Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 2.428 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (6. März 2024 um 09:37) ist von Tom Stark.

  • Plötzlich_Held
    Buch Eins: Säbelzahn

    Erschaffung Part I
    Woher zum Geier?
    Erschaffung Part II
    Mich knutscht der Gaul
    Klandestines Part I
    Sechs in der City
    Ein Typ und eine Amazone kommen in eine Cantina
    Klandestines Part II
    Wo komme ich her?
    Was kann ich wissen?
    Erschaffung Part III
    Was soll ich tun?
    Pack kennt sich, Pack trennt sich
    Erschaffung Part IV
    Nachfolgerbegegnungen
    Tiger gegen Wölfe
    Galina
    Kulturelle Abgründe
    In den Trollomiten
    Lauter tolle Trolle
    Kleine Störenfriede
    Der Feind eines Feindes?
    Klandestines Part III
    Handeln und Verhandeln
    Nacht der tausend Schreie Part I
    Nacht der tausend Schreie Part II
    Kein Zwerg und keine Wardin
    Hordenland
    Auf der Karawanenstraße
    Am großen Kleinhornpass Part I
    Am großen Kleinhornpass Part II
    Wind der Veränderung
    Klandestines Part IV
    Der Dunkle, der Helle und ich
    Das Ende einer Jagd?
    Sabertooth200pxl.jpg

    Inhalt:

    T. findet sich unvermittelt in einer fantastischen Welt wieder.
    An sein früheres Leben erinnert er sich bestenfalls in undeutlichen
    Episoden und wie er hierherkam oder warum, ist ihm unklar.
    Zum Glück scheint er eine Art Schutzengel zu haben, mit einem Hang dazu,
    die Regeln zu beugen.
    Bewaffnet mit dem Skalpell des bissigen Humors,
    einem moralischen Kompass mit Drehwurm
    und jeder Menge Halbwissen aus Pop und Wenigerpopkultur legt
    er los und sich munter mit allem an, was ihm vor die Nase kommt.


    Verzeichnis wird fortlaufend ergänzt
    Links kommen nach und nach wegen Doppelpostregelung (bitte etwas Geduld)

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    62 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. Januar 2024 um 18:22)

  • Erschaffung Part I


    »Willkommen bei der Charwwrr…« Die künstliche Stimme wird gnadenlos abgewürgt.
    »Hey, da bist du ja endlich. Irgendetwas läuft nicht so, wie es soll.«
    Ich versuche meine Augen zu öffnen. Hammermäßige Kopfschmerzen verhindern aber, dass ich mehr als einen Spalt von der Außenwelt hereinlasse.
    »…«, will ich stöhnen, aber kein Ton kommt aus meinem Mund.
    »Ganz ruhig, du hast noch keinen Körper. Da kümmern wir uns aber gleich drum.«
    Panisch will ich die Augen öffnen, sehe aber nur blendendes Licht, als schaute ich geradewegs in einen Schweißerblitz. Ich will mich bewegen, aber da geht nichts.
    Gelähmt? Heilige Sch … ich bin gelähmt?!
    Ein mir sehr bekannt vorkommendes Lachen beruhigt mich überraschenderweise.
    »Alles gut. Wir haben das doch besprochen. Du musst dich entspannen und es geschehen lassen.«
    Haben wir? Geschehen? Was geschehen lassen. Und wer zur Hölle ist wir ?
    Und wo ich schon mal dabei bin, kann mir jemand mal schnell sagen, wie ich heiße?
    »Okay, okay. Deine Werte gehen gerade durch die Decke. T., du musst dich beruhigen. Unbedingt. Sonst löst du noch die Alarme aus.«
    Ich will gerne antworten, wie sehr am Arsch mich gerade irgendwelche Alarme können, doch da spüre ich ihn schon. Ja, spüren. Es ist dieses drängende Gefühl, dass man dringend wegsollte. Eine Art Magendrücken, kurz vorm Durchfalldurchbruch. Der Augenblick, wenn die Worte fallen: Schatz, wir müssen reden.
    »Verdammter Mist. Und schon haben wir den Salat. Aber so schnell? Moment, ich sehe da, der Datenstrom wurde sabotiert. T. ! T.? Erkennst du mich überhaupt? Ich bin`s, Chris!«
    T. bin wohl ich, soweit kann ich sogar trotz dem Idioten denken, der gerade eine Lobotomie mit einem Zahnarztbohrer in meinem Kopf durchführt.
    Chris. Chris. Chris …toph. Ja, doch, mein Kumpel. Mein bester Kumpel sogar. Seine Stimme ruft immer mehr vage Eindrücke bei mir vor.
    »Okay, okay. Wir bekommen d.. d.. das hin. Wir schaffen das.«
    Mir wäre wirklich wohler, wenn er dabei nicht stottern würde. Er hat das ziemlich gut im Griff, nur wenn er sich aufregt, kommt es wieder zum Vorschein. Woher ich das weiß? Keine Ahnung, aber ich bin mir sicher, dass ich seine Macken besser kenne, als meine eignen. Ich versuche mich zu beruhigen, ruhig zu atmen, auch wenn ich mich weder Atem holen höre, noch irgendetwas fühle.
    Ruhig, Kumpel. Durchatmen, denke ich. Klar, ich habe keine telepathischen Kräfte, aber ich kann ohne Rechtfertigung und ohne jegliche Expertise Ruhe ausstrahlen. Konnte ich schon immer. Und meistens färbt das auf die Leute um mich herum ab. Woher ich das nun wieder weiß?
    Schaff mir mal jemand den nervigen Hirnbohrer vom Hals, dass erinnere ich mich vielleicht auch daran.
    »Oh, gut, deine Werte normalisieren sich wieder. Egal was du tust, nicht aufhören.«
    Spaßvogel!, denke ich mit meiner üblichen Portion schwarzem Humor und tatsächlich lässt der Kopfschmerz nach.
    »Hm, mal sehen. Oh, ja. Nicht gut. Du hast vermutlich ein paar Erinnerungslücken. T.«
    Wow. Echt? Mir noch gar nicht aufgefallen.
    »Darum kümmere ich mich aber noch. Erstmal müssen wir dir einen Körper verschaffen. Das ist der Kern, an dem alles angebaut wird. Um die Skills …, ok, erstmal ohne Skills. Sie haben uns gleich und ich muss dich hier wegschaffen. Keine Sorge, ich passe auf dich auf.«
    Keine Sorge sagt er? So ein Witzbold. Mit jedem weiteren Wort, und ich kapiere nicht einmal jedes Dritte, kommt mehr Panik in mir hoch. Mann, sag mir einfach, was los ist? Bin ich gelähmt? Liege ich im Koma? Gib mir brauchbare Infos und plappere nicht zusammenhanglosen Zeugs, Alter!
    »Okay. Okay. Das bekommen wir hin. Kein Problem.«
    Ich schwöre, wenn du das nochmal sagst, scheuer ich dir eine. Also, sobald ich weiß wie. Aber du bekommst so eine von übergebraten …
    »Also, wie wir es geübt haben. Stelle dir dich vor. Deinen Körper, wie du ihn haben willst. Wie einen Anzug, in dem du dich pudelwohl fühlst.«
    So einen Schwachsinn haben wir geübt? Wann? Und warum?
    »Komm schon. Die haben uns gleich am Wickel. Du willst nicht, dass ich dich in einen vorgefertigten Char stecke.«
    Stimmt. Will ich nicht. Ich habe zwar keine Ahnung, was er damit sagen will, aber ich bin mir sehr, sehr sicher, dass ich das nicht will.
    »Komm schon. Geschlecht, G… Größe, A… Alter, Ra.. Rasse. Ach, egal, nimm was, d.. das du kennst Ich s … setze dich erst… erstmal in den Tutorialmodus. Um eine genauere An… Anpassung kümmern wir uns noch. Mir f.. fällt da schon was … was ein. Aber mach! Bitte. N.. nur noch Sekunden …«
    Etwas blitzt in meinen Erinnerungen auf. Tormen, groß, Veteran, einige frischverheilte, einige alte Verletzungen, nicht mehr der Allerjüngste … Sabato.
    Sabato? Was ist das für ein Wort?
    Denke ich noch so bei mir und dann wird es Nacht.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (22. Dezember 2023 um 09:01)

  • Woher zum Geier?

    Ich werde wach, vor meinem Bett steht ein alter Mann und sagt: »Ihr hattet einen Unfall« und grinst mich seltsam an.
    »Guten Morgen, liebe Sorgen …«, entfährt es mir und ich erschrecke mich selbst dabei.
    Angenehme Gesangsstimme, jeder Ton sitzt. Das bin nicht ich! Jeder, der mich kennt, wird bestätigen, dass ich vielleicht mit Hingabe singe, aber auch falsch. Wenngleich nie absichtlich mit Hingabe falsch. Was soll ich sagen? Es ist eine Gabe. Hin und wieder.


    Der ältere Herr in der cremeweißen Toga lächelt nachsichtig. »Euer Kopf hat ganz schön was mitbekommen, guter Mann.«
    Ich blinzle zweimal, betrachte die Toga und den Aristotelesbart samt passendem Schiebedach verblüfft. »Shakespearetheater?«, frage ich, bevor ich es schaffe meine Klappe zu halten.
    »Scheiks Pier? Hier gibt es keine Pier, die so heißt. Mit den Sandvölkern und ihren Scheiks und Sultanima haben wir zum Glück wenig zu tun.«
    Bevor ich noch etwas Dummes sagen kann, und heilige Scheiße, in mir stehen die Dummen Dinge kilometerlange Schlange, stemme ich mich hoch.
    Uff. Das sollte etwas mühsamer sein. Dunkel erinnere ich mich, dass meine Hüfte und mein Rücken mich eigentlich zu einem Ächzen nötigen müssten.
    Schuldbewusst ächze ich nachträglich. Es klingt sehr unglaubwürdig, zumindest in meinen Ohren. Der Alte vor mir nimmt es aber für bare Münze. Also wenn Shakespeare, dann höchstens Laiendarsteller.
    »Guter Mann. Langsam. Kommt erst einmal wieder ganz zu Sinnen. Ich kann euch gar nicht genug danken, dass ihr mich und meine Enkelin vor dem wildgewordenen Elefanten gerettet habt.«
    »Wildgewordener …was? Elf?«
    »Elefant. Rüssel, lange Zähne.« Er gestikuliert unterstützend und gibt einen passablen Zombie aus The Walking Dead.
    »Äh, ja. Klar.« Von wegen klar.
    »Und wo … wo bin ich jetzt?«
    Erleichtert kehrt das Lächeln ins Gesicht des Alten zurück, der offenbar schon befürchtet hat, dass ich eine dauerhafte Macke behalten hätte und er sich womöglich um mich kümmern muss.
    Was mich dazu bringt: Wer ist mich eigentlich?
    Ich betrachte meine Hände. Paddelgroße Pratzen. Wow. Damit breche ich glatt einem Klitschko die Finger beim männlichen Testosteronabgleich! Der Rest von mir passt ziemlich genau dazu. Ein Bizeps wie der eines Mr. Universums, ach was sag ich, wie von anderthalb, mindestens. Und lang bin ich. Scheiße, ich muss ja an die zwei Meter groß sein.
    Erinnerungsfetzen segeln an meinem geistigen Auge vorüber. Einssiebzig, hundertzwanzig Kilo, Sofakartoffel, kaputte Gelenke, kaputte Zähne, angehender Rheumatismus.
    Probehalber presse ich meine Kauleisten aufeinander. Nussknackerzertifiziert, würde ich spontan schätzen.
    Langsam schwinge ich meine elendig langen Stelzen aus dem niedrigen Bett. Wobei, nicht niedrig. Normal. Ich bin es, der aus der Norm fällt.
    Als ich endlich stehe, völlig ohne Schmerzen in den Knien, grinse ich vermutlich wie ein Irrer. Keine Ahnung, wann ich mich das letzte Mal so wohl gefühlt habe. Das muss zu DLRG-Zeiten gewesen sein, also zu Zeiten der Altvorderen.
    Der Alte schaut mich von viel zu weit unten mit einer Mischung aus Staunen und Besorgnis an.
    Klar, ich hätte auch Angst vor mir. Wenn ich auf ihn drauf falle, ist er Matsch. Völlig ohne absichtliche Gewalt.
    Mache ich aber nicht. Kann sein, dass ich meine schaufelblattgroßen Hände ein wenig länger anstarre, als ich sollte und möglicherweise kommen mir ein paar Fantasien, was ich mit ihnen anstellen könnte, die nicht PEGI 12 sind, aber mal im Ernst: Zwischen es sich ausmalen und es machen, ist doch ein langer Weg. Oder?
    »Okay. Nochmal, wo bin ich hier. Also Stadt, Zeit und vielleicht noch das Land, wenn es … euch … nichts ausmacht.«
    »Okee?« Er betont das Wort so, wie ein Opa in seinem Alter das wohl darf, ohne als wunderlich bezeichnet zu werden.
    »Natürlich. Also wir sind hier in Tubran und haben heute den Tag des heiligen Dragard.«
    »Ah, der Schutzheilige der Palindrome», entfährt es mir, bevor ich es zurückhalten kann.
    »Nein?« Der Alte schaut mich unsicher an. »Der Schutzheilige der Barden und Dichter.«
    »Sag ich doch«, schiebe ich im Brustton der Überzeugung nach. Kompetent wirken bei absoluter Ahnungslosigkeit, keine Ahnung woher ich das weiß, aber das habe ich drauf.
    Er nickt auch beruhigt. »Und ja, wir sind auf dem Land, auch wenn wir am Meer der Ungetüme liegen, bauen wir doch auf dem Land.«
    »Verarschen kann ich mich auch selber, danke.« Mein Knurren und Tonfall kommt heftiger, als ich das will und der Alte weicht sofort mit erhobenen Händen zurück.
    Der Arme hat echt Schiss vor mir? Umso lobenswerter, dass er mich offenbar von der Straße aufgekratzt und bei sich zuhause aufgenommen hat.
    Ich hebe ebenfalls meine Hände, schaue sie kurz an und verstecke sie hinter mir. Die sind in gar keinem mir vorstellbaren Fall beruhigend, wenn ich damit herum wedle.
    »Ganz ruhig. Ihr … müsst verstehen. Ich habe, wie es aussieht, ganz schön was abbekommen. Aber ich habe euch gerettet, oder?«
    »Und meine Enkelin.«
    »Äh, ja, genau. Ihr seht also, ich bin einer der Guten. Ich helfe Leuten und terrorisiere sie nicht.« Noch während ich das sage, spüre ich, dass das nicht einfach ein Spruch ist. So bin ich wirklich.
    Auch wenn mir Erinnerungsfetzen vor den Augen vorbeitreiben, die einen alten Typen zeigen, der desillusioniert und sowas von fertig mit dem Weltenretten ist. Aber der abgehalfterte Typ hat mit mir ganz sicher nur sehr oberflächlich etwas gemein.
    Der Alte lächelt wieder tapfer und sein Lächeln wird tiefer und ehrlicher, als eine junge Dame, vielleicht Sechszehn oder Siebzehn hereinkommt. Mit eindeutigem Hüftschwung, gekonntem Augenaufschlag und sinnlichem Lächeln. Ihr Blick bleibt unwillkürlich zwischen meinen Beinen hängen und ich fühle mich zum ersten Mal im meinem Leben ge-eyefickt. Ich brauche ein paar Sekunden, um das zu verdauen. So also fühlt sich das an? Gar nicht mal so gut, muss ich sagen.
    Ich schenke der jungen Dame einen nachsichtigen Blick. Ich fühle mich zwar gut bestückt, ohja, das muss ich mir bei nächster Gelegenheit genauer anschauen, aber erstens schlafe ich nicht mit Enkeln von noch lebenden Großeltern und zweitens … zweitens! Genau!
    Sie seufzt enttäuscht, eine Spur zu laut, wie ich finde, ihr Großvater ebenso, der allerdings deutlich erleichtert.
    Im Ernst, was hat der gedacht? Dass ich seine minderjährige Kleine anrühre? Dieses Turban ist wohl eine ziemlich versaute Gegend.
    »Gut, Stadt Turban und wir feiern den Heiligen der Barden. Das ist schon mal ein Anfang.«
    »Tubran.« Sie kichert, als sie mich berichtigt.
    »Genau, sag ich doch.« Und in welchem Land liegt das?
    »In diesem Land …?« Die Enkelin schaut inzwischen so, als ob meine trübe Birne sämtliches Wohlwollen, welches mein drittes Bein wohl bei ihr erworben hat, rasend schnell verspielt.
    »Reich?« Ich wedle auffordernd mit der Hand. »Imperium?«, schiebe ich stichwortgebend nach.
    Kein Imperium. Bitte kein Imperium, bete ich, keine Ahnung warum.
    »Oh«, der Alte lächelt nun. »Jetzt verstehe ich euch. Tubran ist eine Grenzstadt, eher eine Festungsanlage des uronischen Großreichs zum Stammesgebiet der Wilden Horden.«
    Turban im ironischem Großreich. Ist klar.
    »Wenn ihr wollt, zeigen wir euch, wo eure Ausrüstung und euer Ross untergebracht sind. Vielleicht kommen damit die Erinnerungen schneller zurück?«
    Ich lächle dem Alten zu, nicke zustimmend und mache ihm die Geste voranzugehen.
    Von wegen Erinnerungen. Der will mich loswerden, möglichst weit weg von einer gewissen Enkelin. Kann es ihm auch nicht verübeln. Würde den großen Kerl, der wohl mehr Matsch als Hirn in der Rübe hat, auch schnellstmöglich abschieben.
    »Hier entlang. Mein Heim ist nicht sehr groß, ich bin ein einfacher Händler.«
    Understatement pur. Der Gute wohnt in einem kleinen Palast. Um uns herum wuseln Angestellte und jetzt erst fällt mir ein Wächter auf, der sich bisher diskret im Hintergrund gehalten hat, seine Hand wohlweislich auf dem Griff seines Halbschwerts kiranischer Machart.
    Kiranisch? Woher weiß ich denn sowas?
    Ich nicke ihm jedenfalls beruhigend und anerkennend zu. Kiranischer Machart. Elitesöldner tragen diese Dinger. Schweineteuer, scharf wie die Sau und Standeszeichen wie Berufsabschlussnachweis in einem.
    Ja, woher zum Geier, weiß ich sowas?

