Es gibt 305 Antworten in diesem Thema, welches 14.117 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. Juli 2024 um 09:44) ist von Thorsten.

  • Der Falke schlug wild mit den Flügeln und schien dennoch still in der Luft zu stehen, und dann, auf einmal, legte er die Flügel an und schoß dem fernen Wald entgegen, steil nach unten.

    Tanred folgte ihm mit den Augen bis er den Vogel vor dem Gewirr der Baumwipfel verloren hatte, dann lehnte er sich gegen die Zinnen des Burgturms und blickte nach unten, auf eine Welt aus wucherndem Grün die von hier oben auf dem Turm so ferne schien.

    "Ich könnte dich durch die Augen eines Falken sehen lassen...", murmelte Maldua. "Wenn du wolltest. Aber ich vermute, es wäre besser für deinen Seelenfrieden es nicht zu tun..."

    Einen Augenblick lang war er wirklich versucht, ihr Angebot anzunehmen, und das erschreckte ihn. Ädon hatte die Magie verboten weil ihr Gebrauch so verführerisch war, weil jeder Schritt zum nächsten führte obwohl jeder für sich genommen so einfach aussah. Und dennoch - die Sehnsucht nach der wilden Freiheit des Falken konnte er nicht so ohne weiteres abschütteln.

    Mit Mühe wandte er sich von dem Panorama ab das sich vor ihm ausbreitete und sah statt dessen Maldua an. Er sah keine Bosheit in ihren Augen, nur... Wehmut vielleicht? Ihre Miene war schwer zu deuten.

    "Es ist die Magie des alten Wegs, Tanred", erklärte sie. "Die Macht des Landes, die Geheimnisse der Bäume und Wälder, die Kraft der Lebewesen um uns her. Wir sind eins, eins mit allem im Rad der Zeit, und daher kann ich sehen was der Vogel sieht und spüren was der Bär spürt."

    Einmal mehr hatte er das Gefühl daß etwas hinter ihren Worten lag, daß sie ihm hier nicht beiläufig etwas erklärte, sondern daß es ihr wichtig war, ihn diese Dinge wissen zu lassen. Aber warum? Das Buch Ädon machte keinen Unterschied - wer Magie verwendete, stellte sich damit gegen Ädons Willen, zerstörte das Gleichgewicht und verkaufte so seine Seele an Pathon. Wozu die Magie verwendet wurde spielte keine Rolle.

    Und trotzdem - konnte es schaden, mehr über diese Dinge zu wissen?

    "Der alte Weg...", sagte er langsam. "Gibt es denn noch andere Magie?"

    Maldua lächelte traurig.

    "Ja, Tanred", antwortete sie. "Sehr andere Magie. Wenn du möchtest daß eine Frau dich küßt, dann kannst du sie umwerben, sie zu verstehen lernen, sie zum Lachen bringen, mit ihr tanzen - und vielleicht wird sie es irgendwann tun. Oder du kannst ihr Dorf abschlachten, ihre Familie als Gefangenen nehmen, foltern und quälen und ihr anbieten daß sie erst sterben dürfen wenn du deinen Kuss bekommen hast. So unterschiedlich kann Magie sein."

    Sie atmete einen Moment tief durch, trat neben ihn und blickte dann über den Wald.

    "Solche - andere - Magie ist vor langer Zeit nach Gondred gekommen, zur Zeit der Kyrenai vor vielen tausend Jahren. Sie hat das Land gequält und geschunden und ihre Spuren eingebrannt, Spuren die bis heute noch zu finden sind. Sie hat Dinge gerufen die niemand in diese Welt rufen sollte der bei Verstand ist. Die Magie von Kyrenai liegt wie ein Fluch auf diesem Land. In den Ebenen von Kyran, weit im Westen von hier, siedelt nach all den Jahrtausenden immer noch niemand weil bis zum heutigen Tag... Dinge dort umgehen. Blut ist in Strömen vergossen worden damit Teufel und Dämonen sich davon nähren können und den Kyrenai zu Willen sind, und die blutgetränkte, geschundene Erde erinnert sich... "

    Tanred lief ein Schauer über den Rücken. Die warmen Sonnenstrahlen schienen bei ihren Worten an Kraft zu verlieren, substanzlos zu werden, und auch das Licht wurde irgendwie fleckig und grau, aber sie sprach weiter als würde nichts ungewöhnliches passieren.

    "Wer kann es den Ädoniten verdenken daß sie das ihre getan haben um das Land von dieser Magie zu reinigen? Sie wußten nicht, was hier geschehen war als ihre Schiffe damals aus dem arianischen Reich kamen. Erst allmählich haben sie die Natur des Bösen kennengelernt. Und ihre eigene Art gefunden, dagegen zu kämpfen."

    Sie wandte sich um und sah ihn ernst an. Er fröstelte.

    "Verwechsle diese Arten von Magie nie, Tanred", sagte sie. "Nicht für einen Moment. Auch wenn wir das gleiche Wort verwenden, es ist nicht das Gleiche. Die Magie der Kyrenai frißt sich wie ein Krebs in diese Welt, sie hat nichts aber auch gar nichts mit dem alten Weg zu tun. Vergiß das nicht!"

    Er nickte, unsicher und eingeschüchtert. Er wünschte sie würde endlich aufhören damit, nicht mehr weiter über Teufel und Dämonen reden. Schatten schienen über die Turmmauern zu fließen die vorher nicht da gewesen waren und die dort nicht hingehörten, und die Sonne war grau und substanzlos geworden.

    "Laß uns in den Garten gehen...", murmelte sie. "Da gibt es einen Strauch - Teufelsbann - der Geruch hilft. Du merkst, selbst über manche Dinge zu reden ruft... Dinge in der Seele hervor..."

    Schweigend folgte er der Herzogin, als sie die lange Wendeltreppe den Turm hinunter schritt, und dann durch Korridore und Treppen eine kleine Tür zum Kräutergarten erreichte. Warmes Licht fiel von außen herein, nicht mehr grau und fleckig, und dankbar trat er in den Duft des sonnendurchfluteten Gartens.

    Auf einer Bank zwischen blühenden Stauden saß ein Mädchen in einem moosgrünen Kleid, vielleicht einen oder zwei Winter jünger als Tanred. Fuchsrote lange Haare fielen offen über ihre Schultern, und ihre grünen Augen blitzten zornig als sie auf Maldua zuging.

    "Hier steckst du. Ich hab' dich überall gesucht", begann sie ohne Umschweife ohne Tanred auch nur eines Blickes zu würdigen. "Wenn du dich nun endlich entschlossen hast dich auf die Seite von Graf Perren zu stellen, dann möchte ich ihn begleiten und meinen Teil tun. Ich bin sicher daß er meine Kräfte gut brauchen kann."

    "Meine Tochter Felua", erklärte Maldua milde, zu Tanred gewandt. "Du hast sie schon kennengelernt..."

    Er wollte den Kopf schütteln, aber in diesem Moment sah das Mädchen ihn an und legte auf eine eigenartige Weise den Kopf schräg während ein spöttisches Lächeln über ihre Lippen glitt. Fuchsrote Haarsträhnen fielen über ihre Stirn...

    "Du...", stammelte er, während sie lachte und nickte, sich dann wieder ihrer Mutter zuwandte.

    "Oder hast du gehofft daß ich nichts mitbekomme wenn mir keiner was sagt? Ich habe es satt anderen zuzusehen wie sie ihren Teil tun - ich bin wirklich alt genug um jetzt selbst loszuziehen, du kannst mich nicht ewig auf Eschgeir festhalten."

    Tanred hörte kaum was sie sagte und starrte Felua immer noch mit offenem Mund an. Felua war der Fuchs gewesen! Er hatte von der Herzogin gehört die Hexe war, und von ihrer Magie, aber irgendwie waren das trotzdem... nur Geschichten gewesen. Aber ihre Tochter war ein Fuchs gewesen!

    Und plötzlich war Magie etwas sehr Reales in seinem Leben...

  • Toller Dialog hier. Das wurde richtig gruselig und ich habe den plötzlichen Stimmungswechsel auch als schaurig empfunden. Die verschiedenen Sorten von Magie sind sehr eindrucksvoll beschrieben. Und Felua ... Ich habe auch schon solche Töchter gesehen, die große Begabungen hatten, aber sie einfach nicht so nutzen wollten, wie ihre Mütter hofften. Spannend!!!

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  • Und Felua ... Ich habe auch schon solche Töchter gesehen, die große Begabungen hatten, aber sie einfach nicht so nutzen wollten, wie ihre Mütter hofften.

    Naja, jetzt wisst ihr was das mit dem Fuchs auf sich hat :)

    Das wurde richtig gruselig und ich habe den plötzlichen Stimmungswechsel auch als schaurig empfunden. Die verschiedenen Sorten von Magie sind sehr eindrucksvoll beschrieben.

    Heh - freut mich wenn das so rueberkommt!

  • "Graf Perren?"

    Ketran drehte sich zu Tanred um der neben ihr auf dem Bock des Wagens saß und musterte ihn eine Weile. Hinter ihnen verschwand Eschgeir langsam in der endlosen Weite des Waldes während die Pferde sich anstrengten, die erste Steigung zu erklimmen. Ein Falke kreiste hoch am Himmel.

