So, ich hoffe das passt nun hier rein, durch die interessanten Rückmeldungen beim Wettbewerb wollte ich darauf dann doch noch etwas genauer eingehen und ggf. sogar noch weitere Versuche wagen, irgendwie hat es ja schon was:
Zitat von AlcarinqueAlles anzeigenDer Graf
*zack* Sie spürte die Knochen unter dem Schlag brechen. Was für ein Glück! Eine ganze Ratte! Mager wie alle in der Stadt, aber doch noch am Leben, zumindest bis vor wenigen Augenblicken. Sie schaute sich argwöhnisch um, noch immer war sie alleine in der sehr engen Sackgasse.
Vorsichtig hob sie die Ratte auf und stecke sie sich auf der Innenseite der Tunika in den Gürtel. Hoffentlich blutete sie nicht zu auffällig dachte sie sich und überlege wie sie mit ihrem Schatz am sichersten nach Hause kommen könnte.Wenn der Graf kommt, wird alles gut, sagen die Leute, auch ihr Papa sagt das. Wenn der Graf kommt.
In den Seitengassen des Gerberwegs stank es fürchterlich, deshalb waren hier auch so wenige Leute unterwegs. Sie wollte die Ratte auf jeden Fall Heim bringen. Mama würde eine richtige Suppe machen, sie hätten endlich wieder etwas Anderes zu essen als alte Lederreste! Nur musste sie erst unbemerkt Heim kommen, nach links über den Marktplatz oder rechts an der Mauer entlang mit den zwielichtigen Gestalten? Sie entschied sich für die Mauer, auch auf dem Marktplatz konnte man niemandem mehr Trauen und bei den Anbauten an der Mauer konnte man sich zumindest ein bisschen unauffälliger durchdrängen.
Irgendwas mit den Händlern war wohl der Auslöser gewesen, sie hatten mit Waren in Städten gehandelt die dem bösen König gehören und das hat den bösen König wütend gemacht hat ihr Papa gesagt. Aber der Graf wird jetzt sicher bald kommen!
Die Ratte war ein mageres Ding. Vor wenigen Wochen hätte Momo, ihre Katze, sie noch verschmäht. Doch Momo war verschwunden, zusammen mit den meisten anderen Haustieren, nur kurze Zeit nach den Pferden und anderen Nutztieren. Auch Vögel und eben Ratten waren so gut wie keine mehr finden. Mama sagt, sie sind weggegangen weil sie den Krieg nicht mögen. Aber sie wusste dass Mama das nur für ihren kleinen Bruder sagte. Erst wollte sie es selbst glauben, aber als der Hunger jeden Tag größer wurde, war ihr klar was geschehen war. Inzwischen war sie zu hungrig um darüber traurig zu sein.
Seit über 3 Wochen war die Stadt nun umzingelt und wurde niemand raus oder rein gelassen. Belageung hatte ihr Papa das genannt.
Wieso nun alle Hunger leiden mussten nur weil ihre Stadt mehr Kohlköpfe verkauft als der böse König verstand sie nicht. Sie hasste diesen König! Vorsichtig bewegte sie sich zwischen den Leuten hindurch, alle wirkten abgemagert und so hungrig als ob sie gleich übereinander herfallen würden. Nur nicht zeigen was sie da in ihrer Tunika hatte.
"He Kleine, was hast du da?" Er meint nicht mich, er meint nicht mich, er meint nicht mich. Sie versuchte ganz normal weiter zu gehen, zuckte aber bei jedem Geräusch zusammen. Als sie eine Berührung an der Schulter spürte rannte sie los. Zwängte sich panisch zwischen den Leuten hindurch die sie misstrauisch betrachteten. Da vorne in die schmale Gasse ...
"Er kommt! Er kommt! ER KOMMT!" Anfangs ganz leise, wurde es von immer mehr Leuten aufgenommen und hoffnungsvoll gesagt und gerufen. Der Graf!Nun wird alles gut, ihr Papa vertraut dem Grafen, auch wenn die Händler wohl nicht immer gemacht haben was er wollte, ist er immer noch ihr Graf und wird seine Stadt beschützen!