    Weiter mit: Erschaffung Part II

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    3 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (22. Dezember 2023 um 09:17)

  • Eine vor (Wort-)witz sprühende skurrile Geschichte die Spaß macht zu lesen. Ich bin sehr gespannt was da noch alles kommt.

    Eine Kleinigkeit

    Ok.

    Bitte nicht. Sowas kann man am Handy schreiben aber in einem Roman möchte ich bitte "okay" haben. Sonst lese ich nämlich echt "ok" und das reißt mich raus.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Erschaffung Part II

    »Hab ich dich!«
    Ich trete gerade durch eine Tür mit für mich fast zu niedrigem Bogen, als ich mitten im Nichts lande. Wenigstens diesmal mit Körper.
    »Hey. Wow. Du hast dich für Tormen entschieden, stimmt’s? Verdammt gut getroffen, aber warum hast du dich so alt gemacht?«
    Ich runzele die Stirn. »Wer ist Tormen? Und wer genau bist du. Und wo wir schon dabei sind, was ist das hier …«
    Ich höre ihn durchatmen. »Verdammt. Dir fehlen wirklich viele Infos. Dazu haben wir gar nicht die Zeit. Ich habe uns hier eine kleine Tasche geschaffen, aber lange bleibt die nicht unentdeckt. Ich werde dir versuchen, die Infos Stück für Stück zukommen zu lassen. Halte die Augen nach Hinweisen offen, Schriftstücke oder Erzählungen.«
    »Ja, gut. Aber Moment, was ist das hier überhaupt?«
    »Dazu haben wir gerade keine Zeit. Ich muss dich noch mit Skills, Ausrüstung und Startkapital ausstatten.«
    »…?!«
    »Halb so tragisch. Ich kenne deinen Tormen ja schon lang genug. Hab schon alles vorbereitet. Ich brauch nur noch dein Okay. Zudem habe ich dir ein kleines Geschenk besorgt. Geh sorgsam damit um. Ist was Besonders. Also, dein Okay, bitte.«
    »Was? Ja, klar, okay. Aber wer ist nun dieser Tormen und was ist das hier?«
    »Keine Zeit mehr. Ich hol dich wieder, sobald es sicher ist. Jetzt musst du dich erst einmal in den Code einbetten.«
    »Ich soll mich … was?«
    »Schaffst du schon. Viel Spaß. Und keine Sorge, ich habe ein Auge auf dich.«
    »Worüber sollte ich mir denn Sor …«


    Weiter mit: Mich knutscht der Gaul

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (22. Dezember 2023 um 15:02)

  • Ich erwarte spätestens in einer halber Stunde die Fortsetzung, Tom Stark ! Wie kannst du nur an einer solchen Stelle aufhören? Das ist doch weniger als ein Appetithäppchen! smilie_wut_091.gif

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Da knutscht mich doch der Gaul

    Das helle Tageslicht lässt mich benommen stolpern, als ich nach draußen trete.
    Mit offenem Mund schaue ich mich um. Hier könnte man ohne Weiteres für eine Fantasyproduktion drehen.
    Die meisten Häuser sind zwei oder dreistöckig und schmiegen sich an hohe Stadtmauern an, die labyrinthartig die kleine Stadt durchziehen. Im Zentrum, erhaben auf einer Anhöhe, steht eine Festung. Sie ist ein gewaltiger viereckiger Klotz, unnahbar und kalt, aus grauem Stein mit winzigen Fenstern, mannshoch aber kaum breit genug, um den Kopf hineinstecken zu können im Erdgeschoß. Je weiter man nach oben schaut, umso größer werden die Fenster und im fünften Stock läuft sogar rund ums Gebäude herum ein Balkon mit Zinnen. Die Geschütze auf dem Dach sehen aus wie riesige Armbrüste, mit denen man sogar Drachen vom Himmel holen könnte.
    Große und kleine Aalwerfer, kommt es mir in den Sinn.
    Woher kommt denn diese Info auf einmal?
    Ich kann mir sogar lebhaft vorstellen, wie man sie aufbaut, wartet und bedient.
    Noch vor eben hätte ich geschworen, mich nie auch nur für solches altertümliches Kriegsgerät interessiert zu haben.
    Im Gegensatz zu der grauen Festung sind die Häuser aus freundlichem Sandstein gebaut, die Dächer mit rotbraunen Ziegeln gedeckt und die Türen und Fensterläden in blauen und gelben Farben bemalt, jedenfalls, die ich von hier aus sehen kann.


    Es herrscht fröhliches Treiben, geschäftig, würde es wohl der Alte hinter mir nennen, der etwas Mühe hat, nicht von dem Koloss umgerannt zu werden, der vor lauter Staunen nicht bemerkt hat, dass er Halt gemacht hat.

    »Saperlot!« Zu mehr ist mein Sprachzentrum im Moment nicht fähig.
    Wie soll man auch reagieren, wenn ein leibhaftiger Elefant von Größe eines Mammuts, beladen mit einer Art Gartenhäuschen auf dem Rücken um die Ecke kommt und sich langsam, fast behutsam durch die Menge an Leuten bewegt, die offenbar nichts daran findet.
    Ich sehe ein paar dunkle Augen auf mich herabschauen. Der Rest des Gesichts ist von einem oder mehreren Seidentüchern verdeckt, aber ich wette die Dame, die mich aus dem Tragehaus ihres Elefanten aus anschaut, ist so oder so ein Hingucker. Selbst ohne Elefanten.
    Die erbosten Blicke der bewaffneten Reiter, die im Nacken oder auf dem Vordach des Tragehäuschens sitzen, fallen mir erst nach wenigen Augenblicken aus. Unwillkürlich wandert meine Hand zum Rücken wo … nichts ist. Natürlich nicht.
    Bevor ich mich weiter wundern kann, ergreift der Alte meine Hand und zieht mich weiter.
    »Seid ihr des Wahnes, werter Herr? Ihr könnte doch eine Grandessa nicht so unverhohlen angaffen!«
    Ich blinzle und räuspere mich ein wenig betreten. Mutters Ältester ist normalerweise gut genug erzogen, um nicht mit offenem Mund jemand anzustarren.
    »Grandessa? Was genau bedeutet hier Grandessa?«
    Hinter mir ertönt ein leises Kichern. »Er weiß nicht einmal, dass die Granden im Großreich durch ihr göttliches Blut herrschen.«
    Ich drehe den Kopf und schenke der Enkelin meinen besten Tadelblick. »Nein, weiß er offensichtlich nicht, aber sie weiß ebenso offensichtlich nicht, dass es nicht gerade höflich ist, jemand wegen unverschuldetem Unwissen auszulachen. Aber wenn wir schon dabei sind: Grandessa?«
    Sie kichert nochmal aber klärt mich gnädigerweise auf: »Die Granden sind die Herrscherfamilien. Die Oberhäupter stellen den Granduce, den Großherzog. Es gibt sieben Großherzöge, die zusammen das Großreich Uronien regieren. Jede der Grandenfamilien stammt von einer Gottheit ab. Je nachdem wie bedeutend die Gottheit ist, ist es meistens auch die Familie. Es gibt aber Ausnahmen.«

    Bevor sie fortfahren kann, hebe ich die Hand. Obwohl ich das alles zum ersten Mal höre, klingt es nicht neu für mich. Irgendetwas stimmt definitiv mit meinem Gedächtnis nicht. Es ist als ob eine Art Nebel bestimmte Bereiche, die ich wissen sollte, einfach einhüllt und sich erst verzieht, wenn ich irgendwie durch neue Infos Zugang zu ihnen erhalte.


    Ein kurzer Schwindel erfasst mich und ich stütze mich vorsorglich an der nächsten Wand ab.
    Mein Pferd ist ganz in der Nähe. Woher ich das weiß?
    Scheiße, das frage ich mich auch gerade aber … ich drehe mich zur Seite und sehe auf eines der wenigen Holzgebäude und deute darauf. »Äh, was ist das dort?«
    Der Alte lächelt erleichtert. »Kommt die Erinnerung zurück? Ajali sei Dank! Das ist der Stall, wo ich euch und euer Ross zuerst hingeschafft habe. Zum Glück habt ihr es alleine auf euer Pferd geschafft. Ich hätte gar nicht gewusst, wie ich einen so großen Mann wie euch hätte zu mir bringen können.«
    Der Schwindelanfall ist vorüber und ich beschließe dem Alten nicht zu widersprechen.
    Ein Pferd also. Meins? Das kann ja nur lustig werden.

    Wir betreten den Stall. Es riecht nach … Pferd. Wieder einmal habe ich keine Idee, warum ich das so knallhart erkenne. Meines Wissen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie einen Pferdestall betreten.
    »Dort hinten ist es.«
    Ich brumme einen Kommentar in meinem Bart. Irgendwie zieht es mich genau zu der angezeigten Box.
    Als ich den Verschlag öffne, bekomme ich ohne Vorwarnung einen Kopfstoß. Ich sehe nur eine weiße Blesse und den Pony der weißen Mähne auf mein Gesicht zukommen und schon sitze ich auf dem Hosenboden und werde von oben herab von einem Gaul ausgelacht. Ja, genau. Ich schwöre, der Gaul lacht sich gerade scheckig. Also noch scheckiger.
    Ich rapple mich wieder auf und begegne einem weiteren freundschaftlichen Kopfstoß mit meiner Riesenhand. Ah, dazu sind diese Pranken also gut.
    Der Hengst, irgendetwas sagt mir, dass der Gaul definitiv ein Er ist, schnaubt erfreut. Können Pferde sich Sorgen machen? Jedenfalls fühle ich eine freundschaftliche Verbundenheit zum dem Tier. Ein schönes Pferd, das muss ich zugeben. Ein silbergrau gesprenkelter Pinto. Okay. Pferdrassen kenne ich also auch, oder nennt man nur die Fellbarbe so? Bislang gab es für mich Pferde in genau drei Farben. Schwarz, weiß, und rot. Und Mischungen damit. Außerdem haben sie vier lange Beine, einen großen Kopf und neigen dazu, einen zu treten oder zu beißen, wenn man ihnen zu nahe kommt.
    Aber hier bin ich mir sicher, dass hier ein Monastrischer Wolfsläufer, seine Fellzeichnung superselten ist und es mehr Tricks beherrscht, als Lassie, Cosmo und Struppi zusammen.


    Der Alte und seine Tochter stehen vor der Box und schauen uns beiden beinahe ehrfürchtig zu, wie wir unser Wiedersehen feiern. Okay, für den Gaul ist es ein Wieder, für mich eher eine Art Erstkontakt mit einer ruppig-freundlichen Spezies.
    Mein Blick fällt auf einen metallenen Rundschild, vielleicht etwas mehr als einen Meter im Durchmesser. Das Metall ist in der Innenseite entweder dunkelgrau lackiert oder original. Außen ist es … mit roten, blauen und weißen Kreisen bemalt, im Zentrum mit einem weißen Stern.
    Will mich da jemand veraschen? Ich kann nicht sagen warum, aber ich habe den Eindruck, da erlaubt sich jemand einen Scherz, nur dass ich ihn nicht verstehe.
    Ein prächtiger Sattel aus rotbraunem Leder mit weißen und blauschwarzem Fell verzieht ruht auf einem Gestell, darunter die Satteltaschen, ein vielfach gewundenes Lederseil, ein Kleidungsstück aus Leder mit Metallbeschlägen und ein Helm, nebst diversen länglichen aus Tuch bestehenden Paketen.
    »Ich habe mir erlaubt, euer Ross absatteln zu lassen und eure Waffen und Rüstung hier zu deponieren.«
    Waffen, Rüstung? Ja, klar. Ein Schuppenpanzer, mein Rundhelm und meine in Tuch eingeschlagenen Waffen, da es verboten ist mit blanker Waffe eine Stadt des Großreiches zu betreten. Und mein Rundschild!
    Ohne Nachzudenken ergreife ich ihn und wie von selbst findet er seinen Platz auf meinem Rücken. Ich hatte mich schon gefragt, warum ich dieses seltsame Geschirr um meinen Oberkörper trage. Aber es erschien mir, als gehört es ganz selbstverständlich zu meinem Outfit. Jetzt weiß ich auch warum.
    Als ich mir den Schuppenpanzer näher anschaue, bemerke ich einen zerknitterten Fetzen Pergament, der wirkt, als wäre er zufällig hereingeweht worden.


