Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 318 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (18. Juni 2024 um 10:01) ist von kalkwiese.

  • Um jeden Preis
    von Tom Stark

    »Alle Aktionen sind von der Gilde dispensiert. Kollateralschäden sind abgesegnet und alle Kosten werden übernommen. Bringen Sie nur den Kunden rechtzeitig zu seinem Portal.«
    Diese Worte vor einem Job zu hören hatte Halana sich immer gewünscht. Sie könnte voll aufdrehen und einem Gegner so richtig die brennende Höllenscheiße ins Gesicht klatschen.
    Aber als sie ausgesprochen waren, blieb nur dieses miese Gefühl im Magen.
    »Um jeden f…king Preis? Was immer es kostet?« Die Magierin hatte ungläubig nachgefragt. Was hatte der Kunde nur gegen die Gilde in der Hand? Eine andere Erklärung konnte es gar nicht geben, warum die Gilde gegen grundlegende Gesetze verstieß. Genau aus diesem Grund gab es schließlich die Gilde. Um Magieeinsatz in vernünftigen Bahnen und Rahmen zu halten.

    Es war Mardi Gras in The Big Easy. Wobei heute für sie weder ein fetter Dienstag noch großer Leichtsinn angesagt war.
    Die Straßen waren gerammelt voll, die Leute sangen, tanzten, tranken und drehten ganz allgemein durch, allesamt irgendwie verkleidet. Ein buntes Chaos ohne sichtbare Struktur.
    Ein Alptraum für eine magische Leibwächterin wie Halana.
    »Bleiben Sie immer dicht hinter mir. Halten Sie sich notfalls an mir fest. Lassen Sie es auf keinen Fall zu, dass wir getrennt werden!«
    Sie gab noch weitere Anweisungen an ihren heutigen Schützling. An jedem anderen Tag wäre der Mann mit seinem silbergrauen Rauschebart, den Aristoteleslocken und vor allem, der schneeweißen Robe aufgefallen, wie ein weißer Rabe in einer Schar schwarzer Krähen.
    Vermutlich war das einer der Gründe, warum die Gilde zugestimmt hatte, den Druiden gerade heute vom Weg aus dem Reich der Winterkönigin zu seinem eigenen goldenen Hain durch diese Welt zu eskortieren.
    Das Portal aus dem Winterreich konnte aus sphärologisch unabänderlichen Gründen nie direkt zum Hain geöffnet werden, also blieb nur dem Umweg über andere Welten.
    Zudem gab es ein Zeitfenster von etwa einer Minute, in der das Portal zum Hain geöffnet werden musste.

    Halana fluchte zum dritten Mal innerhalb einer Minute. Gerade als sie das Haus verließen, musste auch noch eine dämliche Wagenparade stattfinden. Die Menschen drängten, nein, stapelten sich auf den Gehsteigen.
    »Dranbleiben!«, ermahnte sie den Druiden noch einmal. Seinen überheblichen Blick bemerkte sie zwar, aber beschloss ihn einstweilen zu ignorieren. Menschen waren in der magischen Welt nun einmal wenig geachtet. Scheiß drauf!
    Die Magierin schob sich energisch durch die Menge. Ihr eigener Aufzug erinnerte auch eher an eine KI-generierte Fantasy-Mischung aus Lederrüstung und Robe und zugegeben, ein paar Schnallen und Riemen waren vielleicht funktional unnötig, aber Symbolik ist in der Magie mindestens genauso wichtig wie Funktionalität. Und hier und heute fiel sie ohnehin nicht auf.
    An einer der wenigen funktionierenden Ampeln der Hauptstraße mussten sie warten. Auch an Mardi Gras mussten zum Beispiel Gastrobetriebe beliefert werden. Gerade an solchen Tagen.
    Halana lief schon los, als sie sah, dass die Plane eines LKWs hochgeworfen wurde ein Dutzend Männer und Frauen in Schwarz von der Ladefläche sprangen.
    AAC, Alien Affairs Commando. Natürlich, wer denn sonst!
    »Mir nach!«, brüllte sie zu dem Druiden zurück und versuchte in der Menschenmasse unterzutauchen.
    Ein Blick über die Schulter zeigte ihr, dass die Schwarzanzüge sich aufteilten. Die wussten genau, wo sie waren und versuchten sie einzukreisen. Noch hatten sie keine Waffen gezogen und die anwesenden Nichtmagischen hielten alles für eine Show.
    Jetzt wäre es Zeit loszulegen, wusste Halana. Wenn sie jetzt eine Panik verursachte, könnten sie höchstwahrscheinlich entkommen. Und es würde fast zwangläufig zu Verletzten und Toten kommen.
    »Um jeden Preis …, scheiß drauf.« Sie schnaubte angepisst. Sie war eine verdammte Magierin. Anders als Hexen oder Zauberer, war sie eine Akademikerin, ein Profi. Zeit, wie eine zu handeln.
    Sie zog den Rauschebart in eine Seitengasse. New Orleans war eine traditionsreiche, alte Stadt, was gut war. Sie war zuletzt vor Katrina hier gewesen, aber man hatte zumindest den Stadtkern nahezu unverändert wieder aufgebaut. Daher kannte sie sich aus.
    »Laufen sie weiter bis zum Ende der Gasse. Dort geht es nach links in einen Hinterhof. Warten sie dort auf mich!«
    Sie hoffte, der Druide würde sich an den Empyrischen Pakt halten und keine Magie in einer fremden Sphäre einsetzen. Das konnte durchaus zu einer kataklystischen Katastrophe führen. Halana, war sich sicher, dass selbst die Gilde diesen Preis nicht zahlen wollte.
    Drei der Anzugträger kamen in die Gasse gestürzt und stoppten, als sie die Magierin sahen, die sie erwartete.
    »Die Gilde also? Aus dem Weg Magierin. Um Dich kümmern wir uns später.« Die Frau in Schwarz griff unter ihre Jacke und zog eine silberne Waffe, die wie eine Science Fiction Spielzeugpistole aussah.
    Halana schüttelte energisch den Kopf. »Wen glaubt Ihr eigentlich vor euch zu haben? Ich bin eine Magerin dritten Grades. Wollt ihr das wirklich?«
    Sie hob ihre Hände leicht an, in ihrem Geist bereits die komplexe Matrix formend, bereit den drei Anzugdeppen die Scheiße aus dem Leib zu zaubern.
    Die beiden Männer, welche die Frau flankierten reagierten. Sie sprangen nach links und nach rechts weg und zogen währen den Rolle am Boden ihre Waffen. Bei anderer Gelegenheit hätte Halana der Choreographie Respekt gezollt. Stattdessen ließ sie den Zauber frei und erwischte die Frau, die ihre Waffe gerade ausrichtete. Ihre Augen wurden groß und Agonie überzog ihr strenges Gesicht, als sie ihre Waffe mit einem Aufschrei fallen ließ ihre Hände gegen den Magen presste und dann mit einer Mischung aus Ekel, Unglauben und Geburtsschmerz allen angesammelten Harn und Darminhalt in Sekundenbruchteilen von sich gab.
    Die Scheiße aus dem Leib zaubern, meinte Halana durchaus wörtlich.
    Sie duckte sich noch rechtzeitig und warf sich zur Seite.
    Ein plasmablauer Strahl schoss über sie hinweg und der stählerne Müllbehälter, den sie sich als Deckung auserkoren hatte, starb einen grauenhaften Feuertod, als ihn die Entladung der Waffe des zweiten Manns traf.
    Halana formte die nächste Matrix, währen sie an der Wand zurückwich. Der mittlerweile weißglühende Mülleimer trieb sie zurück und gleichzeitig die vorrückenden Männer in Schwarz an die gegenüberliegende Wand.
    »Um jeden Preis, wie?« Halana sah zur Mauer. Hoffentlich waren da gerade keine Bewohner direkt Wohnungswand, aber ihr gingen die Alternativen aus. Sie würde hier keine Feuerbälle werfen oder hochenergetische Blitze beschwören. Den Stadtkern von N‘Orleans gerade zu Mardi Gras anzuzünden oder die mangelhaften Stromnetze zu überlasten war keine Option, die ein Gildenmagier ziehen würde. Magie sollte nützen, nicht schaden! Jedenfalls mehrheitlich. Wenn irgend möglich.
    Also ließ sie die Matrix frei und zog die Fassade des Hauses auf gut zwölf Metern Länge heraus und ließ sie über den schwarz tragenden Agenten einstürzen.
    Die Schreie und Alarme ausblendend rannte sie die Gasse hinunter und war erleichtert, dass der Druide vertrauensvoll im Hinterhof wartete.
    Der Timer ihres Smartphones gab das Bugle-Signal. Verdammten, noch zwei Minuten bis zum Zeitfenster! Sie warf einen Blick auf die GPS-Anzeige und schaute sich um. Sieben Meter nach Nordost wäre gut, aber sie brauchten eine freie Fläche. Ein Weltentor in einem Gebäude zu öffnen wäre … kataklystisch, wieder einmal. Halana erlaubte sich ein genervtes Lächeln. Sie hasste solche Superlative in der Werbung aus einem guten Grund. Die hatte doch gar keine Ahnung!
    »Dort oben, auf dem Hausdach. Sie haben noch drei Minuten. Rein ins Haus und die Treppe hoch. Bis aufs Dach. Los! Los!«
    Sie schob den Druiden alles andere als sanft zur Haustür, die natürlich verschlossen war.
    Keine Zeit mehr. Sie wollte gerade eine Matrix formen, welche das Türschloss in eine Dämonendimension verbannen sollte, als sie ein Plasmastrahl knapp verfehlte und wenigstens das Türproblem wegschmolz.
    »Rein, ich halte sie auf!«
    Sie wirbelte herum und formte die Matrix einer Energiebarriere. Energie mit Energie aufhalten, nicht gerade elegant und schon gar nicht effizient, aber um die B-Note würde sie sich später Gedanken machen.
    Ein weiterer Plasmastrahl schoss heran, zerfaserte aber am Energieschild. Heiß war er dennoch.
    Halana wich ins Haus zurück. Hoffentlich ballerten die Irren drin nicht herum. Plasma zündete diese Holzbauten ebenso schnell an wie jeder Feuerball.
    Sie hörte den Druiden bereits im zweiten Stockwerk.
    »Für so einen Rauschebart ist der ganz schön fit …«, murmelte sie und sprintete ebenfalls die Treppe hoch, immer drei Stufen auf einmal nehmend. Etwas Hartes traf sie an der Schulter, prallte ab und kam auf den Stufen auf, als sie schon ein gutes Dutzend weiter war. Die Schockwelle traf ihr Bein noch, doch sie konnte sich festhalten. Durch den Rauch erahnte sie ihre Verfolger mehr, als dass sie sie sehen konnte.
    »Um jeden f…king Preis, ja?«
    Durch den Schmerz aufgewühlt geriet ihre Matrix ein wenig schlampig und energetischer als gewollt und so verschwanden nicht nur die Treppen der nächten sechs Meter sondern das ganze restliche Treppenhaus unter ihr in Schutt und Staub.
    »Verd …« Zum Glück hatte das niemand gesehen. Undiszipliniertes Hexenvolk oder skrupelloses Zaubererpack pfutschte so mit Magie herum, aber kein von der Gilde examinierter Magier.
    Sie brachten das letzte Stockwerk hinter sich und reichten endlich das Dach.
    Mit der Melodie von Dangerzone verkündete ihr Smartphone die letzten dreißig Sekunden. Aber das Dach war leer. Gut.
    Sie förderte den leuchtenden Portalstein aus ihrer Jackentasche und zeichnete die Matrix des Weltentors zum Goldenen Hain in die Luft und … es erschient prompt.
    Halanas Anspannung fiel ab.
    »Zu sagen, es war eine Freude, wäre gelogen, aber rein mit ihnen und auf Wiedersehen in, sagen wir frühestens 100 Jahren.«
    Der Druide schenkte ihr ein eigenartiges Lächeln und trat durchs Portal.
    Halana wollte sich abwenden, als sie ein Stoß traf.
    Eine Frau in Schwarz mit seltsamen Miniflügelchen an ihren Oberarmen warf sie beinahe um, als sie sich noch während der Landung auf die Magierin stürzte. Ein kurzes Handgemenge um die silberne Minipistole der Agentin entstand, das Halana mit einen entschlossen Griff und einem magischen Stromstoß gewann, der alle Gildennormen nicht nur ignorierte sondern geradezu annihilierte.
    Ein Tritt der Frau in Schwarz schleuderte sie durch das sich langsam schließende Portal.

    Das güldene Leuchten das Hain umgab sie wie eine warme, wohlige Umarmung. Die Vöglein zwitscherten fröhlich, die Luft roch würzig und frisch und der Boden fühlte sich ganz besonders erdig an.
    »Gut gemacht, Magierin.« Er nahm ihr den Portalstein aus der Hand.
    Halana schaute verblüfft in das neutrale Lächeln des Druiden. Und auf den blitzenden Dolch, den er ihr unters Kinn hielt.
    »Du warst nützlich, ein gutes Werkzeug. Magie wirst du keine anwenden, um den Pakt nicht zu gefährden, also endet deine Nützlichkeit hier.«
    Ein Zucken um seine gnadenlosen Augen kündigte Halanas Ende an.
    Es gab einen Blitz und der Druide wurde gute drei Meter weggeschleudert, sein Messer verlor er bei der Landung.
    Entsetzt sah er auf das Brandloch in seinem Magen. »Du hast Magie gegen mich angewendet. Du hast den Pakt gebrochen …?«
    Halana hielt die kleine silberne Waffe hoch. »Keine Magie, Arschloch. Technik. Achja, behaltet den Stein. Ihr seid auf der Erde nicht mehr willkommen. Schönen Gruß von der Gilde, wir sehen von Vergeltung wegen des Angriffs ab, dafür sind wir nun quit.«
    Sie rollte sich durchs Portal und erreichte gerade noch das Dach, als das Portal sich schloss
    »It’s all over now, Baby Blue«, meldete das Smartphone das Ende des Zeitfensters.
    »Mal wieder in letzter Sekunde, wie?«
    Halana stimmte der Frau in Schwarz seufzend zu. Wie sie solche Superlative hasste. Es gab einfach zu viel davon in ihrem Leben.
    »Du hast den Druiden ganz schön erwischt.« Die Agentin reichte der Magierin die Hand, welche sich hochziehen ließ und ihr die kleine Pistole zurückgab.
    »Jepp, die kommen so bald nicht wieder und den Portalstein hat die Erde auch nicht mehr. Fürs Erste sollten wir vor dem Vollpfosten Ruhe haben. Ich hoffe, ich habe deine Leute nicht zu schlimm erwischt?«
    »Nah, alles gut. Die Mauer war schon fies, aber nicht unerwartet. Und Agent Saphire lässt Dank ausrichten, dass du uns vorgewarnt hast, nüchtern anzurücken. Dein Blitzkackzauber ist einfach obergemein. Nur der Elektroschock von eben, der war völlig unnötig.«
    Halana grinste. »Das war die Retourkutsche für die Schockgranate. Scheiße, mein Bein tut immer noch verdammt weh.«
    »Ah, sorry, ein neuer Kollege hat‘s übertrieben.«
    »Kein Ding.« Halana ließ sich dankbar den Arm um die Hüfte legen, damit die Agentin sie stützen konnte.
    »Inzwischen eine Ahnung, warum deine Führung diesen Deal mit den Druiden hat?«
    »Nah. Aber um jeden Preis? Es muss was wirklich, wirklich Gewaltiges sein. Der Erfolg sollte mich weiter an die Spitze bringen. Oder sie schmeißen mich raus.«
    »Du hast immer einen Platz bei uns.«
    Halana grinste. »Haha. Schwarz steht mir nicht und wer trägt heute noch Krawatte?«

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (10. Juni 2024 um 22:44)

  • Moin Tom Stark

    Die hast du richtig verwandelt, das hat einfach Spaß gemacht. :D Clever auch, dass Halana so sehr über sie Gilde und "Um jeden fucking Preis" nachdenkt und damit Gedanken an ihre Mitverschwörer verschleiert werden. Das wirkt natürlich genug, dass die Wendung dann nicht unglaubwürdig wird. Coole Idee!

    Häupter auf meine Asche!