Vergessen war die Ratte, der vermeintliche Verfolger und der Hunger. Sie folgte dem Menschenstrom zur nächsten Rampe, welche in den letzten Wochen überall entlang der Mauer errichtet worden waren, um zu sehen was da geschah. Natürlich waren die Mauern schon voller Leute und sie musste sich nach vorne durchdrängen, nur um festzustellen das sie zu klein war um über die Mauer zu sehen.
"Hier, lass mich dir helfen", eine fremde Frau hob sie hoch. "Ist es nicht toll dass der Graf endlich gekommen ist? Nun wird er die Belagerer endlich vertreiben", meinte sie hoffnungsvoll.Seit Wochen hielten die Leute nun schon den Angriffen stand. Alle Erwachsenen stürmten zu den Mauern wenn der böse König wieder einen Angriff startete, um ihn zurück zu werfen. Alle wissen dass der Graf kommt und wir nur so lange durchhalten müssen sagt ihr Papa. Das wissen die Leute und halte durch.
Zum ersten Mal sah sie das feindliche Heer vor den Toren, ihr war es nie erlaubt worden auf die Mauern zu gehen. Ein riesiges Lager erstreckte sich über den ehemaligen Felder vor der Stadt, groß, dreckig und stinkend. Von den Getreide- und Gemüsefeldern war nichts mehr zu sehen. Auch der Wald war an vielen Stellen gefällt worden. Doch hinten am Mühlenhügel war ein neues Heer, aus Sonnenaufgangsrichtung, da wo der Graf her kommt. Nun werden sie den bösen König vertreiben!
Die Leute auf den Mauern warteten angespannt und hoffnungsvoll darauf dass der Angriff beginnt. Und warteten. Und stellten fest das es so bald wohl zu keinem Angriff mehr kommen werde, sie schienen dort ein Lager zu errichten. Es war schon fast Abend, vermutlich waren sie den ganzen Tag unterwegs gewesen und müde von der Reise.
Enttäuscht verließen die Leute nach und nach wieder die Stadtmauer, morgen dann. Noch eine Nacht ohne Essen, dann wird alles gut!
Gut das sie noch ihre Ratte hatte. Doch ... die Ratte war nicht mehr an ihrem Gürtel! Sie hatte sie vermutlich auf dem Weg zur Stadtmauer verloren! traurig machte sie sich auf den Heimweg. Es wird wohl wieder dünne Ledersuppe geben.Die Suppe schmeckte viel besser heute. Morgen werden wir wieder was Richtiges zu essen bekommen meinte ihr Papa.
Noch vor dem ersten Sonnenstrahl war sie auf den Beinen und an der Mauer. Diese Nacht war es zu keinem Angriff gekommen. Auch der böse König schien abzuwarten. Immer mehr Leute versammelten sich auf der Mauer und warteten gespannt auf die Schlacht.
In beiden Lagern herrschte rege Betriebsamkeit. Polierte Waffen und Rüstungen glänzten in der Morgensonne. Im Lager des Grafen wurden die Zelte schon wieder abgebaut, sie waren sich wohl ihres Siegs bewusst. Langsam begannen sich die Reihen zu formieren.Der Graf hatte seine besten Truppen und frische Vorräte dabei, während den Belagerern auch langsam das Essen ausging. Das wir eine kurze Schlacht hatte ihr Papa gemeint, vielleicht zieht sich der böse König sogar zurück ohne das es zum Kampf kommt. Das würde ihr gar nicht gefallen, er hatte es verdientet getötet zu werden meinte sie. Daraufhin hatte ihr Papa nichts geantwortet und sie ins Bett geschickt.
Von beiden Reihen löste sich nun eine kleine Gruppe von 3 oder 4 Reitern die sich in der Mitte des baldigen Schlachtfeldes trafen. "Der Graf" murmelten die Leute, die ihn an seiner Rüstung und dem Wappen erkannt hatten. Die beiden Gruppen saßen ab und schienen zu verhandeln. Den ganzen Vormittag geschah nichts weiter, sie redeten und redeten. Die Leute auf der Mauer wurden ungeduldig und merkten wieder wie hunrig sie waren.
Dann kam endlich Bewegung in die Sache und die Reiter saßen wieder auf und kehrten zu ihren Truppen zurück! Nun war es so weit!Die Händler hatten sich wohl nicht immer so verhalten wie der Graf es gerne gehabt hätte. Es war ihm missfallen das sie in Städten gehandelt hatten in denen sie eigentlich nicht durften und der Stadtrat hatte sich wohl öfters mal über die Wünsche des Grafen hinweggesetzt. Aber sie gehörten natürlich zur Grafschaft und sein Eigentum wird der Graf mit allen Mitteln verteidigen die ihm zur Verfügung standen hatte ihr Papa gesagt.
In das Heer der Grafen, das schon in breiter Front bereitstand, kam nun Bewegung. "Eine neue Strategie?", "Was hat er nun vor?" überlegten sich die Leute auf den Mauern. Doch die Front wurde immer kleiner, die Leute auf den Mauern immer verwirrter und ihre Theorien wie der Graf nun angreifen werde immer phantastischer. Sie wollten nicht wahrhaben was sie da beobachteten: Der Graf und sein Heer zogen wieder ab.
Die Belagerer bereiteten sich auf den letzten Angriff vor.
So, hier nochmals danke für die Rückmeldungen und nochmals kurz die Kommentare, im anderen Thread wollte ich da nicht weiter drauf eingehen:
@Alcarinque Auch bei dir war das Ende nicht ganz so glaubwürdig. Niemand würde seine Truppen mobilisieren, ausrücken (was das für Organisation, Kosten und Ernergie verursacht), nur um nach 2 Minuten wieder abzuziehen. Um sich das zu überlegen, muss er nicht erst so viele Männer sinnlos vorführen, sondern hätte das auch mit einer kleinen Truppe klären können. Deswegen ist es auch deine Geschichte leider nicht geworden.
@Alcarinque: Ich finde es immer schade, wenn Geschichten keine einzige Stimme bekommen. Es waren alle Geschichten sehr gut, deine auch! Ich mochte es, wie du diese hoffnungslose Situation beschrieben hast, aus den Augen des Kindes. Ich fand es auch nicht seltsam, dass der Graf wieder abgezogen ist, wer weiß schon, wass die besprochen haben?
@Alcarinque bei mir hattest du Platz 3 der Anfang war echt super, ich konnte mich sehr gut in das kleine Mädchen reinversetzten und ihren Kampf ums überleben nachvollziehen. Der Anfang hat mir so gut gefallen, dass ich noch Tage danach daran denken musste.
Dafür fande ich leider das Ende etwas schwach, meines Erachtens hatte der Anfang bis zur Mitte schön Tiefgang und dann am Ende kam der Graf, der eigentlich der große Retter sein sollte und ging einfach wieder. Ich glaube es hätte vielleicht besser gewirkt, wenn die Belagerer den Grafen getötete hätten. Aber ist nur meine Meinung.
Ganz offensichtlich war also das Ende nicht so überzeugend? Da habe ich es wohl nicht so ganz rüber gebracht wie ich mir das gedacht habe bzw. zu viele gedankliche Anhänge gehabt die in einer Kurzgeschichte natürlich keinen Platz haben.
Die Überlegung für das Verhalten des Grafen war, das er nur mit einer gleichgroßen wenn nicht größeren Truppenstärke wirklich eine schlagkräftige Verhandlungsposition hat. Die Größe habe ich bewusst nicht erwähnt, könnte sich ja auch einfach um sein stehendes Heer handeln. Truppen mobilisieren kostet, klar, einen Krieg vom Zaun brechen für eine Stadt die viel zu aufmüpfig, unabhängig und ggf. unprofitabel ist, wird auf Dauer aber noch viel mehr (auch Leben und Material) kosten, da geht man vermutlich gerne auf ein gutes Angebot ein.
Und natürlich wollte ich auch ein unerwartetes Ende.
Aber es stimmt auf jeden Fall das ich gegen Ende zu viel Erklährbären in der Geschichte hatte für die Sicht eines Kindes...