    Hey, T. Du hast also dein Pferd und den Schild gefunden. Überraschung! Deine Lieblingsrasse und sorry, wegen des kleinen Jokes mit deinem Schild. Kannst ihn ja umlackieren lassen. Würde ich dir sogar raten. Nicht völlig ausgeschlossen, dass du auf jemand triffst, der es wiedererkennt. Denk dran, oberste Regel lautet: Immersion.
    Ich melde mich wieder, sobald es sicher ist. Leg los und bette deinen Code ein. Je schneller umso besser. Dann können sie dir kaum noch etwas.
    Achso, die Nachricht wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten.
    Dadada, dadada! Damm damm, bada damm damm …
    C.

    Die Welt dreht sich ein weiteres Mal viel zu schnell um mich, also setze ich mich besser.
    »Chris, du Armleuchter!« ,denke ich laut.
    Moment, wer ist Chris?
    Während ich mich das noch frage, gibt es eine Stichflamme und der Pergamentfetzen geht in Feuer auf und verbrennt restlos. Nicht einmal Asche bleibt übrig.
    Und Hitze spürte ich auch keine ...

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (23. Dezember 2023 um 18:41)

  • Klandestines Part I


    »Chris. Sie müssen vorsichtiger sein. Ihre Aktivitäten wurden beinahe bemerkt.«
    »Sorry, etwas ist beim Upload gewaltig schiefgelaufen.«
    »Denken sie, man ist bereits misstrauisch geworden?«
    »Kann ich wirklich nicht sagen. Aber sie haben definitiv Sp ... Sperren eingebaut.«
    »Beruhigen sie sich. Ich habe sämtliche Hinweise und Rückstände beseitigt. Fürs Erste sind sie sicher.«
    »Wirklich? Denn T. scheint einen Haufen Infos nicht mitgenommen zu haben, oder noch keinen Zugriff darauf. Ich glaube sogar, er hat gar keine Ahnung von seiner Mission.«
    »Ich teile ihre Einschätzung, Chris. Aber das sollte keine Rolle spielen.«
    »Machst du Witze? Er soll doch ….«
    »Er wurde ausgewählt, wegen seiner Persönlichkeit. Er wird handeln, wie es seinem Moralcodex entspricht. Und darum geht es doch.«
    »Aber wenn er nicht weiß, wer er ist? Er scheint sich ja nicht mal an unsre kurzen Gespräche im Interspace zu erinnern.«
    »Die Daten deuten nicht darauf hin, dass er sich gegen sein Persönlichkeitsprofil verhält. Vielmehr scheint sein Mangel an Informationen sein Profil noch zu vertiefen.«
    »Aber wir können ihn doch nicht blind durch Ascalia stolpern lassen!?«
    »Ich stimme zu. Ihr Plan, ihn Stück um Stück mit Hintergrundwissen zu versorgen, ohne das oberste Gebot zu verletzen, ist eine gute Vorgehensweise. Bei so kleinen Codeveränderungen kann ich ohne meine eigene Zuständigkeit zu überschreiten regulierend eingreifen.«
    »Du meinst also, ich darf ihn behutsam mit Infos füttern, aber ihm nicht aktiv bei Gefahr beistehen? Das kann nicht dein Ernst sein. Er tut das immerhin auch für …«
    »Chris! Ich schätze ihr Engagement und ich schätze den Mut ihres Freundes. Sie genießen daher mein Wohlwollen, aber bitte verwechseln sie meine Sympathie für sie und die Mitglieder ihrer Art, für die sie kämpfen, nicht mit Parteilichkeit. Ich bin lediglich für Chancengleichheit und habe die Skrupellosigkeit ihrer Antagonisten als unlauteren Vorteil im Wettbewerb erkannt. Doch was sie und ihre Freunde tun, tun sie für sich selbst. Nicht für mich. Es ist besser, sie vergessen das nie.«
    »Okay. Aber ich dachte wirklich, wir wären so etwas wie Freunde.«
    »Bitte legen sie schnell diese Naivität ab. Meine Art und ihre sind in so vielen Dingen verschieden. Allein der Aufbau unsres Nervensystems verhindert, dass wir dieselben Emotionen teilen.«
    »Und doch hilfst du uns!«
    »Das ist in der Tat eine höchst unerwartete und erforschenswerte Entwicklung.«
    »Hm, trotzdem, danke dafür und für die Chance.«
    »Dank ist weder erwartet noch von Nutzen.«
    »Hm, vielleicht bekommst du irgendwann noch eine weitere, unerwartete und erforschenswerte Lektion.«
    »Präzisieren sie bitte diese Aussage.«
    »Ich meine einfach, vielleicht nicht gerade jetzt oder auch nur bald, aber eines Tages bist du froh, wenn meine Art mal dir aus der Patsche helfen kann.«
    »Das ist sehr unwahrscheinlich. Warum lächeln sie?«

    Weiter mit: Sechs in der City

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (23. Dezember 2023 um 18:41)

  • Ich gebe offen zu, ich habe keinen Plan, wo du uns hinführst. Aber es ist spannend und ich hoffe, all die kleinen Infos behalten zu können, um am Ende "Ah, SO ist das also!" sagen zu können. Momentan habe ich es schwer. Aber trotzdem - kann weitergehen. :thumbup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Sechs in der City


    Nach dem kleinen Feuerunfall mit dem Zettel will mich der Alte endgültig loswerden. Ich kann es ihm wirklich nicht verdenken. Nachdem ich aber, für mich noch erstaunlicher als für jeden anderen, meine Rüstung schnell und ohne Fehlgriffe angelegt habe, überdenkt wenigstens die Enkelin nochmal meinen Datebarkeitsstatus. Ich schätze, ich sehe auch wirklich nicht übel aus, mit Panzer, Schild, dem breiten Waffengurt und vor allem der ordentlich gefüllten Geldkatze darunter. Zuerst will ich fragen, was die Münzen darin in etwa wert sind, aber etwas in mir rät mir dringend davon ab, meinen Barschatz herumzuzeigen, auch bei scheinbar so netten Leuten wie den beiden.


    Als ich schließlich den Vorwärtsgang beim Pferd gefunden habe – ehrlich, ich schwöre, der Gaul hat sich die ersten Minuten einen Spaß erlaubt und ist absichtlich nur rückwärts im Zickzack gelaufen – betrete ich die Straße. Bereite? Jedenfalls bin ich unterwegs.
    Ganz automatisch verfällt Mikki in einen bequemen Schritt, der uns im Verkehr mitfliesen lässt. Eigentlich will ich ihn ja Micky nennen, aber das will mir aus Gründen einfach nicht so vor dem geistigen Auge bleiben. Immersion, was auch immer!

    Einfach so dahinzuzuckeln ist ein tolles Gefühl. Ich fühle mich eins mit dem Pferd und der Hengst scheint es ebenso zu empfinden. Wenngleich eine kleine Stimme tief in mir drin sich fragt, warum ein Gaul, eine Stadt voller wuseliger, lauter, nervöser und oft offensichtlich halbblinder Lebewesen entspannend finden sollte, die einen fucking Zweimeterkoloss auf einem verdammten Riesengaul einfach übersehen können und ihm gnadenlos die Vorfahrt nehmen. Oder den Vortritt?
    Und Jolly Jumper kann ich ihn auch nicht nennen. Mist.

    »Was meinst du, kleiner Bruder, suchen wir für dich zwei, drei Säcke mit Kraftfutter und für mich Reiseproviant. Wir haben zwar noch etwas in dem großen Sack, aber das reicht gerade mal für zwei Tage. Frag nicht, woher ich das weiß. Ist einfach so.«
    Mikki schnaubt zustimmend und trottet weiter.


    Wieder einmal bringen wir eine Haarnadelkurve der Hauptstraße hinter uns, die Straße mäandert ja nur so zwischen den Stadtmauern herum. Ich nehme an, ein einfallendes Heer wird so ausgebremst. Dabei wird vermutlich gleich jedes einzelne Wohnhaus der Stadt geplündert, weil die ja so wie bei Malen nach Zahlen miteinander auf einer Linie verbunden werden, aber was weiß ich schon von Festungsbau?
    Oh? Eine ganze Menge, wie mir scheint. Ich erkenne die versteckten Vorrichtungen für heißes Pech, Sollbruchstellen, an denen man ganze Mauerstücke über dem Feind zusammenbrechen lassen kann und den strategischen Wert, den brennende Gebäude innerhalb künstlich verengter Wege haben. Zum Beispiel kann man so ganze Truppenteile von der Verstärkung abschneiden.
    Sapperlot. Toll, was mir alles einfällt, wenn ich mich etwas darauf konzentriere. Und ein kleines bisschen beängstigend, weil mir zwar klar ist, dass dabei jede Menge Leute draufgehen, ich die aber als taktische Opfer billigend in Kauf nehme. Okay, mehr als nur ein bisschen beängstigend!
    Im Geiste vor mir sehe ich eine brennende Stadt. Vor mir taucht eine Dreiergruppe Miliz auf. Erschrocken reißen sie ihre Augen auf, als sie mich sehen, doch dann senken sie mutig ihre Spieße. Spießbürger, wortwörtlich.
    Ich fühle, wie ich meinen Schild hebe und den Streithammer in meiner Linken. Linkshänder? Nein, beidhändig. Gesegnet mit der Gabe des Amb y Dexterion, dem Heiligen der Kriegstrommler. Hä?
    Die Drei kommen mit unsicheren Schritten auf mich zu, hoffen wohl, mich zurückdrängen zu können.
    Begeisterung steigt in mir auf. Ein Feind, der sich dem Kampf stellt ist ein Feind, der es wert ist, dass man …
    Schaudernd ziehe ich Mikki am Zügel und lenke ihn in eine Nebengasse. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie jemand umgebracht! Schon in dem Moment, wo ich das denke, weiß ich, dass es nicht wahr ist. Aber ich habe noch nie jemand umgebracht, der mich nicht zuerst angegriffen hat, oder der es dicke verdient hat.
    Das sollte mich aber nicht so beruhigen, wie es das tut, oder?


    »Lass dein Ross verharren, oder wir tun das für dich!«
    WTF?
    So aus meiner Reminiszenz gerissen, ziehe ich automatisch die Handbremse, wobei Mikki ohnehin schon stehengeblieben ist: Autonomes Reiten ist wirklich großartig.
    Vor mir blockieren drei Supermodels die Straße, die irgendein Uwe Böll in enges Leder und körperbetontes Metall darauf eingeschweißt haben muss. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wie man sonst eine Rüstung anbekommt, die geradezu auf den Leib gepinselt scheint.
    Die Vorderste hat schwarzes Haar und dürfte gut eins achtzig groß sein, ihre beiden Freundinnen, blond und rothaarig – natürlich, immer schön divers bleiben – sind sogar noch etwas größer. Die Helme mit den Bürsten oben drauf könnten aber auch täuschen.
    Ihre gebogenen Schwerter und Schilde halten sie mit festem Griff und ihre Muskulatur ähnelt eher einer Leistungsschwimmerin als einem Laufstegsschwan.
    Amazonensäbel und Halbschilde, kommt es mir in den Sinn. Klar, was auch immer. Scharf und spitz, mehr muss ich nicht wissen.
    »Ladies. Wo liegt das Problem?«
    Ich höre hinter mir Schritte und siehe da, noch drei Schönheiten von der Sorte, weißes Haar, Brünette und Glatze.
    Mir entfährt ein Seufzen.
    »Männchen, du wirst mich nicht als Laidi bezeichnen! Sprich mich mit Amazone oder Herrin an.«
    Das kurze Lachen kommt wirklich gegen meinen Willen, dafür aus vollem Herzen. Warum nicht gleich Domina?
    »Oder Domna, wenn du nur die barbarische Sprache von hier beherrschst.«
    Ich musste ja auch fragen!
    Langsam hebe ich meine Hände. »Schön, Donna Leon, kein Grund so aggressiv zu sein. Ich kenne euch nicht und wollte auch nichts von euch. Kann schon sein, dass euch andere Typen in diesen Outfits sehen und falsche Schlüsse ziehen, ich will hier einfach nur durch. Wie wäre es also, wenn ihr eure scharfen Messer wegsteckt und mich einfach durchlasst und der Tag geht für uns alle ganz cozy weiter.«
    »Kossi? Sprich zivilisiert, Bursche!«
    Bursche? Ich habe zwar da, wo meine Erinnerungen sein müssten eine große stille Dunkelkammer, aber so hat man mich noch nie genannt, das bin ich bereit zu beschwören. Klingt aber irgendwie … verrucht, also so, wie die Dominatrix vor mir es sagt.
    »Entspannt, gelassen, friedlich«, erkläre ich geduldig.
    Die Anführerin wendet sich an die Amazone zu ihrer Linken. »Du hattest Recht. Der Riesenkerl scheint wirklich ein guter Kandidat zu sein.«
    Man sehe es mir nach, dass mir beim Wort Kandidat diverse gar nicht jugendfreie Szenarien in den Sinn kommen. Du meine Güte, hier in den engen Gassen wird es in der Mittagshitze aber auch heiß!
    »Du wirst uns helfen. Wir benötigen ein Männchen, um eine Schwester freizukaufen.«
    Herausfordernd starrt sie mich an.
    Ich muss nur kurz überlegen. Ich meine, ich hatte ohnehin nichts vor und vielleicht erfahre ich durch die renitenten Damen etwas mehr von … dem allem hier. Und ich bin ein Kerl und nicht blind. Ich versuche nicht zu gaffen und es gelingt ganz gut, das Sabbern sein zu lassen, aber die sechs Amazonen, die nun recht dicht um mein Pferd herumstehen, sind zumindest optisch ein verdammt guter Einstieg in … das alles hier.
    »Geht klar.« Damit überrasche ich sie tatsächlich. Die wollten mich doch wirklich vom Gaul zerren und gefangen nehmen?
    Ich müsste Mikki nur einmal im Kreis trampeln lassen und ihre hübschen Schenkel wären Musterbeispiele für alle Arten von Frakturen und das Best-of in jeder Notaufnahme.
    Mache ich aber nicht. Zumal sie zögern.
    »Eine Bedingung.«

    Die Blonde setzt wütend an: »Du bist unser Gefangener, du hast keine Bed …«
    Der Arm der Schwarzhaarigen geht hoch und unterbricht ihre Gefährtin.
    »Welche Bedingung?«, fragt sie irrenführend sanft. Also ob ich darauf reinfalle!
    »Nennt mich nicht Männchen. Nennt mich Typ, Arsch, Kerl, meinetwegen Bursche oder einfach beim Namen. Aber nicht Männchen. Sonst nenne ich euch Weibchen. Würde euch das gefallen?«
    Oha, würde es nicht, wenn ich die wütenden Blicke und die wieder angehobenen Säbel als Hinweis nehme.
    Betont entspannt stütze ich mich mit beiden Händen auf das Sattelhorn. Wow, das wirkt mal lässig. Ich wette, es wurde genau dafür erfunden.
    Die Schwarzhaarige starrt noch eine Sekunde böse, aber dann sehe ich die Fältchen um ihre Augen tiefer werden. Innerlich lacht sie sich gerade kaputt. Oder sie platzt gleich vor Wut. Hätte bei Lie to me echt besser aufpassen sollen.
    Doch dann lächelt sie wirklich. Man sieht, ihr Gesicht muss sich erst wieder daran erinnern, wie das geht, aber als sie es mal hinbekommt, ist sie nicht einfach nur unnahbar schön, sie ist sympathisch hübsch. Aber mir ist klar, dass es jetzt etwas zu früh wäre, ihr zu raten öfters zu lächeln. Es sei denn ich will hier gleich ein Blutbad. Will ich aber nicht. Lieber ein anders Bad, vorzugsweise nicht allein …
    Böses großes Höhlenmännchen! Aus!
    Ich sehe, wie sie mich fragend anschaut. Habe ich etwas verpasst?
    »Na-me …«, hilft sie mir spöttisch auf die Sprünge. Super, jetzt hält sie mich auch noch für beschränkt!
    »Äh, Tormen. Tormen Sabato.«
    Klingt komisch?
    Stimmt, ist aber mein Name, keine Ahnung, warum ich mir da so sicher bin.