    Die ältere Frau seufzte, schüttelte den Kopf und blickte in den Wald.

    "Herzogin Maldua scheint sehr freigiebig mit unseren Geheimnissen zu sein", kommentierte sie dann trocken und leise genug daß niemand sie gegen das Knarren und Rumpeln des Wagens hören konnte. "Aber vermutlich wäre es Zeitverschwendung, sie um sowas zu bitten. Sie ist eine Verbündete der Kerrinsmänner, keine von uns, und sie tut was sie will... Aber ja - Perren gehört zu Gondreds Adel. Sigwulf Perren Anduas Graf von Felkafort ist der volle Name unseres Prinzipals. Was du eigentlich besser nicht wüßtest, weil es gefährlich ist. Und was du verdammt noch mal für dich behalten wirst!"

    Tanred nickte bei sich. Das erklärte so manches... Deshalb redete Perren also mit Maldua als wären sie gleichgestellt - sie waren gleichgestellt... Oder, zumindest so ähnlich, eine Herzogin war mehr als ein Graf. Bei Ädon und all seinen Heiligen - immer wenn er dachte jetzt zu verstehen wer die Gauklertruppe wirklich war, tat sich ein neues Geheimnis auf!

    "Und du?", fragte er Ketran direkt. Immerhin teilte sie das Bett mit Perren - und führte die Gauklertruppe für alle praktischen Zwecke mit ihm zusammen...

    Sie lachte.

    "Meine Mutter war Gauklerin und wer mein Vater war, das weiß niemand, er jedenfalls ganz sicher nicht. Das hier war meine Truppe bevor Perren Teil von uns wurde."

    Tanred blickte sie zweifelnd an. Also Perren war erst spät zu der Truppe gestoßen, und in Wirklichkeit war er ein Graf? Aber wie so vieles anderes ergab es irgendwie Sinn - es waren Ketran und Arngard die jonglierten, Ofyas und Felcas die Akrobatik betrieben, Tareia die tanzte und Vinlind die Taschenspielertricks vorführte - Perren spielte die Laute und Theater - nichts wofür man jahrelang als Gaukler lernen mußte...

    "Und weißt du was wirklich ironisch an der Sache ist?", fuhr Ketran fort. "Ohne Edred den Schwarzen wäre ich nie im Leben mit Perren zusammengekommen. Eine Gauklerin kann einem Grafen das Bett wärmen, aber nicht ihr Leben mit ihm teilen. Aber so... Ädons Wege sind unergründlich. Vielleicht sollte ich Edred dankbar sein, aber so weit reicht mein Respekt für den Thronräuber auch nicht."

    Tanred blickte in den Wald. Irgendwie erwartete er, den Fuchs, oder nein, die Füchsin zu sehen, aber da war nichts. Perren ein Graf... Aber wem sonst würde die Königin im Exil eine Aufgabe wie den Kontakt zu den Verbündeten zu halten anvertrauen? Immerhin erklärte es, wieso er so gut mit einem Schwert umgehen konnte. Und Wulfgar war vermutlich einer seiner Ritter gewesen... Hatte Maldua ihn darauf hinweisen wollen? Nein, es war ihre Tochter gewesen die das Thema aufgebracht hatte.

    "Kennst du Maldua näher?", fragte er schließlich.

    Ketran schüttelte den Kopf.

    "Ich würde denken daß du sie von uns am besten kennengelernt hast - immerhin hat sie mehr als einmal alleine mit dir geredet. Worüber eigentlich?"

    Die letzte Frage klang beiläufig, aber Tanred ahnte daß sie alles andere als das war.

    "Ich bin mir nicht sicher...", sagte er langsam. "Sie hat angedeutet daß sie die Zukunft sieht - oder zumindest vorausahnt - und daß ich Entscheidungen fällen werde, aber ich habe keine Ahnung was sie damit meint. Oder ob sie überhaupt die Wahrheit sagt. Wenn sie wirklich eine Hexe ist - wieso duldet sie Edred auf dem Thron?"

    Die Gauklerin seufzte.

    "Vielleicht hat sie auch Grenzen was ihre Magie kann und was nicht... Aber ich habe erlebt daß sie in der Vergangenheit öfter richtig lag mit Dingen die sie vorhergesagt hat... Man sollte ihre Worte nicht auf die leichte Schulter nehmen. Trotzdem - daß du irgendwelche wichtigen Entscheidungen bei den Kerrinsmännern fällen solltest, kann ich mir eher nicht vorstellen. Und trotz ihrer Worte über den Ratgeber von Fürsten - ich denke nicht daß die Königin im Exil auf dich besonders viel geben wird."

    Tanred blickte gedankenverloren auf die Straße. Eine Hexe die ein wichtiges Schicksal für ihn voraussah, ein Graf dem er als Kerrinsmann Gefolgschaft geschworen hatte, eine Füchsin die ein Mensch war. In was für eine Geschichte war er nur geraten als er Perrens Einladung mit den Gauklern zu ziehen gefolgt war?

  • Die Kreuzung vor Erbor

    Er ist nervös als er den Schankraum der Taverne betritt. Er ahnt schon daß es Schwierigkeiten geben kann, er weiß es fast sicher - aber welche Wahl hat er?

    Der Raum ist niedrig, die Decke aus groben Balken, schwarz verrußt vom Rauch des Kochfeuers, und der Geruch nach Schweiß, verbranntem Fett und billigem Bier liegt über allem. Um diese Zeit ist die Taverne nicht sehr voll, die Dorfbewohner nutzen die wenigen Stunden Tageslicht zur Arbeit und kommen erst nach Sonnenuntergang her. Trotzdem sitzen ein paar junge Männer nahe der Tür und unterhalten sich laut.

    Er geht an ihnen vorbei zur Theke, zwingt sich dazu nicht zu hasten um nicht nervös zu wirken und eine rundliche Frau mit strähnigen dunklen Haaren mustert ihn.

    "Was willst du?", fragt sie barsch. Sie kennt ihn nicht, und Mißtrauen ist in ihre Züge eingeschrieben. Er kann ihre Gedanken förmlich lesen - ein Fremder in so einem kleinen Dorf - wo kommt er her? Und was will er hier? Gehört er etwa zum fahrenden Volk?

    "Einen Laib Brot und ein paar Scheiben Fleisch", verlangt er. Unglauben mischt sich in ihre Miene. "Ich habe Geld", setzt er schnell hinzu und läßt sie einen Blick auf den silbernen Halbpfennig werfen.

    "Silber?", zischt sie so laut daß die anderen im Raum sich umdrehen. "Woher willst du kleine Ratte denn Silber haben? Wo hast du das gestohlen?"

    "Es war ein Geschenk...", murmelt er verzweifelt, er ahnt schon was passieren wird, hat es vorher schon befürchtet. Aus dem Augenwinkel kann er sehen wie drei Männer aus der Gruppe an der Tür sich erheben. Er muß schnell handeln... und den Plan dafür hat er sich schon zurechtgelegt.

    Blitzschnell taucht er ab und läuft nach rechts, und während einer der überraschten Männer nach ihm greift schlägt er einen Haken und taucht nach links in Richtung Tür.

    "Dieb!", kreischt die Wirtin hinter ihm während schwere Stiefel über den Boden Poltern, eine Bank zu Boden geht und jemand ungehemmt flucht. Aber er ist schon draußen, in der kalten, klaren Schneeluft eines dämmrigen Winternachmittags und rennt den ausgetretenen Weg entlang, an tief eingeschneiten Hütten vorbei, zählt Schritte und als er an einem Blutspritzer mitten auf dem Weg vorbei kommt den er vorher bemerkt hat, wirft er die kleine Silbermünze schnell in den tiefen Schnee am Wegrand.

    Keinen Moment zu früh - die Schritte von hinten kommen schnell näher und dann packt eine grobe Hand seine Schulter und er spürt wie er stolpert, wie sein Gesicht in den eiskalten Schnee gedrückt wird. Einen Moment später wird er hochgerissen, und zwei Schläge brennen auf seinen Wangen. Seine Angreifer sind nicht kräftig, grade mal an der Schwelle des Erwachsenseins, aber er kann ihnen wenig entgegensetzen.

    "Wo ist das geklaute Silber!", brüllt ihn einer an, während der andere ihm den Arm verdreht. Der Schmerz treibt Tränen in seine Augen, und Blut läuft aus seiner Nase, aber ein anderer schlägt ihm die Faust in den Magen noch bevor er antworten kann. Gierige Hände zwingen seine kalten Finger auseinander, schütteln ihn dann, und werfen ihn zu Boden als keine Münze zu finden ist. Er legt die Hände schützend über seinen Kopf, das ist alles was er tun kann.

    "Wo ist das Silber, du verdammter Dieb!", brüllt wieder jemand. "Wo hast du es versteckt?"

    Tritte treffen auf seine Rippen, selbst durch die dicke Winterjacke abgeschwächt sind sie schmerzhaft und er keucht.

