Diese Geschichte basiert auf einem Setting, welches schon länger in meinem Hinterkopf herumspukt. Sie ist bewusst als Nebenprojekt angedacht, also mal schauen, wie ich hier vorankomme.
Ich bin mir noch nicht sicher, wohin diese Reise führt, aber ich hoffe mal, ich krieg die Geschichte ohne zig Revisionen gebacken.
Was ihr hier erwarten könnt
Recht düstere Fantasy, in erster Linie durch ein postapokalyptisches Setting getrieben.
***1***
Entgeistert starrte Alard auf seine Handfläche. Asche rieselte zu Boden, als er das Objekt zwischen seine behandschuhten Finger nahm. Es war hart, aber nicht so hart wie Eisen. Und schwer war es, erstaunlich schwer!
Verstohlen blickte er um sich. Dolf kehrte ihm noch immer den Rücken zu und war mit seiner eigenen Suche beschäftigt. Und ausser ihnen war hier meilenweit kein lebendes Wesen.
Prüfend hielt Alard das Ding gegen den grauen Himmel. Unter der Schicht aus Asche zeigte sich kaum merklich ein matter, gelber Schimmer. Pures Gold.
Hastig schloss er seine Faust um den Klumpen und sank mit den Knien auf den Boden. Seine freie Hand wischte die Asche von der verbrannten Erde. Es waren nun zwei Tage vergangen und noch immer fühlte er die Wärme an seinen Handschuhen und roch den Rauch in der Luft. Dieser verfluchte Rauch!
Alard konnte etwas ertasten. Es war ein weiteres Stück Gold! Dieses wirkte langgezogen. Er fand noch mehr Stücke, kleine Kugeln, wie in der Luft erstarrte Wassertropfen.
Während er seine Fundstücke zählte, rief ein weiteres Schimmern nach Alards Aufmerksamkeit. Er beugte sich weit vor und griff nach dem blauen Funkeln inmitten der verbrannten Schwärze.
Der Verdacht, der sich schon längst in Alards Vorstellungskraft breit gemacht hatte, wandelte sich nun in bittere Gewissheit. Es war ein Saphir. Der grösste verdammte Klunker, den er je gesehen hatte und er wusste auch genau, wo er ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Langsam erhob sich der Gardist und blickte zu seinem Kameraden. Dolfs königsblauer Umhang war der einzige Farbfleck in diesem grauen, toten Land. Er und der Saphir in seiner Hand.
Alard entfernte den Schal von seinem Mund, der ihn behelfsmässig von der garstigen, beissenden Luft geschützt hatte. Er leckte sich über die spröden Lippen. Dolf konnte er vertrauen, oder? Noch vor zwei Tagen hätte er nie und nimmer daran gezweifelt. Wie hätte er Dolf nicht vertrauen können? Doch die Welt war nicht mehr dieselbe und Alard wusste nicht mehr, ob die Werte, an die er glaubte, noch existierten. Ob die Dinge, die er sah, real waren und ob die Zukunft, von der er träumte, je wieder greifbar würde.
«Dolf!», rief er. Seine Stimme hallte unnatürlich weit auf dem kargen Hügel. Noch vor zwei Tagen hätten wallende Wiesen und frisch ergrünte Bäume seine Stimme gedämpft. Von den Apfelhainen, die in voller Blüte gestanden wären, blieben nun nichts als verkohlte Stümpfe zurück.
Sein Freund drehte sich zu ihm um. «Was?», rief er hallend zurück.
«Komm mal bitte her.» Alard fühlte sich zu niedergeschmettert, um seine Stimme zu erheben. Und er brauchte jede Sekunde zum Nachdenken, die er kriegen konnte.
Dolf trat vor ihn. Verglichen mit der restlichen Kaiserlichen Garde war der Krieger klein. Ein ewiger Kandidat für die zweite Reihe, nicht für die bewundernden Blicke des Volks gemacht. Aber erlebte man den rotbärtigen Muskelprotz erst einmal in Aktion, dann Gnade dem, der sich den Kaiser zum Feind machte!
«Was ist?», wollte Dolf wissen. Er wirkte noch kürzer angebunden als üblich. Auch ihm war dieser Ort unheimlich.
Alard öffnete seine Faust und zeigte ihm die Goldklumpen, zusammen mit dem schimmernden Saphir.
«Der Kaiser ist tot.»
Dolf schürzte die Lippen. Hinter der gerunzelten Stirn arbeitete es.
«Scheisse.»
Er stützte die Hände in die Hüften und wandte sich ab, starrte auf die zerstörte Landschaft unter ihnen.
«Scheisse … Ist dies das Ende?»
«Ich weiss es nicht …»
Alard liess die geschmolzenen Überreste der kaiserlichen Krone in einem Beutel verschwinden, den er an seinem Gürtel befestigte. Dann gesellte er sich zu seinem alten Freund.
«Wahrscheinlich ist es das Ende von Ulam», schloss er nach kurzer Überlegung.
Dolf nickte. «Das Reich hatte seinen Zenit sicherlich überschritten, aber das hier … das ist ein Todesstoss.»
Das Ende … je länger Alard über dieses Wort nachdachte, desto mehr ängstigte es ihn. Als er Ulam nach dem Ereignis verlassen hatte, schien der Himmel selbst in Flammen gestanden zu haben. Die Feuer hatten bis in das Umland der Hauptstadt gewütet und niemand hatte gewusst, was mit dem Kaiser und seiner Armee geschehen war.
Der Krieger dachte an seine Ingrun. Ob sie und die Kinder wohl in Sicherheit waren? Der Hof lag südlich der Stadt. Sicherlich würde sie früh genug fliehen, bevor die Feuer, die Plünderer oder die Streitkraft des Verräters über das Land herfielen. Seine Eltern würde sie auch mitnehmen. Vater war nicht mehr gut zu Fuss, sie brauchte also den Ochsen.
Alard schalt sich einen Idioten. Warum hatte er seinem Weib nie gezeigt, wie man den Ochsen einspannte? Er hätte sich schon früher für das Schlimmste wappnen müssen.
«Was jetzt?», unterbrach Dolf’s Stimme seine Gedanken. Alard schürzte die Lippen. Er musste diesen Auftrag rasch zu Ende bringen und danach weiterziehen, heim, zu Ingrun.
«Wir überbringen dem Hauptmann die traurige Kunde zusammen mit der Krone. Auf dass er sie dem rechtmässigen Erben weiterreicht.»
Alard wandte sich ab und schickte sich an, den Hügel hinabzusteigen. Bis Ulam war es ein Tagesritt. Nach Hause waren es zwei weitere, aber er konnte es in einem schaffen.
«Sollten wir die Krone nicht der Familie ihrer Majestät übergeben?», rief Dolf ihm nach.
Alard hielt inne. «Und an wen hast du gedacht?», fragte er widerwillig. «Die Königin hat Ulam vor Wochen verlassen und sich nach Herat in die Sicherheit der Heimat begeben.»
«Harkon Eowingeth.»
Alard starrte seinen alten Freund an. «Harkon? Ihre Majestät hatte Neunundzwanzig Kinder und du kommst mir ausgerechnet mit Harkon?»
«Ari … Harkon ist ein Meranger. Der Einzige der Dynastie mir echter Kampferfahrung. Es kommen dunkle Tage auf Ulam zu, nun brauchen wir mehr denn je einen Krieger an unserer Spitze.»
«Er ist nicht der Thronerbe, Dolf.»
«Der Thronerbe!», Dolf lachte, wobei der Laut nichts mit Humor zu tun haben schien. «Ademar Eowingeth ist selbst schon ein Greis und ans Bett gefesselt. Und sein Sohn noch zu jung, um den Thron zu besteigen!»
Alard stemmte die Hände in die Hüften. Er wusste nicht, was ihn mehr ärgerte: Dolfs verräterische Behauptung oder der Teil davon, der der Wahrheit entsprach.
«Die Wahl nach dem Thronerben liegt – den Göttern sei Dank – nicht bei uns. Unser Auftrag ist klar: Erfahren, was mit dem Kaiser geschehen ist und dem Hauptmann Bericht erstatten.»
«Glaubst du nicht, die Dinge haben sich nun ein wenig geändert?», beharrte Dolf weiter.
«Der Hauptmann war sehr deutlich mit seinem Befehl. Wir wenden uns an ihn und an niemanden sonst.»
«Und warum glaubst du, ist das so? Der Hauptmann ist ein ehrgeiziger Mann, das wissen wir beide. Was weiss er, dass wir nicht wissen?»
Dolfs Sturheit begann, an Alards Nerven zu zehren.
«Dasselbe könnte ich dich fragen», fuhr er seinen vermeintlichen Jugendfreund an. «Woher kommt diese plötzliche Treue zu Harkon Eowingeth, ein Mann, der kaum je in der Nähe das Palasts gesehen wurde?»
Der hatte gesessen. Dolf öffnete den Mund, schloss ihn aber sogleich wieder. Seine blauen Augen senkten sich zu Boden.
«Wobei …», überlegte Alard laut und überdachte seine vorherige Aussage. «Harkon war im Palast. Ich habe ihn noch letzte Woche gesehen. Nur Tage, bevor ihre Majestät ins Feld gezogen war …»
Die unnatürliche Stille des sterbenden Landes senkte sich über sie, während die Wut langsam in Alard hochkochte.
«Du hast mit ihm gesprochen, nicht wahr?»
Dolf schwieg, beinahe beschämt.
«Wie viel hat er dir geboten?»
«Du glaubst, ich bin käuflich? Ari, du kennst mich doch!»
«Na was war es dann – sag schon!»
«Ich habe eine Familie …»
«Ich weiss! Die habe ich auch!»
Alard trat näher heran. Seine Faust umklammerte den Beutel an seinem Gurt. Natürlich hatte er Enja nicht vergessen. Die Zwillinge, die kleine Suna und Eowin, dem eine glorreiche Zukunft als Meranger bevorstand. Der ihm wie der Sohn war, der ihm noch nicht geschenkt wurde. Natürlich wusste er, dass sich Dolfs Hof nördlich von hier befand und er so schnell wie möglich dorthin gelangen wollte um zu retten, was noch zu retten war. Doch dass Dolf ihm so etwas verheimlichen würde … hinter seinem Rücken Pläne schmiedete …
«Er hat mir Schutz für meine Familie versprochen», brachte Dolf zähneknirschend hervor.
«Schutz wovor?» Alard streckte seinen Arm aus und liess ihn über das Land schweifen, wo sich einst Ähren und Gräser im sonnigen Wind wiegten.
«Ist das hier etwa sein Werk?»
Dolf sah auf die rauchende Einöde und blinzelte heftig. Seine Augen wurden feucht. «Ich glaube nicht … wie sollte er so etwas tun können? Nein, er hat mich bloss vor dem Krieg gewarnt. Er meinte, sein Vater paktiere mit Kräften, die nicht zu kontrollieren waren und dass er um die Zukunft des Landes besorgt sei.»
Alard mochte seinem Jugendfreund nicht länger in die Augen sehen und raufte sich stattdessen die Haare. «Es war dumm, dich mit Harkon zu verschwören», schimpfte er. «Aber ich verstehe, warum du es getan hast. Ich werde dem Hauptmann nichts davon erzählen, wenn wir wieder in Ulam sind.»
«Ich gehe nicht nach Ulam», sagte Dolf entschlossen.
«Wie bitte?»
«Harkons Sitz ist im Norden, nicht weit von meinem Hof.»
«Du erwägst nicht ernsthaft, weiterhin diesen Weg zu gehen?»
«Habe ich denn eine andere Wahl? Er ist der Einzige, der dem Dorf jetzt helfen kann.»
«Dir ist bewusst, dass ich das als Verrat betrachten muss?»
Dolf wirkte traurig. «Ich hatte gehofft, du würdest dich mir anschliessen.»
Alard richtete seinen blauen Umhang und lockerte die Schultern. «Die Krone geht nach Ulam, wo sie hingehört.»
Die beiden musterten sich. Alard angespannt, Dolf sichtbar zögernd. Er biss sich auf die Lippe und Alard sah ihn schon zu Vernunft kommen, da straffte sich der rotbärtige Gardist und zog sein Schwert.