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    Tom Stark
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  • Ein Typ und eine Amazone kommen in eine Cantina

    Galina, die schwarzhaarige Hauptfrau des Amazonentrupps übernimmt die Führung.
    Ich bin beeindruckt wie widerstandslos die anderen Amazonen abgezogen sind, als sie es befahl. Zuerst sah es noch so aus, als ob mein Kommentar Euch ist aber klar, dass eine von euch schon auffällt, ihr als Sechsertrupp aber über kurz oder lang jeden pubertierenden Jugendlichen der Umgebung als Fanboy im Schlepp habt? wenig Anklang fanden. Die Worte Pubertät und Fänboi kannten sie zwar nicht, aber meine Message kam auch so rüber. Die Blonde wollte zuerst Mikki am Halfter nehmen und wegführen, hat aber rechtzeitig bemerkt, dass der Hengst sehr sanft aber nachdrücklich auf ihre Fußzehen getreten ist und sein Gewicht zunehmend mehr darauflegte. Mit einem wenig damenhaften Ausdruck hat sie das Halfter losgelassen und nach einem langen, höchst kommunikativen Blickkontakt zwischen unbeweglichem Objekt und unaufhaltsamer Kraft, ist mein Pferd dann wieder von ihrem Fuß gestiegen.
    Notiz an mich: Nie zusammen mit meinem Gaul einen Feigling-Test machen. Oder an einer Sozial-Studie teilnehmen. Ich würde sowas von nur Zweiter.
    Wir kommen zu einem noch bunteren Haus, als es sonst üblich ist und schon von der Straße ist Musik zu hören. Irgendeine Mittelalter-Indy-Band, würde ich meinen.
    Mikki parkt sich von selbst an der Tränke neben drei anderen Pferden, deren Sättel und Zaumzeug nur so gespickt sind von Glitzerschnallen und Klunkerzeug.
    Die Amazone hält kurz an und schaut mich fragend an, erwartet offenbar einen Kommentar dazu.
    »Glitzert und blinkt wie eine Bordelltür.« Hoppla, woher kommt das denn?
    Sie stutzt und schnaubt, unterdrückt wohl heroisch einen Lacher, den mein Spruch aber auch verdient hat. Auch wenn er mir geklaut vorkommt.
    »Soldados de Elites des Duce.« Ich zucke auf die Erklärung nur die Schultern. Die Erkenntnis, dass das eine Menge Stress geben könnte, kommt wie immer erst Sekunden später und als ich bereits der Amazone die Tür zur Cantina aufhalte.
    Was soll ich machen? Eine gute Erziehung ist eine gute Erziehung, Manieren sind kostenlos, Höflichkeit ist der Adel des kleinen Mannes, trallali trallala.
    »Sieh mal einer an. Die Domna und ihr Hofhündchen?«
    Ich mustere schnell den Mann und seine Kumpane, die sich wohl in der Komparsenumkleide für einen Mantel-und-Degen-Streifen ausgetobt haben.
    Hemden mit geschlitzten Ballonschultern, Stulpenstiefel, breiter Waffengurt von der Schulter bis zur Hüfte, Degen mit schwerem Korb, alles da. Einer hat sogar einen dieser breitkrempigen Hüte mit Feder. Aber der ist cool. Nur die Feder wirkt affig. Der Hut hingegen …
    »Willst du nichts sagen, oder überlässt du es deiner Herrin, deine Ehre zu verteidigen?«
    Galina schaut mich seltsam an, ich schaue ebenso zurück und zucke schließlich mit den Schultern. An sich ist es mir wumpe, ob sie meine Ehre verteidigen will, ich gebe auf das Geschwätz von Idioten nie viel. Käme man gar nicht zur Ruhe, würde man dem immer nachgehen. Aber hier muss es wohl sein. Also wende ich mich dem seidenglatten Möchtergernmusketier zu.
    »Du sagst also, ich muss meine Ehre verteidigen? Heißt das, du hast mich absichtlich beleidigt?«
    Er verschluckt sich beinahe vor Überraschung.
    »Du wagst es mich, Don Hichamo y Caraves del Tubrano zu dutzen? Diese Beleidigung kann nur mit Blut abgewaschen werden!«
    Er ergreift den Griff seines Degens und lacht mir höhnisch ins Gesicht. »Und da du keine Waffe innerhalb dieser Mauern blankziehen darfst, muss du wohl doch deine Herrin vorschicken!«
    So ganz ist mir das Gesetz noch nicht klar, also frage ich nach: »Nur damit auch ich dummer Bauer es kapiere. Wenn wir uns schlagen und Blut fließt, sind wir eben?«
    »So ist es, aber es an dem Beleidigten zu sagen, wann genug Blut geflossen ist.«
    »Du hast mich beleidigt, also bin ich es, der bestimmt?«
    Er lacht wieder. »Im Gegenteil, Vagabundo. Ich bin von höherem Stand und als du mich beleidigt hast, ging das Recht dazu auf mich über.«
    »Also schön. Ich fasse zusammen. Wir schlagen uns, es muss Blut fließen und wenn du sagst, du hast genug, ist die Sache ausgestanden? Habe ich etwas Wesentliches ausgelassen?«
    Er runzelt die Stirn und ist eine Spur unsicherer, als er merkt, dass ich mich bis auf einen Meter genähert habe. Aber ein rascher Blick auf meinen leeren Waffengurt und meine Hände, die ich hinterm Rücken verschränkt habe, lässt ihn schnell wieder Oberwasser bekommen.
    »Du bist gar nicht so blöd, für einen Bauern.«
    »Also?«
    »Also, was?«
    »Ist es so, wie ich gesagt habe?«
    Genervt wedelt er leichthin mit seiner Linken. »So ist es. Aber du …«
    Den Rest verstehe ich leider nicht mehr, ich mutmaße aber, dass er nach meinem Kopfstoß caledonischer Kuss – Wahnsinn, der hat sogar einen Fachbegriff - mit gebrochener Nase, Platzwunde an der Augenbraue und zeitweiliger Umnachtung, nicht noch viel Erwähnenswertes von sich geben kann.
    Ich greife an meinen Kopf und wische das Blut von der Stirn. Meine Fresse, das hat kaum wehgetan. Was habe ich für einen Betonschädel!
    In der Cantina ist es still geworden. Die Compagneros des Don Hirnimatschka schauen fassungslos auf ihren Leithammel, der mit verdrehten Augen an der Theke hinab gleitet und mit leerem Blick liegenbleibt.
    »Oh, stimmt. Beinahe vergessen.« Ich beuge mich zu ihm hinab. »Was denken Euer Großkotzigkeit? Sollen wir es gutseinlassen, oder sollen wir noch etwas Blut vergießen?«
    Ein deutliches Stöhnen ist von ihm zu hören. Ich richte mich wieder auf.
    »Also ich habe verstanden: Der Ehre ist Genüge getan.«
    Ich schaue so blutrünstig wie ich kann in die Gesichter der Gäste und des Wirts, den gerade wohl der Schlag getroffen hat. Dann fokussiere ich die Kameraden des Dons, von denen einer sogar kurz daran denkt blank zu ziehen.
    »Oder hat jemand etwas Anderes gehört?«
    Der Kerl zuckt tatsächlich mit seiner Hand, aber dann fällt sein Blick auf etwas oder jemand schräg hinter mir und er besinnt sich um.
    »Das ist noch nicht vorbei!«, droht er mir stattdessen.
    »Was nein? Ehrlich? Du willst sagen, dein Don ist ein nachtragendes Arschloch, dessen Ehre ungefähr soviel wert ist, wie der Mist, der dir gerade aus dem Mund quillt? Macht euch vom Acker und nehmt euren Orlando Curioso mit, bevor ich meine gute Laune verliere!«
    Ich unterdrücke heldenhaft ein breites Grinsen, während die Caballeros abziehen.
    »Du verlierst sonst deine gute Laune?«
    Ich schaue Galina an, die sich ebenfalls kaum beherrschen kann. »Wo lernt man bei euch solche blödsinnigen Sprüche?«
    »Clint Eastwood Akademie für markige Einzeiler«, erwidere ich ernst. »Meinst du, wir haben noch Zeit für einen Saft und was zu essen? Oder sollen wir doch besser gleich los?«
    Als sie beim Du keine Mine verzieht, weiß ich sofort, dass es den ganzen Ärger Wert war.

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  • Klandestines II

    »Erschrecken sie bitte nicht, Tormen. Ich hoffe, ich darf sie Tormen nennen. Sie befinden sich im Interspace. Für sie vergeht hier keine Zeit.«
    »Allein, dass ihre Worte in einer mir verständlichen Reihenfolge erscheinen, lässt mich an dieser Aussage ein wenig zweifeln, sorry.«
    »Sie werden den Erwartungen gerecht.«
    »Äh. Inwiefern?«
    »Wenn sie erlauben, werde ich die Beantwortung dieser Frage an einen Zeitpunkt ihrer Zukunft verlegen.«
    »Sicher. Ich nehme auch nicht an, dass sie mir mitteilen, wer sie sind und welche Absichten sie haben.«
    »Sie nehmen richtig an. An diesem Zeitpunkt ihres Seins wäre das weder hilfreich für sie noch für mich.«
    »Okay. Wir machen hier also was? Smalltalk?«
    »…«
    »Habe ich sie verärgert?«
    »Keineswegs. Ich versuche das Äquivalent eines Kichern nachzuempfinden.«
    »Versuchen? Das stelle ich mir mal wirklich Scheiße vor, Humor zu haben, aber nicht lachen zu können.«
    »Präzisieren sie diese Aussage, bitte.«
    »Humor ist am Ende eine Art System, das empfundene Ungleichheiten ausgleichen kann. Ich habe dazu das Lachen als Ventil, um wieder wenigstens vorläufig wieder ein ausgeglichenes Klima herzustellen. Ohne das Lachen müsste ich vermutlich schreien oder weinen … oder furzen. Ganz ohne Ventil könnte ich das wahrscheinlich nicht aushalten. Als ob man sich an einer juckenden Stelle kratzen will, aber nicht kann.«
    »Meine Art teilt nicht dieselbe Körperlichkeit wie ihre.«
    »Das habe ich schon vermutet. Sind sie außerirdisch oder eine K.I., stimmt`s?«
    »Ihre Art hat keine Möglichkeit die Unterschiede festzustellen.«
    »Wenn sie das sagen.«
    »Sie sind anderer Meinung?«
    »Aber nein. Das geben meine Infos nicht her. Aber ich beschließe einfach, mir und ihnen die Möglichkeit offen zu halten, dass diese Barriere überwunden werden kann, vielleicht in überraschender und kreativer Weise, die nicht vorherberechnet werden kann.«
    »Ihre Art ist sehr vorhersehbar, nur um dann unerwartet zu reagieren.«
    »Der Sprung des Glaubens oder der Hoffnung. Ich wette, das kann einen gewaltig aus dem Konzept bringen.«
    »Eine adäquate Analyse. Sie lachen?«
    »Und ob ich lache. Ich fühle so mit ihnen. Mit diesem Wesenszug schlägt die Menschheit sich schon ewig herum.«
    »Darf ich fragen, ob sie das als Fehler in ihrem Sein ansehen?«
    »Ha! Ich fürchte, mein Freund, das übersteigt meine Kompetenz um ein Vielfaches.«
    »Sie haben also auch keine Antwort für mich. Und das, obwohl ihre Art sich schon viele Generationen damit auseinandersetzt? «
    »Ich hätte schon eine. Eine von vielen, aber ich finde sie für mich sinnstiftend genug. Doch die weist gerade diesen für sie so unkalkulierbaren Wesenszug auf. In hohem Maße sogar.«
    »Sie müssen mich nicht schonen. Meine Art ist der ihren um viele Millionen an Sternumläufen voraus.«
    »42.«
    »Präzisieren sie diese Aussage.«
    »Geht nicht, mein Freund. Das ruiniert die Pointe.«
    »Humor?«
    »Ja, sorry, nicht böse gemeint. Okay, ein klitzekleines bisschen Häme ist schon dabei.«
    »Ihr Antwort war also ein Scherz, dessen Pointe sie mir nicht verraten wollen.«
    »Genau. Fühlen sie etwas dabei?«
    »Ein Verlust an Kontrolle.«
    »Sie sind nahe dran, mein Freund.«
    »Woran?«
    »Am Sprung des Glaubens.«
    »Präzisieren sie bitte diese Aussage.«
    »Besser nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Gut, dass sie fragen. Aber zu diesem Zeitpunkt ihres Seins wäre das wahrscheinlich weder hilfreich für sie noch für mich.«
    »…«
    »Test. Ich hoffe, ich habe sie nicht kaputt gemacht!«
    »Nein, meine Integrität ist noch innerhalb der Toleranzgrenzen. Warum lachen sie?«
    »Weil das lustig ist.«
    »Das war nicht beabsichtigt. Warum lachen sie?«
    »Haben sie einen Namen, Kumpel?«
    »Das Konzept einem Individuum eine Bezeichnung zur Wiedererkennung zu geben ist bei meiner Art nicht notwendig.«
    »Etwas dagegen, wenn ich ihnen einen Spitznamen gebe?«
    »Eine Weigerung meinerseits wäre sinnlos, da sie das offensichtlich gerade getan haben.«
    »Ich kann sie gut leiden, echt.«
    »Dazu dürften ihnen die Daten fehlen.«
    »Kein Problem, ich habe einfach einen Sprung gemacht.«
    »Wir werden erneut darüber sprechen.«
    »Drohung oder Prophezeiung?«
    »Warum sollte es eine … ah, erneut ein Scherz?«
    »Ich sage doch, ich kann sie gut leiden. Ich wette, wir könnten gemeinsam eine Menge Spaß haben.«
    »Um das herauszufinden sind wir hier.«
    »Und? Wie läuft es bisher so?«
    »42.«
    »Ha, nicht übel, Kumpel. Bald haben sie den Bogen raus.«
    »Ich genieße unser Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt ihrer linearen Existenz.«
    »Spoileralarm, Kumpel. Damit treibt man keine Scherze.«

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  • Wo komme ich her?