    "Wo ist es?" - "Spuck's aus, Pathonbrut!" - "Rede, oder bei Ädon, ich schlag' dich zu Brei!"

    Endlich geben sie ihm Zeit zu antworten.

    "Ich hab's in der Taverne verloren...", wimmert er während Blut, Rotz und Tränen über sein Gesicht laufen und den weißen Schnee färben. "Es ist mir aus der Hand gefallen als ich abgehauen bin..."

    Die drei sehen sich fast entsetzt an, und er weiß was sie denken - wenn die Wirtin das Geld findet, dann wird sie sicher nicht mit ihnen teilen. Und dann war all ihre Mühe umsonst! Er bekommt einen letzten Tritt in den Magen, dann lassen sie ihn in Ruhe und rennen zurück - vielleicht war die Wirtin ja unaufmerksam.

    Eine Weile liegt er nur da, dann rafft er sich stöhnend auf, zieht Handschuhe über seine tauben Finger und humpelt aus dem Dorf hinaus in den Wald. Er will den dreien nicht noch einmal über den Weg laufen. Nachdem sie das Silber in der Taverne auch nicht finden werden...

    Erst weit nach Mitternacht kommt er wieder ins Dorf, um im Mondlicht mit eisigen Fingern den Schnee zu durchwühlen wo er die kleine Münze hingeworfen hat. Er braucht lange um sie zu finden, und seine Hände sind taub und gefühllos als er den Halbpfennig endlich aus dem Schnee zieht. Aber welche Wahl hat er schon?

  • Zuerst hing noch die Kühle des Morgens über dem Land, Tau glitzerte auf dem Gras und dem grünen Getreide das im Wind wogte, aber als die Sonne höher in den Himmel kletterte wurde es schnell warm und Tanred zog sich seine Weste aus. Vinlind, die neben ihm auf dem Weg ging, schien weniger empfindlich zu sein, sie trug immer noch das erdafarbene geschnürte Kleid mit Schürze, und ein Kopftuch unter dem zwei Zöpfe ihr langes dunkles Haar bändigten. Sie sah aus wie eine Bewohnerin irgend eines der Dörfer duch die sie die letzten Tage gekommen waren und in denen sie 'Die Wunder ferner Länder' gegeben hatten.

    Was irgendwie der Punkt daran war - letzte Nacht hatte man sich im Dorf in dem die Gaukler übernachtet hatten von Problemen in der Nähe von Erbor erzählt die Reisenden zu schaffen machen konnten, aber es waren nur Gerüchte, Dinge die man sich zuraunte, die ein Vetter von jemandem von einem Bekannten gehört hatte. Daher hatte Perren beschlossen, ein paar unauffällige Augen vorauszuschicken, und so war Tanred noch vor Sonnenaufgang zusammen mit Vinlind zu Fuß aufgebrochen, beide zur Abwechslung ohne ihre farbenfrohen Gauklergewänder und statt dessen wie Bauern aus der Umgebung gekleidet.

    Er war nicht glücklich darüber. Es war nicht das frühe Austehen, das war er gewohnt. Es war mehr die Aussicht, die Schwarze Garde zu treffen. Probleme für Reisende - und das in der Nähe der Stadt. Das klang wie eine Straßensperre - oder Schlimmeres. Und dafür würde die Garde verantwortlich sein...

    "`Schau - ein Pfennig!"', sagte Vinlind plötzlich und zeigte auf die Straße.

    Er sah das Glitzern sofort und wollte sich bücken um die Münze aufzuheben, aber Vinlind lachte nur und zeigte ihre Hände.

    "`Bemüh' dich nicht, Tan!"', meinte sie fröhlich. In ihrer rechten Hand glitzerte Kupfer. Schalk blitzte in ihren Augen als sie die Hände gegeneinander rieb - und dann war die Münze weg, und noch bevor Tanred irgend etwas sagen konnte griff sie nach seinem Ohr und zog den Pfennig davor.

    "`Ah, du hattest ihn schon"', sagte sie trocken.

    Gegen seinen Willen mußte Tanred lachen. Vinlind drückte ihn kurz kameradschaftlich an der Schulter.

    "`Es ist schöner wenn du lachst, Tan"', sagte sie, während sie die Kupfermünze abwesend durch ihre Finger tanzen ließ so daß sie mal sichtbar war und mal wieder verschwunden. "`Ein mürrischer Wandergenosse ist anstrengend. Und wir haben noch eine gute Wegstrecke vor uns. Also - was geht dir im Kopf rum?"'

    "`Ich weiß nicht..."', wehrte er ab. Er war sich nicht sicher ob er seine Gedanken ausgerechnet mit Vinlind teilen wollte. Auch wenn er sich selbst gegenüber zugeben mußte, daß die Tatsaeche daß sie jede Nacht zusammen mit Arngard die Kammer teilte in der er eigentlich gerne gelegen hätte seine Meinung über sie schon beeinflußte. "`Nichts bestimmtes."'

    "`Hm, also entweder Arngard oder unser Auftrag"', folgerte Vinlind. "`Arngard glaube ich allerdings nicht, wenn es zwischen euch mal wieder Schwierigkeiten gegeben hätte hätte ich das wohl mitbekommen - also gefällt dir etwas an unserem Spähauftrag nicht, und wenn ich raten sollte würde ich auf die Möglichkeit tippen die Schwarze Garde zu treffen. Du reagierst immer sehr nervös in ihrer Umgebung."'

    Jetzt sah er sie entgeistert an.

    "`Wie...?"', stotterte er.

    "`Jetzt schau' nicht so verdattert. Ich muß andere genau beobachten und verstehen um meine Zauberkunststücke zu machen"', erklärte sie, während sie geistesabwesend die Kupfermünze von einer Hand in die andere zauberte. "`Es hängt alles daran wo die Aufmerksamkeit des Zuschauers ist. Die Leute sehen was sie sehen wollen, und wenn ich verstehe was sie sehen wollen, dann kann ich ihre Aufmerksamkeit dahin lenken wo ich will - und so erscheint ein Handgriff auf den niemand geachtet hat später als Wunder und Magie. Und daß dir eine Begegnung mit der Garde unangenehm ist merkt sogar jemand wie Rocas der nun wirklich keinen Blick für andere hat."'

    Tanred blickte auf einen kleinen Ädonsschrein am Wegrand, den sprießenden Roggen dahinter und dann Rand eines kleinen Wäldchens hinter dem Rauch aufstieg - Hauptsache irgendwo anders hin als zu Vinlind. Verdammt, was war er für ein lausiger Kerrinsmann wenn jeder merkte daß er einfror wenn die Garde zu sehen war?

    "`Mach' dir nichts draus"', fuhr Vinlind fort. "`Wie du reagierst ist gut für das was wir vorhaben, das macht uns unauffällig. Sie erwarten daß die Leute Angst vor ihnen haben und ihnen aus dem Weg gehen, wenn sie das bei dir sehen dann schauen sie keine zweimal hin. Wenn du ihnen aufrecht ins Auge schaust - dann kannst du damit rechnen daß sie dich genauer untersuchen."'

    "`Meinst du?"', fragte er, mehr um irgend etwas zu sagen. "`Ich dachte sowas läßt einen eher schuldbewußt und verdächtig wirken..."'

    "`Gegenüber einem Büttel vielleicht"', entgegnete sie. "`Aber die Garde ist anders, die Eloraner wissen daß sie hier im Land keine Freunde haben, also nehmen sie das nächstbeste - die Angst der Leute. Schau' dir andere an wenn wir an eine Straßensperre kommen - viele haben Angst, auch wenn sie versuchen es nicht zu zeigen."'

    Wieder tanzte die Münze über ihre Hand und verschwand vor seinen Augen wieder.

    "`Außerdem"', setzte sie hinzu, "`weißt du gar nicht ob wir auf die Garde treffen. Niemand hat was genaues gesagt."'

  • Bester Satz aus dem Abschnitt: (sagt eigentlich nichts Deutliches aus, aber einfach hübsch zu lesen und mit so viel mitschwingenden Nuancen.)

    Auch wenn er sich selbst gegenüber zugeben mußte, daß die Tatsaeche daß sie jede Nacht zusammen mit Arngard die Kammer teilte in der er eigentlich gerne gelegen hätte seine Meinung über sie schon beeinflußte.

    Es geht auch wieder sehr schön weiter und ich lese es einfach gerne.

    Schöner Einblick in die Künste der Gauklerin und darüber, wie es wirken kann, wenn jemand Angst hat.

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  • Vinlind hatte Unrecht.

    In einem Weiler an einer Wegkreuzung nur zwei Meilen von Erbor entfernt trafen sie auf die Garde. Die Ansiedlung bestand nur aus ein paar Häusern die ein verblüffend großes Gasthaus umringten und ihrerseits von verstreuten Gehöften umgeben waren, und auf dem geräumigen Vorplatz des Gasthauses hatte sich eine Menschenmenge eingefunden.

