- Offizieller Beitrag
Während Thyra und Jaris zur Ruhe kamen und sich Schlafen legten, setzten Daphne und Theical ihren Plan in die Tat um. Sie verließen das Haus des Arztes, nicht aber ohne vorher seine Zustimmung zur Hilfe in der Tasche zu haben. Der alte Mann und seine Frau standen hinter ihnen und dem rechtmäßig Herzog. Blieb zu hoffen, dass sie das auch noch im entscheidenden Moment taten. Denn sie hatten von ihnen gefordert, bei der Panik etwas mitzuwirken. Sie wollten nicht, dass sich die alten Leute in Gefahr begaben, aber damit würden sie sie wirklich unterstützen. DIe beiden Eheleute sollten also andere Andersgesinnte aufsuchen von denen sie um die Treue zu Aras wussten, und mit diesen etwas rebellieren, wenn Daphne und Theical das Zeichen gaben. Hoffentlich geschah nichts. Vorerst würde sie schließlich noch in der Stadt bleiben müssen, aber lang würde ihre Revolte auch nicht mehr dauern.
„Kannst du die Stallung sehen?“, rief Theical so still er konnte, aber gerade so laut, dass Daphne es hören konnte. Diese hatte sich an der Innenmauer, die die Stadt von der Burg trennte, empor gehangelt und hing nun wenig elegant an einem Vorsprung um darüber hinweg in den Innenhof der Burg blicken zu können.
„Ja“, kam als einfache Antwort zurück, dann schwang sich Daphne hoch und legte sich mit dem Bauch auf die Mauer. „Um ein paar Fuß haben wir uns verschätzt, aber sie ist hier“, hörte er sie noch murmeln, bevor auch Theical nach dem Seil griff, das Daphne an der Mauer befestigte. Er war lang nicht so gut darin, irgendwo einzubrechen, weshalb er das Hilfsmittel dankend zur Kenntnis nahm.
Mit aller Kraft stemmte er seine Füße gegen die Mauer und zog sich Schritt für Schritt am Stein in die Höhe, bis er unmittelbar neben Daphne hing.
Nun konnte er einen eigenen Blick in den Hof werfen, doch mehr als fünf wandelnde Fackeln und einige Feststehende, war nicht viel in der Dunkelheit zu erkennen. Mit dem Wetter hatten sie wirklich einen Glücksgriff getan, es war bewölkt und der Mond ließ sich nur ab und zu blicken. Man würde sie also nicht so schnell kommen sehen, wenn sie sich etwas intelligent anstellten.
„Los“, meinte Daphne und schwang sich über die Mauer, sie hangelte sich noch etwas seitlich, dann ließ sie sich auf dem Dach eines Holzbaus fallen. Dabei landete sie so lautlos, dass man meinen konnte, sie hätte Verwandtschaft mit einer Katze.
Theical dagegen stellte sich deutlich ungelenker an. Das sah viel leichter aus, als es eigentlich war. Er brach normalerweise in keine Häuser ein und über eine gut sieben Meter hohe Mauer war er auch noch nie geklettert.
Dennoch gelang es ihm, fast genauso leise neben Daphne zum Stehen zu kommen.
Geduckt bewegten sie sich auf die der Fackeln abgewandte Dachseite zu, wo die Diebin kurz im Kreis lief, bevor sie einige Male mit dem Fuß auftrat. Dabei wurde ihr Fluchen kontinuierlich lauter, weshalb Theical schon glaubte, man würde sie entdecken, doch dann erklang ein leises Ächzen und das Holz gab unter ihnen nach. Einen erschrockenen Schrei ausstoßend fielen beide in die Tiefe. Glücklicherweise landeten sie in einem Haufen Stroh, was die Tiere jedoch nicht daran hinderte in reges Wiehern auszubrechen.
„Autsch“, murmelte Daphne und rieb sich für einen Moment das Gesicht vor Schmerz verzogen den Hintern.
„Na, wenn das keiner gehört hat“, murmelte Theical. Er rieb sich noch den schmerzenden Rücken, als Daphne schon zur Tür eilte und durch einen Spalt in der vom Wetter gezeichneten Tür auf den Innenhof blickte.
„Vier Soldaten“, meinte sie und ließ ihr Genick knacken. „Und alle kommen hier her.“
„Also Plan C?“, fragte Theical und hielt inne, sich das Stroh aus den Haaren zu zupfen. Daphne blickte noch einmal nach draußen, dann kam sie zu ihm zurückgehechtet und riss sich noch im Gehen die Knöpfe ihres nun einfachen Kleides auf und verwuschelte ihre Haare. Einen kurzen Moment war er abgelenkt, bevor er seine Augen zur Stalltür wandte, hinter der laute Schritte und aufgeregtes Stimmengewirr zu ihnen schallte. Mit klopfenden Herzen wartete er, bis das erste Quietschen der Tür erklang, dann öffnete er auch die Knöpfe seines Hemdes und warf sich auf Daphne, drückte sie zurück ins Stroh. Lieber schnell, bevor er den Mut und den Glauben in diesen Plan verlor. Wenn das gut ging, dann würde er sich selbst einen Orden verleihen.
Daphne grinste erst breit, bevor sie frech einen Kussmund formte und ihn noch weiter zu sich zog, bis ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. Er konnte sogar schon ihren warmen Atem auf seiner Haut spüren und für einen kurzen Moment vergaß er sogar, dass seine Großmutter tot und sein Großvater in Gefangenschaft war, mal abgesehen von den ganzen anderen Problemen. Er blickte ihr einfach nur in die rehbraunen Augen und spürte sein rasendes Herz.
Die Schritte wurden lauter, bis sie abrupt hielten und stattdessen ein lautes Räuspern erklang.
Erschrocken fuhren beide herum, während Daphne schnell die Knopfreihen ihres Kleides zusammenzog und die Hand vor den Körper presste.
„Was geht denn hier vor?“, sprach der vordere der Soldaten mit fester und strenger Stimme. Seine Hand ruhte auf dem Griff seines Schwertes und er wirkte nicht, als würde er es im Ernstfall nicht auch benutzen.
„Ich … wir … also“, stammelte Theical gespielt überrascht vor sich hin. Dass die Wachen auftauchen würden, war natürlich vorhersehbar gewesen und überraschte ihn keinesfalls, dennoch war ihm die Situation unangenehm, obwohl er wusste, dass es nicht ernst gemeint war. Aber umso leichter fiel es ihm, die Rolle des Überrumpelten zu spielen. Die Röte, die ihm zusätzlich ins Gesicht schoss, passte jedenfalls hervorragend. Schelmisch grinste er noch zu Daphne, die sich ihr Kleid versuchte krampfhaft zuzuhalten.
Der Wachmann runzelte die Stirn und musterte beide ungeduldig auf eine Antwort wartend.
„Was denn nun?!“, schrie er ihnen beinahe entgegen, was sie zusammenzucken ließ. Der Plan war das Eine, die Reaktionen der Menschen das andere.
„Es ist nichts passiert!“, rief Theical aus und wedelte mit den Händen abwehrend in der Luft herum.
Der Soldat schien zurecht wenig beeindruckt und trat näher an sie heran. Von oben blickte er auf sie herab und entblößte bei Daphnes Anblick zwei Reihen gelblicher Zähne.
„Das sah für mich aber ziemlich eindeutig aus.“
„B-Bitte, wir haben erst gehei-“, nuschelte Daphne, hielt sich dann aber die Hände vor den Mund, als hätte sie bemerkt, dass sie etwas völlig falsches angesprochen hatte. Ängstlich blickte sie zu dem Kerl mit den leicht schiefen Gesichtszügen empor.
„So so“, machte dieser. „Ihr habt die Gesetze also nicht geachtet?“
„Wir … also“, griff Theical ein. Ein wenig schob er sich vor Daphne, sodass er nun zwischen ihr und dem Soldaten stand, dessen durchbohrender Blick nun auf ihm und nicht mehr auf dem geöffneten Kleid ruhte.
„Mit Absicht!“, zischte ein anderer Soldat von hinten.
„Wir“, versuchte es Theical noch einmal, um zumindest den Anschein walten zu lassen, dass er sich verteidigen wollte.
„Ihr wisst, was auf Verrat steht?“, unterbrach der Soldat vor ihm. Ein fieses Grinsen schlich sich in das hässliche Gesicht.
„B-Bitte nicht“, jammerte Daphne. „E-Es wird nicht wieder vorkommen.“
„Da sagst du etwas Wahres.“ Der Wachmann drehte sich etwas seinen Leuten zu und wies sie mit einer Handbewegung an, an Daphnes und Theicals Seite zu treten. „Ihr seid verhaftet, wegen Missachtung der fürstlichen Gesetze.“
Zwei der Soldaten kamen auf sie zu und umgriffen ihre Schultern und Arme mit eisernen Händen. Halbherzog begannen sie sich zu wehren, während sich Daphne zu Theicals Erstaunen sogar Tränen aus den Augen drückte.
„Nein bitte, ich werde es nie wieder machen“, rief sie aus, als man sie vorstieß und wenig sanft aus dem Stall und über den Hof bugsierte. Schauspielerisch konnte er wirklich noch viel von ihr lernen.
„Tut ihr nicht weh!“, forderte er dagegen nur mit brüchiger Stimme. Er war froh, dass er überhaupt noch Wörter über seine Lippen brachte. Dieser Plan konnte genauso gut nach hinten losgehen und dann wären sie eben solche Gefangenen wie alle anderen auch. „Nehmt mich, aber lasst sie gehen!“, versuchte er es noch einmal, doch von den Wachen kam keine Antwort. Lediglich der Griff um seine Arme wurde noch fester und der Soldat, der Daphne vor sich her schob, stieß ihr lachend in die Kniekehlen, was sie stolpern und beinahe auch hinfallen ließ. Die Schurkin ließ es wimmernd über sich ergehen und gab sich weiterhin als die schwache und überrumpelte Frau, die eben mit ihrem Leben abgeschlossen hatte.
Der Weg führte durch einen schmucklosen Seiteneingang und durch dunkle Gänge. Laut den Plänen, die ihnen Zacharas gezeichnet hatte, handelte es sich ganz klar um den Kerker und als die ersten Gitterstäbe in ihr Sichtfeld rückten, und Jammernd und Klagegeschrei an die Ohren drang, war daran auch nicht mehr zu zweifeln. Fast ausnahmslos alle Zellen waren besetzt und meist sogar zu mehreren. Es stank fürchterlich nach Urin und anderen halbverdauten und verwesten Sachen. Zerlumpte und abgemagerte Menschen saßen dort im Halbdunkeln und flehten um Gnade, als sie die Wachen sahen. Doch die Männer würdigten die Gefangenen keiner Blicke und liefen schnurstracks auf zwei andere Zellen zu. Dort eingekerkert, waren bereits zu links, einige Männer.
Das Klappern von Schlüsseln erklang und ließ die dürren Gestalten an die Gitterstäbe kommen, doch eine der Wachen zückte sein Schwert und richtete es auf die Wehrlosen, während sein Partner das Schloss öffnete und Theical grob hineingeschubst wurde. Protestierend wandte er sich sofort um, doch die Tür war bereits wieder verschlossen und hinterlistig grinsend verschwanden die Männer mit Daphne etwas weiter den Gang hinunter. Mit Argusaugen beobachtete er sie. Hoffentlich würde ihr Plan nicht darin scheitern, dass sie der Diebin etwas antaten. Das Husten und Keuchen der Männer hinter ihm, machte die Situation auch nicht besser. Allerdings lag ihm auch das altbekannte Geräusch von quietschenden und kratzenden Ratten in den Ohren, dennoch nahm er erst den Blick von Daphne, als er es sicher war, dass es ihr gut ging und sie ebenfalls in einer Zelle saß.