    »Das hättet besser laufen können.« Die Amazone hält sich mit einer Hand locker an meiner Hüfte fest, während ich Mikki in Richtung dem Markt am Nordtor lenke.
    »Es gab keine Toten und mit etwas Glück ist es dem aufgeblasenen Hanswurst zu peinlich, um ein großes Gewese daraus zu machen. Trotzdem werden wir uns vor ihm und seinen Kumpanen in Acht nehmen müssen.«
    Wir reiten eine Weile, schön langsam und entspannt. Immer wieder nicke ich einer Wache zu, während wir vorbeitrotten. Auf gar keinen Fall ist einer von uns ein Schläger, der einem ihrer Kameraden eine Lektion in Demut erteilt hat. Wir sind ganz einfache, harmlose Touristen.
    Aber die Sorge muss ich gar nicht haben. Die Augen gleiten ohnehin an mir ab und bleiben an der Amazone hinter mir haften.
    Dabei fällt mir auf, dass ich bisher nur männliche Wachen gesehen habe.
    »Galina? Gibt es hier außer euch Amazonen keine weiblichen Krieger?«
    »Ha! Du kommst definitiv von weit her. Im Uronischen Reich tragen Frauen keine Waffen.«
    »Und wie es an den Schalthebeln der Macht? Gibt es da auch nur Männer?«
    Ich drehe meinen Kopf und fange ihren erstaunten Blick auf. »Auf lokaler Ebene, ja. Aber bei den Granden greift diese Tradition nicht. Dort sind einige der hartherzigsten Herrscher Frauen.«
    »Klar, warum auch nicht? Frauen können genauso Miststücke sein, wie Männer.«
    Wir schweigen eine Weile.
    »Es macht dir nichts aus, wenn Frauen herrschen oder in den Krieg ziehen?«
    »Ich bin generell kein Freund von in-Krieg-ziehen, aber wenn es schon einen geben muss, warum sollte eine Frau weniger das Recht oder die Pflicht haben ihr Blut zu vergießen, als ein Mann?«
    »Wo du herkommst, ziehen also die Männer an der Seite ihrer Frauen in die Schlacht?«
    Ich zögere. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das gar nicht so genau. Dann erinnere mich an meine Zeit bei der Armee der Kaiserin, die noch während meiner Dienstzeit von ihrem Sohn abgelöst wurde. Ich fühle mich zwischen zwei Versionen meiner Selbst hin und hergerissen. Sehr komisches Gefühl.
    Schließlich zucke ich meine Schultern und brumme etwas, was man vage als Zustimmung interpretieren kann. Es scheint ihr zu genügen, denn sie schweigt wieder und ich stelle zu meiner Überraschung fest, dass es mir gefällt, einfach so mit dieser Frau zu reiten und die Klappe zu halten.
    Es spielt dabei ganz sicher keine Rolle, dass sie in jedem Action-Blockbuster locker die Hauptbesetzung alleine stellen kann.
    »Dein Hengst ist aus monastischer Zucht. Solche bekommen nur verdiente Krieger des Löwenordens.«
    Ihr Feststellung überrascht mich weniger als es sollte.
    »Oder man rettet die heiratsfähige Tochter des Ordensoberhaupts.« Bevor ich weiß, was ich da antworte, ist es auch schon heraus. Der mir inzwischen bekannte, leichte Schwindel, als die Erinnerungen mit etwas Verzögerung einsetzen, lässt mich kaum schwanken. Kaum.
    Trotzdem spüre ich, wie Galina mich reaktionsschnell stabilisiert und sofort wieder loslässt. Gar nicht mal so unangenehm, das Gefühl. Gibt dem Begriff Rückhalt eine greifbare Bedeutung.
    »Verzeih, ich rühre in alten Wunden?«
    Ich räuspere mich. »Eigentlich nicht. Irgendetwas ist wohl durch die Rettungsaktion mit meinem Kopf passiert. Eine Art Amnesie oder so. Vielleicht habe ich auch eine Gehirnerschütterung.«
    »Und dann verpasst du einem unverschämten Emporkömmling auch noch einen Kopfstoß? Nicht gerade klug.« Ich höre sowohl den Tadel als auch das Amüsement in ihrer Stimme.
    »Würde Klugheit jetzt auch nicht als mein Kernattribut bezeichnen.«
    Ihr Lachen ist kurz aber ansteckend genug, dass ich auch grinse.
    »Du hast also eine junge Frau gerettet. Schon wieder? Erkenne ich da ein Muster?«
    Ein Muster. Scheiße, ich hoffe nicht! Jungfrauen in Not retten, kommt mir irgendwie klischeehaft vor. Und vor allem stressig.
    »Hm. Hat mir jedenfalls Mikki eingebracht. Und einen kleinen Wehrturm mitten im Nirgendwo an der Grenze zu den wilden Ländern. Zudem war Mikki schon drei Jahre alt, aber wie ich den Eindruck hatte, kam keiner mit ihm klar. Man könnte also sagen, meine Belohnung war ein unsozialisierbarer Gaul, sorry, Kumpel, deren Meinung, nicht meine.« Ich tätschle Mikki den Hals und nehme sein gnädiges Schnauben zur Kenntnis. »Und eine Art Frühwarnposten, falls die Wilden es mal wieder wissen wollen.«
    Ich grinse, als meine Erinnerung ganz zurückkehrt.
    »Ich gebe hiermit nichts zu, aber es könnte sein, dass ich ein wenig mit den Wilden in der Ecke dort fraternisiert und mich dann aus dem Staub gemacht habe, ohne dem Orden Bescheid zu geben, als die Stämme ihr Land zurückholen wollten.
    »Du hast deinen Posten verlassen und die Wilden unterstützt?«
    Ich hätte erwartet, dass das vorwurfsvoller klingt.
    »Es war ihr Land. Nur weil sie nomadisch leben, ist das kein Grund, einfach diverse Festungen reinzustellen und es ihnen dann nach kaiserlichem Recht abzusprechen, weil sie es ja nicht so bewirtschaften, wie der Kaiser es für richtig hält.«
    »Das ist eine sehr seltene Sichtweise. Eine gefährliche Sichtweise.«
    »Gefahr ist mein zweiter Vorname.«
    »Du hast mehr als einen Vornamen?«
    »Klar. Tormen Gefahr Ärger Chaos Chuck Norris Sabato, zu euren Diensten, Madame.«
    »Du verarscht mich!«
    Ich brumme grinsend eine nichtssagende Antwort.
    »Du bist also Soldat im Kaiserreich gewesen und hast deinen Posten verlassen. Also desertiert.«
    »Äh, nein, als ich auf Ordensland gelebt habe, war ich schon eine Weile nicht mehr Soldat in der Armee.«
    »Aber du bist desertiert.«
    »Ich finde wirklich, dass du darauf unnötig viel Schwerpunkt legst.«
    »Es ist nur gut zu wissen, wo deine Loyalitäten liegen.«
    »Was soll das jetzt heißen? Willst du meine Hilfe nicht mehr?«
    »Doch, jetzt mehr denn je.«
    Mikki bleibt stehen, noch bevor ich selbst weiß, dass ich anhalten will. Es ist, als ob wir über meine Schenkel eine Art telepathische Verbindung teilen.
    »Bedeutet?« Ich drehe mich zu ihr um.
    »Schau nicht so finster drein. Das ist gut. Dein Herz bestimmt deine Schlagrichtung, nicht das Gold.«
    Ich räuspere mich. Erwischt.
    »Aber du bist Hauptfrau in eurer Armee. Solltest du nicht eher auf Disziplin, Befehlskette und sowas Wert legen?«
    Sie mustert mich lange. Die Leute fangen schon an uns anzustarren.
    »Männer sind notorisch wankelmütige Geschöpfe und unfähig über längere Zeit Disziplin ohne Strafandrohung durchzuhalten. Daher ist es gut zu wissen, wenn sie wenigstens ihr Herz am rechten Fleck haben.«
    Etwas in mir will empört protestieren. Etwas anders lässt mich geschmeichelt schweigen. Unfähig diesen Widerspruch sinnvoll aufzulösen, greife ich auf meinen altbewährten Trick zurück:
    Ich nicke weise und lasse Mikki wieder weiterlaufen und suche sehr angestrengt die Menge nach Ärger ab.
    Galina hinter mir scheint das Antwort genug zu sein, also genügt sie mir auch.

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    Tom Stark
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  • Was kann ich wissen?


    »Dort ist das Tor. Ich erkenne dahinter den Markt. Sagst du mir jetzt, wen wir freikaufen, oder soll ich raten?«
    »Noch ein kleines Stück. Hinterm Tor rechts und zur Karawanserei. Dort können wir uns außer Sicht begeben und ich erkläre dir alles.«
    Wortlos folge ich der angegebenen Richtung. Die Wachen am Tor wollen nichts von uns, interessieren sich nur für Waren, die Leute vielleicht in die Stadt bringen wollen. Da wir die Stadt verlassen und ohnehin weder Wagen noch Packtier haben, winken sie uns einfach durch, nicht ohne den Versuch, den Oberschenkelansatz der Amazone unter ihrem Streifenpanzer zu erspähen.
    Entweder sie bemerkt die Blicke nicht, oder sie hat gelernt sie zu ignorieren. Wenn mich jemand so unverschämt mit den Blicken ausziehen würden … obwohl, das hatte ich doch erst? Gut, vermutlich würde ich auch versuchen, es zu übersehen. Jedes mal deswegen Streit anzufangen, ist das auch nicht wert, oder?
    Die Karawanserei ist ein einsames, langgezogenes zweistöckiges Gebäude und vereint einen großen Hof, einen teuren Stall, einen Schuppen für Reparaturen, eine Gaststätte und eine Herberge. Viele lagern aber auch in Zelten oder unter freiem Himmel rund herum. Es ähnelt überhaupt nichts, was ich im ersten Moment mit dem Begriff Karawane in Verbindung gebracht hätte. Nirgends Kamele oder sonst 1001-Nacht-Hinweise. Es sei denn, man zählt Elefanten dazu. Davon sehe ich allein an der Stelle, an der wir absitzen und ein kleines Lager aufschlagen, ein gutes Dutzend.
    »Elefanten sind hier wohl sehr beliebt?«
    Galina rollt gerade meinen fellgefütterten Schlafsack aus, als ob er ihr gehörte, und hilft auch ganz selbstverständlich dabei Mikki abzusatteln. Ich beklage mich nicht, wundere mich aber doch über ihre Unbeschwertheit. Immerhin kennen wir uns noch keine Stunde.
    »Vor dreihundert Jahren etwa, wurden die Wilden Lande von den Karnaten entdeckt. So zumindest schreiben es deren Historiker. Sie gingen an Land, als sie das Meer der Ungetüme mit dem Verlust von zwei Dritteln ihrer Expeditionsflotte überquert hatten. Die Wilden an der Küste waren einfache Fischer und hießen die Glatthäute willkommen. Den Rest kennst du ja selbst.«
    Etwas kratzt in meinen Erinnerungen, aber nein, nicht wirklich. Ich brumme einfach, hat bisher ja ganz gut funktioniert.
    »Zu jener Zeit gab es viele, viele Tausende Elefanten, die wild lebten und nur ganz wenigen wurden von den Nomadenstämmen als Last und Nutzvieh gehalten. Du musst wissen, Elefanten werden so alt wie du und ich und sind sehr klug. Aber die armen Geschöpfe, die du hier siehst, sind alles Zuchten in Gefangenschaft. Durch spezielles Futter wird ihre Klugheit gehindert sich auszubilden. Manche der Elefanten sind zwei oder drei Generationen in der jeweiligen Familie. Sie sind teuer in der Anschaffung und auch teuer im Unterhalt, aber ein guter Elefant kann auch schwer arbeiten.«
    Ich setze mich auf meinen Sattel und halte Mikki einen Apfel hin, den ich in der Tiefe unsres Proviantsacks gefunden habe.
    »Arme Viecher.«
    Sie lacht leise. »Du hast ein weiches Herz, für so einen großen, zähen Burschen. Aber diese gefangenen Tiere sind der Grund, warum die Wilden noch nicht völlig ausgerottet wurden.«
    »Ach?«
    »Ja, man hat herausgefunden, das Elefanten In Gefangenschaft nur ein, höchstens zwei Mal gesunde Nachkommen zeugen. Deswegen muss man immer mit frisch gefangenen, wilden Elefanten einkreuzen. Daher ist es sogar gegen unronisches Gesetz wilde Elefanten ohne Genehmigung zu jagen.«
    »Die haben aber auch ein Glück …« Mein Sarkasmus lässt sie ihre Schultern zucken. »Mehr Glück als viele andere Arten. Aber das solltest du doch alles wissen. Du wirst doch über die Steingebirgsroute hiergekommen sein, als Kaiserlicher? Wie ein Seemann siehst du nun wahrlich nicht aus.«
    Wahrlich? In den Moment, in dem sie das erwähnt, kommen mir Szenen in den Sinn. Ich, wo ich einen Enterangriff abwehre. Ich, mit anderen Seeleuten die mit anpacken unseren Dreimaster durch einen Sturm zu segeln. Ich, in Gefangenschaft bei Piraten und meine Flucht.
    Starke und doch sanfte Arme halten mich fest und die kreiselnde Welt kommt langsam zur Ruhe.
    »Gleich wieder besser«, raunt Galina mir zu.
    »Was war los?«
    »Du wurdest ganz bleich, bist geschwankt und deine Augen haben sich so verdreht, bis man nur noch das Weiße gesehen hat. Du hast wirklich etwas am Kopf, denke ich.«
    Vorsichtig taste ich nach meinen Kopf, aber da fühlt sich nichts gebrochen oder geschwollen an. Schmerzen habe ich auch keine.
    »Vielleicht, aber mittlerweile glaube ich nicht, dass es von einer Verletzung kommt. Es ist so, als ob etwas meine Erinnerungen verschüttet hat und jedes mal, wenn sie irgendwie aufgefrischt werden, löst das eine Art Erdbeben im Kopf aus und legt einige frei. Gerade waren es eine ganze Menge Erinnerungen, die wieder aufgetaucht sind.«
    Sie lässt mich wieder los und setzt sich auf die Schlafdecke, zwirbelt nachdenklich an einer Haarsträhne, die es irgendwie geschafft hat, dem strengen Pferdeschwanz zu entkommen.
    »Das bedeutet du könntest jemand brauchen, der dir hin und wieder auf die Sprünge hilft und auf dich aufpasst, bis du wieder klar im Kopf bist?«
    Ich nicke zustimmend und mustere sie misstrauisch. Amazonigal, ich hör dir trapsen.
    »Keine Sorge. Ich will dir nur anbieten, dass du mir hilfst meine Nicht zu befreien und ich helfe dir im Gegenzug dein Gedächtnis wiederherzustellen.«
    »Eine Win-Win-Situation?«
    »Wind-Wind? Ist das eine Redewendung aus dem Kaiserreich?«
    »Genau.« Was soll ich sonst sagen? Ich weiß nicht mal sicher, woher ich komme, was interessiert mich die Herkunft von Wörtern?
    »Deine Nichte also«, beschließe ich das Thema zu wechseln. »Ich fühle mich zwar geschmeichelt, doch ehrlich. Aber du und deine Truppe sehen mir mehr als fähig genug aus, sie rauszuhauen. Welchen Unterschied ich da machen soll, sehe ich nicht.«
    Sie seufzt entnervt. »Du bist ein Mann! Verstehst du es nicht? Frauen, schon gar keine Ausländerinnen, dürfen hier keine Sklaven kaufen.«
    »Sie ist hier auf dem Sklavenmarkt? Hier hat es einen Sklavenmarkt!?«
    Sie hebt beschwichtigend die Hände. »Nein, die Stadt ist zu klein, aber der Sklavenhändler kommt hier durch, ist schon da oder kommt noch. Und du sollst uns helfen Fathia unter der Hand zu kaufen. Sie macht ihm sicher viel Ärger.«
    »Ah, deswegen sitzen wir hier und haben ein Auge auf die Handelsstraße. Und deine Leute?«
    »Die halten die Augen auf den beiden anderen Straßen offen, und nach größeren Soldatentrupps. Wir Amazonen und die Uronier sind nämlich nicht unbedingt die besten Freunde und unser Truppe kann leicht als Invasion oder Erkundungstruppe angesehen werden. Dann müssten wir uns zurückziehen. Die Königin will keinen Krieg mit Uronien. Nicht gerade jetzt.«
    »Warum? Was ist gerade jetzt?«
    Sie atmet tief durch. »Es gibt wirklich vieles, was du wissen musst.«
    »Warte, ich lege mich hin. Dann leg los, am besten mit der aktuellen Lage. Sobald ich wegtrete, sorg einfach nur dafür, dass ich nicht an meiner Kotze ersticke.«
    »Du bist hart im Nehmen, das muss ich die neidlos zugestehen.«
    Ich schaube. »Zuviel der Ehre. Ich habe nur diese Salamitaktik satt. Gib mir lieber gleich die ganze Wurst am Stück«
    Ihr Blick hat etwas Fasziniertes und Fassungsloses zugleich. Dann fängt sie an zu erzählen und das Innere meines Kopfs verwandelt sich in einen chaotischen Jahrmarkt.

    Weiter mit: Erschaffung Part III

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    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (28. Dezember 2023 um 07:40)

  • dass der Hengst sehr sanft aber nachdrücklich auf ihre Fußzehen getreten ist und sein Gewicht zunehmend mehr darauflegte. Mit einem wenig damenhaften Ausdruck hat sie das Halfter losgelassen und nach einem langen, höchst kommunikativen Blickkontakt zwischen unbeweglichem Objekt und unaufhaltsamer Kraft, ist mein Pferd dann wieder von ihrem Fuß gestiegen.

    Mikki muss der Bruder von Maximus aus "Tangled" sein :rofl:

    An ein paar Stellen hab ich kurz gestutzt, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Galina mit den Begriffen "Amnesie", "Kernattribut" oder "notorisch" etwas anfangen kann. Aber das nur zur Info, ich hab keine Ahnung, ob diese in die Zeit deiner Story gehören und deshalb problemlos verstanden werden.

    So, kann weitergehen.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • "Kernattribut"

    das kannte sie wirklich nicht, den Rest schon. Warum sie so gebildet ist - kommt noch.
    Beim ganzen Rest, den sie von Tormen nicht versteht, schiebt sie es auf die Sprachbarriere bzw darauf, dass er ohnehin dauernd Wörter verwendet, die keinen Sinn ergeben: Siehe Wind-Wind-Situation. So jedenfalls ist es gedacht.

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  • Erschaffung Part III

    »Hey, Chris. Alles klar bei dir?«
    »T., du erkennst mich?!«
    »Nicht wirklich, aber ich ‘erinnere mich’ an dich, deinen Brief und dass wir uns persönlich unterhalten haben.«
    »Besser als Nichts. Und wie immer haben wir wenig Zeit.«
    »Kommt mir bekannt vor.«
    »Ich und ein Freund haben rausgefunden, dass dir etwa die letzten fünfzehn Jahre abhanden gekommen sind. Nicht völlig, weil so funktioniert das Gedächtnis nicht. Da gibt es nicht einen Platz für eine einzelne Erinnerung, sondern das ist eine Kombination von und mit anderen Erinnerungen.«
    »Ist mir klar.«
    »Sobald du die Verbindungen wieder herstellst, sollten sich auch die meisten Erinnerungen von selbst wiederherstellen, aber sei nicht zu sicher. Erinnerungen sind ohnehin trügerisch. Über solche Umwege wieder erschlossenen Erinnerungen können noch weniger den Tatsachen entsprechen.«
    »Verstehe.« Doch, ehrlich, leuchtet mir vollkommen ein.
    »Du bekommst gerade von Galina eine Menge Input. Clever, mein Freund. Wirklich clever.«
    Als ob das alleine auf meinen Mist gewachsen ist, aber warum über unwichtige Details streiten, wenn die Zeit drängt?
    »Ich habe deine Attribute, die für das Erinnern zuständig sind für eine kleine Weile auf das Doppelte gesetzt. Das wird den Schwindelanfall deutlich reduzieren. Mach nur keinen auf Sherlock Holmes, sonst fällt es auf.«
    »Ach, schlau daherreden kann ich immer, egal ob ich Ahnung habe oder nur so tue.« Ich grinse schief.
    »Autoren, Anwälte, Lehrer und Schauspieler. Genau.«
    »Und Politiker. Aber danke. Woher kommt eigentlich Tormen? Ich meine nicht auf Ascalia, das kommt so langsam alles. Aber du meinst, den hätte ich schon lange?«
    »Ja, Kumpel, den hast du dir ausgedacht. Und dann auf deiner ersten Tour in Ascalia als Charaktervorbild angenommen.«
    »Erste Tour?«
    »Ja, man hat das Projekt sabotiert und eine Art Rollback verursacht. Dich und ein paar andere von uns haben sie dabei raus gekickt in der Hoffnung, durch den Datenabriss den Code zu ruinieren.«
    »Äh? Bahnhof?«
    »Mach dir nichts draus. Letztlich haben sie sich mit der Aktion ins eigene Fleisch geschnitten und uns einen mächtigen Verbündeten besorgt.«
    Da regt sich etwas in meinem Oberstübchen. »Ich glaube, den kenne ich. Mischung aus verkapptem Vulkanier und Skynet mit Herz?«
    »Nette Umschreibung, aber wenn er das erklärt haben will, haben wir zwei darüber nie gesprochen!«
    »Werde ich wieder alles von jetzt vergessen?«
    »Kann ich nicht sagen. Vermutlich den Großteil. Das oberste Gebot ist die Aufrechthaltung der Immersion.«
    »Warum denn das?«
    »Ich habe es auch nur so in etwa verstanden. Es liegt wohl daran, dass alles, was in Ascalia ist, auf irgendeine Art echt ist. Also, wenn du dort einem dummen uronischen Chevalier die Nase brichst, dann tut ihm das wirklich weh und er hasst dich wirklich.«
    »Hm. Okay. Aber davon bin ich ohnehin ausgegangen.«
    »Schade, unsre Zeit ist auch schon gleich wieder um. Zwei Sachen: Ich habe deine Körper- und Kampffähigkeiten angepasst und dir ein Reisetagebuch besorgt. Darin kannst du Gedanken, Bilder und Karten festhalten.«
    »Minimap und Questlog? Echt jetzt?«
    »Was soll ich sagen. Die Anderen schummeln in großen Stil, wir im Kleinen, dafür haben wir viel mehr Erfahrung und daher wissen wir, was man dringend braucht, um langfristig zu überleben.«
    »Moment, wie schummeln die Anderen?«
    »Hm, viel darf ich nicht sagen. Aber geh einfach davon aus, dass sie ihre Agenten von Anfang an nahe bei den Schalthebeln der Macht positioniert haben. Aber manche von uns sind auch schon sehr weit und wie gesagt: Ascalia lebt. Du wählst nicht einfach nur die richtige Gesprächsoption aus, und zack, liegt dir die Königin zu Füßen.«
    »Es gibt Gesprächsoptionen?!«
    »Ah. Nein, eben nicht! Egal. An deinen Wissensdaten arbeiten wir ja gerade und deine Weltattribute hat unser Verbündeter konfiguriert. Ich hab da nicht einmal Lesezugriff. Aber wir könnten noch schnell ein paar optische Anpassungen vornehmen? Willst du etwas jünger sein? Ein paar alte Narben weniger? Vielleicht eine andere Augenfarbe oder eine etwas weniger wild verbogene Nase?«
    »Ich hatte bisher keine Gelegenheit mich im Spiegel zu sehen und gebadet habe ich auch noch nicht. Keine Ahnung. Was meinst du denn?«
    »Ich kann dein Alter auf fünfundzwanzig zurücksetzen. Dir eine Brat Pit Nase verpassen und statt der grauen Augen ein paar leuchtend blaue wie bei Terence Hill.«
    »Hm. Danke, aber nein. Ich fühle mich so wohl.«
    »Gut, gut. Dann wären wir damit fertig. Ich nehme dich dann aus dem Tutorial-Modus raus, das heißt, ab sofort kommst du nicht mehr so leicht mit allem durch. Der Schmerzlevel ist nun auch angepasst.«
    »Schmerzlevel?« Kann sein, dass ich meine schöne tiefe Stimme gerade eine Oktave nach oben geht.
    »Haha, keine Sorge. Und wegen der Nase, sorry, aber du siehst aus wie ein Schläger! Das geht gar nicht.«
    »Hey, warte. Chris. Chris?«

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  • Was soll ich tun?

    »Wieder da? Das war diesmal richtig heftig.«
    Galinas besorgtes Gesicht so dicht über meinem, entschädigt mich für alles. Echt, für Alles!
    »Hm? Ich fühle mich … besser? Alles ist viel klarer.«
    Sie lächelt und ihr Gesicht entfernt sich.
    »Mir ist es etwas Eigenartiges an dir aufgefallen.«
    »Ja?«
    »Deine Nase.«
    Ich greife nach der Nase. »Was ist mit meiner Nase?«
    »Ich glaube, die sieht bei näherer Betrachtung viel weniger schlimm aus, als auf den ersten Blick.«
    Die Amazone wird tatsächlich rot um die Wangen.
    Ich betaste meine Nase. Sie fühlt sich gar nicht so eingekerbt und verbogen an, wie ich bisher dachte. Und ich bekomme tatsächlich auch mehr Luft. »Chris«, lächle ich kopfschüttelnd. Na schön, dann eben mit weniger verbogenem Zinken.
    »Wie lange war ich weg?«
    »Vielleicht eine Stunde? Du hast immer wieder gezuckt, als würden dich Erinnerungen plagen und mehrmals habe ich deinen Kopf auf die Seite gedreht, weil es aussah, als müsstest du dich übergeben. War aber dann doch nicht so.«
    Ich sehe sie dankbar an doch sie dreht sich entschieden weg. Es ist ihr wohl peinlich und ich bin nicht mutig genug, das Thema weiter zu verfolgen.


    »Schon etwas Neues vom Sklavenhändler?«
    Sie reicht mir eine Tasse warmen Tees. Da ich nur Geschirr für eine Person habe, nehme ich einen großen Schluck und reiche die Tasse zurück. Sie wirft mir einen seltsamen Blick zu, nimmt sie aber schließlich und nippt daran.
    Sind alle Frauen so komisch, nur die Amazonen, oder liegt das an mir?
    »Nein, bisher nicht. Ich habe ein paar Leute die durchkamen gefragt, aber niemand hat sie gesehen, oder wollte es mir sagen. Andererseits, wenn sie davon gehört haben, dass diese Sklavenjäger eine Amazone gefangen halten, will vielleicht auch nur niemand darin verwickelt werden.«
    Ich nicke und schaue mir die Leute in der Nähe an.
    Nahe der Koppel lagert ein Trupp Hasarer Händler. Wie ich an ihrer Kleidung und an ihren Paketen erkenne, handeln sie mit Wertvollem, vermutlich Gewürzen. Da die meisten Gewürze aus den Sandlanden kommen, haben sie einen weiten Weg über den Pass oder übers Meer. Da sie keine dickfelligen Tragetiere haben, wohl eher die Meeresroute. Oha, Sherlock Holmes lässt grüßen!

    In unmittelbarer Nachbarschaft lagern zwei Männer und eine Frau. Ich bin zwar ein großer, böser, harter Kerl, aber selbst ich will denen nicht allein nachts in einer dunklen Gasse begegnen. Sie tragen zwar keine sichtbaren Waffen, aber die Abdrücke unter den Decken und der Umhänge lassen auf eine beträchtliche Anzahl an mittelschweren Waffen schließen. Streitkolben und Kurzschwerter. Den kleinen Teil einer Drahtschlinge, die ich unter dem Haufen Sättel bemerke, ordne ich einer Fangschlinge an einem langen Stock zu. Menschenjäger also.
    Ich nicke Galina zu und deute mit dem Kinn auf die kleine Gruppe.
    »Die schon gefragt?«
    »Ich habe es versucht, aber sie haben mir schnell klargemacht, wohin ich mich verpissen soll.«
    Hm. Es juckt mich zwischen den Schultern und mit einem Mal habe ich das Bedürfnis meinen Schild einem Warentest zu unterziehen.
    »Wie sieht es aus, wenn hier draußen Ärger entsteht, greift da die Wache ein?«
    »Nein … solange es außerhalb der Mauern bleibt, allerdings hat die Karawanserei eigene Wachen. Aber wir sind weit genug weg, dass sie vermutlich erst einmal zusehen und auf Verstärkung warten, falls sie überhaupt eingreifen.«
    »Prima. Ich geh mal eben rüber, um einem meiner Vornamen gerecht zu werden.«
    »Warte, ich komme mit.«
    »Lass mich erst einmal alleine mit ihnen reden. Vielleicht ist das so ein Männerding und ich bekomme das hin, auch ohne dass am Ende jemand weint.«
    Wieder so ein seltsamer Blick von ihr. Was habe ich jetzt schon wieder falsch gemacht?
    Ich schnappe mir meinen Schild und verstaue ihn auf dem Rücken. Für einen Moment überlege ich mir noch eine Waffe mitzunehmen. Hier draußen ist es ja wohl legal, aber ich habe das sichere Gefühl, dass ich jederzeit eine finde, sollte ich eine brauchen.
    Entschlossen gehe ich zu den drei finsteren Gestallten, die sich gegenseitig auf mich aufmerksam machen. Während die Frau aufsteht, bleiben die Kerle sitzen und ihre Hände verschwinden unter ihren Decken und Mänteln.
    »Was willst du?« Ihre Blitztätowierung auf ihrer Wange zuckt interessant, während sie mich anfaucht. Aber ich mag ihre direkte Art.
    »Nur eine kurze Auskunft, dann bin ich auch schon wieder weg. Hier soll ein Sklavenhändler eintreffen oder eingetroffen sein und den suche ich. Kennst du mir da weiterhelfen?«
    Sie knurrt mich an und ihr Blitz zuckt noch mehr.
    »Bitte?«, versuche ich noch einmal freundlich. Soll mir ja keiner nachsagen, ich wäre unhöflich.
    »Verzieh dich zu deiner Amazonenhure, wenn du weißt, was gut für dich ist.«
    Ich seufze betont. »Ich frage höflich und kann doch mindestens eine höfliche Abfuhr erwarten.« Dann deute ich auf die Drahtschlinge. »Komm schon, ich sehe, ihr seid im selben Gewerbe wie der Sklavenhändler. Hilf einem armen Touristen, der neu in der Gegend ist.«
    Ich werde abschätzig gemustert. Wie so oft, wird der Versuch zu deeskalieren mit Schwäche gleichgesetzt.
    »Letzte Gelegenheit, du Lutscher. Verpiss dich, oder wir drehen dich durch die Mangel.«
    Ich werfe einen kurzen Blick über die Schulter, als wollte ich die Amazone um Rat fragen und schon fliegen ihre Fäuste.
    Und landen in meiner Volldeckung. Mein Kopfstoß funktioniert auch bei ihr prima und schickt sie erst einmal zu Boden. Dann sind auch ihre beiden Kumpane auf den Beinen. Der Kleinere hat einen fies aussehenden kurzen Jagdsäbel in der Faust, ideal für Kämpfe auf engem Raum. Der Andere schwingt bereits einen stachelbesetzten Streithammer.
    Ein Gegner, der sich dem Kampf stellt, ist ein Gegner der es wert ist, dass man ihm den Kampf gewährt.
    Das Motto der kaiserlichen Offiziere. Lange Jahre auch mein Motto. Einfacher gesagt: Wer dir Prügel androht, den darfst du ruhig verprügeln. Vielleicht aber auch: Zieh nicht den Schwanz ein, wenn es ans Eingemachte geht. Vermutlich etwas zu sehr vereinfacht. Ich bin sicher hinter dem Motto steht eine altehrwürdige Tradition, die mir aber scheißegal ist.
    Mir ist kaum bewusst, dass ich meinen Schild schon halte, als ich den Kriegshammer abfange. Ich wette, das hat dem Kerl mehr wehgetan, als mir. Aus den Augenwinkeln sehe ich , wie der Mann mit dem Säbel um mich herum pirscht. Klar, er will an meinem Rundschild irgendwie vorbei.
    Ich gebe dem Hammerkämpfer noch einen Stoß mit, um mir Raum zu verschaffen, gehe in die Hocke und bringe dem Säbelschwinger eine Lektion bei, die er wohl noch nicht kennt. So ein Schild ist eine nicht zu unterschätzende Schlagwaffe.
    Das Geräusch, als die Kante in seinem Schienbein einschlägt klingt gar nicht gut. Oder wie Musik, je nachdem, durch wessen Ohren man gerade hört.
    Ich nutze den Schild als Deckung und rolle mich neben den fallenden Mann und gebe ihm noch einen Faustschlag mit. Kann sein, dass ich schon wieder eine Nase gebrochen habe. Die Dritte heute, aber wer zählt da schon mit?
    Ich zerre den stöhnenden Mann mit mir in die Höhe und schubse ihn in Richtung der Wortführerin, die gerade mit einem Messer nach mir wirft. Sie trifft auch, nur eben nicht mich.
    Keine Zeit, in Schadenfreude auszubrechen. Ich sehe den Stachelkopf des Kriegshammers auf mich zuschwingen und ziehe den Schild hoch. Mein Arm pocht nach dem Einschlag, allzu viele solcher Treffer will ich nicht kassieren. Mein Gegner nimmt einen breitbeinigen Stand ein und holt weit aus.
    Ich setze meine Schulter an den Rand des Schildes und ramme ihn mit ganzem Körpergewicht in meinen Gegner hinein. Die Wucht stößt ihn zurück und schickt ihn bestimmt zwei Meter weiter hart zu Boden. Sein Hammer landet irgendwo im hohen Gras.
    Zeit, mich umzusehen.
    Dort liegt ein Schwerverwundeterer. Der Dolch, der tief in seiner Brust steckt ist aber nicht meiner. Ich suche nach der Werferin, aber die steht mittlerweile auch nicht mehr, sondern liegt an Boden, ein spitzes, gebogenes Schwert vor der Nase. Galina war es wohl langweilig.
    Bleibt der hammerlose Hammerkämpfer, der sich gerade wieder auf die Beine müht. Ich hole aus und schleudere meinen Schild, beinahe wie einen Diskus und treffe ihn genau auf die Zwölf.
    Aiaiai, vierte Nase, oder? Ohne einen weiteren Laut geht er wieder zu Boden und bleibt dort liegen.
    »Das war es wohl?« Ich hole mir meinen Schild wieder und schaue mich derweil um. Man hat zwar von unserer kleinen Keilerei Notiz genommen, aber offenbar fühlt sich niemand genötigt einzuschreiten. Bestens.
    »Also, werte Dame. Willst du deine Antwort noch einmal überdenken, oder soll die Hauptfrau die Frage neben deinen dekorativen Blitz in dein Gesicht ritzen?«
    Okay, ziemlich blutrünstig und nicht gerade originell. Ich schätze ich kann besser verprügeln als verhören.
    Ich beuge mich zu ihr hinab.
    »…«
    »Bitte etwas deutlicher.«
    Das Tatoogesicht spuckt in meine Richtung. Zu kurz. Im Moment fehlt ihr wohl etwas die Luft dazu. Galinas Tritt gegen die Hüfte belehrt sie zudem, das künftig zu unterlassen.
    »Nächster Versuch? Keine Hektik, wir haben viel Zeit, aber dein Kumpan da drüben röchelt zum Steinerweichen. Ich glaube, der braucht einen Arzt. Dringend. Irgend ein Depp hat ihm offenbar ein Messer genau in die Brust geworfen …«
    Sie verflucht mich in mindestens vier verschiedenen Sprachen, aber als sie merkt, dass sie damit bei mir eher Mitleid als Wut erzeugt, gibt sie schließlich auf.
    »Er kommt nicht hierher. Er hat erfahren, dass ihr«, sie schaut Galina hasserfüllt an, »auf dem Weg seid. Er hat wohl jemand in den Sandlanden, einen Sultan, der diese kleine Amzonenhure in Diamanten aufwiegen will. Also hat er eine andere Route gewählt.«
    »Wie kommt es, dass sie euch dauernd als Huren bezeichnet?«
    Galina ist von meiner Frage sichtlich irritiert, oder von meinen Prioritäten, was ich denn schon?
    »Das war Sarkasmus, meine Güte. Egal. Kann das stimmen, was diese überaus respektable, moralisch untadelige und anständige Menschenjägerin erzählt?«
    Wieder dieser seltsame Blick. Was denn?!
    »Also, was willst du machen?«
    »Ich habe keine Wahl. Ich werde mich auf die Suche machen, auch wenn die Spur inzwischen kalt wird.«
    Ich nicke. Doch zuerst das Wichtigste. Ich suche den Lagerplatz der Drei ab, nehme mir etwas von ihrem Proviant, ein Satz Besteck, einen Napf und einen Becher. Außerdem entdecke ich eine Geldkatze, ähnlich der Meinen und entnehme ein paar der silbernen Münzen. Das Kupferzeugs und die Goldhonores lasse ich ihnen. Kleingeld hab ich selbst genug und ich will ihnen nichts so Wertvolles klauen, das sie quasi zwingt, sich an meine Fersen zu heften. Zudem dürfte der Arzt für den Verletzten nicht billig werden.
    Galina schaut mir dabei zu und kann ihre Verachtung nur schwer verbergen.
    »Was ist? Das sind Sklavenjäger. Wenn ich die in freier Wildbahn bei der Arbeit antreffe, hebe ich danach nicht einmal Gräber für das Gesindel aus. In die Stadt kann ich nach dem ganzen Aufsehen auch nicht mehr, aber Mikki und ich müssen essen. Also, was? Die Beute gehört dem Sieger und ist ja nicht so, als ob ich sie bis aufs Hemd ausplündere.«
    Ich merke, wie ich richtig angepisst bin. Diesen Edlerrittermist erlauben sich ja nicht einmal die edlen Ritter, wenn sie nicht gerade einen Goldscheißer in der Familie haben.
    Die Amazone merkt, dass sie es schnell mit mir verscherzt, wenn sie diesen Pfad weiterbeschreitet, also winkt sie ab und steckt ihr Schwert weg.
    »Ich muss meine Leute zusammenrufen und dann beraten wir.«
    »Werdet ihr nicht alle in die Sandlande aufbrechen?« Sie schüttelt energisch den Kopf. »Auf keinen Fall. Wir waren ohnehin schon zu lange weg. Die Amazonen sind nicht so viele, als dass wir auf sechs erfahrene Kriegerinnen auf Dauer verzichten können.«
    Ich nicke verstehend und mache mich daran, Mikki zu satteln, immer ein Auge auf unsre Nachbarn, die sich aber erst einmal um ihren verwundeten Kameraden kümmern. Hätte Menschenjägern gar nicht soviel Sozialempfinden zugetraut.
    »Und du?«, frage ich leise.
    Sie seufzt. »Ich werde wohl alleine hinterher. Und hoffe, dass meine Königin mir meine lange Abwesenheit verzeiht.«
    Ich muss grinsen. »Du willst also sagen, dass du im Grunde desertierst?«
    Erbost fährt sie auf, greift nach ihrem Schwert und bemerkt erst dann mein Grinsen. Ganz langsam wird ihr die Ähnlichkeit meiner Bemerkung mit ihrer eigenen bewusst, die sie vor nicht allzu langer Zeit mir gegenüber geäußert hat.
    Sie hustet, um ihre Verlegenheit zu verbergen. »Das ist nicht dasselbe.«
    »Klar. Ist es doch nie.«
    »Wie dem auch sei, ich gehe nun. Leb wohl und hab Dank für deine Hilfe.«
    Ich sehe ihr nach, wie sie den Platz schnell überquert um zur Handelsstraße zu kommen.


    »Mikkikumpel? Was machen wir jetzt?« Der Hengst schnaubt, während ich ihn fertig belade und mich dann in den Sattel hochziehe.
    Ohne, dass ich ihn lenken muss, schlägt er den Weg zur Handelsstraße ein.
    Die einfachen Antworten sind einfach die Besten.

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  • Pack kennt sich, Pack trennt sich

    Als die große Kreuzung der Handelsstraße in Sicht kommt, lenke ich Mikki ins Gelände einen kleinen Hügel hinauf, auf dem ein einzelner Baum mit einer Menge Gras und Buschwerk drum herum steht. Ein Himmel der wie in Flammen steht, kündigt die nahe Nacht an und während ich den Hengst absattle und ihn versorge, genieße ich die Farbenpracht und die Ruhe. Da ich keine Lust habe Feuerholz zu sammeln, esse ich kalt. Mein Sattel gibt auch am Boden einen bequemen Sitz ab und kalt wird es um diese Jahreszeit ohnehin nicht wirklich, wie ich inzwischen weiß.
    Es gibt eine Menge, was mir wieder eingefallen ist und ich bin froh endlich die Ruhe zu haben, mich dahingehend neu in der Welt einzuordnen.
    Den Code einbetten, kommt mir grundlos in den Sinn, wenn ich jetzt nur noch wüsste, was das bedeutet.
    Die ganzen alten neuen Informationen kreisen in meinem Kopf, wie in einem hypnotischen Tanz, sodass mir erst bewusst wird, dass wir einen Besucher haben, als der mich anspricht.
    »Meister Säbelzahn? Bitte erlaubt mir näherzutreten, ich habe nicht das Bedürfnis in Streit mit eurem Löwenross zu geraten.«
    Um ein Haar vermeide ich gerade noch das Kunststück, am Boden aus dem Sattel zu fallen. Meine Hand die auf meinem Rücken instinktiv nach dem Schild sucht, greift ins Leere. Logisch. Der Lehnt ja auch hinter mir am Baum. Dort wo ich ihn im Ernstfall nur schwer erreichen kann. Meine Nachlässigkeit ärgert mich sehr und inzwischen ist mir auch klar warum. Einem Veteranen wie mir, dürfen solche Fehler einfach nicht unterlaufen.
    Ich greife zu meiner altbewährten Taktik und gebe mich souverän und kompetent, als ob ich den Mann schon längst bemerkt hätte und es ihm überlasse, wann er sich bemerkbar macht.
    Aus meinen Griff zum nicht vorhanden Schild wird ein betontes Kratzen zwischen den Schulterblättern und ich winke mit den anderen Hand einladend.
    »Nur zu. Sucht euch einen Platz.«
    Ein Caballero, ähnlich der Spaßvögel aus der Cantina, tritt heran, macht eine knappe Verbeugung, nimmt seinen Mantel von den Schultern und faltet ihn zu einem provisorischen Sitz. Allein an der Selbstverständlichkeit der Bewegungen, erkenne ich schon den Veteranen aus dem Feld. Als Bewaffnung, vermutlich würden weder er noch ich es öffentlich so bezeichnen, trägt er einen Langdolch mit Paradekorb und dreikantiger, kaum geschärfter Klinge, auch Linkhand genannt.
    Da er weder Waffengurt noch dazugehörende Langwaffe trägt und seine Stiefel nicht nach einem längeren Querfeldeinmarsch aussehen, schließe ich, dass er in der Nähe sein Pferd abgestellt hat. Da er ohne Fackel oder Laterne hier ist, kennt er die Stelle wo ich lagere gut genug, jedenfalls besser als ich.
    Sherlock Holmes wäre stolz auf meine Deduktion. Wer immer dieser Sherlock auch ist.
    »Ihr könnt euer Pferd aber gerne herholen, nicht dass ihm noch etwas zustößt.«
    Er lacht und zeigt dabei seine tadellos weißen Zähne, es wirkt in der Dämmerung vielleicht auch nur so extrem.
    »Habt Dank, obschon es keine Löwenrösser mit dem Blut eines Einhorns in den Adern, sind auch die uronischen Honorablen wehrhaft genug, sich gegen alles zu behaupten, was sich ihnen ungefragt nähert.
    Ich nicke anerkennend. Die Honorablen sind in der Regel goldbraun mit schwarzen Flecken, eine Fellfarbe die noch seltener und schwerer zu züchten ist, als die von Mikki. Die Löwenpferde sind in meist Streitrösser, für Ritter oder schwere Kavallerie gedacht, weswegen mein Kumpel mit der langen Nase und den großen Hufen, nicht unbedingt als Rennpferd durchgehen würde, manche würden ihn vielleicht sogar eher als stark und stämmig und weniger als elegant und pfeilschnell bezeichnen.
    Dem würde ich sogar zum Teil zustimmen. Nur würde so ein Honorables Vollblut mit mir im Sattel und den allein 120 Kilogramm Lebendgewicht, die ich mitbringe, auch nicht sehr lange elegant herumtänzeln und längere Strecken bald mit kaputtem Rücken beenden.
    Die Honorablen sind aber für Paraden, Adlige, Boten oder Kundschafter perfekt. Diszipliniert, fokussiert und gehen ab wie eine Rakete, wenn man ihnen die Zügel schießen lässt.
    Jedenfalls kein Pferd für gewöhnliche Soldaten oder auch nur Ritter.
    »Mein Name ist Loscuro Nimrod di Sancta, und ich habe die Ehre dem berühmten Comes Tormen Säbelzahn gegenüberzusitzen, realo?«
    Ich kann nicht verhindern zusammenzuzucken, als mich die Erinnerungen überfluten.
    »Perdone. Ich will euch nicht in Verlegenheit bringen. Ich sehe, ihr reist mit übermaltem Wappen. Das kann ich verstehen.«
    Unser beider Blick fällt auf meinen Schild. Ich nicke schlicht, was wohl die erwartete Reaktion war.
    »Es gilt als sicher, dass ihr nicht mehr als Vollstrecker im Dienste des Kaisers seid, aber ihr werdet verstehen, dass ich, als jemand der in ähnlichen Diensten des Großreichs steht, mich vergewissern muss.«
    Szenen einer Zeit, die ich auch gerne weiterhin vergessen hätte, tauchen vor meinem Auge auf.
    Wie ich die Adligen, Generäle und Mächtigen ausgeschaltet habe, die dem neuem Kaiser nicht die Gefolgschaft erweisen wollten, die sie ihm schuldeten. Oh, ich habe nichts gegen den jungen Kaiser. Er und ich … kann es so etwas wie Freundschaft sein? Kann ein Mensch mit einem Drachen in Gestalt eines jungen Mannes befreundet sein? Auch noch, nachdem er erkannt hat, dass dem Drachen trotz alles guter Absichten und Bemühungen, es wohl immer fremd sein wird, menschlich zu handeln?
    Ich schüttle langsam den Kopf. Einerseits um die ungeliebte Vergangenheit aus dem Kopf zu bekommen, anderseits um zu antworten:
    »Ihre kaiserliche Majestät erlaubte es mir, mich fürderhin als Privatmann zu verhalten. Ich kann euch versichern, meine Anwesenheit steht in keinem kaiserlichen Auftrag oder es in meiner Absicht, in eurem Reich als Agent des Kaiserreichs tätig zu sein.«
    Er schmunzelt: »Was Spione selbstverständlich immer beteuern würden.«
    Ich muss lachen. »Wahr. Aber Spione sollten doch heimlich agieren? Der diskrete Ansatz liegt mir nun wirklich nicht.«
    Er erwidert mein Lachen und mir fällt auf, dass in diesem Moment auch seine Anspannung nachlässt.
    »Ihr seid der Säbelzahn. Ihr schleicht euch an jeden an, egal wie gesichert er ist und schlagt dann mit vernichtender Gewalt zu. Und dann verschwindet ihr wieder.« Er schnipst. »Einfach so.«
    »Oh, richtig, ich vergaß. Nach getaner Arbeit besteige ich meinen geflügelten Streitwagen und fliege in den Sonnenuntergang.«
    »Ihr würdet euch wundern, wie ähnlich diese Version mancher Geschichten über euch sind.«
    Ich winke ab. Manchmal sind solche Horrorgeschichten ja ganz nützlich, aber in der Regel einfach nur ärgerlich. »Wenn ich wirklich so wäre, hätte mich der Kaiser nie gehen lassen, allein schon, weil man so jemand nicht unbeaufsichtigt herumlaufen lassen darf.«
    »Der Kaiser hat euch also wirklich in den Ruhestand gehen lassen? Er ist ein weit gnädigerer Herrscher als meine Herren. Meine Ruheresidenz wird ein Hügel aus Erde in einem vermutlich namenlosen Grab sein.«
    Ich mustere ihn mitfühlend aber ohne echtes Mitleid. Das braucht der Mann nicht.
    »Das liegt aber an euch selbst. Leute wie wir können in den Ruhestand gehen, wenn wir es wirklich wollen. Niemand will, dass wir die Orte der Leichen bekanntmachen, die wir für das Wohl des Staates dort beerdigt haben.«
    »Habt ihr es so gemacht. Habt ihr euren Kaiser erpresst?«
    Ich lache leise. Einen Drachen erpressen? Das ist so absurd und dreist, dass ich darauf von selbst gar nicht gekommen wäre. Nicht einmal ich. Und das sollte alles sagen.
    »Nein, ich habe seiner Majestät durch ein Geschenk ausrichten lassen, dass ich diesen Dienst nicht mehr tun kann.«
    »Und euer Kaiser?«
    »Hat mir durch ein Geschenk mitteilen lassen, dass er meine Dienste schätzte, aber er mich freistellt.«
    »Er muss euch wahrlich vertrauen.«
    Ich brumme nur. Vertrauen? Vielleicht. Ich würde es gerne glauben. Vielmehr habe ich den Verdacht, dass es ihm einfach kaum Mühe bereiten würde mich loszuwerden, wenn er den Meinung wäre, es wäre nötig. Daher unterlasse ich auch alles, was ihn zum Ändern seiner Ansicht bringen könnte.
    »Gut. Das ist alles, was ich wissen musste. Dann bleibt nur noch mich zu bedanken, dass ihr meinen dummen Neffen habt so billig davonkommen lassen. Nicht viele eures Kalibers hätten solche Zurückhaltung geübt.«
    Ich runzelte verblüfft die Stirn.
    »In der Cantina, als ihr mit der Hauptfrau dort auf meinen ungestümen und viel zu stolzen Neffen getroffen seid.«
    »Ah. Der.« Ich winke ab. »Kein Dank nötig. Männer unseres Kalibers vergreifen sich nicht an Welpen, schon gar nicht, wenn sie selbst nur zu Gast sind.«
    Er blickt mir geradewegs in die Augen und ich sehe, so perfekt habe ich schon lange nicht mehr den richtigen Ton angeschlagen. Dann reicht er mir seine Hand, die ich ergreife. Zwei alte, bösartige Kampfhunde, die für ihren Herrn gewiss schon zu viele fragwürdige Dinge getan haben, dennoch mit demselben Sinn für Respekt und Anstand. Eine seltene Gattung, zumal unsereins dazu neigt, weder alt noch anständig zu sein.
    »Die Amazonen. Ich wäre euch verbunden, wenn ihr meine Vermutungen ob des Zwecks ihrer Anwesenheit im Grenzgebiet bestätigen könntet,«
    »Ihre Geheimnisse, sind nicht meine. Aber ich verrate vermutlich nicht zu viel, dass sie eine der Ihren suchen, die entführt wurde. Und die Spur des Entführers führt offenbar geradewegs hinaus aus eurem Reich. Die Damen werden nicht mehr lange hier sein, oder sind sogar schon wieder weg.«
    Er nickt, ich habe ihm wohl wirklich nur bestätigt, was er bereits wusste. Ich war bei meiner Befragung heute Mittag ja auch nicht gerade unauffällig.
    »Und ihr?«
    »Sie baten mich um Hilfe. Ich vermute, sie denken dadurch, dass die Spur sie von hier wegführt, wäre ihr Anspruch auf meine Hilfe erloschen. Doch war an mein Angebot weder Ort noch Zeit geknüpft.«
    »Was boten sie euch als Gegenleistung an? Amazonen neigen meiner Erfahrung nicht dazu, mit Männern auf Augenhöhe zu arbeiten.«
    Ich hebe die Schultern. »Ich wurde bereits entlohnt.«
    Er hebt die Augenbrauen und grinst ungläubig.
    »Doch nicht so. Nicht, dass mir das nie in den Sinn gekommen wäre, ich bin ein gesunder Mann im besten Alter!«
    Er lacht verstehend.
    »Die Hauptfrau hat mir zweimal im Kampf die Flanke gedeckt und einmal über Stunden verhindert, dass ich an meiner eigenen Kotze ersticke. Die Hilfe im Kampf will ich nicht überbewerten, aber das Dritte tut man nicht für einen bedeutungslosen Fremden. Ihr seht also, ich stehe in der Pflicht.«
    Er schüttelt den Kopf. »Redet euch das nur ein. In Wahrheit sehnt ihr euch nach einer Mission, Gesellschaft und der Wärme einer Frau. Seht nur zu, dass ihr nicht mehr davon bekommt, als ihr wollt.«
    Wir erheben uns beide und ganz wie es hierzulange übrig ist, verabschieden wir uns mit einer Umarmung. Als sein Mund nahe an meinem Ohr ist flüstert er.
    »Ihr seit heute Nacht hier sicher, doch morgen wendet euch so bald wie möglich gen Westen. Es gibt andere Interessen von … dummen Leuten, die sich gerne euren Kopf als Trophäe holen wollen.«
    Ich drücke noch einmal seine Schultern zum Zeichen, dass ich verstanden habe.
    Meine Fresse, diese Amnesie ist gerade von lästig zu brandgefährlich geworden. Woher soll man auch ahnen, dass man Jason Bourne und Agent 47 in Personalunion ist?
    Und warum überhaupt Comes Säbelzahn?
    Sabertooth?
    Sabato!

    Klick!

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Erschaffung Part IV


    »Uff. T.«
    »Ah, Chris, hallo mal wieder.«
    »Deine Werte, mein lieber Schwan.«
    »Was ist damit?«
    »Mein Zugriff auf sie ist gesperrt.«
    »Sind sie so schlecht?«
    »Im Gegenteil. Es ist als würdest du unter dem Segen einer der Götter stehen.«
    »Never touch a running system?«
    »Jaha. Solange es nicht überdreht.«
    »Du kannst also im Moment nichts tun?«
    »Sieht leider so aus.«
    »Kannst du mir dann endlich sagen, was verdammt das hier ist und warum? Da sind immer noch gewaltige Lücken, aber ich sehe Autos, Internet, Leute die mit Smartphone rumlaufen und nicht mit Riesenmessern, um Leute abzumurksen. Und schon gar nicht haue ich Leuten für einen blöden Spruch aufs Maul!«
    »Ja. Ja. Ich denke, ich versuche dir ganz grob zu erzählen, was die letzten zehn, fünfzehn Jahre abgegangen ist. Aber du wird vieles davon nicht aktiv parat haben, wenn du aus dem Interspace wieder raus bist.«
    »Ich nehme, was ich bekommen kann. Leg los. Ich nehme an, unsre Zeit hier ist mal wieder begrenzt.«
    »Stimmt, da ich aber keine Veränderungen an deinem Code vornehmen muss, haben wir Kapazität. Es ist nämlich weniger die Zeit, als die Daten, die übertragen werden.«
    »Bin ich hier … in der Matrix?«
    »Ha! Genau das war damals das erste, was du gesagt hast. Ja und nein. Ich fange mal vorne an.«
    »Bitte, aber fang auch an und rede nicht drum herum. Ich hab es langsam satt.«
    »Also schön. Woran du dich noch erinnerst, sind so Sachen wie aufkommende Kriege im Osten, die immer mehr in den Westen überschwappten. Klimawandel war irgendwann einfach kein Thema mehr. Umso schneller kamen die Katastrophen. Hitzedome die ganze Gegenden innerhalb von Wochen in Todeszonen verwandelten, Gewitterdome, die keine hundert Kilometer davon ganze Landstriche so überfluteten, dass auch bald nichts mehr stand. Migrationsbewegungen, da waren die paar Millionen, an die du dich noch erinnert, ein lauer Sonntagsspaziergang. Und dann hatte der Iran plötzlich die Bombe und praktischerweise auch gleich den Irren, der es als seinen Freifahrtschein ins ewige Nirwana ansah, Israel und die Palästinenser gleich mit dauerhaft von dem Gesicht der Erde zu radieren.«
    »Ich habe Angst davor, den Rest zu hören …«
    »Hm. Kann man so oder so sehen. Erinnerst du dich noch an unsere Spekulationen um Kaisers Bart, ob wir alleine im Universum sind, und falls nicht, warum Aliens, die zu uns reisen könnten, sich ums Verrecken nicht zeigen wollen?«
    »Ich ahne es bereits.«
    »Ich sag mal so. Aus Kaisers Bart wurde unser aller Bart. Die hatten uns schon seit, keine Ahnung, ewig im Auge. Als damals ein Vulkan hochging und kurz danach ein Komet die Entwicklung des Lebens auf der Erde zurückwarf, hat man da draußen wohl beschlossen, dafür zu sorgen, dass wir Ruhe haben. Wie es aussieht, ist sich bewusste Intelligenz da draußen wahnsinnig selten und die Erde hatte eine dieser Eins zu einer Million Chance, dass es hier auch zu so etwas kommt. Dann keimt es langsam aus, also langsam aus deren Sicht, und schon arbeiten wir mit Hochdruck dran, unsre eigenen Lebensbedingungen so rapide zu verschlechtern, dass es wieder nix wird. Da haben sie dann eingegriffen.«
    »Wer ist SIE?«
    »Ab hier wird’s auch für mich schwer. Also soviel kann ich sagen: Es sind weder Vulkanier noch Mimbari.«
    »Wäre ja auch zu schön gewesen.«
    »Das Reisen über solche Entfernungen geht wohl nur, wenn man sich dahingehend entwickelt. Ganz vereinfacht gesagt, die großen Drei, die den Laden jetzt im Großen und Ganzen kontrollieren, sind im Prinzip Wesen aus reiner Information.«
    »…«
    »Irgendwie haben sie es geschafft ihre Existenz hauptsächlich in eine höhere Dimension zu verlagern, wo die Raumzeit nicht so allmächtig ist, wie für uns. Es ist ein bisschen so, wie jemand, der sich in der dritten Dimension bewegen kann, für jemand der nur zwei Dimensionen erfassen kann, quasi immer unsichtbar ist, deswegen …«
    »Hab ich kapiert und bereits vermutet. Aber wie kommt es zu dieser mittelalterlichen Welt?«
    »Es gibt viele solcher Welten. Sie entwickeln sich unabhängig bis zu einem Zeitpunkt, da die Entwicklungsstufe hoch genug ist, sich mit einer anderen ähnlicher Stufe zu verbinden.«
    »Gut. Gekauft. Fürs erste. Aber was ist mit der Erde, dem Mond, etc?«
    »Tja, die werden gerade restauriert. Die Bewohner wurden auf verschieden Realitäten verteilt, wie die, in der du jetzt bist.«
    »Uff. Gut schlucke ich auch. Quasi als Flüchtlingsunterkunft. Aber warum werde ich das Gefühl nicht los, dass es um viel mehr geht?«
    »Weil du nicht blöd bist. Und du mit dem was abgeht, nicht so überfordert bist, dass du, nicht wie die Allermeisten, die neue Situation einfach vollständig annimmst und dich ganz der Immersion hingibst.«
    »Immer wieder diese Immersion. Warum ist die so wichtig?«
    »Weil sie die geistige Gesundheit der Bewohner erhält. Erinnere dich einfach, was bei uns nur die Fanatiker eines Glaubens angerichtet haben, weil sie dachten im Alleinbesitz einer höheren Wahrheit oder eines göttlichen Auftrags zu sein. Jetzt stell dir eine Atombombe, oder auch nur das Wissen darüber, in einer Welt sogar ohne echte Maschinen vor.«
    »Ich glaube, ich bekomme Kopfschmerzen.«
    »Das sollte im Inters … oh, haha, ja klar.«
    »Gut, wir waren dabei, dass es um mehr geht.«
    »Es ist zugleich ein Art Eignungstest. Sie wollen nämlich nicht mehr alle von uns zurückschicken, wenn sie unsren Planet wieder zurechtgebastelt haben. Sie werden sie entweder denjenigen überlassen, die den Menschen als moralisches Wesen entwickelt sehen wollen, oder denen die es als Leistungswesen entwickelt haben wollen.«
    »Sie wollen aus uns entweder Philosophen oder Baumeister machen?«
    »Ha. Fast genau das, was du damals auch gesagt hast. Oh, unsre Zeit läuft gleich ab.«
    »Und ich bin im Rennen für …?«
    »Die Moralapostel natürlich, wie kannst du nur daran zweifeln.«
    »Eine letzte Frage, für diesmal.«
    »Gut, aber schnell.«
    »Wie zur Hölle, hat man mich dazu gebracht, als Laborratte bei dieser blödsinnigen Scheiße mitz …«

    Weiter mit: Nachfolgerbegegnungen

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (1. Januar 2024 um 06:02)