    Zuerst sahen sie die Ursache für das Gedränge gar nicht, nur das gute Dutzend Pferde die an einem Zaun angebunden waren und verschiedene Wagen und Karren die den Weg versperrten. Es war offensichtlich kein Fest das gefeiert wurde, es gab keine Musik und keinen Beifall sondern lediglich mürrisches Raunen der Menge. Tanred kletterte entschlossen auf einen Karren um über die Menge zu schauen während Vinlind rücksichtslos ihre Ellbogen einsetzte um nach vorne zu kommen.

    Und dann sah er eine Handvoll Soldaten in dunklen Umhängen die die Menge mit gezogenen Waffen vom Eingang des Gasthauses fernhielten, und während er sich noch fragte was vorging, schleppten drei weitere Soldaten einen sich wild wehrenden Mann aus der Tür. Blut verklebte seine Stirn, sein Hemd war zerrissen und seine blonden Haare hingen wild umher, aber in seinen Augen blitzte noch Widerstand auf als er in die Menge schrie: "Ich bin unschuldig! Wollt ihr einfach hinnehmen daß sie jeden von uns irgendwann mitnehmen?"

    Ein Raunen ging durch die Menge, und für einen kurzen Moment bewegte sie sich einen Schritt vor, aber das war alles, niemand wollte der erste sein den die Schwerter trafen. Ein Soldat schlug dem Gefangenen grob den Schwertknauf ins Gesicht so daß er Blut und Splitter von Zähnen spuckte. Der Mann schrie vor Schmerz auf, und die anderen Krieger zerrten ihn weiter.

    "Auseinander!", befahl der Kommandant der Gardisten zur Menge gewandt. "Hier gibt es nichts zu sehen!"

    "Verdammt, erinnert sich denn niemand an die Sitten der alten Könige die über das Meer kamen?", brüllte der Gefangene plötzlich bevor ihn ein weiterer heftiger Schlag zum Schweigen brachte.

    Tanred fühlte sich als hätte plötzlich jemand einen Kübel Eiswasser über ihn gegossen. Das war das Passwort - der Gefangene war ein Kerrinsmann! Und er rief um Hilfe! Hastig sah Tanred sich um, aber es sah nicht so aus als würde irgendjemand etwas mit den Worten anfangen können oder Anstalten machen, dem Mann zu Hilfe zu kommen. Statt dessen zerstreute sich die Menge mürrisch und zwei Soldaten schleiften den inzwischen Bewußtlosen hinter sich her.

    Fieberhaft dachte Tanred nach. Was sollte er tun? Den Mann alleine befreien kam nicht in Frage, was konnte er möglicherweise gegen auch nur einen der Soldaten ausrichten? Sie hatten Schwerter, Kettenhemden, Schilde und Helme - er hatte einen Dolch in einem Leinenhemd versteckt. Nein - er mußte Perren Bescheid sagen, so schnell wie möglich. Perren würde wissen was zu tun war.

    Oder ob überhaupt etwas getan werden konnte... Wenn sie den Mann in einen Kerker brachten...

    Der Gefangene wurde quer auf ein Pferd gelegt und abtransportiert, aber eine Handvoll der Soldaten schien im Dorf zu bleiben um sicherzugehen daß die Menge sich wirklich zerstreute.

    Vinlind kam auf ihn zu, und er kletterte vom Karren herunter.

    "Ich muß zu Perren und ihm berichten - bleib' du noch hier und beobachte was passiert!", begann er bevor sie noch etwas sagen konnte.

    Zu seiner Überraschung nickte sie.

    "In Ordnung - lauf' so schnell du kanst, wenn sie schon Leute verhaften und mitnehmen dann geht hier etwas sehr unschönes vor. Und wir möchten ganz sicher nicht darin verwickelt werden."

    Während er sich umwandte um schnell - aber nicht zu schnell - aus dem Weiler zu gehen sann er über die Ironie in ihren Worten nach. Sie waren schon verwickelt, schon lange, die Frage war nur wie tief.

    Und das konnte nur Perren wissen.

  • Die Kerrinsmänner unter den Gaukern trafen sich unter ein paar Apfelbäumen die ein Stück von den Wagen entfernt standen sobald es unauffällig genug möglich war, so dringend empfand Perren die Nachrichten die Tanred gebracht hatte. Und die Mienen der Gruppe waren besorgt, da gab es keinen Zweifel.

    "Kennst du den Mann?", fragte Branwen zu Perren gewandt als Tanred den Gefangenen beschrieben hatte. Der Prinzipal schüttelte den Kopf.

    "Nein, es ist keiner von meinen Kontakten", antwortete er. "Godhelm hat dunkle Haare... Zumindest wissen wir, daß er nicht der Gefangene war."

    "Spielt das eine große Rolle?", warf Ketran ein. "Wenn sie einen gefangen haben, dann verrät er vielleicht die anderen."

    Perren nickte unglücklich.

    "Haben wir irgend eine Chance ihn zu befreien?", fragte Branwen zweifelnd.

    Sowohl Wulfgar als auch der Prinzipal schüttelten den Kopf.

    "Sie werden ihn nach Erbor gebracht haben - vermutlich auf die Wache wo sie ihn einsperren können. Selbst wenn wir in die Wache kommen und den Mann rausholen - was ich mir wirklich nicht vorstellen kann - müßten wir immer noch irgendwie aus der Stadt entkommen. Ich sehe nicht wie es getan werden könnte."

    "Also gut", sagte Ketran, "was bedeutet das dann für uns? Drehen wir um und legen Abstand zwischen uns und die Stadt?"

    "Geht nicht...", erwiderte Perren grimmig. "Ich habe heute abend ein Treffen mit Godhelm, und das ist wichtig."

    Ketran und Branwen sahen ihn entsetzt an.

    "Du willst nicht ernsthaft da hingehen?", fragte Branwen tonlos. "Mit einem Gefangenen der inzwischen vielleicht schon über die ganze Sache geredet hat? Oder schlimmer noch, der vielleicht von jemandem verraten worden ist der auch andere verraten hat?"

    "Es ist verdammt noch mal zu wichtig!", knurrte Perren. "Aus Erbor können wir hoffen zwei Hundertschaften Infanterie zu bekommen - wenn wir es schaffen die Waffen und die Ausrüstung dahin zu bringen wo sie gebraucht werden. Der ganze Handel ist seit einem Jahr eingefädelt - wenn wir jetzt aus übertriebener Vorsicht weglaufen bricht das alles zusammen. Wir wissen verdammt noch mal nicht wer der Mann ist den sie gefangen haben. Und wir wissen vor allem nicht was er weiß, oder wie schnell sie ihn überhaupt befragen - mit etwas Glück ist mein Treffen über die Bühne bevor sich die Sache irgendwie entwickelt. Wir müssen jetzt anfangen, Risiken einzugehen, wir können nicht ewig vorsichtig bleiben."

    Ketran seufzte und sah ihn unglücklich an, schweig aber.

    "Ich bin dann also die einzige die die Idee für dämlich hält...", stellte Branwen trocken fest. "Nicht daß ich so viel tun könnte um dich abzuhalten."

    "Wir sind vorsichtig", sagte Perren. "Wir gehen bewaffnet, sehen uns die Lage vorher an. Und wir können Tanred mitnehmen."

    "Tanred ist noch ein halbes Kind - nur weil ihr ihm ein paar Mal ein Schwert in die Hand gedrückt habt könnt ihr ihn nicht einfach in eine Situation mitnehmen wo es zu einem Kampf kommen kann!", protestierte Ketran.

    "Wir wissen überhaupt nicht ob es zu einem Kampf kommt - und drei Augenpaare sehen mehr als zwei", knurrte Wulfgar. "Der Junge kann ganz gut auf sich aufpassen denke ich, und vor allem kann er Botschaften überbringen wenn wir jemanden brauchen. Das kann entscheidend sein."

    "Ja, ich kann gut auf mich aufpassen!", bestätigte Tanred ärgerlich. Ein Kind war er nun wahrlich nicht mehr.

    "Da hörst du's", meinte Perren.

    Ketran warf entnervt die Hände in die Luft und tauschte einen grimmigen Blick mit Branwen.

    "Kommt nicht zu mir, wenn sich die Sache in eine Katastrophe verwandelt", sagte sie kopfschüttelnd. "Ich sammle die Scherben nicht mehr auf."

    "Also - Wulfgar, Tanred und ich brechen dann nach Sonnenuntergang auf - das Treffen ist um Mitternacht, das sollte uns genug Zeit geben den Ort nach einer Falle zu untersuchen", entschied Perren.

    Tanred nickte, während er die erste Aufregung zu spüren begann. Er war ein Kerrinsmann und unterwegs zu seinem ersten geheimen Treffen!

  • Oh je ... da sehe ich ein paar dicke schwarze Wolken auf die Gruppe zukommen und gehe davon aus, dass die angekündigte Katastrophe schon ihren Lauf nehmen wird. Und Tanred mittendrin, der ungeübt im Kampf ist (noch nie einen echten Kampf gekämpft hat, nur Übungen) und von nichts wirklich eine Ahnung hat. Dürfte auf jeden Fall ziemlich aufregend werden.

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  • So, ich hab auch wieder aufgeholt, Thorsten . Perren ist also ein Graf - überraschend und eine schöne Wendung. Es erklärt nicht nur Tanred viel an Perrens Verhalten und Auftreten, sondern auch mir als Leser. Gefällt mir. Und auch Ketrans pragmatische Einstellung zu der Sache imponiert mir.
    Die Szene im Gasthaus mit der Silbermünze hatte ich irgendwie kommen sehen, das schien mir schon vorhersehbar, als Tanred sie bekommen hat. Sie wegzuwerfen war ein guter Geistesblitz. ich hoffe, sie bringt ihn nicht noch einmal in Schwierigkeiten.
    Tja, und dann die Szene mit der Schwarzen Garde. Seeeehr beklemmend, wie dieser KErrinsmann da verhaftet wird und verzweifelt die Parole rausschreit. Muss ungeheuer niederschmetternd sein, zu erkennen, dass niemand zu Hilfe kommt.
    Und nun will Perren in die Höhle des Löwen. Ich ahne Unheil. Großes sogar. Und Tanred wird mittendrin sein.

    Kann weitergehen. :popcorn:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Und Tanred mittendrin, der ungeübt im Kampf ist (noch nie einen echten Kampf gekämpft hat, nur Übungen) und von nichts wirklich eine Ahnung hat.

    Einmal ist immer das erste Mal... Aber ja, wir bewegen uns auf ernsthaftere Action zu:)

    Es erklärt nicht nur Tanred viel an Perrens Verhalten und Auftreten, sondern auch mir als Leser.

    Schoen dass das so funktioniert.

    Die Szene im Gasthaus mit der Silbermünze hatte ich irgendwie kommen sehen, das schien mir schon vorhersehbar, als Tanred sie bekommen hat.

    Ja, das ist ein bisschen vorhersehbar, stimmt schon. Als Illustration dieser Zeit der Wirren wo keiner einem anderen so richtig vertrauen kann und auch Mildtaetigkeit nach hinten losgehen kann erschien es mir trotzdem stark genug um es reinzunehmen.

    ***

    Kirisha - weil Du gesagt hast dich interessieren solche Dinge, und weil ich es vermutlich nirgendwo im Text erklaeren werde:

    Perrens voller Name Sigwulf Perren Anduas hat bewusst drei Teile um die drei Volksstaemme Gondreds zu repraesentieren (wie jeder volle Adelsname) - 'Perren' (wie auch 'Ketran') sind Namen der Ureinwohner deren Bedeutung niemand mehr kennt. 'Sigwulf' wie die meisten anderen Namen (Wulfgar, Godhelm, Alfhild, Vinlind,...) sind mittelgondrische Namen die von der ersten Einwanderungswelle kommen bei der Gondred von nordischen Voelkern erobert wurde. Und 'Anduas' (wie viele der Namen der Ädonsmänner, bisher war 'Armanas' erwaehnt) ist ein arianischer Name der aus der zweiten Einwanderungswelle kommt als Gondred arianische Kolonie war und seine Hochkultur von dort geerbt hat.

    Story-intern weiss das natuerlich kaum jemand (ausser Maldua natuerlich...)

  • Perrens voller Name Sigwulf Perren Anduas hat bewusst drei Teile um die drei Volksstaemme Gondreds zu repraesentieren

    Ja das finde ich spannend. Die altnordischen Namen passen gut zueinander und machen es stimmig.

    Ich finde sowas sehr gut auch wenn ich es selbst in meinen Geschichten nicht hinbekomme.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Das Schwert war ungewohnt in seiner Hand.

    Perren und Wulfgar trugen ihre Schwerter am Waffengurt - Tanred hatte es zuerst auch versucht, aber die lange Waffe war ihm immer wieder zwischen die Beine geraten und so hatte er den Versuch aufgegeben. Er war sich nicht sicher ob er die Klinge im Notfall ziehen könnte wenn er sich das Schwert auf den Rücken schnallen würde wie er es ab und an bei Soldaten gesehen hatte, und deshalb trug er die Waffe wie einen Wanderstab in der Hand.

    Natürlich in einer Schwertscheide - die Klinge war gut gepflegt und höllisch scharf geschliffen, und sowohl Perren als auch Wulfgar hatten ihn eindringlich gewarnt mit gezogener Waffe unvorsichtig zu hantieren wenn er es nicht mehr mit einem Übungsschwert zu tun hatte.

    Also kroch er mit dem Langeschwert in der Hand und einem Dolch am Gürtel durch Gebüsche an den Feldrändern und spähte duch die Dunkelheit über nächtliche Gehöfte, die um den Treffpunkt, eine Wegkreuzung unter einem kleinen Buchenhain, verstreut lagen.

    Die Aufgabe nach Soldaten oder ihren Pferden Ausschau zu halten hatte spannender geklungen als sie nach einer Stunde kriechen über feuchten Boden, Matsch und Dornen war - Wolken verdeckten den Himmel und es war stockdunkel, die Ställe und Scheunen waren nur als vage Schemen zu erahnen und außer schwachem, flackernden Kerzenschein aus einem einzigen Fenster war kein Anzeichen von irgend einer Aktivität zu sehen. Also lief es auf Lauschen heraus, aber viele Bauern der Umgebung hatten Tiere, und er hatte keine Ahnung ob man am Schnauben möglicherweise erkennen konnte ob man es mit einem Ackergaul oder einem Schlachtroß zu tun hatte. Auf der anderen Seite - würden Soldaten in der Dunkelheit warten?

    Gedämpft konnte man aus der Ferne Glockenschläge aus Erbor hören - es war das Penultimaläuten, das letzte Schlagen der Glocke vor Mitternacht. Sein Herz hämmerte plötzlich. Das war das Zeichen das sie vereinbart hatten - wenn niemand bisher etwas verdächtiges gefunden hatte, dann war vermutlich keine Falle für Perren vorbereitet und sie würden sich an einem Brunnen knapp vor der Kreuzung treffen.

    Er richtete sich aus dem Gebüsch auf und wischte sich erst mal Matsch von Händen und Knien. Er mußte aussehen wie... nun ja, wie ein Gerber. Unwillk"irlich grinste er bei dem Gedanken und ging über eine Weide in Richtung des Feldwegs der zur Kreuzung führte. Nachdem er so lange vorsichtig durch Gebüsch und Feldrain gekrochen war fühlte es sich einfach falsch ein so offen zu gehen, und er hatte das Gefühl als starrte ihm jemand in den Rücken. Oder schlimmer noch, zielte mit einer Armbrust auf ihn...

    Es war Unsinn, er wußte es selber. Es war viel zu dunkel um viel zu sehen, und es war ohnehin niemand da, davon hatte er sich überzeugt seit sie zu dritt hier angekommen waren. Armbrustschützen würden nicht stundenlang still im Matsch warten in der Hoffnung daß ein Kerrinsmann vorbei kam. Und trotzdem - er lauschte in die Nacht. Da war ein Vogel... und etwas raschelte im Unterholz...

    Vor ihm erhob sich plötzlich eine massige Gestalt aus den Schatten am Wegrand!

    Tanred prallte zurück, zerrte unbeholfen sein Schwert aus der Scheide und hielt es mit beiden Händen vor sich. Für den Moment war alles Training vergessen.

    "Immer mit der Ruhe, Junge...", brummte Wulfgar. "Sei vorsichtig mit dem Ding bevor noch jemand verletzt wird."

    Tanred stieß seinen Atem heftig aus als eine Welle von Erleichterung über ihm zusammenschlug.

    "Wulfgar - verdammt...", stieß er hervor. Der ältere Mann lachte nur gutmütig.

    "Perren wartet da hinten, unter den Bäumen", sagte er zu Tanred.

    Schweigend legten sie das Stück Weg nebeneinander zurück. Tanreds Herz hämmerte noch immer, aber die Aufregung die sich beim Kriechen durch die Büsche verabschiedet hatte meldete sich wieder. Sie hatten sorgfältig alles untersucht - hier warteten keine Soldaten auf sie. Und jetzt konnte das Treffen stattfinden, und er würde dabei sein.

    "Bleib hier zurück", wies Wulfgar ihn an als sie den Buchenhain erreichten und sie Perren dort schemenhaft erkennen konnten. Tanred nickte und trat in den Schatten, Wulfgar ging weiter. Halblaute Worte wurden zwischen ihm und Perren ausgetauscht. Dann warteten alle drei.

    Tanred fror. Nach seinen Erfahrungen in Heltaford hatte er daran gedacht, wärmere Kleidung anzuziehen, aber daß er vom Kriechen durch den Matsch durchnäßt sein würde hatte er nicht vorhergesehen. Mondlicht fiel durch eine Lücke in den Wolken, erhellte die Gegend für eine kurze Weile. Alles war immer noch still, nirgends war Bewegung zu sehen. Irgendwo in Erbor schlug eine Glocke Mitternacht.

    Niemand war zu sehen.

    Nervös kauerte Tanred sich tiefer in den Schatten, lehnte das Schwert an einen Baum rieb sich die Hände um warm zu bleiben und starrte in die Dunkelheit. Perren und Wulfgar standen zusammen, unterhielten sich immer noch, aber er konnte die Worte nicht verstehen. Dann trat Wulfgar - er erkannte den massigen Mann an seinem Umriss - zur Seite und verschmolz ebenfalls mit dem Schatten eines Baums. Irgendwas mußten sie...

