Das Williams-Adam-Vermächtnis

Es gibt 176 Antworten in diesem Thema, welches 68.314 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. März 2017 um 15:27) ist von Rainbow.

  • Hmm... das Lieblingsspiel der Polizei: Guter Cop, böser Cop :D
    Spaß bei Seite der Teil gefällt mir gut und auch ich muss zugeben, dass ich meine Schwierigkeiten hatte nach einem Monat Pause wieder in die Geschichte zu finden, aber dennoch ist der Teil gelungen und ich hoffe, dass ihr in Zukunft wieder etwas häufiger neue Abschnitte online stellen werdet :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Kapitel 16
    Verdächtigt


    Mit der Faust stieß Joey gegen die verspiegelte Wand. Im war klar, dass jemand dahinter saß und jede seiner Bewegungen beobachtete. Und das machte ihn wahnsinnig. Seit Stunden hielt man ihn in diesem Raum gefangen wie einen Verbrecher. Man hatte ihn zu Evie befragt und hatte von ihm wissen wollen, ob sie an den Morden schuld trug. Was für ein Schwachsinn. Evie war wirklich die letzte Person, die etwas für diese grausamen Übergriffe konnte. Und das hatte er der Polizei auch mitgeteilt. Mehrfach hatte er ihnen erzählt, dass Evie in jeder Minute an seiner Seite gewesen war und sie nur am Tatort waren, weil Tiffany sie angerufen hatte. Er hatte den Beamten sogar eine Beschreibung des merkwürdigen Typen im Hoodie gegeben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er zusammen mit zwei Polizisten dem Kerl nachgelaufen war. Bis der Fremde plötzlich verschwand und sie ihn nirgends mehr auffinden konnten. Wie konnte die Polizei also wirklich daran glauben, dass Evie mit Mr. Hoodie unter einer Decke steckte?
    „Hey, habt ihr meinen Chef endlich angerufen?“, schimpfte er lautstark und lehnte seine Stirn dann gegen das kalte Glas. Langsam wurde er der Angelegenheit überdrüssig. Er wusste nicht einmal, wohin sie Evie gebracht hatten. Vermutlich saß sie ebenfalls in einem der Vernehmungszimmer und fror sich mit ihren nassen Sachen die Haut von den Knochen. Er machte sich schon die ganze Zeit derart viele Gedanken, um sie und die Situation allgemein, dass er glaubte, sein Kopf würde jeden Moment explodieren.
    Joey hoffte inständig, dass die Polizisten schnellstmöglich seinen Chef erreichten und dieser das Missverständnis aufklären würde. Er verspürte keine große Lust sich über Nacht in einer Gefängniszelle aufzuhalten.
    Die Tür neben ihm schwang auf und ein dickerer Mann mit grauem Haar trat herein. Die Mundwinkel hingen nach unten und es wirkte fast, als hätte er seit Nächten nicht mehr geschlafen.
    „Sie dürfen gehen“, meinte er mit monotoner Stimme. Es klang beinahe, als würde er es Joey nicht gönnen, dass er ihn entlassen musste. Doch Joey war es egal, ob dem Mann seine Unschuld schmeckte, oder nicht. Er war einfach nur erleichtert, dass man ihn gehen ließ. Eine Anklage wegen Mord machte sich sicher nicht sehr gut in seiner Personalakte, oder bei einem eventuellen Bewerbungsgespräch. Tatsächlich hatte er die letzten Stunden darüber nachgedacht, ob er nicht den falschen Beruf gewählt hatte. Andererseits hätte er so niemals Evie und ihren Sturkopf kennen gelernt. Und gerade von ihrem Sturkopf hatte er bereits mehr übernommen, als er es wollte. So fiel es ihm in diesem Moment, als der Polizist den Raum betrat, extrem schwer, einen störrischen Ausspruch zu unterdrücken.
    „Und was ist mit Mrs. Jones?“, wollte er stattdessen nur wissen, während er seine Jacke von der Stuhllehne fischte.
    „Meine Partnerin holt sie gerade aus der Zelle.“ Der Polizist trat zur Seite und ließ Joey an ihm vorbei laufen. „Ihr Chef hat bestätigt, dass Sie beide für ihn und an der Sache mit den Morden arbeiten.“
    Joey nickte stupide. Sie hatten Evie also schon in eine Zelle gebracht? Eine bodenlose Frechheit. War es überhaupt erlaubt, dass sie mit ihr so umgingen, ohne handfeste Beweise zu haben? Seiner Ansicht nach, nicht. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass Evie wirklich etwas mit den Morden zutun hatte.
    Er unterband jedoch jeglichen Kommentar. Er wollte nur noch Evie einsacken und dann verschwinden. Das Geschwafel des Beamten interessierte ihn nur mäßig.
    „Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten“, meinte plötzlich eine weibliche Stimme. Joey drehte sich auf dem Gang um und erkannte eine jüngere Frau mit roten Haaren. Vermutlich die Partnerin des Enddreißigers. Neben ihr stand eine völlig zerknautscht wirkende Evie in einem viel zu großen Pulli und einer Jogginghose, die schon bessere Tage gesehen hatte. Sie sah schrecklich aus, als wäre sie mit ihren Haaren in einem Fleischwolf hängen geblieben und nur durch die Schere wieder frei gekommen.
    Am liebsten hätte Joey sie umarmt, aber er riss sich zusammen. Er wusste nicht wie sie reagieren würde und er wollte ungern in einem Polizeipräsidium einen Streit provozieren. Schließlich waren sie gerade erst einer Anklage entkommen, da wollte er keinen neuen Grund geben, zu glauben, sie hätten irgendwelche kriminellen Probleme.
    „Ja, jedenfalls vielen Dank für den netten Aufenthalt in ihrer geräumigen Zelle, aber ich würde jetzt sehr gern zurück ins Hotel und mich ausruhen“, brachte Evie mit kratziger Stimme hervor. „Einen schönen Tag noch.“
    Evie griff Joey bei der Hand und zog ihn hinter sich her.
    Joey warf noch einen letzten Blick über die Schulter und nuschelte: „Auf Wiedersehen.“ Allein seinem letzten bisschen Höflichkeit war es zu verdanken, dass er überhaupt noch etwas sagte. Am Liebsten wäre er einfach davon gelaufen und hätte die beiden Beamten keines Blickes mehr gewürdigt.
    Kaum außer Hörweite der Polizisten, platzten unzählige Beschimpfungen und Flüche aus der Journalistin heraus. Und Joey war sich sicher, dass es so schnell nicht wieder aufhören würde. Wenn sich Evie einmal in etwas hineingesteigert hatte, dann gab es kein Zurück mehr, bis sie sich in den Schlaf geärgert hatte.
    „Wie geht’s dir?“, begann er vorsichtig, als sie wieder auf der Straße standen. Er wollte zumindest versuchen, sie abzulenken.
    „Mir geht es blendend, siehst du das nicht?“, knurrte Evie bissig und stierte ihn wütend an.
    „Ich habe ja nur gefragt.“
    „Eine dämliche Frage“, grummelte sie in ihren nicht vorhandenen Bart. „Meine Güte, was für Idioten! Als hätte ich etwas mit den toten Frauen zu tun! Ich bin doch kein kaltblütiger Psychopath, der herumrennt und wahllos irgendwelche Frauen abschlachtet.“
    „Sie machen auch nur ihren Job“, versuchte Joey zu schlichten, auch, wenn er seiner Kollegin insgeheim zustimmte. Doch wenn er sich nun ebenfalls in die Sachen hineinsteigern würde, dann würden sie sich nur gegenseitig aufschaukeln. Und wenn er ehrlich war, dann nagte die Müdigkeit zu sehr an ihm, als dass er sich nun noch streiten wollte.
    Allerdings schienen seine Worte nicht so bei Evie anzukommen, wie er es geplant hatte.
    Wütend verschränkte sie die Arme und ihre dunklen Augen bohrten sich in sein Gesicht, weshalb er schnell den Blick abwandte.
    „Ich mein ja nur.“
    Er hörte Evie tief durchatmen, ehe sie wieder ansetzte.
    „Immerhin weiß ich jetzt, in welch ausgeklügeltes System meine Steuergelder fließen.“ Die Journalistin schien noch immer sauer, strich sich aber beruhigend mit den Fingern über die Schläfen. „Wie wollen wir jetzt eigentlich zurück ins Hotel kommen?“
    „Mit dem Bus, schätze ich mal. Das Auto haben sie beschlagnahmt und ich bezweifle, dass wir es heute noch bekommen.“ Joey fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    „Mit dem Bus?“, knurrte Evie. „Willst du mich veraschen?“
    „Ich kann doch auch nichts dafür.“ So langsam nervte Joey die Laune seiner Partnerin doch. Sie hatte allen Grund um wütend zu sein, aber warum musste sie diese Wut an ihm auslassen? Er war schließlich nicht daran schuld, dass man sie verhaftet hatte.
    Ohne noch ein Wort zu sagen, marschierte er auf die nächste Haltestelle zu und durchstöberte den Busplan.

  • Naja wenigstens sind die beiden wieder auf freiem Fuß. Das ist beruhigend. Ich kann aber Evies Frust auch verstehen, der Polizist war wirklich etwas übereifrig.
    Ich bin gespannt wie es Tyffie geht und was dieser kranke Typ jetzt vor hat. Ich hoffe der kommt nicht auf die Idee sie im Krankenhaus zu überraschen.. :hmm:

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Kapitel 17
    Evie und Joey versöhnen sich


    Evie saß in einem dicken Pulli auf dem Bett, die Decke über den Beinen, die Kleider des Polizisten sorgfältig neben sich aufgestapelt.
    Es war mitten in der Nacht.
    Nach einer langen und vor allem heißen Dusche – die sie nicht im Geringsten aufgetaut hatte – war sie neben Joey ins Bett geklettert und hatte versucht zu schlafen. Eigentlich war sie totmüde. Selbst ihre Augen fielen schon zu, sodass sie gegen das Dunkel ihrer Lider starrte, aber der Tag war einfach zu aufwühlend gewesen.
    Sie hatte mit Nick telefoniert. Er hatte über die Unfähigkeit der Londoner Polizei nur den Kopf geschüttelt. Dann hatte sie Ben an der Strippe gehabt, der versprochen hatte Sparks auseinander zu nehmen, sollte er sich nochmal so eine Aktion leisten und schlussendlich hatte sie noch mit Carl und Bumblebee gesprochen. Ihnen ging es beiden gut.
    Es hatte gut getan die Stimmen ihrer Freunde zu hören und auch ihren Rückhalt zu erfahren, dennoch hatte sich ihr Kopf nicht von den wirren Gedanken befreien können.
    Sie musste morgen unbedingt zu Tif.
    Ihre Gedanken glitten weiter zu Joey und zu dem, was sie im Verhörraum der Polizei beinahe gedachte hatte. Dann musste sie an die gemeinen Sachen denken, die sie ihrem Kollegen an den Kopf geknallt hatte, dabei wollte er sich doch nur nach ihrem Befinden erkundigen.
    Innerlich seufzte sie und lauschte. Gleichmäßige Atemzüge neben ihr.
    Sie ergänzte ihre To-Do-Liste um den Punkt: Mich bei Joey entschuldigen.


    Irgendwann musste sie eingeschlafen sein. Obwohl die Nacht nicht mehr allzu viele Stunden gezählt hatte, wachte sie am nächsten Morgen frisch und erholt auf. Der tiefe, traumlose Schlaf musste seine Schuldigkeit getan haben.
    Dennoch war Joey vor ihr auf den Beinen, saß auf der Bettkante und telefonierte leise, wohl um sie nicht zu wecken.
    „… besuchen?“, hörte sie gerade. Dann nicken, einige Ahs und Jas, dann: „Entlassen wie schön. Würden Sie mir die Adresse… achso, klar, verstehe. … Nein, schon in Ordnung. Vielen Dank.“ Damit beendete er das Gespräch. Evie merkte erst jetzt, dass Joey sich noch kein Hemd angezogen hatte. Sein breites Kreuz wirkte stark, besonders wenn er so aufrecht saß, dann drehte er sich um und seine Augen wirkten unglaublich verletzlich.
    Das schlechte Gewissen von gestern Abend überkam sie erneut.
    „Morgen“, murmelte sie zerknautscht.
    Joey ging nicht darauf ein. „Sie haben Tiffany entlassen. Wenn du sie sehen willst, musst du ihre Adresse in Erfahrung bringen. Beim Krankenhaus wollten sie sie mir nicht geben. Du hast ja ihre Nummer.“
    Der unterkühlte Ton seiner Stimme traf sie mehr als sie zugeben wollte.
    „Joey“, setzte sie an und wurschtelte sich aus ihrer Decke, aber er unterbrach sie. „Ich bin dann frühstücken falls du mich suchst.“
    Mit diesen Worten verschwand er beinahe fluchtartig aus dem Raum. Die Tür fiel klickend ins Schloss.
    Evie biss sich auf die Unterlippe. Diesmal hatte sie es wirklich zu weit getrieben. Jedes Fass hatte einen Boden.
    Trotz allem entschied sie, dass es keinen Sinn hatte ihrem Kollegen hinterher zu laufen, wenn sie aussah, wie ein gerupftes Hühnchen. Sollte er erstmal noch eine Weile schmollen und sein Gemüt beruhigen.
    Moment?! Seit wann will ich jemandem gefallen?!, dachte sie und saß auf einmal kerzengerade im Bett. Es war doch einfach alles zum Mäusemelken.
    Wütend auf sich selbst stapfte sie ins Bad, drehte die Dusche auf heiß und ließ sie warm laufen, während sie sich ihren Klamotten entledigte.


    Ihre nassen Haare zu einem Zopf gefasst, in Jeans und Top verließ sie das Hotelzimmer. Tif hatte sich bei ihr gemeldet und ihr ihre Adresse genannt. Evie freute sich riesig die Kinderärztin zu treffen. Zum Glück ging es ihr gut! Aber die Journalistin in ihr wollte natürlich auch wissen, was die Ärzte zu ihren Verletzungen gesagt hatten.
    Zufrieden ließ sie das Handy in ihre Hosentasche gleiten und machte sich auf den Weg ins Restaurant des Hotels. Hier würde sie sicherlich Joey beim Frühstück treffen.
    Gerade als sie die Tür aufmachte, lief sie Joey beinahe über den Haufen.
    „Huch!“ Erschrocken sprang sie einen Schritt zurück. „Entschuldige.“
    „Wenn’s weiter nichts ist“, war die kalte Antwort, als er sich einfach an ihr vorbeischob.
    Die Journalistin rollte mit den Augen. So gemein war sie auch wieder nicht gewesen, dass man stundenlang rumzicken musste. Dennoch biss sie sich auf die Zunge, machte drei schnelle Schritte und hielt Joey am Arm zurück. Er fühlte sich warm an. Seine Haut war überraschend weich. Energisch schüttelte sie innerlich den Kopf.

    Himmel, Arsch und Zwirn!
    „Jetzt warte doch mal!“ Nachdrücklich verstärkte sie den Druck auf seinem Handgelenk.
    „Was willst du?“, fragte er gereizt.
    „Es tut mir leid.“ Sie versuchte sanft zu klingen, doch er steckte sie mit seiner Gereiztheit an.
    „Was?“ Scheinbar wollte er das volle Programm. Gut, sollte er seinen Willen haben.
    „Es tut mir leid, dass ich gestern so biestig zu dir war. Du konntest ja nichts dafür.“ Sein Blick flackerte, wurde dann aber wieder hart. Als gute Journalistin witterte Evie natürlich trotzdem ihre Chance und setzte mit schelmischen Grinsen nach: „Es war übrigens sehr mutig von dir, den Mörder zu verfolgen.“
    Sie spürte wie er nachgab als sich ein zaghaftes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Der männliche Stolz eben.
    Evie löste ihre Finger von seinem Arm. Und gemeinsam gingen sie zum Ausgang der Lobby.
    „Hast du keinen Hunger?“, fragte er.
    „Wir können unterwegs ja bei einem Bäcker halten.“
    Sie schwiegen und traten hinaus in die noch angenehme Wärme der Sonne.
    „Joey?“
    „Ja?“ Er wandte sich zu ihr um und musterte sie fragend.
    „Danke, dass du dabei bist.“ Sie wusste nicht woher die Worte kamen oder wieso sie ungewollt aus ihrem Mund sprudelten, aber sie waren aufrichtig.
    Ihr Kollege lächelte sanft und schloss sie in die Arme. Evie ließ es geschehen.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Ach schau doch mal, Evie entdeckt ihre Gefühle, unter dem ganzen Ehrgeiz hätte man bei ihr doch gar keine vermutet.
    Genug des Sarkasmus, ein gut geschriebener Teil ,der auch einmal eine andere Seite von Evie aufzeigt und ihr bewusst macht, was sie doch an Joey hat. Ich bin mal wirklich gespannt, was da zwischen den beiden noch so passieren wird. :D

    xoxo
    Kisa

  • Er sah älter aus als er zu sein schien.

    Klingt widersprüchlich.

    Ich bin noch nicht ganz am Ende, wollte aber etwas zu Post Nr. 59 loswerden. Das Verhör kommt mir viel zu kurz vor. Evie erklärt nicht, warum sie dort war, nämlich weil sie angerufen wurde, und der Polizist hakt nicht weiter nach. Ich hab das Gefühl, ihr wolltet abkürzen, aber ein etwas längeres Verhör hätte ich hier gerne gelesen. Das hatte ja nicht mal die Länge einer einfachen Unterhaltung. Gut, kann sein, dass der Polizist genervt und ungeduldig ist, aber wenigstens das mit dem Anruf hätte Evie doch erklären können.
    Die Teile davor fand ich aber schön und freue mich schon darauf, den Rest zu lesen. :thumbup:

  • Wütend auf sich selbst stapfte sie ins Bad, drehte die Dusche auf heiß und ließ sie warm laufen, während sie sich ihren Klamotten entledigte.

    ihrer

    So so.. Evie hat also doch was für Joey übrig. Hatte sie das bloß unter dem ganzen Ehrgeiz diesen Fall zu lösen nicht gesehen und war schon früher da, oder war die Situation mit dem Mörder der Auslöser? Es verspricht auf jeden Fall interessant zu werden :)

    Weiter so Mädels :thumbsup:

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

    • Offizieller Beitrag

    Kapitel 18
    Atempause

    Joey konnte es wirklich kaum fassen. Evie ließ ihn sie umarmen. In diesem Moment fühlte er sich so glücklich, wie schon seit Tagen nicht mehr. Sogar sein Zorn ebbte stark ab. Er wusste nicht einmal mehr, warum er so reagiert hatte. Natürlich hatte Evie ihn am Tag zuvor blöd von der Seite angemacht, aber eigentlich war er solche Reaktionen von ihr gewohnt. Und eigentlich konnte er sie auch verstehen, schließlich war der Aufenthalt im Präsidium nicht sehr komfortabel gewesen. Tatsächlich verspürte er ein schlechtes Gewissen.
    „Mir tut es übrigens auch leid“, meinte er mit einem Räuspern, als er wieder von ihr abließ.
    „Gut, uns tut es beiden leid, also sind wir jetzt wieder Freunde?“ Evie grinste ihn zuversichtlich an.
    Joey seufzte jedoch nur. Freunde also. Und mehr hatte er von ihr wohl auch nie zu erwarten. Damit sollte er sich endlich abfinden, aber es war nicht einfach.
    „Ja“, meinte er und zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. Dann straffte er die Schultern und sah sich suchend um. „So und nun fahren wir zu Tiffany.“
    „Und wie? Unser Auto ist immer noch bei der Polizei.“ Evie verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Dann müssen wir es zuvor eben noch abhooo… ähm sag mal, sieht das nicht aus wie unser Auto?“ Leicht irritiert zeigte Joey auf den roten Wagen, der eben vor dem Hotel hielt. Die beiden Journalisten sahen sich achselzuckend an, als eine Frau mit roten Haaren und einer Uniform aus dem Wagen stieg. Soweit sich Joey erinnerte
    , war es die gleiche Frau, die Evie aus der Zelle geholt hatte.
    „Einen guten Morgen wünsche ich“, meinte die Beamtin. „Es ist uns immer noch peinlich, dass wir Sie verdächtigt haben, weshalb ich mir dachte, dass ich Ihnen zumindest den Wagen zurückbringen sollte.“ Sie lächelte und zog ein gefaltetes Papier aus der Hosentasche. „Sie müssten nur noch hier unterschreiben.“ Joey hatte gar keine Zeit zu reagieren, da wurde ihm schon ein Stift entgegen gereicht und das Papier. Es war nicht gerade üblich, dass die Polizei auf einen zukam und beschlagnahmte Sachen zurückgab. Allerdings war er noch nicht oft genug mit der Justiz in Berührung gekommen, um das zu beurteilen.
    Er nahm das Blatt an sich, überflog kurz den Inhalt und setzte dann seine Unterschrift darunter.
    „Danke“, meinte er mit einem Lächeln. Evie schnaufte nur und lief bereits auf das Auto zu, um sich auf den Beifahrersitz fallen zu lassen.
    „Sie ist noch immer wütend?“, fragte die Polizistin. „Kann ich sehr gut verstehen.“
    „Sie beruhigt sich schon wieder.“ Noch einmal lächelte Joey, dann gab er der Rothaarigen das Formular zurück. „Wie kommen Sie jetzt eigentlich zurück?“
    „Mein Kollege holt mich gleich ab.“ Sie machte eine kurze Pause und blickte dann auf Evie. „Und wohin fahren sie jetzt?“
    Joey war sich unsicher, was er darauf antworten sollte. Konnte er der Frau sagen, dass sie zu Tiffany fuhren? Oder würde das nur wieder zu Komplikationen führen? Er entschied sich für die Wahrheit. Letztendlich würde man es dann doch herausfinden und es war klar, dass er in meinem guten Licht erscheinen würde, wenn sich sein Gesagtes, als eine Lüge herausstellte. Nicht, dass er beim nächsten Mal derjenige war, der stundenlang in irgendeiner Zelle herumsitzen musste.
    „Wir wollen erst Einkaufen fahren, vielleicht etwas Kuchen besorgen und dann einmal bei Tif … ich meine, bei Miss Morgen vorbei sehen.“
    Die Beamtin nickte nur. „Wenn Sie wollen, dann kann ich meine Kollegen dort anrufen, und ihnen Bescheid geben, dass Sie kommen.“ Joey runzelte die Stirn.
    „Erhält sie Polizeischutz?“
    Wieder nickte die Beamtin, sagte aber nichts mehr dazu, sondern kramte ihr Handy aus der Hosentasche.
    „Sie brauchen nicht unbedingt anrufen, Miss Morgen weiß ja, dass wir kommen. Man wird uns schon in die Wohnung lassen.“
    „Gut, wie Sie wollen“, meinte die Frau. „Dann wüsche ich Ihnen und Ihrer Kollegin noch einen schönen Tag.“
    Damit verabschiedete sich auch Joey und beeilte sich dann, schnell auf dem Fahrersitz des Wagens Platz zu nehmen. Er lenkte das Auto aus der Parklasche und fädelte es in den fließenden Verkehr ein. Von Evie ließ er sich noch einmal die Adresse nennen und in das Navigationsgerät eingeben.
    „Was hast du noch mit ihr beredet?“, wollte die Brünette schließlich nach einer Weile wissen.
    Joey hob die Augenbraue, nahm den Blick aber nicht von der Straße. Hörte er da einen genervten Unterton aus der Stimme seiner Partnerin heraus, oder wollte er das nur hören?
    „Nichts, sie wollte nur wissen, wohin wir fahren.“
    „Was hast du gesagt?“
    „Das wir zu Tif fahren.“

  • Soweit sich Joey erinnerte_(Komma) war es die gleiche Frau, die Evie aus der Zelle geholt hatte.

    In meinen Augen ein eher ruhigerer Teil, bevor die Aktion wieder los geht und Evie zurück in ihren sturen Blick und auf die Suche nach der Wahrheit losstürzt. Ich bin mal gespannt, was sie bei Tif so alles herausfinden werden.

    xoxo
    Kisa

  • Spoiler anzeigen


    Kyelia hatte es mir schon gesagt: in den letzten Teilen hat Tif über ihrer Praxis in einer Wohnung gewohnt.
    Wir haben es dann geändert. Sie hat ein Haus, in dem unten die Praxis und oben der Wohnbereich ist. Das Haus steht in einer Wohngegend nicht mitten in der Stadt. Wir werden es in den anderen Teilen abändern :)


    Kapitel 19
    Besuch bei Tif

    Evie runzelte die Stirn, wollte den aber gerade erst wiederhergestellten Frieden nicht mit ihrer spitzen Zunge verderben.
    Stattdessen hob sie nur unwillig eine Augenbraue und sagte: „Wenigstens war sie die Nette.“
    Sie merkte wie Joey erleichtert ausatmete und sich auf’s Fahren konzentrierte.
    Beim nächsten Bäcker hielten sie an und Evie kaufte einen Kirschkuchen für sich und zwei Kaffee.
    Nachdem das Navi sie durch die vielen Straßen Londons geleitet hatte, landeten sie schließlich in einem Außenbezirk. Hier standen die Häuser in etwas größerem Abstand zueinander und waren von Gärten umgeben, deren Rasen alle mit der Nagelschere geschnitten schienen.
    Das Haus vor dem sie hielten, fiel jedoch völlig aus dem Rahmen. Die Wise vor dem Haus war Knöchelhoch und besprenkelt mit den weißen und gelben Punkten von Butterblumen und Gänseblümchen. Auf der linken Seite des Gartens stand ein große Birke, deren weißer Stamm in der Sonne leuchtete. Auf der Treppe zum Eingang stand auf jeder Stufe ein Topf mit Blumen in allen Farben. Blaue Veilchen, rote Tulpen, violetter Lavendel, Goldlack, der die Musterung von Flammen trug und ein Topf mit weißen Primeln.
    Am Glas der Haustür hin eine Ente aus Stroh, die ein Schild im Schnabel trug, auf dem „Herzlich Willkommen“ stand. Daneben, an der weißen Hauswand hing ein seriöses Schild mit dem Aufdruck: "Kinderarztpraxis, Dr. Tiffany Morgen."
    Das Einzige, was so gar nicht ins Bild zu passen schien war der Polizeiwagen, der direkt am Rinnstein vor dem Haus stand, in dem zwei Beamte saßen und Kaffee aus Pappbechern tranken.
    Auch am Eingang hockte ein Polizist auf einem Gartenstuhl in der Sonne. Wenn das Haus einen Hintereingang hatte, würde dort sicherlich auch noch jemand sitzen.
    Joey lenkte den Wagen vor den blau-gelb-weißen Mercedes der Polizei und hielt.
    Evie hatte nicht einmal Zeit einen Fuß auf die Straße zu setzen, da standen die Polizisten schon bei ihr an der Tür und beäugten sie misstrauisch.
    „Guten Morgen“, grüßte Joey freundlich und lächelte die Beamten an, die eine finstere Miene zur Schau stellten.
    „Wir möchten Miss Morgen besuchen, wir sind Freunde.“
    „Das kann ja jeder behaupten“, bellte einer der Polizisten. Sie wirkten beide jung und trainiert. Ihre Waffen hingen deutlich sichtbar in ihren Halftern. Evie schnaubte wütend.
    „Erlauben sie uns Miss Morgen anzurufen?“, fragte er und warf Evie einen Blick zu, der ihr bedeutete nett zu sein. Sie zwang ihre Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln, dass gefühlt eher Joker aus Batman ähnelte. Die Polizisten blickten sich fragend an, doch die Entscheidung wurde ihnen abgenommen.
    „Evie!“ Tiffany kam mit langen Schritten über ihr Grundstück an den Zaun gelaufen. Der Beamte neben der Tür versuchte vergeblich sie aufzuhalten.
    Die blonden Haare schienen matter seit ihrer letzten Begegnung, ihren Oberarm, der von ihrem T-Shirt entblößt wurde, zierte ein großer Bluterguss. Der Mörder musste sie wirklich fest gepackt haben. Im Großen und Ganzen wirkte sie aber in Ordnung.
    „Miss Morgen, Sie sollten doch im Haus bleiben“, redete der Beamte hinter ihr auf sie ein. Aber die Kinderärztin winkte ab. „Das Haus ist auf Dauer ganz schön klein.“ Schnippisch warf sie ihm einen Blick zu. „Wenn jemand kein Mörder ist, dann sind es diese beiden. Sie haben mich gerettet!“
    Auf ihr Wort wichen die Beamten, die Joey und Evie am Aussteigen gehindert hatten, zurück. Die Journalistin klappte ihre Tür auf, stolperte aus dem Wagen und schloss Tiffany in die Arme. Sie sah Anna ziemlich ähnlich und tief in sich vermisste sie ihre beiden Freundinnen – auch wenn sie sie für das, was sie getan hatten verachtete. Gegen Nick und Ben waren sie immer eine eingeschworene Gemeinschaft gewesen. Und jetzt, mit Carl, waren die Männer eindeutig in der Überzahl.
    „Wie geht es dir?“, fragte sie und hielt Tif eine Armeslänge von sich.

    Nick war schlecht gelaunt. Wie schon die letzten Tage auch.
    Seit Annas Tod kriegte er nichts mehr auf die Reihe. Wie hatte er sich dermaßen verlieben können?! Sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Sie verfolgte ihn sogar nachts in seinen Träumen. Es musste doch eine Möglichkeit geben mit der ganzen Sache abzuschließen. Er war schon seit einigen Tagen nicht mehr an ihrem Grab gewesen, doch statt Besserung hatte er nun zusätzlich ein schlechtes Gewissen.
    Ben hatte versucht ihn aus seiner Lethargie zu befreien, doch es hatte in einem furchtbaren Streit geendet, in dem Nick seinem besten Kumpel vorgeworfen hatte, dass er davon nichts verstünde, immerhin würde Mia noch leben.
    Ben hatte daraufhin den Mund einmal auf und wieder zugeklappt, dann war er wortlos verschwunden. Es war zum Haare ausreißen. Das war nach dem Telefonat mit Evie gewesen. Seitdem hatte er Ben nicht mehr gesehen. Er vermisste es mit ihm zu lachen, aber wie sollte er jemals wieder lachen?
    „Nick? NICK!“, drang eine Stimme an sein Ohr. Er schreckte auf und blickte in die Augen seines Chefs. Verdammter Mist, er hatte ihm nicht eine Minute lang zugehört.
    „Nick, so geht das nicht weiter!“, begann sein Chef und Nick stellte sich auf eine Standpauke ein. Aber es kam keine. „Du bist raus“, sagte sein Chef nur.
    „Oliver, das kannst du nicht machen!“ Fassungslos blickte er in das sonst freundliche und nun mitleidige Gesicht des Mittvierzigers.
    „Doch, Nick, das kann ich. Du bist seit Monaten nicht mehr richtig bei der Sache. Das hier ist zu wichtig, als dass wir uns Fehltritte erlauben können. Geh zu Freddy, er kann Hilfe gebrauchen.“
    „Aber das sind Handtaschendiebstähle. Oliver, ich bitte dich!“, begehrte Nick auf, zornig darüber, dass er so degradiert wurde.
    „Krieg dein Leben wieder in den Griff, dann nehme ich dich mit Kusshand zurück.“ Mit diesen Worten drehte sich Oliver um und ging. Mit einem wütenden Schrei hieb der Polizist auf den Besprechungstisch ein. Der Schmerz, der ihn durchzuckte, beruhigte ihn nur mäßig. Als er seine Hand betrachtete, sah er dass seine Knöchel bluteten.
    Ohne weiter darauf zu achten riss er seine Lederjacke vom Stuhl und schlug beim Hinausrennen die Tür übermäßig fest ins Schloss. Er brauchte frische Luft, musste nachdenken. Es konnte doch nicht nur an Anna liegen! Vielleicht hatte Ben recht gehabt, als er sagte, dass es auch daran läge, dass er sich in seiner beruflichen Ehre gekränkt fühlte, weil er sich von seinen Gefühlen hatte blenden lassen…

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Die Wise vor dem Haus war Knöchelhoch und besprenkelt mit den weißen und gelben Punkten von Butterblumen und Gänseblümchen.

    Wiese

    Im Großen und Ganzen wirkte sie aber in Ordnung.

    Das klingt komisch. Besser wäre unverletzt anstatt in Ordnung.


    Die Szene mit Nick hat mich kurz rausgerissen. Brauchte ein paar sätze um mich wieder zu erinnern, wer er war. Ansonsten war der Part wie immer gut. Bin jetzt auf das Gespräch mit Tiffy gespannt :) Und natürlich darauf, ob der Killer es nochmal versucht. Wobei es mit Polizeischutz schwierig werden wird... :hmm:

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Soweit gefällt es mir immer noch sehr gut. :thumbup: Die Jagd nach dem Kriminellen ist zum großen Teil überzeugend, Details wie das Cafe, das wirklich existiert, schaffen Glaubwürdigkeit. Es ist auch gut, dass man in der Geschichte mehr oder weniger Laien beobachtet, so macht es nichts aus, wenn sie mal nicht sofort die beste Strategie wählen, um die Täter zu finden.
    Zum Schreibstil brauche ich auch weiterhin nichts zu sagen, er ist einfach konstant top, so dass man gar nicht darüber nachdenkt. Bin übrigens froh, dass wir dieses Mal viele eher menschliche Charaktere hatten. Der erste Teil war auf seine Art stark, aber hier kann man richtig mitfiebern.
    Bei Nick musste ich auch erst wieder überlegen, wer er ist. Dass ihr ihn wieder hervorgeholt habt, kann nur bedeuten, dass er eine wichtige Rolle demnächst einnimmt. Aber jetzt wurde er aus dem Fall rausgeschmissen. Ob er sich wohl den beiden in London anschließt und heimlich ein bisschen nachforscht? 8|:)

    • Offizieller Beitrag

    Kapitel 20
    Mias wirre Eingebung

    Ben betrat den weiten Raum mit den vielen Stühlen und Tischen der Nervenheilanstalt in der Mia einsaß. Eine große Glasfront säumte die gesamte ihm gegenüberliegende Seite des Raumes. Durch die Fenster fiel sein Blick auf einen gepflegten Garten mit grünem Gras und blühenden Büschen. Wenn man nicht bedachte, dass er in einer Anstalt stand, dann konnte man glauben, an einem friedlicheren Ort zu sein. Aber leider erinnerten ihn die umherlaufenden Menschen an die Wirklichkeit. Eine Frau links von ihm, stritt mit sich selbst, gestikulierte wild und deutete immer wieder auf einen Punkt vor sich. Dabei lief sie von einer Ecke des Zimmers in die andere. Zu seiner Rechten wiegte sich dagegen ein älterer Herr mit kurz rasierten Haaren und Dreitagebart auf einem Stuhl. Er hielt ein Kartenspiel in der Hand. Immer wieder legte er eine der Papierkärtchen auf den Tisch, nahm eine weg und wiederholte den Vorgang mit einer Faszination, die Ben nicht verstand. Dabei bewegten sich die Lippen des Mannes, als würde er versuchen etwas zu beschwören.
    Der Anwalt schüttelte den Kopf und sah über die anderen Anwesenden. Einige waren genauso aufgedreht wie die beiden anderen, aber die meisten schienen auf ihre Medikamente zu reagieren. Ruhig gingen sie ihren eigenen Bequemlichkeiten nach.
    Aber Ben interessierten die ganzen Menschen nur teilweise. Viel mehr wollte er wissen, wie es Mia erging. Seine ehemals beste Freundin fand er an einem Tisch direkt an der Glasfront. Sie blickte hinaus. Die Blonde hatte sich immer für die Natur interessiert, nicht umsonst war sie in die Hills gezogen. Sie liebte die Berge und die friedliche Ruhe. Der Garten schien ihr etwas davon zurückzugeben.
    Mit langen Schritten durchquerte Ben den Raum, blieb aber neben Mias Tisch stehen. Er blickte auf sie hinab, doch die Frau reagierte nicht, sah nur weiter durch das Fenster, als würde sie soeben der Landung von Aliens beiwohnen.
    Seine Faust vor den Mund haltend räusperte er sich, um auf sich aufmerksam zu machen.
    „Hallo Mia“, fügte er hinzu.
    Ein Zucken ging durch den Körper der Pharmazeutin. Ihre glasigen Augen trafen ihn. Das ehemalige Blau ihrer Iris war einem stumpfen Grau gewichen. Und auch die leichte Bräune, die Mia immer auf ihrer Haut getragen hatte, war spurlos verschwunden. Kreidebleich wirkte sie und ihr Teint war einfach nur ungesund.
    Es schmerzte ihn und zerriss ihm das Herz, seine einst beste Freundin in diesem Zustand vorzufinden. Sicher, sie hatte es nicht anders verdient nach allem, was sie gemacht hatte, aber er fühlte sich dennoch schlecht, sie in diesem Zustand zu sehen. Bei jedem Besuch schien es ihr schlechter zu gehen. Zwar war er nicht gezwungen, Mia einmal alle zwei Wochen aufzusuchen, aber er wollte nicht mit dem Gedanken leben, sie hier ganz allein zu lassen.
    „Wie geht es dir?“, fragte er, als er keine Antwort erhielt. Mia sah ihn weiterhin an. Oder blickte sie doch an ihm vorbei?
    Ein unverständliches Murmeln entkam ihr, ehe sie sich wieder dem Garten zuwandte. Ben nahm an, dass es alles bedeuten konnte und zuckte nur die Schultern. Ohne sie aus den Augen zu lassen, setzte er sich auf den freien Stuhl. Mit einem Finger öffnete er sein Jackett und hängte es über die Lehne.
    „Der Ausblick ist schön“, meinte er. Er glaubte auf diesem Weg an sie heranzukommen, doch auch dazu schwieg Mia.
    „Evie ist nach London gereist, um dort an einem neuen Artikel zu arbeiten.“ Er rang sich ein Lächeln ab. Diesmal reagierte die Frau.
    „London.“ Sie knabberte an ihrer Unterlippe und langsam wandte sie ihre Augen wieder zu Ben. „Anna kommt aus London.“
    Er musterte sie genau und hob eine Augenbraue, dann nickte er jedoch.
    „Ja, kommt sie.“
    „Sie hat bald Geburtstag“, meinte Mia dann. Ihre Stimme war leise und brüchig. Außerdem so rau, dass man glauben konnte, sie hatte schon seit Ewigkeiten keinen Tropfen Wasser mehr zu sich genommen. Oder aber sie hätte eine Schachtel Zigaretten in der letzten halben Stunde vernichtet. „Hast du schon ein Geschenk für sie?“
    Ben seufzte lautlos. Annas Tod war immer noch nicht bei Mia angekommen und er glaubte, dass sie es weiter und weiter verdrängte. Sie wollte nichts damit zu tun haben, gab sich die Schuld an ihrem Tod und deshalb hatte ihr Gehirn wohl dicht gemacht. Die Betreuer und Psychologen hatten es ihm zumindesr so erklärt. Ein Schutzmechanismus des Körpers. Ihm wurde geraten mitzuspielen, sobald es soweit kam. Ihr Zustand war einfach zu labil und wenn man sie aus ihrer Scheinwelt riss, würde sie vielleicht durchdrehen. Er wollte aber nicht, dass sie sich etwas antat.
    „Noch nicht.“ Wieder lächelte er.
    „Ein schönes Buch über Psychologie würde ihr sicher gefallen“, meinte Mia.
    „Sicher.“
    Nun war es Ben, der den Blick von der Blonden nahm. Seine Gedanken schwirrten, als er zum Fenster hinausblickte. Er wollte sie nicht belügen, aber wenn es ihr dadurch besser ging? Und davon abgesehen hatte die Frau auch keine Probleme damit, ihn wohl jahrelang an der Nase herumzuführen und ihre Menschenexperimente vor ihm zu verheimlichen. Das hätte alles anders ausgehen können.
    „Schreibt Evie einen Artikel zu den Mordfällen in London?“, warf Mia nach einer ganzen Weile des Schweigens in den Raum. Ben drehte sich überrascht zurück und fixierte die Frau. Gedankenverloren und als sei sie nicht im Hier und Jetzt, starrte diese an ihm vorbei. Gerade als er sich fragte, woher sie davon wusste, fiel ihm wieder ein, dass ihm die Betreuer einmal erzählt hatten, dass die Patienten der Anstalt die Nachrichten verfolgen durften. Zumindest zu einem geregelten Teil. Man wollte die Leute nicht völlig von der Welt abschneiden. Ob das nun ein guter Gedanke war, oder eher nicht, war einmal dahingestellt. Nicht alle durften es, aber scheinbar gehörte Mia zu dem kleinen Teil, dem es erlaubt war.
    Deshalb hatte wohl Mia von den Fällen etwas mitbekommen. Dass sie es jedoch ansprach, war merkwürdig. Es lag wohl daran, dass er Evie und London erwähnt hatte.
    „Ja, sie ist mit einem Arbeitskollegen vor einigen Tagen abgereist, hat sich bisher aber nur einmal gemeldet.“ Ein Umstand, der Ben überhaupt nicht gefiel. Irgendwas sagte ihm, dass die ganze Sache nicht gut ausgehen würde. Lag es daran, dass die anderen Geschehnisse erst ein Jahr zurücklagen, oder Evie ihre Nase leichtgläubig in gefährliche Situationen stecken konnte? Er wusste es nicht.
    Ein Kichern stahl sich über Mias Lippen.
    „Ein Arbeitskollege also. Ich bin ja gespannt, wann die erste aus unserer kleinen Frauenrunde endlich einen Freund hat. Ich würde es Evie gönnen.“ Zwar hatte Mia kurz gelacht, doch ihr Gesicht wurde ebenso schnell wieder gefühllos wie es gekommen war.
    Ben bewegte nur seinen Kopf zur Bestätigung, sagte aber nichts. Er wusste nicht, was er darauf hätte sagen können.
    Wieder herrschte Ruhe, bis Mia erneut zu reden begann.
    „Es ist erstaunlich, dass es der Mörder nur auf junge blonde Frauen abgesehen hat. Scheinbar war keine von ihnen älter als Anna und ich.“ Sie kicherte erneut, diesmal jedoch wirklich erfreut und beinahe sah es so aus, als wollte sie in schallendes Gelächter ausbrechen. „Und der Tag des ersten Mordes fällt genau auf den, an dem wir den ersten lebensfähigen Klon aus seiner Nährflüssigkeit geholt haben. Ist das nicht ein schöner Zufall?“
    Ben zog die Augenbrauen zusammen. Von was sprach Mia da? Er empfand es immer noch als moralische Schandtat, was seine beiden Freundinnen damals in Mias Labor geschaffen hatten. Sie hatten mit dem Leben gespielt und dafür sind sie über Leichen gegangen. Seinem Freund Carl hatten sie sogar das ganze Dasein gestohlen. Eingesperrt und unmenschlich behandelt, hatten sie ihn.
    Die Wut kroch zurück in seinen Körper und Ben musste die Hände zu Fäusten ballen, damit er nicht losschrie.
    „Nein Mia, der Zufall ist nicht schön.“
    „Finde ich schon.“ Mia sah wieder in den Garten. „Es war ein wundervolles Gefühl, als hätte ich Kinder bekommen. Wie eineiige Fünflinge.“ Wieder dieses Lächeln auf ihrem Gesicht. „Sie sind so schnell gewachsen. Einer schneller als der andere. Sicher wären sie heute fast genauso groß wie wir. Schade, dass zwei nicht lebensfähig waren.“
    Ben schüttelte den Kopf. Nun drehte sie völlig frei. Nicht mehr lang und er musste eine Schwester rufen, die ihr Medikamente gab. „Es hat wirklich funktioniert, wir hätten etwas bewirken können.“ Ihr Grinsen wurde verträumt.
    „Mia, was redest du da? Was ihr gemacht habt, war nicht richtig. Ihr habt Gott gespielt. Nichts hättet ihr bewirkt.“ Er sah auf seine Hände. Die Pläne der Frauen waren einfach nur hirnrissig gewesen. Nichts weiter, als bloße Gespinste, die nie in Erfüllung gehen konnten. „Davon einmal abgesehen, gab es nur drei Klone.“
    Ben griff nach Mias Hand, die bewegungslos auf dem Tisch lag. Sie war kalt und dünn. Als hätte sie ewig nichts mehr gegessen. Er drückte sachte zu. Im letzten Jahr hatte sie so weit abgebaut. Dabei war sie einmal eine der klügsten Frauen gewesen, die ihm bekannt waren.
    „Drei?“ Das Lächeln schwand aus Mias Gesicht und wich einer nachdenklichen Maske. „Nein, es waren fünf.“ Sie entzog ihm ihre Hand. „Wir haben sie gut behandelt und sie waren lieb, aber dann kamt ihr und habt sie … “ Mia ließ den Satz im Raum stehen und ein starrer Blick richtete sich auf Ben. Er wusste, dass diese Erinnerung nicht der Wahrheit entsprach, weshalb er es nicht ernst nahm. Stattdessen atmete er nur tief durch und erhob sich. Er würde eine Schwester suchen und ihr sagen, dass Mia erneut an ihren Fantasien litt. Sie durfte sich nicht aufregen.
    „Ich bin gleich zurück.“

  • :gutenmorgen: erst einmal. Schön das es hier auch wieder einmal weiter geht.

    Ben betrat den weiten Raum mit den vielen Stühlen und Tischen der Irrenanstalt in der Mia einsaß.

    Ich finde das klingt sehr abwerten. Deswegen würde ich hier eher Nervenheilanstalt schreiben. Aber das liegt bei dir, ob du es ändern möchtest :D

    „Schreibt Evie einen Artikel zu den Mordfällen in London?“, warf Mia nach einer ganzen Weile des Schweigens in den Raum.

    Woher hat Mia davon erfahren? Denn wenn ich das richtig weiß, dürfen die Patienten in einer Geschlossenen keine Nachrichten von Außen erhalten. Deswegen wundere ich mich gerade darüber, dass sie davon weiß?!

    „Es ist erstaunlich, dass es der Mörder nur auf junge blonde Frauen abgesehen hat. Scheinbar war keine von ihnen älter als Anna und ich.“ Sie kicherte erneut, diesmal jedoch wirklich erfreut und beinahe sah es so aus, als wollte sie in schallendes Gelächter auszubrechen. „Und der Tag des ersten Mordes fällt genau auf den, an dem wir den ersten lebensfähigen Klon aus seiner Nährflüssigkeit geholt haben. Ist das nicht ein schöner Zufall?“

    Nop. Wohl eher gruselig, als schön!!

    Wie schon gesagt, schön das es hier weiter geht. Der Teil an sich, ist sehr gut geschrieben und mittlerweile habe ich auch so eine Ahnung, wie diese Morde zusammenhängen können. vor allem mit dem Zufall des ersten Mordes, wie du es so schön angedeutet hast. Ich bin mal gespannt was Ben jetzt machen wird, denn es steht außer frage, dass Mia einen schuss weg hat. Ich bin neugierig wie es weiter gehen wird, also lasst nicht allzu lange auf den nächsten Teil warten. :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Woher hat Mia davon erfahren? Denn wenn ich das richtig weiß, dürfen die Patienten in einer Geschlossenen keine Nachrichten von Außen erhalten. Deswegen wundere ich mich gerade darüber, dass sie davon weiß?!

    Eigentlich ja, aber das steht sogar im Text. Keine Ahnung, ob man das so stehen lassen kann, aber es erschien mir immer noch im Bereich des Möglichen. :hmm:

    Gerade als er sich fragte, woher sie davon wusste, fiel ihm wieder ein, dass ihm die Betreuer einmal erzählt hatten, dass die Patienten der Anstalt die Nachrichten verfolgen durften. Zumindest zu einem geregelten Teil. Man wollte die Leute nicht völlig von der Welt abschneiden. Ob das nun ein guter Gedanke war, oder eher nicht, war einmal dahingestellt. Nicht alle durften es, aber scheinbar gehörte Mia zu dem kleinen Teil, dem es erlaubt war.

  • Der Teil verrät ein wenig von seinem Vorgänger, das war durchaus interessant :) Es gibt also 3 Clone? Ich glaube ich kenne nur einen. Keine Ahnung wer die anderen beiden sein könnten.
    Diese Mia wirkt wirklich etwas naja merkwürdig^^ Glaub die sitzt da zurecht drin.
    Mal gucken wie es weiter geht.

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Kapitel 21
    Ben's Gedanken


    "Hey Evie. Wie geht es dir?", wollte Ben am anderen Ende der Leitung wissen.
    "Gut so weit. Wir sind eben auf dem Rückweg ins Hotel", antwortete sie und schielte zu Joey, der sich auf die Fahrbahn konzentrierte. In seinem Gesicht konnte sie keine Regung erkennen, die verriet, was er gerade dachte.
    "Wo wart ihr?", lenkte Ben ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch.
    "Bei Tiffany. Ihr geht es, abgesehen von einer Quetschung am Oberarm, gut. Den Schock hat sie gut überwunden."
    "Das freut mich zu hören. Sie steht jetzt unter Polizeischutz, nicht wahr?"
    Evie nickte und erst als sie Joey schmunzeln sah, fiel ihr ein, dass ihr Kumpel die Geste gar nicht sehen konnte.
    "Ja, richtig", sagte sie deshalb. "Übrigens haben sie unter Tifs Nägeln Hautschuppen gefunden. Sie sagte, sie hätte sich gewehrt und den Angreifer dabei gekratzt."
    Sie konnte förmlich sehen wie Ben am anderen Ende der Leitung hellhörig wurde.
    "Wirklich? Das ist ja großartig!"
    "Nur, wenn die DNA in den Datenbänken der Polizei auch schon mal vermerkt worden ist", wandte Evie ein.
    "Mal doch nicht gleich schwarz. Das ist ein super Hinweis!"
    "Und wie geht es euch?" Evie hatte irgendwie keine Lust weiter darüber zu sprechen. Eigentlich hatte sie Ben nicht erzählen wollen, dass DNA gefunden wurde. Sie konnte noch nicht so recht an den Erfolg glauben. Der Killer hatte noch nie einen Fehler gemacht, da würde ihm ein so lächerlicher sicher nicht unterlaufen. Außerdem hatte Tif unter Schock gestanden, weswegen ihr erst später eingefallen war, dass die Information, den Täter gekratzt zu haben, nützlich sein konnte. Seitdem hatte sie sich mindestens ein Mal gewaschen und zig Leuten die Hände geschüttelt. Sie wollte sich nicht zu sehr auf diese Information versteifen und andere Möglichkeiten außer Acht lassen, sie musste neutral bleiben - so schwer es ihr auch fiel, aber Bens Freudenbekundungen machten es eben auch nicht leichter.
    "Nick nicht so gut. Er ist heute aus seinem Fall rausgeflogen, ich war mal wieder bei Mia."
    Evie schnaubte. Die Jungs und ihre Mädels. Sie verdrehte die Augen.
    "Warum ist Nick rausgeflogen?", fragte sie deshalb.
    "Er sei zu unkonzentriert."
    "Vielleicht sollte er weniger an Annas Grab rumhängen."
    "Evie ...", versuchte der Anwalt zu schlichten, aber er wusste wahrscheinlich, dass sie gerade nur genervt dreinschaute.
    "Selbst nach ihrem Tod macht sie uns das Leben schwer!"
    "Mia hat ... etwas gesagt, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht", versuchte Ben das Thema zu wechseln, aber Evie war nun schnippisch.
    "Hat sie dir mit Wahnsinn in den Augen verkündet, dass sie unsterblich in dich verliebt ist?"
    Ben schwieg. Augenblicklich tat es ihr leid. Er konnte nichts für ihren Zorn, dafür konnten nur die beiden Frauen was, von denen eine zum Glück tot war.
    "Entschuldige. Was hat sie gesagt?", versuchte Evie einfühlsamer zu sein.
    Ben zögerte, schien seinen Groll dann aber hinunter zu schlucken. "Keine der Frauen ist älter als Anna oder sie. Und der erste Mord würde genau auf den Tag fallen, als sie Bumblebee und die anderen aus der Nährflüssigkeit geholt haben."
    "Ja und? Das kann reiner Zufall sein. Bestimmt fällt auf jeden Tag im Jahr ein Mord. Auch auf unsere Geburtstage." Kritisch starrte Evie aus dem Seitenfenster.
    "Wahrscheinlich hast du Recht und sie hat im Wahn gesprochen." Bens Tonfall war nicht zu deuten. Fast kam es Evie vor, als hätte er gewollt, dass Bedeutung in den Worten läge, weil es bedeuten könnte, dass Mia sich auf dem Weg der Besserung befand. Ein Grund mehr sie zu ignorieren, dachte die Journalistin nur.
    "Du, grüß Nick und die anderen ganz lieb. Ich muss Schluss machen", beendete sie das Gespräch abrupt, aber Ben wollte wohl mit seinen Gedanken alleine sein und so machte es ihm nichts aus.
    Evie ließ ihr Handy in den Schoß sinken und lehnte sich im Sitz zurück. Joey hatte den Wagen auf wundersame Weise in eine viel zu klein scheinende Parklücke gezwängt und beobachtete sie neugierig.
    "Gab es etwas Neues?", brach er schließlich das Schweigen.
    Evie fegte die Unsicherheit ob Bens Worten zur Seite und schüttelte den Kopf.
    "Zu Hause ist alles beim Alten." Sie rang sich ein Lächeln ab und stieg aus dem Wagen.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Kann mich Kisa nur anschließen. Bin nur grad bei den Charakteren etwas verwirrt. Nick war der Anwalt und Ben der Polizist, oder bin ich grad wirr?^^ Vermutlich zu lange her, dass ich das nicht mehr weiß.
    Und dieser Ben ist in diese Mia verliebt? Vermutlich wurde das im ersten Teil erklärt, denke ich mal, oder?
    Sorry, dass ich so dumme Fragen stelle, kenne halt den ersten Teil net :(

    Lg
    Rael

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!: