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Nachdem ich jetzt lange überlegt habe, ob ich die folgende Kurzgeschichte hier beitragen soll oder nicht, bin ich nun zu dem Schluss gekommen, dass ich es einfach versuche. Vorweg muss ich sagen, dass ihr am Ende hier eine etwas entschärfte Variante des Ganzes lesen werdet, einfach aus dem Grund, dass die Originalgeschichte ein wenig - explizit ist, und ich nicht weiß, ob das hier wirklich so gut aufgehoben wäre.
Da ich die Geschichte gerade bearbeite, bietet es sich aber an, sie euch zum Fra-, eh, zu lesen zu geben.
Zweiter Punkt vorneweg: Die Geschichte ist eine winzige Nebenhandlung aus einem Universum, das ich bereits seit zehn Jahren mit @Yuki entwickle und schreibe, auch wenn wir immer mal wieder größere Pausen dazwischen haben. *hüstelt* Ursprünglich war das Folgende auch nur für Yukis Augen gedacht. ^^'
Die Charaktere hier sind alle auf meinem Mist gewachsen.
Bevor der Text jetzt noch länger wird: Es wird mehrere Teile geben, ob drei oder vier oder gar fünf weiß ich noch nicht. Kommt darauf an, wie ich stückeln kann.
Joah, dann bleibt mir nur noch zu sagen, dass Kritik wie immer gern gesehen ist, egal welcher Art.
Zwielicht beherrschte den Raum; schwere Samtvorhänge verbargen die Fenster, ließen nur einen schmalen Streifen Tageslicht hindurch. Auf Boden und Kommoden verteilte Kerzen erzeugten auf den Wänden gespenstische Schatten. Ein mühsam unterdrücktes Wimmern durchbrach die trügerische Stille, gefolgt von einem Lachen, dann ein Keuchen. Das Bett, welches die Zimmermitte dominierte, knarzte unter den Bewegungen.
Ich stand an dem mir zugewiesenen Platz, direkt am Kopfende des Bettes, und starrte darüber hinweg zur gegenüberliegenden Wand. Auf dem Nachttisch verbrannte in einem Schälchen ein Rest getrockneter Zweige, deren bitterer Geruch mir Tränen in die Augen trieb. Ich schluckte eine altbekannte Übelkeit herunter und blinzelte, richtete den Blick auf einen dunklen Fleck, der sich deutlich von den Schatten abhob und am vergangenen Tag nicht dagewesen war.
Kurz glitt meine Aufmerksamkeit zurück zum Geschehen vor mir. Kunar lag bäuchlings unter dem Herrn, schnaufte und biss sich in die Finger. Seine sichtliche Pein erheiterte den älteren Mann über ihm. Mika verharrte einen Moment, dann beugte er sich mit zu beiden Seiten abgestützten Händen vor, berührte mit seiner bloßen Brust den schmächtigen Rücken des Jungen und biss ihm ins Ohrläppchen.
Kunar gelang es immer weniger, still zu sein. Langsam schloss ich die Augen, versuchte den Jungen nicht allzu sehr zu bedauern. Stattdessen fragte ich mich stumm, wem ich später die Order gab, den Fleck zu entfernen, bevor der Herr ihn entdeckte.
Als ich die Lider wieder hob, starrte Mika mir über Kunars Schulter hinweg entgegen. Wohl wissend, was er bezweckte, ignorierte ich es. Oder versuchte es zumindest. Mir oblag die Verantwortung für die Jungen, doch ich konnte nicht eingreifen und sie vor seinen Launen schützen. Es würde nichts ändern.
Früher hatte der Herr bewusst jene zu sich geholt, die mir am Herzen lagen. Nach den Jahren war eben dieses Herz so vernarbt, dass sich meine Vertrautheit mit ihnen auf das Nötigste beschränkte. Was nicht verhinderte, dass Mika weiterhin dieses Spielchen mit mir trieb, wenn er aufgrund einer Kleinigkeit, die ich nicht kannte, wütend auf mich war. Deswegen zwang er mich hierzubleiben.
Ein Grinsen umspielte seine Mundwinkel, während er das Tempo seiner Bewegungen erhöhte. Er ließ seinen Blick noch immer auf mir ruhen, fixierte mich regelrecht mit seinen gelblich-braunen Augen. In diesem Moment gewährte ich mir den Wunsch, er würde seinen Zorn direkt gegen mich richten. Ich war es doch, auf den er sauer war. Doch in all den Jahren, die wir uns kannten, hatte er nicht einmal Hand an mich gelegt.
Kunar stöhnte vor Schmerz und ich spürte ein Ziehen in der Brust, das Kribbeln in den Fingern. Am Ende verharrte ich an Ort und Stelle und ließ es über mich ergehen. Schritt ich ein, wäre Mikas Freude nur umso größer, dem Jungen mehr Leid anzutun – und indirekt damit mir. Seine Art der Strafe würde sich mir gegenüber wohl nie ändern.
Bald darauf erfüllte nur noch ein erschöpftes Schnaufen den Raum. Mein Herr löste sich von Kunar, fiel rücklings in die Kissen. Dann rollte er sich auf die Seite und schwang sich auf. Wie zufällig strich seine Hand über meine Brust, bevor er mit den Fingern schnippte. Aus der hintersten Ecke huschte die dunkle Gestalt Anrus heran, einen Morgenmantel mit dürren Ärmchen umklammernd. Mika riss dem Kind das Kleidungsstück aus den Händen und drängte sich vorbei. Anru stolperte, fing sich jedoch, bevor er auf allen Vieren landete. Mein Arm war in seine Richtung gezuckt; nun war ich erleichtert, dass meine Hilfe nicht vonnöten war. Auf nackten, vor Dreck fast schwarzen Füßen huschte der Junge wie ein Schatten zurück in seine Ecke zwischen zwei schmucklosen Kommoden. Dort hockte sich Anru auf ein abgewetztes Kissen und lauerte auf einen erneuten Einsatz.
Inzwischen warf der Herr sich den Morgenmantel über die Schultern, schlüpfte in die weiten Ärmel und ließ den Samt lose um seinen Körper wallen. Genauso gut könnte er weiterhin nackt herumlaufen, dachte ich seufzend. Er tapste zu einer Anrichte, die ihm bis zu den Hüften reichte, und kehrte mit seiner Tabakspfeife zurück. Mein Blick glitt über seinen Oberkörper, fuhr ungewollt die Linien seiner Muskeln nach. Nur einen Wimpernschlag sah ich tiefer. Ich lockerte meinen Stand und nahm die Pfeife entgegen, als er sie mir wortlos reichte.
Prüfend schaute Mika zu mir auf. Ich ging um den Tisch herum und rang nach Atem, weil ein Schwall Rauch aufwirbelte. Langsam ließ ich mich im Schneidersitz nieder und begann, die Pfeife zu stopfen.
Mein Herr stieß laut die Luft aus. »Es ist eine Sünde, dass du nicht nackt durch meine Räume wanderst, Samuel.« Ich verzog keine Miene. Er wusste genau, dass er mich dazu zwingen könnte, doch er tat es nicht. Überhaupt besaß ich Freiheiten, von denen andere im Haushalt nicht einmal träumen konnten. Was nicht verhinderte, dass Dinge wie mit Kunar geschahen.
Seine bloßen Füße tapsten erneut über die Holzdielen, jagten mir dabei einen Schauer über den Rücken. »Wahrlich eine Schande. Du bist groß, kräftig, eine - nun - Augenweide«, setzte er unbeirrt fort, trat neben mich und streifte mit zwei Fingern den Punkt zwischen meinen Schulterblättern. Mittendrin hielt er inne, zog die Hand ruckartig zurück. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie er sich durch das klamme Haar fuhr. Sein Mund stand einen Spaltbreit offen, sein Blick wirkte mit einem Mal entrückt. Doch bevor ich überlegen konnte, in welche Tiefen seines Selbst er abgeschweift war, atmete er tief durch und hielt mir die bleiche Hand unter die Nase.
Ohne Eile stopfte ich alles zurecht, reichte Mika seine Pfeife und richtete mich auf, bevor ich eine dunkelblaue Flamme zwischen zwei Fingerspitzen heraufbeschwor. Unterdes steckte er sich das Mundstück zwischen die Zähne und wartete, bis das Kraut in der Kammer glühte. Kaum war alles zu seiner Zufriedenheit, wandte er sich paffend um.
Er schlenderte zum Bett, in dessen Laken noch immer Kunar lag, die Beine von sich gestreckt. Ruhig setzte sich der Herr an den Rand, schlug ein Bein über das andere, wobei sein Morgenmantel mehr entblößte als verdeckte. Ungewohnt sanft strich er dem Jungen das blonde Haar aus der Stirn, als jener wie auf Befehl den Kopf hob.
Ich runzelte die Stirn. Diese Art Zuneigung war selten bei Mika, selbst wenn ihm jemand so gefiel wie Kunar. Umso aufmerksamer beobachtete ich den Herrn, wie er den Rauch ausstieß und sich herunterbeugte. Er flüsterte dem Jungen ins Ohr, der unschlüssig nickte, sich aufstemmte und aus dem Bett kletterte. Auf wackligen Beinen suchte er seine Kleider zusammen, bevor er still den Raum verließ.
Eine Weile blickte ich zur Tür. Vielleicht, so dachte ich, sollte ich am Ende des Tages noch einmal nach ihm sehen. Nur, um sicherzugehen, dass er seinen täglichen Aufgaben nachkommen konnte.
Blinzelnd wandte ich den Kopf, als mein Herr mit einem Mal vor mir stand. Ich mochte es nicht, wenn er sich heranschlich, und doch regte ich keinen weiteren Muskel. Mika stellte sich auf Zehenspitzen und schlang die Arme um meinen Hals. Nicht ein Stück wich ich zurück, trotz seines Geruchs - eine Mischung aus verbranntem Kraut, Rauch und süßlichem Schweiß.
»Lass mir ein Bad ein, Samuel«, säuselte er. Ich sah zur Wand, versuchte seine Nähe mit geübter Gleichgültigkeit nicht an mich herankommen zu lassen. Ganz gleich, wie sehr sich mein Puls beschleunigte. Schließlich rückte ich von ihm ab.
»Wie Ihr wünscht, Herr.« Ich löste seine Hände von mir, als sie von meinen Schultern zur Brust glitten, machte mich dann daran, der Anordnung nachzukommen. Mika folgte mir ins Bad, das durch eine schmale Tür ans Schlafzimmer grenzte. In der Mitte thronte eine gusseiserne Wanne, vor der zwei Eimer standen, die ich nun aufnahm. Hinter mir raschelte Samt; verstohlen blickte ich herum und sah, wie der Morgenmantel des Herrn zu Boden fiel.
Gähnend schmiegte Mika sich von hinten an mich. »Die Wanne füllt sich nicht mit leeren Eimern, Samuel.« Er kicherte leise. Dann holte er Luft, als fiele ihm gerade wieder etwas ein. »Sieh zu, dass Anru später auch angemessen badet. Der Junge muss ständig daran erinnert werden, dass er nicht mehr in der Wildnis lebt. Bringe ihm endlich bei, dass ich meine Leibeigenen sauber und gepflegt haben will.«
»Natürlich, Herr.« Meine Schultern sackten tiefer, als er von mir abließ, um sich auf den Wannenrand zu setzen. Ich rief nach Anru und gab ihm beide Eimer mit dem Auftrag, sich einen Diener zu suchen und gemeinsam Wasser aus dem Brunnen hinter dem Haus zu holen. Ohne Zögern rannte der Junge auf seinen Beinchen mit klappernden Eimern davon.
Gerade wollte ich mich umdrehen, als sich ein Fuß in mein Kreuz drückte. Still ließ ich es über mich ergehen, knöpfte stattdessen meine Hemdsärmel auf und krempelte sie um, bis die Unterarme frei waren. Der Fuß des Herrn strich derweil hinab, fischte geschickt mit den Zehen mein Hemd aus dem Hosenbund. »Zieh dich aus.«
»Warum sollte ich, Herr?« Ich presste die Lippen aufeinander.
»Bade mit mir. Oder von mir aus danach mit Anru. Ihr könnt meine Wanne benutzen. Ich weiß doch, wie viel du dir aus dem neuen Jungen machst.«
Ich versuchte meinen Puls zu beruhigen, doch das Herz wummerte in meiner Brust. Natürlich wusste er das und es ärgerte mich, dass er in mir noch immer wie in einem Buch lesen konnte, ganz gleich wie unnahbar ich mich nach außen hin gab. »Anru badet besser für sich im Bottich. So, wie es sich gehört. Damit er es lernt. Und Ihr badet auch lieber allein, Herr. Ich bin Euch keine gute Gesellschaft«, bemerkte ich ruhig.
»Das entscheide immer noch ich«, sagte er lachend. Ich sah deutlich vor mir, wie er den Mund schiefzog und abschätzend meine Rückansicht studierte. Wie jedes Mal, wenn er dachte, ich bemerke es nicht.
Noch einmal presste er die Zehen gegen meinen Rücken, dann löste er sich. Als ich mich umwandte, rutschte er gerade in die Wanne; ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, hielt er mir seine Pfeife hin. Schweigend legte ich sie beiseite. Im selben Moment kehrte Anru mit vollem Eimer zurück. Seine Zunge hing seitlich aus seinem Mund und er setzte langsam einen Fuß vor den anderen, sichtlich bemüht, dass kein Wasser überschwappte. Flüchtig sah er zu mir auf. In seinen schwarzen Augen fehlte jedes Anzeichen eines wachen Geistes.
Der Herr hatte den Jungen halbverhungert und unterentwickelt im Wald nahe des Anwesens gefunden. Anstatt zu einem einfachen Diener wie Kunar, hatte er das Kind zu einem neuen Leibeigenen erkoren. Ich fragte mich weiterhin, warum. Anru sprach nicht, hatte Angst vor Wasser und hielt sich am liebsten wie ein scheues Tier in dunklen Zimmerecken auf. Zumindest ein Kissen hatte er vom Herrn angenommen, wenn auch keine Decke oder hübsche Kleidung fernab seiner einfachen Kluft voller Flicken.
Aufmunternd lächelte ich dem Jungen zu, nahm ihm dem Eimer ab, während er noch einmal nach draußen eilte, um den zweiten zu holen. Dann schickte ich ihn erneut los, um dieses Mal heißes Wasser aus der Küche zu holen. Ich selbst machte mich daran, die Wanne zu füllen.
Es war eine Marotte des Herrn: erst kalt, dann warm, niemals umgekehrt und schon gar nicht, wenn er bereits drinnen saß.