    Und dann sah er es auch. Auf einem der Wege war das Licht einer Laterne zu sehen. Schnell kam es näher, und in seinem Schein konnte Tanred einen Eselskarren sehen der auf die Wegkreuzung zufuhr.

    Er holte tief Atem und zog langsam sein Schwert.

  • Der Eselskarren hielt vor Perren, und der Fahrer hob eine Handlaterne an die neben ihm hing während eine zweite an der Seite des Wagens baumelte. Schwacher Lichtschein fiel über die Kreuzung.

    "Wer treibt sich denn um diese unheilige Stunde noch hier an der Kreuzung herum?", fragte er. "Steht nicht geschrieben die Nacht soll der Ruhe dienen?"

    "Das ist aus dem vierten Buch Ädon, oder?", fragte Perren.

    "Nein, dem fünften", erwiederte der Mann und lachte. "Gut dich zu sehen Perren - habe ich da Begleiter von dir gesehen, oder spielen mir die Schatten einen Streich? Oder sollten es gar nicht deine Begleiter sein?"

    "Es sind zwei meiner Männer", antwortete Perren und gab ein Zeichen. Wulfgar trat aus dem Schatten an den Rand des Lichtscheins, und auch Tanred erhob sich und ging zögernd ein paar Schritte auf den Weg zu.

    "Gut", sagte der Fremde währed er vom Wagen abstieg und auf Perren zuging. "Man kann nie vorsichtig genug sein in diesen Zeiten."

    "Meinst du irgendwas bestimmtes damit?", fragte der Prinzipal zurück.

    "Er meint, daß Du dir besser hättest überlegen sollen wer deine Freunde sind", sagte plötzlich eine dritte Stimme mit einem ausländischen Akzent. Tanred zuckte zusammen als er Bewegung sah - eine Decke die die Ladefläche des Karrens verhüllt hatte wurde zur Seite geschlagen er sah das Glitzern von gezogenen Waffen, Helmen und Kettenhemden - Bewaffnete sprangen heraus und verteilten sich rasch.

    "Ich weiß, du wirst es vermutlich nicht verstehen...", sagte der Mann vor Perren entschuldigend. "Aber sie konnten mir ein viel besseres Angebot machen als du. Es ist nicht persönlich..."

    Perren sagte nichts, aber das Zischen von Stahl der von ihm und Wulfgar blank gezogen wurde war Antwort genug.

    "Legt die Schwerter weg!", befahl einer der Soldaten, offenbar ihr Anführer. "Oder ihr sterbt. Wir haben eine Armbrust..."

    Einer der Männer hob die klobige Waffe und zielte auf Perren. Tanred sah, daß der Prinzipal einen unsicheren Blick mit Wulfgar wechselte und zögerte. Vielleicht hätten sie zu zweit eine Chance gehabt - aber nicht wenn einer von ihnen mit einem Bolzen im Hals starb bevor der Kampf losging. Er starrte die Szene vor seinen Augen an - es wirkte fast wie aus einem Theaterstück - da waren Perren und Wulfgar, Schwerter gezogen und in der hohen Stellung des Falken erhoben, vor ihnen der in einen braunen Mantel gehüllte Verräter der langsam zurückwich, alle umringt von vier gepanzerten Soldaten der Garde mit Schwertern und Schilden, und im Hintergrund, gegen den Wagen gelehnt, der Armbrustschütze, der zumindest seinem Waffenrock nach zu urteilen keiner der Garde war.

    Die Zeit schien zäh wie Honig zu fließen als Tanred fieberhaft überlegte was er tun sollte. Niemand schien sich groß um ihn zu kümmern, auch wenn einer der Soldaten einen kurzen Blick in seine Richtung geworfen hatte. Wenn er einfach nach vorne stürmte, dann würde der Schütze vielleicht nervös werden und auf ihn zielen - und bei dem Gedanken an den plötzlichen Schmerz eines Bolzens der sich in seinen Bauch bohrte krampfte sich sein Magen zusammen. Er wollte verdammt noch mal nicht sterben, nicht mal um Perren und Wulfgar zu retten...

    Perren senkte langsam das Schwert.

    Und plötzlich begriff Tanred, was er tun mußte. Er ließ sein Schwert aus der Hand gleiten, zog den Dolch aus dem Gürtel und warf mit aller Kraft auf den Armbrustschützen während er sich schon fallen ließ.

    Der hastig improvisierte Plan funktionierte wie er erwartet hatte - fast jedenfalls. Der Mann wirbelte herum als plötzlich ein im Lichtschein blitzendes Etwas auf ihn zugeflogen kam, sah die Bewegung dahinter und schoß instinktiv - mit einem lauten 'Twang' löste sich der Bolzen und pfiff so nah an Tanred vorbei daß er den Luftzug spüren konnte während er schmerzhaft mit den Händen auf lose Kiesel aufschlug und sein Knie gehen einen Stein prallte.

    Plötzlich wurden die Schwerter wieder gehoben, und irgendjemand rief, aber Tanred konnte das Geschehen nicht länger verfolgen - der Armbrustschütze die schwere Waffe zu Boden geworfen, ein Schwert gezogen und kam wütend auf ihn zu!

    Hektisch tastete er nach seinem Schwert. Seine Hand berührte irgend etwas glühend heißes, und erst als er klebriges Blut zwischen den Fingern spürte begriff er, daß er in die Klinge gefaßt hatte. Endlich bekam er den Schwertgriff zu fassen und richtete sich auf.

    Hauer des Wildschweins - er nahm die Stellung ein wie Wulfgar ihn unzählige Male gedrillt hatte, das Schwert neben der linken Hüfte gehalten, nach unten zeigend, obwohl immer noch warmes Blut über seine Hand rann und er allmählich den pochenden Schmerz dort zu spüren begann.

    Der Soldat kam weiter auf ihn zu, langsam, er konnte im schwachen Licht nur schemenhaft ein Grinsen im blassen Oval des Gesichts sehen. Hüfte nach links drehen und dann mit einem schnellen Schritt aus der Drehung zuschlagen, hörte er Wulfgars Stimme in seiner Erinnerung wiederhallen.

    Mit einem Grunzen riß der Soldat sein Schwert in die Höhe, stürmte nach vorne und schlug zu.

    Tanred bewegte sich, ohne nachzudenken. Seine Waffe kam in einem Aufwärtsschlag nach oben, prallte hart und mit einem metallischen Klingen gegen Widerstand, dann fuhr sie auch schon mit der nächsten Bewegung herunter, traf mit einem dumpfen Aufprall auf etwas aus, und Tanred riß die Klinge gegen einen Winderstand nach hinten, spürte kurz Wärme auf seinem Gesicht und hielt das Schwert dann hoch in der Position des Stierhorns während er zurückwich um dem nächsten Angriff zu begegnen.

    Doch der kam nie.

    Der Mann hielt sich mit der linken Hand am Hals fest während er langsam auf die Knie sank, einen überraschten Ausdruck um Gesicht. Etwas dunkles quoll unter seiner Hand hervor. Blut - viel Blut. Tanreds Schwertspitze zitterte, aber sie zeigte immer noch auf das Gesicht des Mannes, doch der ließ das Schwert fallen und griff sich nun mit beiden Händen an den Hals und sackte in sich zusammen. Er versuchte etwas zu sagen, aber es kam nur ein nasses, gurgeldes Geräusch aus seinem Mund, und dann ein Schwall von Blut.

    Tanred spürte ein Würgen in seiner Kehle als der Soldat auf dem Boden aufschlug, nach Luft rang, ihn dann ansah als schon Blut aus seinem Mund und seiner Nase rann, noch einmal mit den Füßen zuckte und dann mit einem erneuten Schwall Blut seinen letzten Atemzug tat. Das Zucken ging noch einen Moment weiter, dann war es vorbei.

    Der Mann war tot.

    Tanred zitterte, er konnte seine Hände nicht kontrollieren, konnte ihnen nicht befehlen, das Schwert sinken zu lassen.

    Er hatte grade einen Mann getötet!

    Von irgendwoher drang schwach Lärm an seine Ohren, das Klirren von Waffen, ein kurzer Schrei, aber er konnte nur den Toten zu seinen Füßen anstarren während das Blut in seinen Ohren rauschte. Die dunkle Lache um den Hals des Mannes wurde größer und gröser.

    Das Schwert fiel endlich aus seinen zitternden, verkrampften Händen.

    Von irgendwoher kamen Schritte aus dem Dunkel, dann packte ihn ein kräftiger Griff am Kinn, drehte sein Gesicht is Licht.

    "Tanred - schau mich an!", befahl Perren. "Bist du in Ordnung?"

    Die Worte schienen von weit her zu kommen, aber er verstand sie und nickte abgehackt. Er hatte grade einen Mann getötet.

    "Tan, es ist vorbei, verstehst du?", fragte Perren weiter. "Bei Ädon, du bist nicht der erste Junge den ich auf einem Schlachtfeld erlebe, ich weiß wie hart das ist, aber wir haben jetzt keine Zeit. Wir müssen hier weg, vermutlich haben die Solaten Reiterei in Rufweite falls einer von uns entkommen wäre - und die werden bald hierher unterwegs sein. Wir müssen uns in die Büsche schlagen, und dann mußeen wir hier weg - die Wagen und alle."

    Wulfgar kam aus dem Dunkel, die Armbrust des Toten über der Schulter.

    "Tan, ich bin stolz auf dich - du hast gehandelt wie ein richtiger Kerrinsmann, und ich könnte mir keinen besseren Begleiter wünschen. Ich würde dir jetzt gerne eine Pause geben, aber du mußt dich jetzt zusammenreißen. Es geht nicht anders. In Ordnung?"

    Wieder nickte Tanred. Perren bückte sich um Tanreds Schwert aufzuheben und wieder in der Scheide zu verstauen, und dann ging er zügig auf ein Gebüsch zu. Tanred folgte ihm willenlos, Wulfgar kam als letzter.

    Er hatte gerade einen Mann getötet...

  • In grimmigem Schweigen marschierten sie zügig den Weg entlang, zurück zum Lager der Gaukler. Perren hatte sie in weitem Bogen durch Gebüsche, Äcker und Viehweiden geführt, aber die Spuren die sie in der hochgeschossenen Saat der Felder hinterließen waren zu deutlich, und abseits des Weges kamen sie zu langsam voran so daß sie keine große Wahl gehabt hatten als am Ende wieder den Feldweg zu nehmen. Der Mond war hinter den Wolken hervorgekommen so daß die Dinge etwas deutlicher zu sehen waren - ob das gut oder schlecht war würde sich zeigen.

    Reiter oder Männer mit Bluthunden - das waren jetzt die größten Gefahren, und alles hing daran wie schnell der Rest der Soldaten merkte, daß die Begegnung an der Wegkreuzung nicht mit einer Gefangennahme geendet hatte...

    Tanred bekam wenig von den hastig geflüsterten Besprechungen zwischen Perren und Wulfgar mit. Irgendwann hatte Perren ihm das Schwert wieder in die Hand gedrückt, und irgendwie war auch der Dolch wieder in die Gürtelscheide gekommen. Erinnern konnte er sich daran nicht.

    Vor seinem inneren Auge sah er wieder und wieder den Mann Blut spucken. Und er hörte dieses feuchte Geräusch davor... Kein Mensch sollte ein solches Geräusch von sich geben! In Geschichten über Ritter und Helden starben die Feinde einfach - niemand versuchte noch zu reden und spuckte dabei Blut. Niemand sah einen mit einem so überraschten Ausdruck im Gesicht an und sank dann zusammen.

    Tanred war froh, daß es so dunkel gewesen war daß er die Szene nur schemenhaft wahrgenommen hatte - auch wenn seine Phantasie Einzelheiten ergänzte wo er keine gesehen haben konnte.

    Das Buch Ädon verbot, einen Menschen zu töten... Und doch hatte er es getan. Um sich zu verteidigen... der Schütze hatte ihn töten wollen... Aber das brachte die Erinnerung an das... Geräusch nicht besser.

    Er starrte auf seine Füße, wie sie den von Rad- und Hufspuren gezeichneten Feldweg entlang gingen, auf die schwachen Schatten die seine Beine im Mondschein warfen, und er versuchte nichts zu denken. Aber es ging nicht... immer wieder sah er das Gesicht vor sich, den Mund der versuchte Worte zu formen während Blut aus ihm quoll...

    "Verdammt!", schnappte Wulfgar. "Reiter von hinten. Runter von der Straße!"

    "Zu spät...", entschied Perren. "Bei dem Licht haben sie uns bestimmt schon gesehen. Wenn wir jetzt vom Weg gehen wirkt das erst recht verdächtig."

    Wulfgar schnaubte.

    "Meinst du ernsthaft wir können als einfache Reisende durchgehen? Mitten in der Nacht? Mit Langschwertern, einer erbeuteten Armbrust und Tanred blutbespritzt als ob er grade aus einer Schlachterei kommt?"

    "Unwahrscheinlich...", murmelte Perren grimmig. "Wir werden eben wieder kämpfen müssen... Mach' dir Armbrust klar, die Überraschung kann uns vielleicht helfen."

    Wulfgar nickte, dann machte er sich daran, die schwere Waffe zu spannen.

    "Tanred - runter vom Weg!", befahl Perren. "In deinem Zustand bist du für uns kaum von irgend einem Nutzen. Wenn irgendwas schief geht, versuch' dich durchs Gelände durchzuschlagen und gib Ketran Nachricht. Bekommst du das hin?"

    "In Ordnung", murmelte Tanred, aber seine Stimme versagte beim ersten Versuch und er brachte nur ein Krächzen raus und mußte die Worte wiederholen. Er stolperte ein paar Schritte von der Straße halb in ein Feld und drehte sich um.

    Verdammt, er hatte einen Mann getötet. Gegen Ädons Gebot. Vielleicht verdiente er es, jetzt dafür gestraft zu werden...

    Die Reiter kamen rasch näher. Es waren zwei.

    "Nur zwei", kommentierte Perren knapp. "Wenn ich vortrete und mit dem vorderen rede, nimmst du den hinteren."

    Wulfgar nickte und verbarg die Armbrust notdürftig unter seinem Umhang. Tanred spannte sich unwillkürlich an als die Reiter vom Trab in einen langsamen Schritt übergingen und dann vor Perren der mitten auf dem Weg wartete ihre Pferde zügelte. Mondlicht fiel über ihre matt glänzenden Helme die dunklen Kettenhemden und breite Ledergürtel.

    "Was habt ihr hier zu suchen?", herrschte der erste der Reiter Perren an. "Wieso seid ihr um diese Zeit unterwegs?"

    "Wir haben meine kranke Schwägerin besucht...", sagte der Prinzipal unterwürfig und trat dabei zwei Schritte näher an den Reiter heran.

    "Dreh dich mal ins Licht daß ich dein Gesicht sehen kann, Kerl!", knurrte der Soldat. Wieder trat Perren einen Schritt auf ihn zu.

    "Du sollst dich ins Licht drehen, verdammt noch mal!", wiederholte der Reiter, und dann, zu Wulfgar gewandt, setzte her hinzu: "Und du da hinten - was hast du da unter dem Umhang?"

    In einer Drehung fuhr Wulfgar herum und schlug den Umhang zur Seite, und in der gleichen Bewegung hob er schon die Armbrust und schoß. Der zweite Reiter hatte nicht einmal Zeit überrascht zu sein als der Bolzen ihn in die Brust traf und das Kettenhemd durchschlug. Der vordere Reiter stieß einen kurzen Ruf aus, aber Perren machte zwei schnelle Schritte und sprang an ihm hoch, bekam seinen Schwertarm zu fassen bevor er ausholen konnte und zog kräftig daran.

    Langsam kippte der Reiter zur Seite und fiel vom Pferd, Perren immer noch in ihn verkrallt. Panisch wieherte das Pferd und begann zu steigen. Perren wälzte sich auf dem Boden mit dem vom Aufprall betäubten Soldaten herum um aus der Gefahrenzone der stampfenden Hufe zu kommen, und dann riß er seinen Dolch aus dem Gürtel und stieß ihn dem Mann zweimal in den Hals.

    Das zweite Pferd hatte bei dem Lärm ebenfalls einen plötzlichen Satz gemacht und sein Reiter lag stöhnend auf dem Boden, beide Hände um den Bolzen gekrallt der aus seinem Körper ragte. Aber Wulfgar war schon bei ihm, hob sein Schwert und stieß es ihm mit aller Kraft in die Brust. Der Mann verkrampfte sich noch ein letztes Mal, dann lag er reglos da.

    Tanreds Herz hämmerte und er starrte auf die Szene. seine Hände hatten wieder zu zittern begonnen, heftig und unkontrolliert. Es war alles wie damals. Damals im Dorf... Ein Schwert daß einen Körper durchbohrte, ein Dolch der in eine Kehle gestoßen wurde, der Geruch von Blut und das Stampfen und Wiehern von unruhigen Pferden... Es spielte keine Rolle daß es jetzt die Soldaten der Schwarzen Garde waren die starben - es war genauso schrecklich anzusehen. Jahrelang hatte er gedacht, daß es ihn erleichtern würde die Soldaten endlich bestraft zu sehen, sie endlich so leiden zu sehen wie ihre Opfer. Aber jetzt wo es so weit war, wo sie nicht mehr unheimliche Mörder waren sondern im Nahkampf abgeschlachtet wurden - jetzt würgte es ihn nur und der Geschmack von Säure war in seinem Mund.

    Wulfgar schwenkte seinen Umhang und trieb die Pferde auseinander während Perren den ersten Soldaten bei den Füßen packte und vom Weg zerrte, dann aber innehielt und zu Tanred ging.

    "Tan - wie viele Soldaten waren diesen Morgen am Gasthaus als der Mann festgenommen wurde?", fragte er.

    "Ich weiß nicht... eine Handvoll vielleicht?", murmelte Tanred. "Oder auch mehr..."

    Perren packte ihn fest an beiden Schultern und sah ihn an.

    "Es ist wichtig, Tan - wie viele genau? Stell dir die Szene vor wie du sie gesehen hast und zähl sie."

    Tanred versuchte zu überlegen. Es war alles so lange her, es wirkte wie aus einem anderen Leben. Aus einem Leben in dem er noch keinen Mann umgebracht hatte, und in dem er nicht grade gesehen hatte wie andere von scharfen Klingen durchbohrt wurden und ausbluteten wie die Schweine... Perrens Griff an seinen Schultern war hart, fast schmerzhaft und zwang ihn ins jetzt zurück. Da waren die gewesen die den Mann niedergerungen hatten. Dann eine Reihe die mit gezogenen Schwertern die Menge zurückgehalten hatten. Und jemand war bei den Pferden gewesen...

    "Ein Dutzend", antwortete er schließlich. "Es waren ein Dutzend Männer."

    Perren und Wulfgar blickten sich an.

    "Vier an der Kreuzung, zwei hier - dann blieben höchstens sechs", sagte Perren langsam.

    Wulfgar schnaubte.

    "Vorausgesetzt es ist der selbe Trupp", knurrte er. "Was alles andere als sicher ist."

    "Es ist der selbe Trupp", sagte Perren zuversichtlich. "Sie wissen nichts genaues über uns, sonst hätten wir schon Reiterei gesehen die die Wagen festsetzt. Für den Kommandanten der Garde in Erbor ist das bisher ein Fall von Waffenschmuggel - nichts wofür er mehr als einen Trupp Reiterei erübrigen muß. Die Garde hat von Haus aus wenig Reiterei - die meisten Eloraner kämpfen als Fußvolk. Nachdem die Sache an der Kreuzung schief gegangen ist, hat wer auch immer den Trupp jetzt kommandiert den Rest vermutlich aufgeteilt um alle Wege abzusuchen. Wenn diese beiden also nicht zur verabredeten Zeit zurück zum Treffpunkt kommen, werden die anderen sie suchen kommen - oder zumindest versuchen herauszufinden was passiert ist bevor sie in der Stadt nach Verstärkung fragen. Kein Unteroffizier will seinen Vorgesetzten mitten in der Nacht wecken ohne die Lage zu kennen nur weil er sich unsicher ist."

    Wulfgar nickte langsam.

    "Sechs also...", murmelte er langsam. "Das muß ein guter Hinterhalt werden."

    "Wir haben zwei Tote hier um ihr Interesse zu wecken...", meinte Perren trocken. "Ich wünschte ich hätte meinen Bogen dabei, aber wenigstens hast du die Geistesgegenwart besessen, diese Armbrust mitzunehmen..."

    Er wandte sich wieder Tanred zu.

    "Tan, du mußt zurück zu den Wagen", sagte er ernst. "Weck' Ketran auf, sag ihr was passiert ist. Und dann müßt ihr sofort aufbrechen, noch in der Nacht. Sie soll den anderen irgend einen Grund erzählen... aber ihr müßt weg bevor die Garde in Erbor merkt was passiert ist. Nehmt die Nordstraße über Coned nach Terred. Der Treffpunkt an dem wir - so Ädon will - wieder zu euch stoßen ist Sant Erran. Das ist Ädonsland, da hat die Garde keine Gerichtsbarkeit. Aber verdammt noch mal - beeilt euch! Die Wagen müssen noch in der Nacht hier verschwinden!"

    Tanred nickte abgehackt. Seine Hände zitterten immer noch.

  • "Ketran!", flüsterte Tanred während er leise gegen die Wand des Wagens klopfte. Es war weit nach Mitternacht, und der fahle Mond sanke dem Horizont zu. Er fröstelte, seit es aufgeklart hatte, war die Nacht kalt.

    Als er hörte wie sich drinnen jemand erhob, huschte er zum Ende des Wagens. Ein schwacher, flackernder Lichtschein erhellte die abgedeckten Fensteröffnungen und dann öffnete sich die Tür. Ketran, eine Kerze in der Hand, blickte hinaus.

    "Tanred...", flüsterte sie, und er konnte buchstäblich sehen wie sie bleicher wurde. "Was... oh Ädon, sind Perren und Wulfgar... tot?"

    Ihre Stimme brach bei den letzten Worten, und für einen Moment lang sah Tanred sie verständnislos an. Wieso glaubte sie...? Dann begriff er und schüttelte den Kopf.

    "Nein, es geht ihnen gut", antwortete er hastig und sah, wie sich Erleichterung in ihrem Gesicht breit machte. In knappen Worten erzählte er, was in der Nacht passiert war und was Perren ihm aufgetragen hatte.

    Ketran nahm einen tiefen Atemzug, dann nickte sie entschlossen zu sich selbst.

    "Geh da drüben hinter die Bäume, Tan", wies sie ihn an. "So wie du grade aussiehst kann dich keiner hier sehen. Ich schicke dir Branwen, sie kann dir neue Kleidung bringen, und Wasser zum waschen.Ich kümmere mich so lange darum daß wir die Wagen abfahrbereit machen. Und denk' mir eine glaubhafte Geschichte aus..."

    "Was ist mit dem Schwert?", fragte er und streckte ihr die Waffe entgegen. Weder Perren noch Wulfgar hatten ihm je verraten wo in den Wagen die Waffen versteckt waren.

    "Ich kümmer' mich drum", antwortete sie und nahm ihm das Schwert aus der Hand. "Und jetzt geh!"

    Tanred ging die wenigen Schritte zu der Baumgruppe bei den Wagen und kauerte sich hin. Seine Erinnerung wie er zu den Wagen gekommen war war verschwommen, irgendwie waren die letzten Stunden passiert, und da war nur ein endloses Trotten über Feldwege, und die Schatten die der Mond auf den Boden warf. Und immer und immer wieder die Bilder, die Dinge die davor passiert waren. Er hatte einen Mann getötet...

    "Tan?", flüsterte Branwen und hob eine Abblendlaterne.

    "Hier...", murmelte er.

    Sie stellte einen Eimer Wasser und einen Lappen vor ihn hin und warf ein Bündel Kleidung daneben. Dann sah sie ihn zweifelnd an.

    "Ich hoffe das ist nicht alles dein Blut...", murmelte sie. "Jetzt schau' nicht in die Luft - zieh' dich aus und fang an dich zu waschen!"

    Mechanisch streifte er sich die Kleider vom Leib. Er fröstelte als die kalte Nachluft seine nackte Haut traf, aber Branwen drückte ihm energisch den nassen Lappen in die Hand und er begann zu wischen.

    Der Lappen wurde schnell rot...

    "Was ist mit deiner Hand?", fragte Branwen.

    Er blickte auf den Schnitt der sich über die Handfläche zog. Die Haut klaffte auf, aber es schien kein Blut mehr herauszuquellen.

    "Hab' mich an der Klinge geschnitten", murmelte er. Er hatte die Verletzung ganz vergessen, obwohl er jetzt den Schmerz pochen fühlte. Sie schüttelte den Kopf, sagte aber nichts weiter.

    Während er beschäftigt war um sich zu reinigen, loderte zwischen den Wagen schon ein Feuer auf, und Branwen packte seine alte Kleidung und ging damit in Richtung der Flammen. Sie brauchte eine Weile bis sie zurückkam, und währenddessen schaffte es Tanred, sich fertig zu waschen und zitternd in die frischen Sachen zu schlüpfen. Sie waren ihm zu groß, aber das war im Moment sein geringstes Problem.


    Langsam tauchten die ersten Gaukler zwischen den Wagen auf, noch verschlafen und mürrisch. Jemand holte Pferde, und dann war Branwen wieder bei ihm, mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand.

    "Trink das erst mal", sagte sie sanft. "Du kannst wahrhaftig eine Stärkung brauchen..."

  • Frauenpower. Ketran und Branwen machen das sehr souverän. Ich kann mir vorstellen, dass Tanred sich in gewisser Weise beschützt und sicher fühlt durch ihr sicheres Auftreten.

    Nun bin ich gespannt, was du mit Perren und Wulfgar vorhast. :paladin:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Frauenpower. Ketran und Branwen machen das sehr souverän.

    Ich hatte so im Kopf dass die Gaukler da wenig traditionelle Geschlechterrollen pflegen - irgendwann war das alles ja mal Ketrans Truppe, Befehle austeilen und entscheiden ist ihr nicht fremd...

    Nun bin ich gespannt, was du mit Perren und Wulfgar vorhast. :paladin:

    Das... ist so ein bisschen der Erzaehlperspektive geschuldet... Tanred weiss eben nicht was mit ihnen passiert, die Szene jetzt waere schon spannend, hier merkt man die enge Erzaehlperspektive schon, aber ich hatte mich - hier mit einem gewissen Bedeuern - entschieden konsequent bei Tanred zu bleiben.

    Die Abenteuer der beiden hatte ich trotzdem ausgearbeitet, alleine um zu verstehen was da so passieren kann, wie sie beeinflusst sind was sie davon erzaehlen...