Salut,
Ich hatte gerade Bock, etwas Neues zu probieren. Nennen wir es eine Mischung aus Weltenbau und Textfragmenten.
Es passt nicht wirklich in den Worldbuilding-Thread, da ich hier nicht die Geschichte im Grossen und Ganzen präsentieren möchte, sondern mithilfe von einzelnen alltäglichen Szenen das Setting vertiefen möchte.
Ich weiss nicht, wie viele "Episoden" ich davon machen werde, aber Ideen kommen mir gerade genug.
Inhaltliches Feedback ist gerne erwünscht!
Die letzten Hirten
Die Tropfen in Lersk, Vodrask
Dem alten Hirten steigt der Geruch von Salz und Schwefel in die Nase, wenn ihm der Wind ins Gesicht peitscht. Er treibt die Gischt von der stürmischen See als dicke Schwaden vor sich hin, wie als Warnung, die Insel nicht zu verlassen.
Der Hirte hatte den Ozean noch nie gemocht. Dieser Koloss mit unstillbarem Hunger und beispielloser Gleichgültigkeit, der Fischerboote verschlingt, ohne es überhaupt zu wissen.
Unwillkürlich muss er an den Riesen Huerdangfjir denken, der auf dem Grund des Inarischen Ozeans sein Paddel schwingt, um seine Höhle vor den Kraken zu verteidigen, und dabei die ganze See in Schwingung bringt.
Den Matrosen auf dem Schiff, welches schaukelnd dem Horizont entgegensteuert, scheint das keine Angst zu machen. Wahrscheinlich haben sie noch nicht einmal von Huerdangfjir gehört. Sie kommen aus den Städten, aus Kapran oder Lerskopol. Die alten Sagen kennen die nicht, oder hatten sie vergessen, kaum hatten sie die Inseln verlassen.
Der Hirte setzt sich ächzend auf einen Stein aus schwarzem Basalt. Einer der vielen Nachteile am Leben auf den Tropfen. Der Stein ist neu, scharfkantig und ungeschliffen. Womöglich gar jünger als er selbst. Die Insel befindet sich in ständigem Wandel, aber die Bewohner ändern sich nicht. Im letzten Frühjahr hatte ein neuer Ausbruch sein Weideland in eine Wüste verwandelt. Wie eine unordentlich gefaltete Decke liegt die erkaltete Lava nun dort und zwingt ihn, seine Schafe zum mageren, salzigen Gras bei den Klippen zu führen.
Es ist kein Wunder, verlassen die jungen Leute die Tropfen. Die Aussicht auf ein besseres Leben ist so nah, gleich hinter dem Horizont liegen die Häfen, welche das vodraskische Reich am Leben halten. Der Hirte hatte gezählt; an den besten Tagen passierten siebenundachtzig Schiffe die Meerenge und keines davon machte je bei den Inseln Halt.
Schon so oft hatte der Hirte sich gefragt, warum er geblieben war. Man hört selten etwas von denen, die gingen. Wenn sie in ihrem Leben noch einmal zurückkehren, dann prahlen sie erst mit ihren Erfolgen und ihrem Reichtum. Je näher aber der Tag ihrer Abreise kommt, desto mehr bricht ihre Fassade. Sie warnen, es nicht zu tun. Die Arbeit in den Häfen sei schrecklich, die See ist grausam und die Vodraski behandeln die Inselstämme nicht wie ihresgleichen.
Der Hirte beobachtet, wie die Segel hinter dem Horizont verschwinden. Es gibt so viele, welche in die neue Welt aufbrechen und niemals zurückkehren. Wartet jenseits des Ozeans wirklich das Paradies? Oder werden sie alle von Huerdangfjirs Wogen zermalmt?
Generiert durch Midjourney