig ist, wird geändert.

    Allein der Einstieg, der das "übliche" Heldentum und die Götter durch den Kakao zieht.. Herrlich! Dann war ich überrascht, wie toll das bei dir funktioniert, Medya und den Erzähler diskutieren zu lassen. Sowas finde ich sonst immer schwierig, du verpackst das aber bildhaft und humorvoll ..

    Hey liliancd, freut mich, dass dir die Geschichte gefällt!

    Hier dann aber auch mal der nächste Abschnitt:


    Müde rieb sich Satis die Augen, zögerlich in den frühen Morgen blinzelnd. Es war wieder einer dieser Tage, an denen sie ihr Zeitgefühl etwas zu früh weckte, denn die Sonne hatte sich gerade so über den östlichen Rand der Welt gewagt. Ihr Herr und ihre Herrin würden noch einige Stunden schlafen, es würde keinen Grund geben, so früh den Herd zu entzün-den und das Frühstück zuzubereiten. Gähnend drehte sich Satis um, die Augen wieder geschlossen und ihren Kopf auf ihren Händen abgestürzt.
    Das traurige Bild der Realität setzte sich in Satis Kopf nur langsam zusammen. Aber ir-gendwann ließ sich einfach nicht mehr leugnen, dass sie nicht in ihrem Bett lag, immerhin roch es in ihrem Bett nicht nach faulendem Laub. Außerdem stachen ihr dort für gewöhn-lich keine Steinchen in den Rücken, und klamm und feucht war es dort auch nicht.
    Außerdem schrie ihr dort niemand „hey, du bist ja endlich wach!“ ins Gesicht, jener Mo-ment, in dem Satis endgültig mit einem Schrei aus der befreienden Gleichgültigkeit des Schlafes gerissen wurde.
    „Wa … was …“ Es dauerte nur Sekunden, bis Satis in der Realität angekommen war, sich an den vergangenen Tag und eine Menge unnötigen Eidotter erinnerte. Völlig aufgelöst saß sie da, die übermütige Medya neben ihr tollend und redend und so überhaupt nicht aus der Fassung gebracht.
    „Guuuten Morgen!“ Reckend und streckend begrüßte die magere Rothaarige den neuen Tag. „Was für eine tolle Nacht! Keine Ratte, die an meinen Ohrläppchen kaut und keine kalte Bärenschnauze, das hatte ich schon lange nicht mehr.“
    „Was … was ist hier los?“ Aufgelöster mochte Satis noch nie in ihrem Leben ausgesehen haben, die Haare zerzaust und von Schlamm verklebt, mit kleinen Ästchen darin und Blät-ter aus ihrer improvisierten Decke. Erst jetzt merkte sie, wie die Kälte der Nacht in jedem ihrer Knochen steckte. Ein kleines, schon nicht einmal mehr klimmendes Feuer war nicht unweit von ihr. Medya musste es angezündet haben, denn Satis erinnerte sich an keinen Moment des vergangenen Abends. Nur an lange, anstrengende Märsche und die Müdig-keit, die sie schließlich übermannt hatte. Noch immer schmerzten ihre Beine, als hätte sich jemand mit einem Hammer an ihnen zu schaffen gemacht, und immer mehr Details des vergangenen Tages durchdrangen ihren verschlafenen Verstand.
    „Oh nein. Bitte, bitte nicht!“ Wild tastete Satis um sich, als könnte sie die bittere Realität irgendwo ergreifen, zusammenfalten, sich darin verstecken und warten, bis ihr altes Leben zu ihr zurückkehrte wie ein untreuer Ehegatte. Aber nein, alles blieb so, wie es in jenem Moment war – ein absoluter Albtraum.
    Verständnislos blickte Medya sie an. „Wäre dir eine Bärenschnauze denn lieber gewesen? Ich schwöre dir, die mögen kuschelig aussehen, sind aber ganz ganz furchtbar aufdring-lich!“
    „Kannst du nicht einfach mal die Schnauze halten!“, kreischte Satis kurz vor einem Ner-venzusammenbruch. „Einfach mal nur still sein!“
    „Pff!“ Beleidigt kehrte Medya ihr den Rücken zu. „Dann sag ich halt gar nichts mehr, wenn Prinzesschen am frühen Morgen so mies gelaunt ist! Hätte wohl gern noch ein Deckchen und ein Kissen für die Nacht gehabt!“
    Dieser sollte einer von unsagbar vielen Momenten sein, in denen Satis einfach nicht wuss-te, was sie auf das Gebrabbel der Irren antworten sollte. Und so beschloss sie, klug wie sie war, einfach zu schweigen. Schließlich wurde es Medya bald genug, und sie wandte sich trotzig wieder um.
    „Na ja, hier bleiben können wir schließlich nicht. Du hast gestern irgendwas gesagt, wie das nächste Kaff heißt, Am … Am …“
    „Ambere“, beendete Satis den Satz. „Das ist das nächste Städtchen, und auch noch au-ßerhalb von Isingwars Herrschaftsgebiet.“
    „Ja ja, pipapo. Ich weiß nicht wie’s dir geht, aber mein Magen knurrt, und bevor wir uns auf die Socken machen, sollten wir irgendwas zwischen die Zähne bekommen.“
    Tatsächlich konnte auch Satis nicht leugnen, dass sie beißenden Hunger hatte. Gestern noch hatte ihre Müdigkeit irgendwie den Hunger bekämpft, aber jetzt schien sich etwas mit wachsender Aggressivität durch ihre Körpermitte zu fressen. Leider war das nicht ein-mal ihre größte Sorge.
    „So wie wir gerade aussehen, wird man uns aus Ambere schmeißen, noch bevor wir einen halben Fuß über die Stadtgrenze gesetzt haben.“
    „Da hast du wahrscheinlich recht, wäre bei mir nicht das erste Mal. Aber das bekommen wir irgendwie hin, glaub mir.“ Grübelnd stand Medya einen Moment nur da, bevor sie grinsend ihre unfreiwillige Weggefährtin ansah. „Wir sollten uns vielleicht doch einfach auf den Weg machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auf dem Weg etwas zu Essen finden werden!“
    „Wenn du denkst.“ Vorsichtig stand Satis auf ihre immer noch schmerzenden Beine, strich sich Erde und Laub vom Rock. Sie wusste nicht wieso, aber irgendwie fühlte es sich befrei-end an, ein Ziel vor Augen zu haben. Wahrscheinlich blieb ihr gerade nichts anderes übrig als sich auf dieses Abenteuer einzulassen, andernfalls hätte sie sich mit der kaum zu un-terdrückenden Verzweiflung in ihrem Inneren auseinandersetzen müssen.
    Mit ihrem Versprechen für ein Frühstück zu sorgen hatte Medya nicht einmal zu arg über-trieben. Schon bald hatten sie einen schmalen Waldpfad entdeckt, und nur wenige Minu-ten später stürzte sich die Rothaarige plötzlich in ein Gebüsch.
    „Heidelbeeren! Unglaublich, das dürften die ersten reifen in diesem Jahr sein!“ Genüsslich schob sich Medya eine der Beeren in den Mund, bevor sie kurz darauf Satis eine ganze Hand voll reichte. „Da drüben sind noch mehr!“
    Und das sollte nicht der letzte Moment sein, in dem Medya scheinbar aus dem Nichts heraus etwas Essbares fand. In einer kleinen Absenkung grub sie wilde Rüben aus, an ei-nem unscheinbaren Teich fand sie Wassernüsse, und Pilze schienen ihr geradezu freiwillig vor die Finger zu hüpfen.
    „Woher weißt du denn, dass die essbar sind?“, fragte Satis vorsichtig, als Medya in einen ihr unbekannten Pilz biss.
    „Wie wohl, ich frage sie!“ Wahllos pflückte sie einen weiteren Pilz und sah ihn streng an. „Na, wie sieht es mit dir aus, kann ich dich gefahrlos essen?“
    Nur für Medya sichtbar wuchsen dem Pilzchen auf einmal Augen, eine dicke Nase und ein frecher Mund. Kichernd, auf seiner Unterlippe kauend erwiderte das Pilzchen ihren Blick.
    „Ich weiß nicht, vielleicht? Probier mich doch einfach, du findest das sicher raus!“
    „Och!“ Entrüstet stemmte Medya ihre freie Hand in die Hüfte. „Du Schlingel, du bist gif-tig!“
    Kreidebleich überlegte Satis derweil, was sie alles bereits aus Medyas Händen gegessen hatte. Von Pilzen würde sie auf jeden Fall die Finger lassen.
    Bis es Mittag wurde hatte Medya genug Pflanzen, Nüsse und Wurzeln gefunden, dass bei-de ihren ärgsten Hunger stillen konnten. Manchmal schien es Satis, als würden sich die ganzen Nahrungsmittel geradezu anbiedern, im Magen der Irren zu landen. So viel Glück konnte niemand haben, und irgendwie traute Satis ihrer Weggefährtin nicht zu, so viele Sammelkenntnisse zu besitzen.
    Am frühen Nachmittag lichtete sich der Wald und gab die weiten Weideflächen und Fel-der im Umkreis Amberes Preis. Warm schien die Sonne auf die dunkelgrüne Flur, Kühe und Schafe weideten zwischen einfachen Befriedungen, unbekümmert von den Pflichten und Sorgen der Menschen. So seelenruhig und friedlich war dieser Ort, dass Medya und Satis beschlossen hier zu baden und den schlimmsten Dreck aus ihrer Kleidung zu wa-schen.
    Mit einem wirklich sonderbaren Gefühl sah Satis dabei zu, wie ihr Rock im klaren Wasser Schlieren zog, als hätte er seit Jahren keinen Waschtrog gesehen. Es war eines der besten Kleidungsstücke, die sie in ihrem Leben besessen hatte, doch jetzt war es nicht viel mehr als ein Haufen zerschlissener Lumpen, gezeichnet von ihrer hastigen Flucht und der Nacht im Wald. In diesem Moment schien es ihr, als fließe mit dem Schmutz ihr altes Leben da-von, für einen Moment noch klar sichtbar, doch dann verloren in den Wogen des Was-sers, hinfortgetragen auf ewig.
    „Jetzt schau doch nicht so traurig!“ Grinsend tauchte Medya ihre Hände durch das kühle Nass und spritzte die brünette Haushälterin nass. Mit einem erschrockenen Quietschen erwiderte Satis den heimtückischen Angriff – und fasste Medya zum ersten Mal ohne Klei-dung wirklich ins Auge. Die Rothaarige war wirklich mager, jeder Knochen, jede Rippe zeichnete sich deutlich unter ihrer Haut ab. Doch nicht einmal das war es, was Satis einen Schauder über den Rücken jagte; Narben überzogen Medyas Rücken und Schultern, feine Striche ebenso wie wulstige Auswüchse. Wenn sich Satis ehrlich war, dann wusste sie gar nicht, was sie für die unfreiwillige Wegesgefährten fühlen sollte. Unschuldig tollte Medya durch das seichte Flusswasser, wie ein Kind, das die harte Bitterkeit des Lebens noch nicht hatte schmecken müssen, doch ihr Rücken sprach eine ganz andere Sprache. Was hatte Medya alles durchleben müssen? Lebte die doch noch sehr junge Frau nur von dem, was sie in der freien Wildbahn fand? Woher kam sie und was wollte sie verdammt noch ein-mal? Satis spürte, dass der Moment für solche Fragen vielleicht noch etwas früh war, aber wer weiß, vielleicht würde sie Medya noch das ein oder andere Geheimnis entlocken, bis sich ihre Wege wieder trennen würden.

    Magie hat etwas einzigartiges: Sie berührt alle Sinne. Sie ist wie ein Geruch, der sich nicht wirklich wahrnehmen lässt, wie Sand, der durch Fingerrillen rinnt. Sie ist ein Geschmack auf der Zunge, der sich nicht benennen lässt, und wie ein Lied, dessen Melodie einem nicht im Kopf bleiben will.
    So lernte Aer die flüchtigste aller Künste kennen: Das Weben von Zaubern, das Formen der Magie.

    Die Schatten der Magie

  • Spoiler anzeigen

    Ich glaube, da sind ein paar Bindestriche deiner lokalen Zeilenumbrüche hierher mit reingewandert ^^'

    „Wäre dir eine Bärenschnauze denn lieber gewesen? Ich schwöre dir, die mögen kuschelig aussehen, sind aber ganz ganz furchtbar aufdring-lich!“
    „Kannst du nicht einfach mal die Schnauze halten!“, kreischte Satis kurz vor einem Ner-venzusammenbruch.

    Würde hier "Klappe" oder "Fresse" zum halten verwenden

    Und das sollte nicht der letzte Moment sein, in dem Medya scheinbar aus dem Nichts heraus etwas Essbares fand.

    Das ist auf alle Fälle ein sehr nützliches Talent :rofl:

    „Wie wohl, ich frage sie!“ Wahllos pflückte sie einen weiteren Pilz und sah ihn streng an. „Na, wie sieht es mit dir aus, kann ich dich gefahrlos essen?“

    :rofl:

    Die beiden sind ja relativ schnell an ihrem neuen Ziel angekommen. Hatte erwartet, dass sich das Einflussgebiet des Fürsten noch etwas weiter ausstreckt. Meistens steht die große Stadt mit seinem Sitz ja in der Mitte - oder sein Reich ist einfach sehr klein.
    Anyway, ich vermute, da wird jetzt noch irgendetwas passieren, was Satis zwingt oder sie auch zu der Entschiedung bringt, Medya weiter zu begleiten - sonst wäre die Lösung ja zu einfach :fox:

  • Wieder ein sehr schöner Part, du hast echt einen beeindruckend lebendigen Schreibstil :D


    Anyway, ich vermute, da wird jetzt noch irgendetwas passieren, was Satis zwingt oder sie auch zu der Entschiedung bringt, Medya weiter zu begleiten - sonst wäre die Lösung ja zu einfach

    Vielleicht treibt Satis auch die Neugierde (und aufkeimende Zuneigung?) Medya gegenüber an... Mich würde ja jetzt schon interessieren, was das arme Mädchen durchgemacht hat :schiefguck: Und so richtig eine Wahl hat sie ja schon nicht mehr :evilgrin:

  • Wenn sich Satis ehrlich war, dann wusste sie gar nicht, was sie für die unfreiwillige Wegesgefährten fühlen sollte.

    Medya erinnert mich in ihrer Verrücktheit ein wenig an Pipi Langstrumpf, doch der Rücken spricht für eine tragische Vergangenheit.

    In diesem Moment schien es ihr, als fließe mit dem Schmutz ihr altes Leben da-von, für einen Moment noch klar sichtbar, doch dann verloren in den Wogen des Was-sers, hinfortgetragen auf ewig.

    sehr poetisch.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker