Auf der Spur ...

Es gibt 316 Antworten in diesem Thema, welches 85.149 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Januar 2019 um 01:37) ist von Korus.

  • Sedar stand gegen die Wand gepresst und lugte um die Ecke. Nur wenige Meter von ihm entfernt irrte Pitar, dieser elende Hund, in der Kabine umher und schien nach etwas zu suchen. Trotzdem schien er bester Laune.
    "Wo hast du ihn nur versteckt Gries du Halunke", fragte er laut in das Nichts und lachte dann, als ihm wohl aufging, dass ihm niemand antworten würde. Sedar atmete aus, nachdem er beim Klang der lauten Stimme kurz zusammengezuckt war. Es wäre so einfach. Er müsste nur aus seinem Versteck hinaustreten und den Soldaten überraschen. Natürlich hatte man ihm seine Waffen abgenommen, doch die brauchte er nicht um mit Pitar fertig zu werden. Halbes Hemd! So hatte er ihn genannt. Er sollte noch an seinen Worten ersticken.
    Sedar holte tief Luft. Er durfte seiner Wut nicht die Oberhand lassen. Sicher war der Soldat mitverantwortlich für ihren tiefen Fall, doch er selbst hatte es auch nicht verhindern können. Dem Mann wehzutun würde nichts bewirken. Ihm sollte lieber ganz schnell ein Plan einfallen wie er seinen Fehler wieder gut machen könnte. Plötzlich knarrte hinter ihm eine Holzdiele leise und er schoss herum. Gerade wollte er zu einem Schlag ansetzen, als er den Henker erkannte und sofort innehielt. Der große Mann, der in dem niedrigem Gang gebückt gehen musste, bedeutete ihm zu folgen. Bedacht darauf keinen Lärm zu machen schlich er hinter dem Henker her, bis sie sich weit genug von Pitar entfernt befanden, um leise miteinander reden zu können. Sie konnten nur darauf hoffen, dass alle anderen Matrosen sich an Deck bei der Arbeit befanden, sonst wäre ihrem Ausbruch schnell ein Ende gesetzt. Schließlich war das Schiff nach den kürzlichen Verlusten durch die Fässer und den Sirenenangriff unterbesetzt und kaum einer würde sich vor seinen Aufgaben drücken können. Mit leisen Worten schilderte Casper ihm den Plan. Sedar wollte zuerst einwerfen, dass ihre Erfolgschancen in etwa so hoch wären wie die eines Hasens, der lernen wollte wie man mit dem Schwert kämpft, dann verzichtete er jedoch darauf. Immerhin hatte er auch keine andere Idee und schlimmstenfalls gingen sie heute anstatt in wenigen Tagen drauf.
    "Pitar ist in seiner Kajüte", teilte er Casper flüsternd mit. Der große Mann nickte. Mehr musste nicht gesagt werden. Vor der Kajüte angekommen linste Sedar wieder kurz um die Ecke. Der Soldat durchsuchte immer noch den kleinen Raum und wurde mittlerweile immer genervter.
    "Irgendwo muss dieses Mistding doch sein", fluchte er gerade. Sedar trat lautlos aus dem Sichtschutz und schlich sich von hinten an den Soldaten heran. Als ihn nur noch ein paar Zentimeter von diesem trennte schnalzte er mit der Zunge. Pitar zuckte sichtbar zusammen und fuhr mit dem Kopf hoch. Dadurch entblöste er seinen Hals und bevor er sich umdrehen konnte traf Sedars Handkante seine Halsschlagader. Wie ein herabhängendes Seil, dessen obere Befestigung gelöst worden war, fiel er zu Boden.
    "Wonach hat er gesucht", fragte Casper, beugte sich hinab und lud den Soldaten auf seine Schulter, als wäre er ein kleines Kind und kein achtzig Kilo Mann.
    "Keine Ahnung", antwortete Sedar wahrheitsgemäß. "Er hat etwas davon gesagt, dass Gries, der Matrose, der Neneve angegriffen hat, es irgendwo versteckt hat. Ich denke es war nicht geplant, dass Hinkebein dabei stirbt." Der Henker hob aufgrund des Spitznamens eine Augenbraue, ließ ihn aber unkommentiert.
    "Wir haben in der Küche einen versteckten Dolch gefunden", berichtete er stattdessen. "Vielleicht war er das, was Gries versteckt hat, und er ist in irgendeiner Art und Weise noch für Pitars Plan, wie auch immer der aussieht, notwendig. Neneve und Cifer sind der Überzeugung, dass er verflucht ist." Sedar runzelte die Stirn. Er kannte sich weder mit Magie aus, noch mit Flüchen.
    "Und was heißt das für uns", fragte er.
    "Keine Ahnung, aber wir sollten herausfinden, was es mit diesem Dolch auf sich hat", antwortete Casper und trug den Soldaten gebückt durch die niedrige Tür hinaus auf den Gang. Zeit ihrer aller Leben ein schmerzhaftes und jähes Ende zu setzen.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Als sie mit dem bewusstlosen Pitar vor dem Vorratsraum ankamen warteten Gyahara und Neneve bereits auf sie."Wisst ihr, es hätte auch gereicht, ihn lebend herzubringen." bemerkte die Vermummte beim Anblick der schlaffen Körpers, den Caspar trug."Ach, der wacht gleich wieder auf." meinte Caspar lächelnd."...zumindest hoffe ich das mal." fügte er hinzu."Wo ist unser anderer Freund?" fragte Cifer und Gyahara nickte in Richtung Tür. Ein gedämpftes aber leicht verärgert klingendes Mhmmm..hmm war zu vernehmen, so als ob jemand mit einem Lappen im Mund zu schreien versuchte. "Wir haben ihm eines der Taue mit denen wir ihn gefesselt haben zum Schweigen gebracht, bevor er das ganze Schiff zusammenschreit." Cifer wollte anbieten, nach dem Fürsten zu sehen, während die Anderen irgendwie Pitar zum reden brachten. Zur Abwechslung war es nicht einmal Feigheit, schließlich war der Soldat nur ein Mann und soeben schon einmal niedergeschlagen worden, sondern eher die Tatsache, dass er soeben mindesten eine halbe Flasche Rum geleert haben musste und begann, die Auswirkungen zu spüren. Rum hatte er nie besonders gut vertragen und betrunken würde er wohl noch weniger eine Hilfe sein als sonst. "Also wie gehts weiter?" fuhr Neneve ungeduldig dazwischen, bevor er seinen Vorschlag machen konnte."Schließlich können wir die Antworten nicht aus ihm heraus foltern." Obwohl sie wirkte, als ob das für sie eine durchaus willkommene Alternative darstellen würde. Cifer war froh, dass dieser Idiot ihren Hirsch nicht ganz umgebracht hatte, sonst wäre ihr Plan wohl schon weitaus früher gescheitert. "Wenn wir ihn nur ausfragen, wird er merken, dass etwas faul ist." warf San ein."Und wenn er aufwacht, wird er sich fragen, wie er hier hergekommen ist." fuhr San fort. Cifer kam plötzlich eine Idee. Vielleicht war sie brilliant, vielleicht auch besonders dämlich. Er entkorkte seine Flasche und schüttete den Rest über Pitar, den der Henker inzwischen am Boden abgelegt hatte. Es war wohl doch weniger als die Hälfte in der Flasche gewesen, die er jetzt neben ihn legte."Vielleicht denkt erja wenn er aufwacht, dasser nur die gestrige Nacht vergessen hat... Was, habt ihr ihn nie trinken sehen?" fragte der Gestaltwandler auf die entgeisterten Blicke der Anderen. Neneve nickte. "Ich glaube er hat sich ein paar mal unter den Tisch getrunken, bevor ihr zur Karavane gekommen seit." sie zuckte mit den Achseln. "Aber das könnte auch jeder andere von diesem Pack gewesen sein, es ist nicht so, dass ich es nichts besseres zu tun hätte als, mir ihre Gesichter und Trinkgewohnheiten einzuprägen." "Vergessene Nacht hin oder her, er wird trotzdem Alarm schlagen, wenn er uns sieht." meinte Caspar stirnrunzelnd. Der Henker hatte selbst schon ein paar durchzechte Nächte erlebt und zweifelte wahrscheinlich, dass ein rumgetränktes Hemd und eine Flasche, sowie die Kopfschmerzen, die der Mann wahrscheinlich haben würde reichen würden. Cifer überlegte, ob er vielleicht noch irgendeinen Einfall haben würde, aber irgendwie fiel es ihm schwer, seine Gedanken richtig einzuordnen. Stattdessen war es Gyahara, die antwortete. "Was, wenn er uns nicht alle sieht, was wenn er nur einen trifft. Am besten jemand der harmlos genug wirkt, dass er denkt, er könnte allein damit fertig werden."

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Als Pitar wieder erwachte stand Sedar schon bereit. Er hatte sich an die Gitterstäbe ihrer ehemaligen Zelle gelehnt. Mit etwas Glück würde dem Soldaten die Abwesenheit einer Wache nicht auffallen.
    "Wo... wo bin ich", stöhnte der Verräter und rieb sich den Kopf. Offensichtlich hatte Sedar bei dem Schlag ein wenig übertrieben. Nicht, dass er das bereute.
    "In der Zelle", antwortete Sedar wahrheitsgemäß, um dann gleich darauf zu lügen. "Als du volltrunken über Deck geschwankt bist, hat man dich hier rein geworfen zum Ausnüchtern." Jetzt sah Pitar sich um. Er schien nicht sonderlich überrascht. Offenbar war es nicht das erste mal, dass er nach einer durchzechten Nacht in einem Gefängnis erwachte. Er wirkte auch nicht allzu entsetzt. Immerhin würde man ihn jetzt, da er wieder nüchtern war, wieder freilassen, während Sedar weiterhin eingekerkert bliebe. Das dachte er zumindest.
    "Wo sind die anderen?", fragte der Soldat ein wenig misstrauisch, während er nach seinem Schwert tastete. Man hatte es ihm abgenommen. Natürlich. Sonst hätte Sedar ihm auch im Schlaf etwas antun können. Das würde zumindest für Pitar Sinn machen.
    "In anderen Zellen", behauptete Sedar. "Es gab eine leichte ... Meinungsverschiedenheit .. und deshalb hat man uns getrennt." Pitar lachte.
    "Wundert mich nicht bei euch Pack. Und mich hat man wohl zu dir geschickt, weil du mir, selbst wenn ich schlafe, nichts tun könntest."
    Sein Lächeln wurde gefährlicher.
    "Vielleicht warte ich noch ein bisschen, bevor ich die Wachen rufe, damit sie mich hier rausholen. Ich bezweifle, dass sie auf deinen Ruf hin kommen würden." Er trat auf Sedar zu und schob seine Ärmel hoch, als wolle er Kisten schleppen und niemanden verprügeln. Der Assassine zuckte nur mit den Schultern.
    "Ist mir egal", sagte er mit gespielter Gleichgültigkeit, während er sich innerlich anspannte. "Du hast mir ohnehin schon alles genommen. Sag mir nur. Warum? Warum hast du den Fürsten verraten? Warum hast du uns den Angriff auf dem Schiff zugeschoben? Und warum hast du Jego getötet?" Bei der Erwähnung seines früheren Kameraden zuckte Pitar unmerklich zusammen.
    "Er wurde zur Gefahr", antwortete der Soldat knapp. "Er hat etwas geahnt und wollte zum Fürsten. Ich hatte keine andere Wahl." Eine kurze Pause entstand dann glitt ein gemeines Lächeln über Pitars Gesicht, als käme er nun zu etwas erfreulicherem.
    "Euch den Sirenenangriff unterzujubeln war schlicht naheliegend, da ihr die einzigen wart, die mich und Gries noch hätten aufhalten können. Ihr seid genauso in die Falle getappt, wie wir geplant hatten. Das Gries dabei draufging ist natürlich bedauerlich, aber nicht weiter drastisch."
    "Kein besonders guter Plan", gab Sedar zu denken, "Wenn man bedenkt, dass ihr den Sirenenangriff ebenfalls nicht überlebt hättet."
    "Pah", erwiderte der Soldat nur und spukte auf den Holzboden, "Gries und ich hatten ein Rettungsboot und Instrumente vorbereitet."
    "Aber wieso?", wiederholte Sedar sich. "Wieso das alles?"
    "Ganz einfach", antwortete Pitar. "Geld. Und wenn ich Geld sage, dann meine ich auch Geld. Einen ganzen Haufen davon. Einen Berg sogar." Sedar linste unauffällig zur Tür hinter den Gitterstäben. Sie stand einen Spalt breit offen. Würde das, was der Verräter bereits preisgegeben hatte, reichen?
    "Wer würde so viel Geld für das Ausschalten von Keios zahlen?", fragte er behutsam nach, um noch den letzten Rest verwertbare Information heraus zu kitzeln. Pitar grinste einmal mehr.
    "Was interessiert mich das. Irgendein Fremder hat mich angeworben. Die Hälfte im Voraus, die Hälfte danach. Das Warum ist doch scheissegal." Dann ging ihm auf, was er bereits alles preisgegeben hatte.
    "Aber denk ja nicht daran damit zum Fürsten zu rennen. Der würde dir kaum glauben." Er schien nachzudenken.
    "Oder ich mache dich gleich hier kalt", bot er an, begeistert von seiner Idee. "Dann kannst du es nicht einmal mehr versuchen. Ich kann ja später sagen du hättest mich angegriffen." Der Verräter ballte die Hände zu Fäusten und kam noch einen Schritt auf Sedar zu.
    "Keine Sorge, ich werde dem Fürsten nichts erzählen", beruhigte Sedar den Soldaten und in diesem Moment flog die Tür auf, "Weil du es längst selbst getan hast." Casper, Gyahara, Cifer und Neneve zerrten den Fürst hinein, der gefesselt und geknebelt waren, dessen vor Entsetzen geweitete Augen jedoch nicht auf seinen Bewachern lag, sondern auf Pitar, der fassungslos dastand. Casper durchschnitt mit dem verfluchtem Dolch den Knebel von Keios. Das Stück Stoff fiel geräuschlos zu Boden.
    "Du", begann der Fürst laut und mit zorngeschwängerter Stimme.
    "Du", wiederholte Pitar, jedoch in Sedars Richtung, und schlug zu. Der Assassine blockte den Schlag mit rechts, während er mit links seinerseits zuschlug. Seine Faust krachte gegen den Kiefer des Soldaten und zum zweiten Mal an diesem Tag sackte der Verräter bewusstlos zu Boden. Und wieder würde er in einer Zelle erwachen, da war Sedar sich sicher.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    "Dieser ... dieser ... ", mehr brachte der Fürst nicht heraus. Mit vor Zorn gerötetem Gesicht stand er vor dem bewusstlosen Soldaten und blickte auf ihn hinunter. Er trat mit dem Fuß nach dem Arm Pitars, aber sein Versuch war eher halbherzig. Oder er besaß wirklich so wenig Kraft, dass sich nichts tat.
    "Und was nun?", fragte Casper in die aufkommende Stille.
    "Ich will, dass er genauso leidet, wie Vargas", zischte Neneve. Gyahara wusste zwar nicht, was mit dem Hirsch passiert war, aber so sauer wie die Elfe gerade wurde, musste es schon schlimm gewesen sein. Aus diesem Grund stimmte sie ihr auch nickend zu. Schon allein dafür, dass er sie alle manipuliert und mit dem Gesicht an die Wand gedrängt hatte, sollte er Strafe beziehen.
    "Ich entschuldige mich, dass ich euch beschuldigt habe", gab Fürst Keios steif von sich. Es war ersichtlich, dass er sich nicht gern bei ihnen entschuldigte, es sein Stolz jedoch so verlangte. "Ich hätte merken müssen, dass etwas nicht stimmt. Ihr seid von der Anschuldigung jedenfalls befreit, auch, wenn ich es nicht einfach vergessen werden, wie ihr mich behandelt habt."
    "Es ist ja nochmal gut ausgegangen.
    " Casper lächelte und war damit wohl der Einzige, der sich mit den Worten des Fürsten zufrieden gab. Gyahara für ihren Teil empfand immer noch Abneigung gegen den Mann. Nur, weil der Soldat schon länger an seiner Seite war, hatte er ihm mehr geglaubt als ihnen. Dabei hatte es keinen Grund gegeben, ihnen nicht zu trauen.
    "Ich schlage vor, wir lassen ihn erstmal in der Zelle. Vielleicht kann er uns noch etwas über den Fremden erzählen, der ihn angeheuert hat." San sah abwartend in die Runde, doch keiner schien etwas gegen diesen Plan einwenden zu wollen. Nicht einmal Keios.
    "Einer bleibt hier und bewacht ihn, wenn er erwacht will ich, dass man mir Bescheid gibt!", meinte er nur. Dann drehte er sich um und verließ den engen Raum mit der Zelle.
    "Ich übernehme die Wache, wenn keiner etwas dagegen hat." Gyahara blickte in die Runde.

  • "Nein", ging Neneve dazwischen, "ich übernehme die erste Wache, dann kannst du mich ablösen." Dabei warf sie dem Soldaten einen finsteren Blick zu und ballte die Hände zu Fäusten.Der Schwarzgekleidete - Neneve glaubte, er hieße Casper oder Jasper - sah sie stirnrunzelnd an und bemerkte: "Vielleicht brauchen wir ihn noch..."
    "Möglicherweise gibt es noch Verschwörer, von denen wir nichts wissen. Da könnte er uns bestimmt helfen, er wirkt nicht wie einer, der etwas für sich behalten wird, wenn es sein Leben retten wird", fügte der Sprössling hinzu.
    "Solange er noch sprechen kann". Gyahara zuckte mit den Schultern. Neneve konnte sich ein kleines, gemeines Lächeln nicht verkneifen.
    "Dann werde ich sein Gesicht außen vorlassen", erwiderte sie dann. Und als der Fürst zögerte, setzte sie hinzu: "Ihr solltet froh sein, dass ihr nicht an seiner Stelle in diesem Loch sitzt."
    Mehr oder weniger freiwillig verließen die anderen sie und Neneve atmete erleichtert ein. Dann wandt sie sich zu dem ehemaligen Soldaten und kickte gegen sein Bein.
    "Aufwachen!", brüllte sie dazu. Gleichzeitig packte sie ihn am Kragen und zerrte ihn auf die Knie.
    "Wach auf, du Barbar!", kreischte sie ihm nun direkt ins Ohr. Es dauerte eine Weile, bis sein Augenlid zuckte, dann öffnete es sich.
    "Was zum...", keuchte er, als ihre Nasenspitzen kaum einen Daumenbreit auseinander waren. Neneve blähte zornig die Wangen auf.

    Neneves Wacht dauerte einen halben Tag an. Erst dann klopfte es zaghaft an die Tür, ehe Gyahara eintrat. Mit einem Blick auf den Verräter stand sie einen Augenblick im Türrahmen. Neneve glaubte, ihr Blick gleite zwischen ihr und Pitar fragend hin und her.
    "Ehm...lebt der noch?", fragte sie dann doch. Dabei strich sie sich unbewusst über den Unterarm.
    "Ja." Neneve knirschte mit den Zähnen. "Auch wenn er es nicht verdient hat." Die andere bückte sich zu ihm hinunter und hob eines der blutigen Kleidungsstücke an.
    "Bist du dir sicher?", wollte sie erneut wissen.
    "Natürlich, ich weiß, wann jemand tot ist oder nur bewusstlos." Neneve verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
    "Was...was hast du mit dem gemacht?", fragte Gyahara ungläubig weiter. Die Elfe zog eine Augenbraue nach oben.
    "Willst du das wirklich so genau wissen?", entgegnete sie jedoch. Ihre Gesprächspartnerin schüttelte langsam den Kopf.
    "Vielleicht besser nicht. Aber ... du hast doch gar keine Waffen an dir, oder?" Die Öffnung der Kapuze starrte sie direkt an.
    "Na und? Glaubst du, das schaffe ich nicht mit den Händen?", keifte Neneve zurück. Doch dann besann sie sich und meinte beinahe verlegen: "Du brauchst doch die Kapuze nicht mehr, oder? Das muss doch furchtbar unangenehm sein."
    Gyahara zögerte einen langen Augenblick. "Ich ertrage diese Blicke nicht."
    Neneve machte ein zorniges Gesicht. "Ich werde dafür sorgen, dass diese...Matrosen" - diesen Begriff spuckte sie wie ein üblen Geschmack aus - "dich nicht belästigen. Genauso wenig wie der Fürst. Schließlich bin ich dir einiges schuldig". Mit diesen Worten ließ sie die andere mit dem Verräter alleine und trat an Deck.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

    Einmal editiert, zuletzt von Nyneve (24. Juni 2016 um 15:43)

  • Cifer hatte sich, bald nachdem der Fürst den restlichen Matrosen die Situation erklärt hatte und sie nun keine Angriffe der Mannschaft mehr fürchten mussten, hingelegt um sich von dem Rum zu erholen. Bereits einige Stunden war er schon wieder erwacht, aber er fühlte sich jetzt klarer, auch wenn ein paar Kopfschmerzen noch blieben. Auf der Steuerbordseite des Schiffes konnte man bereits die Küste erkennen und einer der Matrosen meinte, dass es wohl nur noch ein paar Stunden sein konnte, bis sie die Küste der Elfen erreichten. Cifer atmete auf. Von dort aus würden es über den Landweg nur noch wenige Tage sein, bis sie das Ziel des Fürsten erreichten. Und von Schiffen hatten sie wahrscheinlich alle erstmal genug. Vorne am Bug entdeckte der Mann die Elfe, welche bei ihrem Hirsch stand. Das Tier wirkte noch immer etwas schwach, aber irgendjemand hatte vorgeschlagen, es an die frische Luft zu bringen. Er begab sich zu den Beiden. "Und?... Wie geht's ihm so?" begann er ein Gespräch. Die Elfe blickte zu ihrem Tier, auch wenn sie nicht lächelte erkannte er eine Spur von Erleichterung in ihren Augen. "Es geht ihm schon besser. Und sobald wir alles von diesem Verräter haben, was wir brauchen, erledige ich ihn endgültig. Und diesen aufgeblasenen Fürst bin ich auch leid." Cifer zuckte bei ihrem Tonfall zusammen, aber er verstand, dass sie ein Recht auf ihre Wut hatte. "Ja, ja. Je eher wir den Mann abgeliefert haben desto besser, was? Wenn wir gerade davon reden, was tust du, wenn wir hier fertig sind?" Er erinnerte sich, dass sie ein paar mal eine Königin erwähnt hatte."Wirst du dich bei deiner Königin für diese Aufgabe beschweren?" Sie sah so aus, als ob ihr dieser Gedanke wirklich gefallen würde. "Mal sehen, ich gehe ohnehin wieder dorthin." "Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mitkomme?" hakte Cifer nach. Auf ihren überraschten Blick hin fügte er hinzu."Ich möchte das Land der Elfen kennen lernen und ich denke, es wäre nicht schlecht wenn ich mit jemandem reise, der sich dort auskennt. Ich meine, ich verstehe, wenn du erstmal lieber allein reisen würdest aber ich kann mich sicher auch irgendwie nützlich machen." Neneve überlegte, vielleicht erinnerte sie sich auch an den Seemann zurück, den er umgebracht hatte, um sie zu retten. "Ich denke darüber nach." meinte sie. Dann wandte sie sich wieder ihrem Hirsch zu und untersuchte die Stellen, an denen er wohl verletzt gewesen war und redete leise auf ihn ein, oder mit ihm. Von ihrer Art erinnerte sie Cifer ein wenig an den Energieelfen, den er einst gekannt hatte. Er versuchte den Gedanken an ihn beiseite zu schieben, was ihn allerdings nur noch deutlicher machte. Sein Gesicht kam ihm jetzt wieder in den Sinn, genauso wie die Gesichter, seiner restlichen Gefährten von damals. Mit etwas Mühe gelang es ihm doch, sie zu verbannen. Er würde sich Sorgen um sie machen, wenn er seine eigenen Probleme gelöst hatte. Und was wenn er das nicht konnte?

    Cifer entschloss sich zur Ablenkung, Pitars Wächter abzulösen, wer immer auch gerade dran war. Vor seiner Zelle hockte noch immer Gyahara. Sie hatte ihre Kapuze abgesetzt, aber der Gestaltwandler hatte sich diesmal besser unter Kontrolle, als bei ihrem ersten Treffen. Dafür zuckte er diesmal beim Anblick Pitars zusammen. Als die Frau seinen Blick bemerkte, wollte sie die Kapuze schon wieder hochziehen aber Cifer meinte nur hastig."Lass sie nur unten." dann deutete er auf den Mann in der Zelle."Neneve?" die Andere nickte nur. "Neneve. Dann mal viel Spaß mit ihm. Er ist.... pflegeleicht mit leichten Gebrauchsspuren." Sie wandte sich um. "Warte." meinte der Gestaltwandler, dem eben eine Frage eingefallen war, die er ihr schon eine Weile stellen wollte."Wie nennt man das eigentlich. Was du bist." Sie seufzte, als würde sie sich für eine lange Erklärung bereitmachen."Ich bin ein Dämon aber wir sind nicht bösartig oder so. Eigentlich sind wir Naturgeister. Willst du vielleicht die Langfassung auch noch hören oder mich gleich auf den Scheiterhaufen stellen." vermutlich hatte sie erwartet, dass ihn das Wort Dämon erschrecken würde aber er meinte nur. "Schön auch mal nette Dämonen kennenzulernen, die meisten die ich getroffen habe waren nicht so freundlich." Vermutlich dachte sie, dass er nur Witze, denn sie lächelte, auch wenn es bei ihr etwas bedrohliches hatte "Also, wie schon gesagt, viel Spaß mit ihm." meinte die Dämonin noch einmal und verließ den Raum. Möchtegern Naturgeist. Du glaubst ihr diesen Mist doch nicht etwa?! Cifer zuckte mit den Achseln, lehnte sich gegen die Wand und behielt die reglose Gestalt im Auge." Kommt vermutlich auf den Standpunkt an." Der Schatten fauchte nur. Jetzt wo er allein in der Stille saß, kamen auch die Gedanken an seine Gefährten wieder. Es war ihm klar, dass er Schulden bei ihnen hatte, aber was würde er tun, wenn er je einen von ihnen wiedertraf, falls sie überhaupt noch lebten. Oh hey Lynn, wie läuft's so. Na, diese Woche schon jemand umgebracht Neretvan. Serin, lang nicht gesehen. kann ich euch irgendwie behilflich sein. Diese Gespräche in seinen Gedanken, waren fast noch absurder als sein Glaube, dass auch nur einer von ihnen überlebt haben könnte, wie der Schatten ihm mitteilte. Aber quäl dich ruhig weiter. fügte er hinzu. Das ist wenigstens unterhaltsam. Pitar stöhnte leise, der Mann kam wohl wieder zu sich. Ob er es auch bereute, seinen Freund getötet zu haben?

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Casper gesellte sich an Gyaharas Seite, als sie endlich von ihrer Schicht abgelöst und an Deck gekommen war. Gemeinsam lehnten sie sich an die Reling und betrachteten das Land der Elfen, auf dem immer mehr Einzelheiten zu erkennen waren.
    "Wie geht es Pitar?", fragte Casper.
    "Was interessiert dich das?" Der Henker war sich sicher, dass sie eine Augenbraue hochgezogen hatte, auch wenn ihre Kapuze ihr Gesicht wieder völlig ins Dunkel tauchte.
    Casper wandte sich ab und starrte schweigend auf das Land. Ja, was interessierte es ihn? Der Soldat hatte sie verraten und hätte sie auch geopfert, aber er hatte trotzdem Mitleid mit ihm. Wahrscheinlich hatte Neneve ein Ersatzteillager aus ihm gemacht.
    "Du hast Mitleid!" Fassungslos richtete sich Gyahara auf und musterte ihn.
    "Ich habe nie gerne gefoltert", murmelte er. "Ich kann mit der Axt schnell und gnädig töten und ich habe es stets getan. Niemand verdient Folter."
    Die Dämonin stützte sich zurück und ließ ihren Blick wieder über die Küste schweifen.
    "Du bist ein seltsamer Henker. Sei froh, dass Neneve dich nicht so reden hört."
    Casper zuckte die Schultern. Er war mit der Elfe nie warm geworden. Er hatte ihr nie das Leben gerettet, so wie Cifer oder Gyahara und bei dem Piratenüberfall hatte er sie sogar herum kommandiert. Leider schien aber gerade die Elfe den Kern der Gruppe auszumachen. Er seufzte. Es schien als würde diese Truppe zusammen wachsen und das ohne ihn. Wütend fegte er den Gedanken beiseite. Was hatte er erwartet?
    Gyahara hatte sich inzwischen mit dem Rücken zur Küste gedreht und musterte ihn aufmerksam.
    "Was wirst du tun, wenn wir die Küste erreicht und den Fürsten abgeliefert haben?", fragte sie schließlich.
    Wieder zuckte der Henker mit den Schultern. "Ich werde Franz nehmen und sehen, wo es mich hinverschlägt."
    "Ohne uns?" Es klang beinahe traurig.
    Nun sah Casper sie doch an und lächelte. "Wer weiß."

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Sedar starrte reglos auf den Hafen, der sich vor ihnen auftat. Obwohl sie jetzt endlich ihrem Ziel greifbar nahe waren, nahm das klamme Gefühl, das seine Brust einschnürte, eher zu als ab. War von ihnen denn niemand auf die Idee gekommen, dass ihnen das schlimmste erst noch bevor stand. Irgendjemand musste Pitar schließlich angeworben haben. Wer sagte ihnen, dass dieser jemand keinen Alternativplan hatte? Keine Vorkehrungen getroffen hatte? Ohne dass seine Zweifel einen Dämpfer erlitten hätten, wandte er sich ab. Auf dem Schiff liefen bereits die ersten Vorbereitungen um an der näher kommenden Kaimauer anzulegen. Während laute gerufene Befehle über das Deck hallten und Taue fest gezurrt wurden, wuchsen die Gebäude vor ihnen an. Sie wirkten nicht wie die, die er bereits aus den anderen Städten der Menschenreiche kannte. Die Nähe zum Elfenterritorium hatte sie stark beeinflusst. Anstatt sich an den Boden zu drängen, als fürchteten sie den Halt zu verlieren, ragten sie mit spitz zulaufenden Dächern in den Himmel. Die Straßen waren breiter und die wenigen Schiffe, die bereits in dem kleinem Hafen lagen, wirkten filigraner, schlanker als die fassförmigen Koggen und Karavellen, die er bisher zu Gesicht bekommen hatte. Selbst die Luft schien sauberer und nicht von dem Gestank nach Abfall und Fisch dominiert, wie es anderswo der Fall gewesen wäre. Keios war wirklich zu beneiden, dass er über solch eine Gegend herrschen sollte. Das hieß, wenn Neneve ihre Königin nicht überzeugte, den Fürsten ihre Unterstützung zu entziehen. Der König oder wer auch immer über das Reich gebührte, zu dem dieser Landstrich gehörte, würde wohl kaum eine Lehen an jemanden vergeben, der es sich mit dem benachbarten Elfenreich verscherzt hätte. Mochte sein Vater noch so einflussreich sein.
    Sedar seufzte. Oder es würde alles ganz anders kommen. Er hatte nicht die geringste Ahnung was die Mächtigen und Reichen tun würden. Vielleicht war der Elfenkönigin die Beziehung zu den Menschen wichtiger als die zu einer ihrer Dienerinnen oder was Neneve auch war. Er würde es wohl nie erfahren. Sobald der Fürst sein Ziel sicher erreicht hatte, könnte er sich endlich aus dem Staub machen. Weg von dem schlechtem Gewissen, dem Gefühl nicht die ganze Wahrheit sagen zu können und der Gewissheit, dass er, wenn er so weiter machte, auf dem Henkersbock landen würde. Nur machte ihn die Aussicht, die Gruppe schlussendlich zu verlassen, nicht glücklich. Ganz im Gegenteil.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Mit großen Augen betrachtete Gyahara die fremdartigen Bauten, die man schon vom Schiff aus bewundern konnte. In dieser Stadt wäre es sicher nicht schlecht, auch mal längere Zeit zu bleiben. Vielleicht würde sie hierher zurückkommen, wenn sie den Fürsten abgeliefert hatten. Zumindest den Anblick konnte sie genießen. Ihr Äußeres würde wohl auch hier auf Ablehnung stoßen.
    Sie blickte über die Rehling und sah wie einige Matrosen ein Tau an der Hafenmauer befestigten. Das Schiff wurde festgezurrt und eine Planke ausgerichtet, damit man bequem den Hafen betreten konnte.
    Die Totengräberin drehte sich um und lief zur Mitte des Schiffes. Dort hatten sich schon die anderen versammelt.
    "So, wir werden uns in der Stadt Pferde kaufen und dann geht es weiter in Richtung Elfenreich", meinte der Fürst gerade. "Einer von euch bleibt erstmal hier und passt auf Pitar auf."
    Gyahara merkte wie sich alle unsichere Blicke zuwarfen. Es war klar, dass keiner gern hier bleiben wollte. Jeder wollte etwas Abstand zu dem Vorfall auf dem Schiff bekommen und endlich einmal wieder die Beine vertreten.
    "Wir könnten ihn umbringen, dann löst sich das Problem", meinte Neneve kühl. "Ich erkläre mich freiwillig dazu bereit."
    "Was ist, wenn er immer noch Informationen hat?"
    , warf San in die Runde.
    "Das ist mir doch egal!", fauchte die Elfe. "Egal, was er noch an Informationen hat. Wir finden das auch ohne ihn raus!"
    "Darum kümmern wir uns am Abend"
    , beendete der Fürst das Gespräch. Er lief die Planke hinab und wartete dann ungeduldig am Hafen.
    "Ich bleibe hier", meinte Gyahara. Zwar wäre auch sie sehr gern mit an Land gegangen und hätte sich die Stadt angesehen, aber ein wenig Ruhe tat ihr sicher auch gut. Es war sicher nicht der letzte Tag, den sie hier verbringen würden. Dann würde sie eben die Stadt erkunden, wenn die anderen zurückkamen.
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder im Schiff. Mit hängenden Schultern querte sie die Gänge und setzte sich dann neben die Zelle.

  • Neneve schien bei dem Anblick der elfischen Bauten zu leuchten und schwebte förmlich über den Boden. Es war, als würde sie mit der Umwelt verschmelzen. Immer wieder blieb sie verzückt stehen, um eine Blüte zu betrachten und einen zufriedenen Seufzer abzugeben. Wie sehr sie doch ihre Heimat vermisst hatte. Auch wenn sie diese Stadt nur ein oder zwei Mal durchquert hatte und nie länger geblieben war, fühlte sie sich heimelig und geborgen. Das strahlend weiße Haus, das sie gerade passierte, schien sie geradezu vor Glück zu erdrücken.
    Unbewusst bewegte sie ihre Flügel und flog zu einem der bunten Fenster. Die Elfen genossen nicht ohne Grund das Ansehen, die besten Hausbauer zu besitzen. Während sie ihr Spiegelbild in den reflektierenden Scheiben betrachtete, verlor sie jeglichen Argwohn. Doch als eine Hand sich auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen und tastete bereits mit der Hand nach einer Waffe.
    Der Gegenüber machte eine formvollendete Verbeugung und duckte sich so tief, dass seine Flügel ihre Füße berühten. Erst als Neneve eine Hand flüchtig auf seine Schultern legte, richtete er sich wieder auf.
    "Wir haben Euch bereits erwartet. Nur...", sein Blick schweifte zu ihren Begleitern zu ihren Füßen, "gingen wir davon aus, dass ihr alleine mit dem Fürsten anreisen würdet".
    Neneve musterte ihn kurz, ehe sie antwortete: "Es gab ... Probleme." Der andere runzelte die Stirn.
    "Probleme? Ihr? Aber wie ich sehe, habt ihr sie geklärt. Nun, dann werden wir auch Eure Begleitung herzlichst willkommen heißen."
    "Habt Ihr Anweisungen von unserer Königin erhalten?", hielt sie ihn auf dieser Weise davon ab, sich die Söldner genauer anzuschauen. Bestimmt würde ihm nicht gefallen, was er da sehen würde.
    Er schien einen Augenblick aus dem Konzept gerissen zu sein, doch dann fing er sich und gab zurück: "Natürlich. Ich wurde angewiesen, ebenfalls an diesen Ort zu reisen und Euch zur Seite zu stehen, bis Fürst Keios seinen neuen Regierungssitz erreicht hat." Neneve nickte zufrieden und wies ihn mit einem leichten Kopfnicken darauf hin, ihr die Unterkunft zu zeigen. Dann wandt sie sich zurück zu den anderen und wartete, bis er sich entfernt hatte, um den Wirt zu holen.
    "Diese Stadt ist ein wichtiger politischer Angelpunkt zwischen den Menschen und den Elfen. Hier wurde der erste Frieden zwischen den beiden Reichen verfasst, nachdem eure Rasse unsere in einer entscheidenden Schlacht geschlagen hat. In wie weit dieser Sieg jedoch gerechtfertigt ist, ist umstritten." Neneve räusperte sich kurz, um auf den eigentlichen Punkt zurückzukehren. "Ekanir, wie man diese Gegend in der elfischen Sprache nennt, war schon immer umstritten. Hier kann man Kräuter und Pflanzen finden, für die die meisten Elfen töten würden. Doch gleichzeitig sind die Menschen an den Goldvorkommen unter der Erde interessiert. Zudem liegt diese Stadt sehr günstig für den Handel. Kein Wunder also, dass die Wogen zwischen den Reichen noch immer nicht geglättet sind."
    Während sie so weitererzählte, liefen sie weiter, bis sie an einer Kreuzung ankamen. Die Männer gingen weiter, Neneve jedoch verlangsamte ihre Schritte und sah sich unsicher um. Irgendetwas schien nicht zu stimmen. War dort nicht gerade eine Gestalt zwischen den Häusern gehuscht? Und hörte sie nicht Schritte, die sich leise entfernten?
    Neneve schüttelte energisch den Kopf. Das half doch alles nichts. Wenn sie paranoid wurde, spielte sie den möglichen Verschwörern nur noch mehr in die Hände. Kurz dachte sie an Pitar zurück. Ihr war es nicht recht gewesen, dass Gyahara alleine mit ihm und den seltsamen Matrosen auf dem Schiff geblieben war.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Cifer lauschte Neneves Worten eher halbherzig. Viel mehr achtete er auf die umliegenden Häuser, die sich so sehr von denen gewöhnlicher Menschenstädte unterschieden, außerdem hoffte er, irgendwo einen Heilerstand finden zu können, wo er seine Flasche auffüllen lassen könnte. Zu seinem Glück passierten sie einen, nur wenige Straßen von ihrem Ziel entfernt. Er beeilte sich, aber ihr Führer, der Elf der sich ihnen angeschlossen hatte musterte ihn trotzdem misstrauisch. "Ich wollte mir nur ein Andenken besorgen." meinte Cifer achselzuckend. "Hast du gefunden wonach du gesucht hast?" fragte der Andere und fuhr fast im selben Atemzug, ohne auf die Antwort zu warten fort."Gut, dann können wir ja weiter, oder will hier noch jemand einen kleinen Ausflug durch die Stadt machen?" An seinem mürrischen Ton merkte man deutlich, dass ihm dieser Auftrag nicht gefiel. Wahrscheinlich hatte er sonst andere Aufgaben, als den Fremdenführer zu spielen,
    Ihre Unterkunft entpuppte sich als eine gewöhnliche, wenn auch etwas sauberer als üblich wirkende, Schenke. Betrieben wurde sie von Menschen und ihr Name war irgendetwas mit einem goldenen Blatt oder so. Cifer achtete nicht so genau darauf, aber Neneve beschwerte sich irgendwann, dass sie nach all der Zeit in menschlichen Tavernen keine Mahlzeit dieses Volkes mehr herunterbrächte. "Was soll aus Gyahara werden?" fragte Caspar den Fürsten unruhig nachdem sie ihre Zimmer zugeteilt bekommen hatten "Soll sie die Nacht auf dem Schiff verbringen? Sollten wir uns nicht beeilen, weiterzukommen?" Fürst Keios schien jedoch nicht auf Diskussionen aus zu sein."Es ist immerhin ihre Entscheidung, esst schnell und geht früh schlafen, wir brechen vor Sonnenaufgang auf." meinte er hastig. Obwohl es schon Abend war, herrschte in der Schenke nur wenig Betrieb. Eine nicht mehr junge, aber immer noch hübsche Kellnerin huschte immer wieder zwischen den wenigen Gästen hin und her. "Was habt ihr eigentlich vor, wenn wir hier fertig sind?" fragte Cifer in die Runde. Es war eine angenehme Gruppe und trotz der lebensbedrohlichen Situationen in die er geraten war, seit er mit ihnen reiste fühlte er, dass er gerne noch etwas mehr Zeit mit ihnen unterwegs wäre.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara schreckte aus dem Schlaf, als sie ein Geräusch hörte. Sie hob den Kopf und spürte augenblicklich den Schmerz in ihrem Nacken. Die ganze Zeit hatte sie an der Wand gelehnt und in einer äußert ungünstigen Position gedöst. Langsam und sich ja nicht zu ruckartig bewegend, richtete sie sich auf und streckte den Rücken durch.
    Pitar lag mit dem Rücken zu ihr und atmete flach. Er lebte noch und schien auch wach zu sein, denn seine Atmung ging schneller, als noch vor einigen Stunden.
    Gyahara blickte sich nachdenklich um, dann streckte sie den Kopf zur Tür hinaus und lugte auf den Gang. Alles lag ruhig. Ob die anderen schon zurück waren? Sie würde sich ebenfalls gern die Elfenstadt ansehen wollen. So oft würde sie sicher nicht mehr in eine Elfenstadt kommen. Dämonen waren sicher nicht die liebsten Gäste der Elfen.
    „Die anderen sind wohl noch immer nicht zurück, was?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Sie wusste, dass es Pitar war, der mit ihr sprach, weshalb sie gar nicht auf die Worte einging. Ein flüchtiger Blick über die Schultern, dann wagte sie sich aus dem Raum. Zuerst würde sie sich etwas zu Essen suchen und dann nachsehen, ob die anderen wieder auf dem Schiff waren. Soweit sie wusste, waren außer ihr nur drei Weitere Matrosen zurückgeblieben. Alle anderen waren nach und nach an Land gegangen. Wie gut diese es hatten, merkte die Totengräberin erst, als sie in der Speisekammer ankam und nichts fand, außer leere Behälter und Staub. Auch das Suchen in den Schränken und Kisten brachte nichts zu Tage.
    „Dreck, verdammter“, fluchte sie und nahm den Weg zurück. Wahrscheinlich schlugen sich die Matrosen jetzt irgendwo den Bauch voll und amüsierten sich in einer Taverne und sie hockte hier herum.
    Als sie an Pitars Zelle vorbeikam, warf sie noch einen prüfenden Blick hinein, dann folgte sie den Weg zum Deck.
    Dort angekommen, schlug ihr kühle Nachtluft entgegen und das Schwarz des Himmels wurde von unzähligen Sternen durchleuchtet. In der Stadt vor ihr brannten grüne und gelbe Lichter und ließen alles in einem mystischen Schein erstrahlen. Das Deck an sich war jedoch leer und von den anderen war weit und breit nichts zu sehen. Ob sie noch in der Stadt waren?
    Gyahara runzelte die Stirn. Nicht, dass ihnen etwas passiert war. Allerdings glaubte sie nicht wirklich daran. Sie waren stark und in der Stadt der Elfen würde ihnen sicher keiner den Kopf abreißen, schließlich war Neneve bei ihnen. Wahrscheinlicher war, dass sie sich in einer Taverne eingenistet hatten. Der Gedanke machte sie sauer. Sie hockte hier auf dem Schiff und bewachte Pitar und die anderen schlugen sich die Bäuche voll.
    Wütend trat sie mit dem Fuß gegen ein leeres Fass. Sie hätte sich nie dazu bereit erklären sollen, auf diesen Idioten aufzupassen. Er konnte aus seiner Zelle sowieso nicht ohne Hilfe flüchten, dafür war er nach der Behandlung Neneves viel zu schwach.
    „Und keiner verschwendet einen Gedanken an mich“, knurrte sie. „War ja klar.“
    Mit den Nerven am Ende, lief sie etwas durch die Nacht und erkundete das leere Schiff. Immer wieder fiel ihr Blick dabei auf die Stadt. Ob es überhaupt jemand merken würde, wenn sie ebenfalls an Land ging und Pitar allein ließ?
    Ungeschickt stolperte sie und konnte sich nur durch das Rudern ihrer Arme auf den Beinen halten. Erst wollte sie sich darüber beschweren, welcher Intelligenzakrobat mitten auf dem Schiff seine Sachen fallen ließ, bis ihr auffiel, über was sie gestolpert war.
    Ihren Augen nicht trauen wollend, bückte sie sich tiefer. Es war einer der Matrosen, der dort lag. Er atmete leicht und schien im Tiefschlaf zu sein. Nicht arg verwunderlich, immerhin hatten sie die letzten Tage geschwächt. Aber dass sie über ihn gestolpert war, hätte ihn wecken müssen, immerhin hatte sie ihm mit dem Fuß in die Seite getreten. Und das zweite, was sie störte: er lag mitten auf dem Deck.
    „Hey du“, begann sie und tippt ihn an, „wach auf!“ Er regte sich nicht.
    als sie sich umsah, erkannte sie auch noch die Silhouetten der beiden anderen Matrosen. Auch diese lagen waagerecht und atmeten schwach.
    Eilig trat sie einen Schritt zurück. Das konnte nicht gut sein. Sie beeilte sich, um zu Pitars Zelle zurückzukehren. Sie hatte ein schlechtes Gefühl.
    Sie schlitterte fast um die Ecke, als sie in den Raum trat. Der geschundene Soldat lag noch immer in der Zelle und hatte sich keinen Millimeter vom Fleck bewegt. Immer noch nicht zufrieden, sah sie sich im Raum um. Niemand außer ihr war anwesend. Sollte sie ihr Gefühl getäuscht haben und die Matrosen schliefen wirklich nur?
    Etwas riss sie von den Füßen und ließ sie zurücktaumeln. Ehe sie reagieren konnte, wurde ihr etwas auf Nase und Mund gedrückt. Es roch widerlich und sie merkte, wie ihr die Sinne entglitten. Verzweifelt versuchte sie sich gegen den festen Griff zu wehren und tatsächlich kam sie frei. Sie fuhr herum und starrte einer riesigen schwarzen Gestalt entgegen. Ebenso wie sie, trug der Fremde einen dunklen Mantel und eine Kapuze, weshalb sie das Gesicht nicht erkannte.
    „Was willst du?“, zischte sie, erhielt jedoch keine Antwort. Der Umstand überraschte sie jedoch nicht wirklich. Sie fuhr ihre Krallen aus und ging dann mit ihren auf den Kerl los. Er parierte ihre Tritte mit Leichtigkeit und blockte ihre Krallen mit einem Dolch ab. Dennoch gelang es ihr, den Fremden aus dem Raum und von der Zelle zurückzudrängen. Ihre Bewegungen waren schwerfällig und sie spürte die Folgen des seltsamen Mittels, dass er ihr verabreicht hatte.
    Schritte hallten hinter ihr im Gang nach und kamen genau in ihrem Rücken zum Stillstand. Ein kurzer Blick über die Schulter verriet ihr, dass noch vier weitere ähnlich gekleidete Männer, wie dieser Mann auf dem Schiff waren und sie mit erhobenen Waffen bedrohten.
    Es waren zu viele Männer, als das sie gegen sie etwas ausrichten konnte, und als hätten sie es gehört, spürte sie auch schon, wie etwas Kaltes ihre Kleidung durchdrang und sich dann zerreißender Schmerz in ihrem Bauch ausbreitete. Sie riss die Augen auf und sah zu dem Hünen vor sich. Sein Arm war nach vorn geschnellt und hatte ihr den Dolch in die Seite gestoßen. Er zerrte ihn gerade wieder heraus, als Gyahara einen Tritt in den Rück kassierte. Keuchend ging sie zu Boden und krümmte sich kurz unter den Schmerzen. Ihr Kopf dröhnte und plötzlich fühlte sie sich unglaublich müde, als wollte der Schlaf ihren ganzen Verstand lahmlegen. Immer wieder wurde auf sie eingetreten, bis eine drückende Schwärze alle Sorgen von ihr nahm.

    Als sie erwachte, war der Gang leer und lag in völliger Finsternis. Ihr Kopf schmerzte und ihr Bauch fühlte sich seltsam nass an. Sie musste einige Male tief durchatmen, bis sie in der Lage war, sich zu bewegen. Die Hand an ihre Seite gepresst, lehnte sie sich an die Wand und sog scharf die Luft ein, als sie den Mantel und ihre Bluse öffnete und ihr eine tiefe Schnittwunde entgegenlächelte. Das musste umgehend versorgt werden.
    Die Zähne zusammengepresst und mit hämmerndem Kopf, drückte sie sich an der Wand empor und humpelte zurück zu Pitar.
    An seiner Zelle angelangt, blickte sie auf die reglose Gestalt. Die fremden Typen schienen ihre Aufgabe erfüllt zu haben, wie sie an der großen Blutlache unter dem Soldaten feststellte. Offenbar wollte jemand nicht, dass der Mann ihnen etwas verriet. Dieser seltsame vermummte Typ, von dem Pitar gesprochen hatte, musste von jemandem erfahren haben, dass er gesungen hatte. Mehr oder weniger hilfreich. Nur, woher wusste man das? Sie musste noch einen Verräter an Deck gehabt haben, jemanden, der sich bis jetzt unsichtbar gemacht hatte.
    Erschöpft ließ sich Gyahara fallen. Nur, warum hatte man sie am Leben gelassen? Oder hatten die Typen wirklich geglaubt, sie wäre tot gewesen? Genug Blut hatte sie ja verloren.

  • Casper betrat das Deck des Schiffes. Gemeinsam mit San hatte er sich von Neneve und Cifer abgesetzt.
    Die beiden wollten beim Fürsten bleiben und auf ihn achtgeben, während er und San nach Gyahara sehen wollten.
    Als sie das Schiff betraten, war es verdächtig ruhig.
    Das silberne Mondlich enthüllte die Umrisse der Matrosen, die mit Gyahara an Bord geblieben waren. Tief schlafend lagen sie mitten auf den Planken. Casper wollte schon auf die Männer zu stampfen und ihnen tüchtig den Marsch blasen, dass sie einfach so ihre Wache verschliefen, da hielt San ihn zurück und legte einen Finger auf die Lippen.
    "Sie liegen da, als wären sie umgekippt", flüsterte der Junge.
    Casper musterte die Liegenden genauer. San hatte Recht. Misstrauisch blickten sich die beiden im Dunkel der Nacht um, konnten aber nichts Verdächtiges ausmachen.
    "Du siehst nach Gyahara und Pitar, ich durchsuche den Rest des Schiffes", wies San den Henker an.
    Erst wollte Casper etas einwenden, aber dann fiel im ein, wie der Junge gegen die Piraten gekämpft hatte.
    Ich bin Assasssine ...
    Casper nickte also und machte sich auf den Weg zur Zelle in der Pitar gefangen war und vor der Gyahara Wache halten sollte.
    Schon weitem nahm sein Nase den Geruch von Blut wahr. Man hätte meinen sollen Henker seien dagegen abgestumpft, aber bei Casper war das Gegenteil der Fall. Er roch Tod und Blut auf einige Meter Entfernung. Sofort beschleunigte er seine Schritte.
    "Gyahara!", rief er und bekam sogar eine schwache Antwort. Eben fiel ihm noch ein, dass sich vielleicht Eindringlinge an Bord befanden, denen er nun seine Stellung verraten hatte und riss die Axt vom Rücken. Doch als er um die Ecke preschte und sowohl Pitar also auch Gyahara in ihrem Blut liegen sah, wusste er, dass erstmal keine Gefahr mehr drohte. Die Männer hatte erreicht, was sie erreichen wollten.
    "Gyahara!", rief er nochmal und ließ sich neben der Dämonin auf die Knie fallen. Sofort sah er den riesigen Blutfleck auf ihrem neuen Mantel. Sie hatte die Hand darauf gepresst. Er schob sie sachte zur Seite, schlug mit zitternden Finger den Umhang zurück und sah eine tiefe Stichwunde.
    "Oh Kacke ...", murmelte er, als er den Stich sah. Er musterte die Freundin eingehender. Ihre Haut schien noch grauer als sonst, aber sie war wach und erkannte ihn auch. Das war gut.
    "Hier waren Männer. Vier Stück", versuchte Gyahara zu erklären, aber Casper unterbracht sie: "Sie sind weg."
    Sie musste Kräfte sparen.
    Mit einer fließenden Bewegung streifte er sein Hemd über den Kopf und riss es in Streifen. Den provisorischen Verband wickelte er um den Bauch seiner Begleiterin, um die Blutung zu stillen. Die Dämonin ließ es widerspruchslos über sich ergehen, auch wenn Casper spürte, dass ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut war. Dann hob er sie auf, um einen Arzt zu suchen.
    In dem Moment kam San um die Ecke. "Ach du Scheiße!"
    Der Blick, den San Pitar zuwarf schien ihm zu nur zu erzählen, was er Casper schon erzählt hatte. Der Soldat war tot.
    "Ich suche einen Arzt, du sagst Neneve Bescheid!" Mit diesen Worten hastete der Henker über das Deck und verschwand in den geisterhaft erleuchteten Gassen der Stadt.
    "Spinnst du?" Gyahara wehrte sich gegen seinen Griff, konnte in ihrem Zustand aber nicht viel ausrichten, auch wenn ihre Krallen immer noch Kratzer auf seinen Armen hinterließen. "Ich gehe nicht zu einem Arzt."
    "Stimmt. Ich gehe, du wirst getragen", antwortete Casper trocken, erriet aber ihre Gedanken. "Ist mir egal, was der Arzt sagt. Wenn er sich weigert, köpfe ich ihn und nehme seinen Kopf als Exempel mit. Der Nächste wird sich überlegen, ob er Vorurteile hat."

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Sedar hastete aus dem Inneren des Schiffes auf das Deck. Als ihn die kühle Luft empfing, blieb er einen Augenblick stehen. Alles lag im Dunklen, die Matrosen waren nur als Silhouetten erkennbar. Und doch war da etwas. Eine Unbehaglichkeit. Das Gefühl beobachtet zu werden. In der Bemühung alle Richtungen im Auge zu behalten schritt er langsam über das Deck. Ein Knarzen eines Balken ließ ihn herumfahren, ein Luftzug erschaudern.
    "Hallo Bruder", sagte plötzlich eine Stimme in seinem Rücken. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich hier wiedersehe. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je wiedersehe." Augenblicklich drehte sich Sedar um die eigene Achse und zog dabei sein Schwert. Es prallte auf ein anderes. Metallisches Klirren hallte nach. Vor ihm stand eine Person. Nicht viel größer als er. Schwarze Kleidung mit Kapuze. Es war unmöglich der Gestalt ins Gesicht zu blicken, doch die kalte Stimme ließ ihn erschaudern. Er kannte sie.
    "Na Sedar", fuhr sie vor Häme triefend fort. "Was machst du hier bei solchen Versagern? Hast du Menschen gefunden, die dich akzeptieren? Freunde?"
    "Halt sie da raus", wies Sedar den Fremden an. "Du bist wegen mir hier. Sie haben nichts damit zu tun." Die Gestalt trat näher an ihn heran.
    "Du wirst enttäuscht sein, aber DU hast keinen Anteil an meiner Anwesenheit. DU bist nur eine Zugabe." Sedar löste sein Schwert von dem anderem und schlug wieder zu. Schlug zu, parierte, sprang zurück und stach. Sein Gegenüber wich leicht zurück, verlor an Boden, bot ihm jedoch keine Gelegenheit zum finalen Stoß anzusetzen. Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Er hoffte, dass er da nicht der einzige war.
    "Das kann nicht ewig so weitergehen", entschied Sedar. "Du allein kannst mich nicht schnell besiegen. Genauso wenig wie ich dich. Wie lange wird es dauern bis einer triumphiert. Bevor meine Freunde zurück sind, oder danach?" Er bückte sich unter einem Schlag hindurch, wich nach rechts und links aus und stach zu. Der andere schlug seine Klinge von unten weg und setzte zum Stoß mit dem Knauf seines Schwertes an, als Sedar ihn mit einem schnellen Tritt in einer fließenden Bewegung die Beine wegschlug. Sein Gegenüber kam auf Händen und Füßen auf, rollte sich weg, bevor Sedars Hieb ihn anstelle des Holzes traf, sprang auf, und schlug seinerseits zu. Sedar parierte.
    "Du hast recht", antwortete der zweite Assassine. "Ich allein kann dich nicht umbringen." Er versuchte Sedars zuschlagendes Schwert weg zuschlagen, doch dieser machte eine Finte und hätte seinen Gegner durchbohrt, hätte jener sich nicht blitzschnell zur Seite gedreht, so dass sein Schwert nur die Luft durchstieß. In diesem Moment vernahm Sedar das Geräusch von vier paar Stiefeln, die hinter ihm auf dem Boden Aufkamen. Er atmete aus und während die Luft seine Lungen verließ, schien die Zeit langsamer zu vergehen. Für einen Moment war alles ruhig. Dann drehte sich um, schaffte es den ersten Hieb zu parieren. Drehte sich erneut, fing die nächste heranschnellende Klinge ab, warf sich zur Boden und rollte sich zur Seite. Nichts was er tat ließ ihn den Kreis, den die anderen um ihn gebildet hatten, durchbrechen. Selbst gegen normale Gegner wäre dies wohl der Moment die Waffen niederzulegen. Doch dies waren keine richtigen Gegner. Und Gnade war für sie keine Option. Einer rammte Sedar seinen Schwertknauf gegen den Hinterkopf, ein anderer trat ihm in die Kniekehle. Noch während Sedar zu Boden sackte, wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte, erwischte ihn ein Fuß auf der Brust. Der Tritt ließ ihn nach hinten fallen. Er prallte mit den Schultern auf die rauen Holzplanken und Schmerz breitete sich sofort in ihnen aus. Splitter bohrten sich in seine Hände, mit denen er wenig erfolgreich versucht hatte den Fall abzubremsen.
    "Sie werden mich töten", erkannte er. Entsetzen überfluteten seine stockenden Gedanken und bohrte sich in sein Herz wie die Klinge, die ihm folgen sollte.
    "Zu früh. Noch so viel zu..." Dann traf ihn eine Faust im Gesicht und er spürte warmes Blut in seinem Mund, das von seinen aufgeplatzten Lippen stammte. Schwärze...

    "Alles Okay", fragte eine Stimme über ihm. Sedar blinzelte verwirrt. Unzählige winzige weiße Lichter bohrten sich in seine Netzhäute wie kleine leuchtende Diamantklingen. Dann klärte sich das Mosaik und die Lichter wurden vor seinen Augen zu Sternen, die sich am Himmel tummelten.
    "Ich lebe noch", sagte er, was sowohl als Antwort, Feststellung und Frage gedacht war. Mühsam hob er den Kopf an. Neben ihm sah er Cifer, der sich zu ihm heruntergebeugt hatte, und hinter diesem Neneve, die ausnahmsweise nicht missbilligend auf ihn herab blickte, sondern sogar eine Spur von Besorgnis andeutete. Er musste wirklich katastrophal schlecht aussehen.
    "Wer war das?", fragte sie gerade heraus.
    "Ich... ich weiß es nicht", antwortete Sedar, der entschieden hatte, seine Verbindung zu diesen Personen für das erste für sich zu behalten. "Sie waren vermummt und haben mir wenig Zeit gelassen sie mir genauer anzusehen." Dann klärten sich seine Gedanken, trotz der hämmernden Kopfschmerzen, und Entsetzen bemächtigte sich seiner Miene.
    "Gyahara... Sie... Sie wurde verletzt. Casper bringt sie zu einem Arzt. Die Männer haben auch Pitar erledigt." Er richtete sich auf und ignorierte die Schmerzen, die überall in seinem Körper energisch protestierten.
    "Wie schwer verletzt", fragte Cifer nicht weniger entsetzt.
    "Sehr schwer. Wir sollten hinterher und ihnen helfen", antwortete Sedar.
    "Du solltest dich besser erstmal hinlegen", schlug Cifer vor.
    "Und dich ausruhen", pflichtete Neneve ihm bei.
    "Mir geht es gut", beteuerte Sedar. "Nun ja. Bis auf meinen Stolz." Er ging, etwas wacklig, an Cifer und Neneve vorbei auf die Planke, die an Land führte, zu. Die kühle Nachtluft linderte das Pochen in seinem Kopf ein wenig. Als seine Füße den Steinboden der Kaimauer berührten, schlich sich ein Gedanke zwischen die anderen.
    "Wieso haben sie mich am Leben gelassen?"

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Neneve schwankte einen Moment. Sollte sie Cifer folgen und Casper und Gyahara nachlaufen? Aber aus irgendeinem Grund behagte ihr der Gedanke nicht sonderlich. Mit dem Heiler noch dazu, fühlte sie sich wie das fünfte Rad am Wagen. Daher warf sie dem weghumpelnden San einen scharfen Blick zu. Wäre es ratsamer, bei ihm zu bleiben?"He! Warte mal!", rief sie ihm dann aus einer Eingebung heraus zu. Irgendetwas stimmte hier nicht. Und da Gyahara wohl zurzeit nicht ansprechbar war, blieb ihr eben nur noch der Jüngling übrig.
    Aber dieser schien sie nicht zu hören, denn er lief ungerührt weiter, ohne auch nur nach hinten zu sehen.
    "San!" Ihre Stimme war deutlich lauter geworden und sie eilte ihm hinterher. Erst an der Tür zum unteren Deck hatte sie ihn eingeholt. Unselig langsam und quälend drehte sich der andere zu ihr um.
    "Ja? Ist noch etwas?" Dabei rieb er sich schmerzlich den Hinterkopf.
    "Ich muss mit dir reden. Und zwar dringend und jetzt!", bestimmte Neneve sogleich. Dann zögerte sie einen Augenblick, ehe sie freundlicher fortfuhr: "Außerdem sind wir Elfen gute Heiler". Dabei verschwieg sie, dass dies im Grunde nur für Tiere und Pflanzen galt. Aber San sah nicht so aus, als würde er etwas von Elfen verstehen.
    Er schwieg einen Augenblick, drehte sich dann vollends zu ihr um und wollte offensichtlich etwas erwidern. Doch als er in Neneves Gesicht blickte, beließ er es bei einem Nicken und ging vor ihr unter Deck.
    "Also?", wollte er erneut wissen, nachdem sie in die Kantine gegangen waren. Aber Neneve antwortete ihm nicht gleich, sondern suchte stattdessen nach einem Lappen und kaltem Wasser. Denn Sans Hinterkopf war blutverschmiert und seine Haare aneinander geklebt. So konnte er schließlich unter keinen Umständen erneut in die Stadt und den anderen Elfen. Ansonsten musste sie sich ja in Grund und Boden schämen.
    Nachdem sie endlich beides gefunden hatte, antwortete sie ihm schließlich: "Hast du die Angreifer gesehen? Wie viele waren es? Und haben sie mit dir gesprochen?" Sie versuchte, den scharfen Unterton zu überdecken, aber sie war sich beinahe sicher, dass er es bemerkte.
    "Nein, ich habe sie nicht gesehen. Dafür war es auch viel zu dunkel. Aber es waren mehr als zwei, das weiß ich", erwiderte er nur. Neneve runzelte missmutig die Stirn, während sie ihm den nassen Lumpen auf den Kopf fallen ließ. Dies kommentierte der Mensch mit einem empörten Aufschrei.
    "Und haben sie mit dir geredet?", fragte sie regungslos weiter. Der sollte sich schließlich nicht so anstellen. Ein bisschen Wasser hatte noch niemandem geschadet.
    "Jetzt ist mein ganzes Hemd nass!" Neneve verdrehte die Augen. Doch ihr war durchaus bewusst, dass er nur ihrer Frage auswich. Also hatten sie etwas zu ihm gesagt.
    "Also was haben sie gesagt? Haben sie Namen genannt? Oder irgendwelche Orte, Treffpunkte? Kanntest du sie vielleicht sogar?", bombadierte sie ihn weiter.
    "Nein. Sie haben gar nichts gesagt. Dann wären sie ja auch schön dumm gewesen. Warum glaubt Ihr denn, DASS sie etwas gesagt haben?!" Täuschte sich Neneve oder klang dies genervt? Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihm direkt in die Augen.
    "Hör mal. So UNauffällig, wie du dich verhälst, käme ja sogar Fürst Keios drauf, dass etwas nicht stimmt. Also, was ist es?" Dann betrachtete sie ihre Fingernägel, während sie fortfuhr: "Du weißt doch, dass in einer Gruppe Vertrauen und Offenheit sehr wichtig ist? Wichtiger als alles andere?"
    San seufzte, zögerte einen Augenblick. "Ich weiß es nicht mehr. Schon vergessen?! Die haben mir einen Schwertknauf gegen die Rübe gehauen. Da wüsstet selbst Ihr nichts mehr." Trotzig verschränkte er die Arme. Auch Neneve stöhnte auf.
    "Was?!", grummelte San.
    "Dein Hemd ist nur noch ein einziger Lumpen. Und deine Schulter sehr hübsch mit Holzspänen gespränkelt. Wenn du keine Entzündung riskieren willst, solltest du mich vielleicht mal lieb fragen, ob ich sie dir entfernen soll". Dabei konnte sich Neneve ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
    "Na toll", brummte San, "würdet Ihr Euch dann dazu hinablassen, mir zu helfen?"
    Neneve begann leise zu lachen, nickte dann aber.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Caspar und Gyahara zu finden war bei weitem nicht so leicht, wie er es sich vorgestellt hatte. Wie viele Ärzte konnte es in dieser kleinen Stadt schon geben, hatte Cifer sich gefragt nur um dann herauszufinden, dass es mehr als genug waren, allein in der näheren Umgebung des Hafens. Und von den Leuten die er nach einem großen Kerl mit einer verwundeten, vermummten Gestalt fragte, wollte auch niemand etwas gesehen haben. Der Schatten war ihm auch keine besondere Hilfe aber dass hatte er auch nicht erwartet. Der Gestaltwandler überlegte schon, zur Taverne zurück zu gehen, oder zu fliegen, immerhin war sie irgendwo am anderen Ende der Stadt und erstmal dem Fürsten zu erzählen, was passiert war. Sie hatten den Mann zwar mit dem Elfen zurückgelassen, der sie hingeführt hatte, aber vielleicht würde er sich bessere Leibwächter besorgen, wenn er erfuhr, was passiert war. "Du suchst jemanden." riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken und vor ihm stand plötzlich eine alte Frau, die mit seltsamen Amuletten behangen und mit noch seltsameren Tatoowierungen übersäht war. In ihre Haare hatte sie Federn geflochten und sie stützte sich auf einen langen Stab. Auf Cifer wirkte sie wie eine der vielen Wahrsager die er schon in verschiedenen Städten gesehen hatte. Menschen, die den Leuten je nach der Summe die sie zahlten eine besonders sonnige Zukunft versprachen, oder sich einfach einen Spaß daraus machten in ihnen allerlei Todesomen zu lesen, nur um ihnen dann die rettenden Schutzamulette anzudrehen. Er selbst hatte so etwas auch eine Weile gemacht. Wenn er so zurückdachte, war es fast schon ironisch, dass er damals Todkranken sogenanntes Koboldwasser angedreht hatte, dass eigentlich nur aus Regenwasser und rotem Moos bestand, absolut wirkungslos. Mann brauchte für so eine Arbeit eigentlich nur ein besonders schräges Kostüm und eine halbwegs gute Beobachtungsgabe, aber man konnte eine Menge Gold damit machen. Cifer seufzte und kramte seinen Geldbeutel hervor, welcher sich erschreckend leicht anfühlte. Aber immerhin sahen diese Leute viel und vielleicht konnte sie ja bei der Suche helfen. "Wie viel wollt ihr für die Information?" fragte er, doch die Alte starrte ihn nur überrascht an und sprach dann einfach weiter. "Ein Mann kam vorbei und eine Frau. An ihnen haftet der Tod aber nicht so wie an dir." Cifer nickte nur."Reizend, und wo finde ich die Beiden." Er bereite sich mental schon darauf vor, dass sie versuchen würde ihm irgendein Heilmittel zu verkaufen immerhin war er sich durchaus bewusst, wie er auf andere wirkte und die Frau dachte wahrscheinlich, dass sie irgendeinen armen Idioten vor sich hatte. Aber zu seiner Überraschung deutete sie nur auf eine Straße hinter ihm. "Folgt dem Pfad. Verlasst ihn nicht noch einmal." Mit einem schaudern dachte er daran, dass sie wohl mehr als nur die Straße meinte."Ähm.. Danke." meinte er etwas kleinmütig aber die alte war schon in eine andere Richtung weitermarschiert. Entweder sie war wirklich nur eine alte hilfsbereite Frau die sich gerne vaage ausdrückte und seltsam kleidete, oder sie verstand nichts davon, wie man eine Geschäft machte. Der Mann versuchte trotzdem erstmal, die Begegnung zu verdrängen.

    Am Ende der Straße fand er sich wirklich vor einer kleinen Praxis wieder. Drinnen war es enger als Gedacht, an den Wänden stapelten sich in Regalen Bücher, Schriftrollen und Heilmittel, außerdem gab es eine steile Treppe in den ersten Stock. In der Mitte stand ein junger Elf an einem Schreibtisch über ein paar Schriftrollen gebeugt, obwohl das Wort jung mehr eine Vermutung darstellte. Immerhin konnten Elfen Jahrhunderte alt werden, bevor sich bei ihnen auch nur ein graues Haar zeigte, wenn überhaupt. Cifer beneidete sie fast ein wenig, aber nur fast." Henophilas Praxis, was kann ich für euch tu-... Ach du meine Güte, ist euch schwindelig? Habt ihr Fieber? Keine Sorge, ich mische euch gleich etwas zusammen" Der Elf musterte ihn mit einer Mischung aus Interesse und ehrlicher Besorgnis. Er eilte zu einem der Regale an der Seite des kleinen Raumes und begann eifrig, sich Tränke und Zutaten von dort herauszusammeln. "Was hat der Doktor dazu gesagt? Kuhwurz? Mohnstaub?..." murmelte er dabei vor sich hin, bis Cifers räuspern ihn aufsehen lies."Eigentlich suche ich nur nach ein paar Freunden. Ein Kerl etwa doppelt so groß wie ich und.." "Und die seltsame Frau, ja?" unterbrach ihn der Lehrling eifrig."Ja, die sind noch oben, der Doktor kümmert sich um die Arme. Geht einfach hoch." Cifer beeilte sich, die Treppe hoch, aus Angst, dass der übereifrige Elf doch noch versuchen würde ihm irgendein Gebräu zu mischen. Das nächste Stockwerk bestand aus einem Gang mit drei Türen zur rechten Seite, in der hintersten konnte er die Gestalt des Henkers erkennen, der im Türrahmen lehnte. "Ihr habt euch ja gut versteckt. Ich habe eine Ewigkeit gebraucht um euch beide zu finden." er wollte noch etwas sagen, als er Caspars besorgten Blick bemerkte, der weiterhin den Raum hinter der Tür fixierte. Beim näherkommen erkannte Cifer, dass Gyahara dort in einem Bett lag, ein älterer Mann hockte neben ihr, verband sie und schmierte immer wieder irgendeine Salbe unter den Verband. Cifer schluckte. "Wie geht es ihr? "

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Casper freute sich Cifer zu sehen. Schön, dass sich noch jemand um Gyahara sorgte.
    "So weit, so gut", beruhigte er den unerwarteten Besuch.
    Nun ergriff der Arzt das Wort: "Sie wird schon wieder. Hat viel Blut verloren und ist deswegen ein bisschen schwach. Ich habe die Wunde genäht. Achtet darauf, dass sie sich schont. Keine Anstrengungen! Wenn die Nähte reißen, ist es schlimmer als zuvor." Mahnend hob er einen Finger und betrachtete die beiden Männer eindringlich.
    "Ich kann gut auf mich selbst aufpassen!", erklang da Gyaharas erboste Stimme vom Bett. Ihre Stimme klang ein wenig dünner als sonst, doch der Nachdruck mit dem sie sprach ging dadurch nicht verloren. Casper wandte sich ihr zu. "Das sehe ich!" Er grinste die beleidigt guckende Gyahara an.
    "Übrigens: Habt ihr auf dem Schiff noch etwas Interessantes gefunden? Spuren der Männer oder so?"
    "Nur einen ziemlich vermöbelten San. Er sagt aber, er habe nichts gesehen. Dunkel und Kapuzen."
    Casper zog eine Augenbraue nach oben. "Wieso waren sie noch da?"
    "Sie?", fragte Cifer.
    "Gyahara sagte es seien vier Männer gewesen, die sie gesehen hat."
    "Das müssen wir den anderen erzählen."
    "Erstmal solltet ihr eure Freundin in ein warmes Bett bringen. In welcher Taverne seid ihr untergekommen? Dann komme ich morgenfrüh nochmal vorbei, um nach ihr zu sehen."
    Casper nannte den Namen der Taverne, dann klaubte er die fertig behandelte Gyahara wieder auf und trug sie zur angegebenen Adresse. Cifer begleitete sie ein Stück des Weges, dann verließ er sie irgendwann. Vermutlich um Neneve und San zu berichten.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara verdrehte die Augen, als sie wieder über Caspers Schultern hing. Sie kam sich so nutzlos und schwach vor. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn keiner sie so gesehen hätte. Aber natürlich musste auch noch Cifer bei diesem Arzt in der Tür stehen. Es hatte offensichtlich nich gereicht, dass Casper und San sie in diesem Zustand gesehen hatten. Es war zwar schön, dass sich offenbar alle Sorgen machten, aber das waren Sachen mit denen sie nicht umgehen konnte oder auch nur wollte. Bisher hatte sich nie jemand um sie gesorgt. Davon einmal angesehen, ging es ihr gar nicht so schlecht, wie alle glaubten. Es wäre gelogen gewesen, wenn sie gesagt hätte, dass sie sich in einer spitzen Verfassung befand, aber es gab deutlich schlimmeres. Zum Beispiel die abwertenden Blicke der drei Ärzte, bei denen Casper und sie zuvor rausgeworfen wurden. Sie war eine Dämonin und alle hatten sie deshalb als ihre Patientin abgelehnt. Diese Tatsache schmerzte deutlich mehr, ihre Wunde.
    "Kannst du mich nicht runterlassen?", fragte sie Casper. "Mir geht es schon viel besser. Den restlichen Weg kann ich auch selbst laufen."
    Der Arzt hatte ihr so viel von dieser übelriechenden Salbe aufgeschmiert, dass sie glaubte, sie betäube schon ihre Sinne. Und wenn sie noch länger keinen anderen Gedanken hatte, als diesen Geruch, würde sie noch durchdrehen.
    "Kommt nicht infrage", schimpfte Casper. "Der Arzt meinte, du sollst dich nicht anstrengen."
    "Was soll an laufen anstrengend sein? Ich hab nichts mit den Füßen, verdammt", knurrte sie. "Aber wenn es dir lieber ist, dann wüte ich wieder auf deiner Schulter, so wie vorhin. Bis die Nähte platzen."
    "Jetzt sei vernünftig", wehrte sich Casper. Dennoch setzte er sie auf der Straße ab. Dass ihre Idee doch nicht so gut war, merkte sie, als sie eine unangenehme Übelkeit überkam. Casper blieb an ihrer Seite und stützte sie.
    "Bitte, du kannst ja nicht mal richtig stehen", flehte der ehemalige Henker. Sauer sah sie ihm in die Augen. Schlimm genug, dass er sie durch die halbe Stadt geschleppt und sie vor den ganze Elfen blamiert hatte, jetzt auch noch das. Ihren Ausflug durch die Stadt hatte sie sich anders vorgestellt.
    Sie löste sich aus dem Griff und drehte sich von ihm weg. Sie wusste ja, dass er Recht hatte, aber man konnte es auch übertreiben. Dieser vermummte Mann vom Schiff hatte mit seinem Angriff nicht einmal etwas Wichtiges erwischt. Sie hatte also nur etwas Blut verloren und das wars.
    Entschlossen versuchte sie so sicher wie möglich einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Prozess forderte ihre gesamte Konzentration, aber es funktionierte. Langsam wankte sie die Straße weiter. Dabei ignorierte sie so gut es ging, dass ihr schwarze Punkte vor den Augen tanzten. Sie war nur müde und brauchte Schlaf. Mehr nicht.
    Casper lief neben ihr her und stützte sie weiterhin, während sein mitleidiger Blick jede Bewertung begleitete.
    "Ihr ward also die ganze Zeit in dieser Taverne?", lenkte sich Gyahara von den wiederkehrenden Schmerzen ab. Casper wandte den Blick nun doch etwas ab. "Ich hoffe, ihr habt euch schön den Bauch vollgeschlagen", setzte die Dämonin noch sauer nach.
    Als sie das sagte, stolperte sie etwas über ihre Füße und nur dank Caspers schnellem Eingreifen, küsste sie nicht die dreckigen Pflastersteine.
    "Jetzt sei nicht so dickköpfig und lass dich tragen." Sie wusste, dass er die Situation nutzen und von ihrem begonnen Gespräch ablenken wollte.
    Deshalb drehte sie sich aus dem Griff. Sie standen direkt vor einer Wirtsstub, scheinbar ihr Ziel. Die paar Schritte würde sie auch allein schaffen. Davon abgesehen, vielleicht saß der Fürst noch im Schankraum, wenn sie das Lokal betraten. Er sollte sie nicht so schwach und verletzt sehen. Es war gut möglich, dass er dann beschloss sie hier zu lassen und ohne sie weiter zu ziehen. Tatsächlich wollte sie das nicht. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich daran gewöhnt, mit den anderen zu reisen.
    "Ich bin nicht dickköpfig", zischte die den Henker deshalb etwas zu aggressiv an. "Ich will nur nicht, als schwach gelten und hier zurückgelassen werden!"
    Casper sah sie überrumpelt an und erst da merkte sie, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte.
    Fast hätten ihr die Tränen in den Augen gestanden. Etwas, das sie glücklicherweise noch verhindern konnte. Sie brauchte eindeutig Schlaf. Sie war ja schon völlig am Ende. Aus diesem Grund drehte sie sich der Taverne zu und humpelte durch die Tür. Eine Menge Menschen saßen und tanzten umher und in einer Ecke konnte sie auch Keios erkennen.
    "Die Zimmer?", fragte sie an Casper. Dieser schwieg und brachte sie bereitwillig die Treppen hinauf in eines der Zimmer.
    Gyahara ließ sich erschöpft in das zweite Bett fallen. Im Nachhinein wusste sie nicht mehr, ob sie noch bemerkte, wie sie das Kissen berührte, oder ob sie schon vorher eingeschlafen war.

  • Sedar verzog das Gesicht, als die Elfe begann ihm die Holzsplitter aus der Haut zu ziehen und mit einem feuchtem Tuch die Wunden reinigte. Er war sich sicher, dass sie dabei etwas rabiater vorging, als es nötig gewesen wäre - vermutlich hatte sie ihm noch nicht verziehen, dass er ihr ihre Fragen nicht beantwortet hatte - doch immerhin half sie ihm.
    "Danke", brachte er schließlich hervor. "Ich weiß das zu schätzen."
    "Mir blieb nichts anderes übrig", antwortete Neneve schlicht, klang dabei jedoch versöhnlicher. Offenbar hatte sie beschlossen ihn fürs erste mit ihren Fragen in Ruhe zu lassen, was nicht hieß, dass sie ihm traute. Gut, dass sie, Cifer und Casper nicht bei dem Angriff dabei gewesen waren, sonst wären ihnen sicherlich die Ähnlichkeiten mit seiner Klinge zu denen von den Attentätern aufgefallen. Nur Gyahara könnte etwas bemerkt haben. Gyahara. Seine Brust verkrampfte sich, was sich nach längerem Überlegen als Sorge herausstellte. Die Frau hatte wirklich viel Blut verloren. Würde sie es überstehen? Er würde es sich nie verzeihen, wenn sie daran starb. Immerhin hatte er zugestimmt, dass sie allein auf dem Schiff blieb. Er hätte wissen müssen, dass die Enklave beteiligt war und wenn sie beteiligt war, dann floss immer Blut.
    "Fertig", verkündete Neneve schließlich triumphierend und trat vor ihn. "Zumindest soweit ich etwas tun kann. Ich würde dir trotzdem empfehlen dich etwas hinzulegen." Sedar nickte. Das war tatsächlich keine schlechte Idee. Nur wollte er zuerst wissen, was aus Gyahara geworden war. Sicherlich würde Casper sie zurück in die Taverne bringen, nachdem er bei einem Doktor gewesen wäre. Er stand behäbig auf. Die Knochen in seine Brust, seine Schultern und sein Kopf begehrten zwar immer noch auf, aber tatsächlich hatte die Elfe den Schmerz um einiges verringern können.
    "Kommt ihr mit?", fragte er an Neneve gerichtet. "Ich will zurück zur Taverne." Halb erwartete er, dass ihm die Elfe widersprechen und ins Bett schicken würde.
    "Da ich bezweifle, dass du ohne mich bis dahin kommen würdest, ja", erwiderte sie jedoch mit einem Seitenhieb.
    "Ihr sähet genauso aus, wenn ihr an meiner statt auf dem Schiff gewesen wärt", antwortete er gekränkt, bevor ihm aufging, dass die Elfe sich nur über ihn lustig machte. Neneve lachte kurz auf.
    Minuten später befanden beide sich auf dem Weg zur Taverne. Sedar hatte sich noch ein frisches Hemd geholt, damit er nicht in völligen Lumpen durch die Straßen laufen musste. Es war kein weiter Weg, doch mit jedem Schritt wuchs seine Unruhe. Wenn die Attentäter das Schiff aufgespürt hatten, dann war es auch gut möglich, dass sie sie jetzt beobachteten. Überhaupt war das Vorgehen der Angreifer ein Rätsel für Sedar. Die Kämpfer der Enklave arbeitete normalerweise schnell und effizient, ohne dass unnötig Aufmerksamkeit auf sie gezogen wurde oder sie gar einen zweiten Versuch wagen mussten. Doch dieses Mal waren sie schlampig vorgegangen. Zwei von drei Opfern lebten noch und ihr eigentliches Ziel, Fürst Keios, war noch immer unberührt. Sedar glaubte nicht an Versagen ihrer Feinde und auch nicht an Zufall. Irgendetwas plante die Enklave und das machte ihn nervös.
    Als sie tatsächlich die Taverne hinter einer Abbiegungen vor sich fanden, atmete er erleichtert aus.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Neneve betrat hinter San die Taverne und atmete erleichtert auf. Fast hatte sie befürchtet, dass diese von einem der schlampigen, schmuddeligen Menschen geführt wurde und sie ein ungepflegtes, übelriechendes Kabuff erwartete. Doch das Gegenteil traf zu: Schmale, elegante Tische mit dazu passenden Stühlen, die alle ein Format hatten. An einer Säule im Eingang rankte sich eine Pflanze mit rosafarbenen Blüten empor. Neneve war beeindruckt. Der Besitzer musste guten Geschmack haben.
    Da trat der Elf und Führer zu ihnen und nickte Neneve kurz zu.
    "Ich hoffe, Ihr seid mit der Unterkunft zufrieden. Euer Zimmer ist im oberen Stock." Dann wandte er sich stirnrunzelnd an San. "Dein's auch", grummelte er dann unfreundlich. Neneve biss sich auf die Lippen um nicht etwas Unbedachtes zu sagen, doch dann platzte es regelrecht aus ihr heraus: "Wie redet Ihr denn mit einem MEINER Männer? Er untersteht zurzeit genauso der Königin wie ich auch. Ich erwarte daher deutlich mehr Respekt!" Dann wirbelte sie zu San herum und musterte ihn erneut scharf. Er war immer noch ein wenig blass um die Nase.
    "Ihr geht jetzt hinauf und legt Euch hin!", befahl sie dann - wobei sie die förmlichen Anreden besonders betonte. Dann fuhr sie an den Elfen gewandt fort: "Wie war Euer Name? Egal, ruft bitte nach einem Zimmermädchen. Wir brauchen SAUBERES Verbandszeug - und etwas zu essen. Beides soll in das Zimmer von ihm". Sie nickte zu San, der recht verdattert neben ihr stand.
    "Aegnor", erwiderte der Elf, dann stolzierte er mit hoch erhobenem Haupt davon.
    Dann drehte sie sich zu San um, der leise zur Treppe geschlichen war. Neneve musste grinsen.
    "Warte, ich helfe dir. Du kommst da doch nie im Leben alleine hoch", seufzte sie dann.

    Als sie oben angekommen waren, begegnete ihnen auch Cifer.
    "Cifer." Neneve musste sich einen euphorischen Aufschrei verkneifen. Sie wusste selbst nicht genau, in welcher Hochstimmung sie sich befand. Vermutlich lag es an der alten Heimat. Dann wich ihr dämliches Grinsen einem besorgten Stirnrunzeln.
    "Wie geht es Gyahara? Ist...also...hat der Arzt ihr geholfen?" Der andere sah sie einen Augenblick irritiert an, ehe er dann langsam nickte und sich zum Gehen wand.
    Neneve verabschiedete sich von San, nachdem dieser zu seiner Tür gefunden hatte, und verschwand ebenfalls in ihrem Zimmer. Sie seufzte auf und lehnte sich gegen die geschlossene Tür. Dann rammte sie ihren Kopf dagegen. Wer waren die Angreifer? Und was verschwieg San? Kannte er sie? Steckte er etwa mit ihnen unter einer Decke und seine Verletzungen waren nur Täuschung? Doch Neneve schüttelte den Kopf. Nein, dafür waren sie viel zu schwerwiegend gewesen. Aber dennoch, das Misstrauen blieb und heftete sich wie ein schlechter Geschmack an ihre Gedanken.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene