Die Vampire von Rankental

Es gibt 92 Antworten in diesem Thema, welches 4.008 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (10. Mai 2024 um 10:10) ist von Jufington.

  • Ich möchte gerne den Prolog und vielleicht ein paar Kapitel mehr von meinem aktuellen Projekt „Die Vampire von Rankental“ vorstellen. Es ist ein Dark-Fantasy Drama. Ich liebe dieses Manuskript sehr, deswegen möchte ich euch herzlich einladen es kritisch in Fetzen zu reißen, damit ich es danach wieder zu der best-möglichen Version davon zusammenflicken kann. Der Cover-Entwurf ist auch dabei.

    Den Buchklappentext stelle ich mir etwa so vor:

    „Sommer des Jahres 1901. Der Siebzehnjährige Lafayett trifft in der kleinen französischen Stadt Rankental auf seine große Liebe und beginnt eine verbotene Affäre, während in den nächtlichen Straßen zwei mächtige Vampir-Clans um die Vorherrschaft kämpfen. Wessen Blut wird fließen und wer kann sich vor den Monstern retten?"

    Warnhinweise: Der Roman ist an manchen Stellen sehr gewalttätig. Der Prolog ist dabei ein guter Indikator für den Rest. Es kommt in späteren Kapiteln Selbstmord vor.

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    Die Vampire von Rankental

    Prolog

    „Mein Beileid für deinen Verlust“, flüsterte die Kreatur zu ihrem Komplizen. Die beiden Männer erschienen von Nahem und von Weitem wie Menschen, aber unter ihrer Haut waren sie beide Raubtiere. So greifbar wie ein halb vergessener Alptraum schlichen sie durch den verlassenen Park, mit Augen so lichtscheu, dass sie sich selbst gegen das Leuchten der Sterne verengten. Dunkle Wasser glucksten über das Ufer eines künstlichen Sees und winterkahle Kastanien säumten den Pfad. Auf der Kuppe eines flachen Hügels hatten die Arbeiten für einen neuen Pavillon begonnen, aber zu so später Stunde war die Baustelle still. Auch Bänke, Krocket-Felder und Picknickplätze lagen verlassen da. Die Abwesenheit der Menschen, die sich hier bei schönem Wetter einfanden, war beinahe spürbar, wie ein vertrautes Lied, das plötzlich in der Mitte gestoppt hatte. Dennoch gab es Bewegung. Winzige Pfoten huschten durch die Hyazinthenbeete, die getrimmten Rosenhecken und die Binsen am See. Rotfüchse, Waschbären und Igel waren auf der Jagd. Dies war auch ihr Paradies, ob es die Architekten vorgesehen hatten oder nicht.

    „Wer hat dir davon erzählt?“ verlangte die zweite Kreatur zu wissen. Seine Stimme war dabei kühl und gefasst. Der Mantel aus dunkelblauer Wolle, der ihn verhüllte, war zu lang und die ausgefranzten Enden schleiften seit Jahren hinter ihm am Boden. Er verkleinerte kaum merkbar seine Schrittlänge und passte sie jener von Raphael an. Bei jedem anderen ihrer Streifzüge war es genau andersherum gewesen.

    „Du hättest es mir direkt sagen sollen.“ Raphael suchte verzweifelt Augenkontakt, welcher ihm aber verwehrt wurde. Es war nicht mehr weit bis zum nördlichen Tor, wo sie vom Rest ihrer Patrouille erwartet wurden. Er hatte Minuten für ein Gespräch, das sich nach Jahren anfühlte. „Ich hätte das verhindern müssen.“ presste er schließlich hervor.

    „Aber das konntest du nicht.“ Es lag kein Zorn in den Worten der vermummten Gestalt: nur kalte, klare Fakten, heruntergebetet wie die Börsenkurse des gestrigen Tages. Der Geruch von Torf, verrottenden Blättern und Kerzenwachs hing an seiner Kleidung. Er war definitiv auf dem Friedhof gewesen, egal wie stoisch er sich gab. „Es zerfrisst mich von innen.“ Du hattest das nicht verdient. Raphael drehte seine Hand nach innen und hielt sie über sein Herz. Sein Begleiter zuckte mit den Schultern und starrte auf den Teich hinaus. „Man hat sie tot in ihren Betten gefunden. Es ist unwahrscheinlich, dass sie überhaupt nochmal aufgewacht sind. Niemand im Haus Sures wusste, dass Sie zu mir gehören. Sie haben einfach nur ihren Durst gestillt. Mein Sohn und seine Kinder konnten diese Welt ohne Angst und Schmerzen verlassen und dafür bin ich dankbar.“

    „Sie hätten ohne Angst und Schmerzen leben können, wenn ich den Rückzug nicht befohlen hätte.“ Raphaels Stimme brach, nicht in ein Wimmern, sondern ein Fauchen. Er hoffte abermals vergebens, dass sein Freund sich zu ihm umdrehen und ihn ansehen würde. Der Schaden, den er verursacht hatte, war so endgültig, das Leid so unbeschreiblich groß, dass es ihn erschütterte, wie wenig seine Untergebenen seine Entscheidung infragestellten. Er wollte nicht, dass ihre Freundschaft daran zugrunde ging, aber in welcher gerechten Welt hätte sie fortbestehen können?

    „Als Stratege hast du getan, was du musstest.“ fügte die Bestie mit dem blauen Mantel an. „Wenn du den Sures-Bastarden das Industriegebiet nicht überlassen hättest, wären wir beim Versuch es zu verteidigen aufgerieben worden. Es war eine Zahlenfrage. Ich verstehe und akzeptiere das.“

    „Du hörst mich, aber du hörst mir nicht zu.“ Raphael blieb stehen, streckte seinen Arm aus und versperrte seinem Mitstreiter den Weg. Er brauchte mehr Zeit und er würde sie haben. Die Fußsoldaten am Tor konnten gefälligst warten.

    „Es war der einzige mögliche Zug in einem Spiel, das ich nicht fortsetzen kann. Ein anderer Meister der Waffen hätte vielleicht dasselbe getan, aber dann wäre nicht ich derjenige gewesen, der damit weiterleben muss. Wie könnte ich dich ein weiteres Mal in den Kampf schicken und dein Leben aufs Spiel setzen, in dem Wissen, dass ich versagt habe, als du mich am meisten gebraucht hast?“ Er senkte seinen Arm wieder ab, verblieb aber, wo er stand, anstatt weiter zu gehen. „Ich werde Morgen als Meister der Waffen zurücktreten.“ Erklärte er, seine Stimme gerade so über ein Flüstern erhoben. Als die Worte gesagt und gehört waren, gab es kein Zurück mehr. Er stellte sich einen Moment in der fernen Zukunft vor. Fünf oder sechs Monate entfernt von hier, wenn alles Erklären und Rechtfertigen hinter ihm lag und er wieder Gleicher unter Gleichen war. Die Toten würden lange begraben liegen und die Trauer würde unweigerlich einem neuen Alltag gewichen sein. Er würde ein kleiner Teil in einem großen Ganzen sein, der jagte, patrouillierte, kämpfte, wenn es befohlen wurde und dazwischen ruhte. Mehr nicht. Die Zeit konnte nur vorwärts fließen, niemals zurück, und so würde er diesen Punkt unweigerlich erreichen, egal wie lang und schwer der Weg dorthin war. Raphael fand Trost darin. „Bitte überdenk das! „Willst du nicht noch warten bis…“

    Und da war es: Ein Geräusch. in der Mitte eines Satzes, wo er es am wahrscheinlichsten überhört hätte. Der Laut, den etwas Metallisches machte, wenn es über etwas Starres, aber Weiches schleifte. Der Klang von Stahl auf altem Leder, ein Dolch, der aus seiner Hülle gezogen wurde. Sein Freund wirbelte zu ihm herum und stach zu. Raphael machte einen Satz zurück, aber es war zu spät. Die Klinge riss seinen Bauch auf. Schmerz schoss wie ein Blitz in seine Glieder und kaltes, schleimiges Blut rann an ihm herab bis zu seinen Knien. „Es gibt nichts mehr von mir auf dieser Welt“ knurrte der Verräter, seine scharfen Eckzähne gefletscht. Die rostroten Augen fixierten ihn, funkelnd vor Hass, der endlich seinen Weg an die Oberfläche gefunden hatte. „Mein Vermächtnis ist zerstört, weil du zu feige warst, uns in den Kampf zu führen. Es wird für dich kein Zurücktreten geben, Meister der Waffen.“ Die letzten drei Worte würgte er hervor, als ob der Titel in seinen Augen für alle Zeit besudelt war: ein Schimpfwort, ein Fluch. Ein weiterer Dolch-Hieb, diesmal von unten nach oben. Er verfehlte nur knapp Raphaels Rippen. Der scharfe Geruch von Blut umgab sie, so stark, dass der Rest der Patrouille ihn garantiert ebenfalls wahrnahm. Aber sein Gegner war kein Narr. Er hätte niemals zugeschlagen, wenn er nicht sicher war, damit davon zu kommen.

    Etwas surrte durch die Luft. Ein Armbrustbolzen zertrümmerte Raphaels Schulterblatt und bohrte sich knapp unter seinem Schlüsselbein wieder heraus. Er blickte an sich hinab und erspähte die wiederhackenbewehrte Spitze.

    Die Sehnen an diesen Waffen waren so stark, dass kein Mensch sie spannen konnte. Niemand, nicht einmal er konnte sich viele Treffer leisten.

    Er wirbelte herum und fing den nächsten Bolzen mit rechts auf, eine Hand breit entfernt von seinem linken Auge. Er blickte in die Gesichter seiner ehemaligen Mitstreiter, aber fand dort nur dieselbe ungezügelte Verachtung. Der erste Schuss war von einem Mädchen abgefeuert worden. Sie hatte schmale Augenbrauen und eine kleine, sichelförmige Narbe auf ihrer Stirn. Zu Hause im Nest nannte man sie „Giroflée“, aber an ihren wahren Namen konnte er sich nicht erinnern, so sehr er es wünschte. Er holte aus und schleuderte den Bolzen, den er gefangen hatte, auf sie zu.

    Er traf. Das grässliche, nasse Krachen durchbrach die Stille und sie stürzte auf die Knie, ihren leeren Blick noch immer fest auf ihn gerichtet. Ihr Schädel war gespalten. An den Fingern und Unterarmen beginnend, löste sich ihre Form auf und zerfiel zu feinem, grauen Staub, den der Wind wegriss, als hätte es sie niemals gegeben. Raphael brauchte weder seinen aufgeschlitzten Magen noch die durchlöcherte Lunge, aber er konnte fühlen, wie das Blut seinen Körper in Strömen verließ und seine mystischen Kräfte mitnahm. Es gab hier und heute keinen Sieg für ihn. Zitternd und ächzend vor Schmerz ließ er sich auf die Handflächen fallen und konzentrierte sich. Raphael stellte sich vor, wie er von einer Haut in die andere wechselte und es geschah.

    Gelenke verdrehten sich, sprangen aus ihren Sockeln nur um sich neu zu verbinden, Muskeln schrumpften zu winzigen Überresten ihrer selbst und Organe schoben einander aus dem Weg. Dünnes, braunes Fell spross hervor und seine Finger verformten sich zu den ledrigen Schwingen einer kleinen Fledermaus. Erneut sauste kalter Stahl auf ihn nieder, diesmal von dem jüngeren Kämpfer, der mit Giroflée am Tor gelauert hatte. Er stieß sich vom Boden ab und rollte auf die Seite, um auszuweichen. Er war sich nicht sicher, ob er getroffen war oder nicht. Zum Wunden lecken war ohnehin keine Zeit. Der kleine Kopf schnappte zu und verbiss sich im Handrücken des Angreifers. Dieser schrie auf und riss seinen Arm noch oben. Raphael dachte für einen Moment, dass die Wucht, mit der er in den Nachthimmel geschleudert wurde, ihm den Kiefer brechen würde, aber als er sein Maul wieder öffnete, war er gerade hoch genug, um abzuheben. Eine harsche Windböe ergriff ihn und er musste dagegen ankämpfen, um nicht gegen den Stamm einer Kastanie gedrückt zu werden. Die Rinde streife seine Flügelspitze. Er hörte noch ein weiteres Surren. Es erschien ihm wie der grässlichste Klang, den je ein Wesen vernommen hatte. Der Bolzen streifte seinen Kopf und ließ einen triefenden, pulsierenden Stumpf zurück, wo vorher sein linkes Ohr gewesen war. Blut rann seine Stirn hinunter in seine Augen. Die Sterne, das Wasser und das Gras wurden rot. Die Welt war doch gerecht. Ein letzter Flügelschlag, um an Höhe zu gewinnen, dann konnte er vielleicht noch außer Reichweite gelangen und irgendwo Schutz suchen. Ein Schatten tauchte unter ihm auf. Ein Wolf mit schwarzem Pelz und rostroten Augen hetzte lautlos über die Wiese unter ihm. Das Biest schloss mit riesigen Sätzen zu ihm auf und stieß sich mit seinen mächtigen Läufen vom Boden ab. Die Kiefer schnappten zu und zermalmten die Fledermaus zwischen seinen Zähnen. Den Kopf hocherhoben stand er da und ließ den Staub langsam über seine Lefzen rieseln. Mit seiner Lust auf Rache endlich befriedigt, wandte er sich ab und trabte davon. Sein schwarzes Fell verschmolz mit der Nacht, wie ein Wassertropfen der wieder eins mit dem Meer wurde.


    Verbesserte Version:

    Spoiler anzeigen

    Die Vampire von Rankental


    Prolog

    Die beiden Männer erschienen wie Menschen, aber unter ihrer Haut lauerten Monster. So greifbar wie ein halb vergessener Alptraum schlichen sie durch den verlassenen Park, mit Augen so lichtscheu, dass sie sich selbst gegen das Leuchten der Sterne verengten. Dunkle Wasser glucksten über das Ufer eines künstlichen Sees und winterkahle Kastanien säumten den Pfad. Auf der Kuppe eines flachen Hügels hatten die Arbeiten für einen neuen Pavillon begonnen, aber zu so später Stunde war die Baustelle still. Auch Bänke, Krocketfelder und Picknickplätze lagen verlassen da. Die Abwesenheit der Menschen, die sich hier bei schönem Wetter einfanden, war beinahe spürbar, wie ein vertrautes Lied, das plötzlich in der Mitte verstummt war. Dennoch gab es Bewegung. Winzige Pfoten huschten durch die Hyazinthenbeete, die getrimmten Rosenhecken und die Binsen am See. Marder, Rotfüchse und Wiesel waren auf der Jagd. Dies war auch ihr Paradies, ob es die Architekten wünschten oder nicht.

    „Mein Beileid für deinen Verlust“ flüsterte eine der Kreaturen zu ihrem Komplizen.

    „Wer hat dir davon erzählt?“, verlangte sein Begleiter zu wissen. Seine Stimme war dabei kühl und gefasst. Der Mantel aus dunkelblauer Wolle, der ihn verhüllte, war zu lang und die ausgefranzten Enden schleiften seit Jahren hinter ihm am Boden. Er verkürzte seine Schrittlänge und passte sie jener von Raphael an. Bei jedem Ihrer bisherigen Streifzüge war es genau andersherum gewesen.

    Raphael suchte verzweifelt nach Augenkontakt, welcher ihm aber verwehrt wurde. Es war nicht mehr weit bis zum nördlichen Tor, wo sie vom Rest ihrer Patrouille erwartet wurden. Er hatte Minuten für ein Gespräch, das sich nach Jahren anfühlte. „Ich hätte das verhindern müssen.“ Presste er schließlich hervor.

    „Aber das konntest du nicht.“ Es lag kein Zorn in den Worten der vermummten Gestalt, nur kalte, klare Fakten, heruntergebetet wie die Börsenkurse des gestrigen Tages. Der Geruch von Torf, verrottenden Blättern und Kerzenwachs hing an seiner Kleidung. Er war definitiv auf dem Friedhof gewesen, egal wie stoisch er sich gab.

    Raphael drehte seine Hand nach innen und hielt sie über sein Herz. „Es zerfrisst mich von innen. Du hattest das nicht verdient“ Sein Begleiter zuckte mit den Schultern und starrte auf den Teich hinaus. „Man hat sie tot in ihren Betten gefunden“ berichtete er. „Es ist unwahrscheinlich, dass Sie überhaupt nochmal aufgewacht sind. Niemand im Haus Sures konnte wissen, dass sie zu mir gehören. Sie haben nur ihren Durst gestillt, wie wir alle. Mein Sohn und seine Kinder konnten diese Welt ohne Angst und Schmerzen verlassen und dafür bin ich dankbar.“

    „Sie hätten ohne Angst und Schmerzen leben können, wenn ich den Rückzug nicht befohlen hätte.“ Raphaels Stimme brach, nicht in ein Wimmern, sondern in ein Fauchen. Er hoffte abermals vergebens, dass sein Freund sich zu ihm umdrehen und ihn ansehen würde. Der Schaden, den er verursacht hatte, war so endgültig, das Leid so unbeschreiblich groß, dass es ihn erschütterte, wie groß die Treue seiner Untergebenen immer noch war. Er wollte nicht, dass ihre Freundschaft daran zugrunde ging, aber in welcher gerechten Welt hätte sie fortbestehen können?

    „Als Stratege hast du getan, was du musstest“ fügte die Bestie mit dem blauen Mantel an. „Wenn du den Sures-Bastarden das Industriegebiet nicht überlassen hättest, wären wir beim Versuch, es zu verteidigen, aufgerieben worden. Es war eine Zahlenfrage. Ich verstehe und akzeptiere das.“

    „Du hörst Mich, aber du hörst mir nicht zu.“ Raphael blieb stehen, streckte seinen Arm aus und versperrte seinem Mitstreiter den Weg. Er brauchte mehr Zeit und er würde sie haben. Die Fußsoldaten am Tor konnten gefälligst warten.

    „Ja! Es war der einzige mögliche Zug. Aber sind wir denn gezwungen, immer weiter zu spielen!? Ein anderer Meister der Waffen hätte vielleicht dasselbe getan, aber dann wäre ich nicht derjenige gewesen, der damit weiterleben muss. Ihr habt einen Kriegshelden gebraucht, aber es gab nur mich.“ Er senkte seinen Arm wieder ab, verblieb aber, wo er stand, anstatt weiter zu gehen.

    „Ich werde als Meister der Waffen zurücktreten.“ Erklärte er, seine Stimme gerade so über ein Flüstern erhoben. Als die Worte gesagt und gehört waren, gab es kein Zurück mehr. Er stellte sich einen Moment in der fernen Zukunft vor. Fünf oder sechs Monate entfernt von hier, wenn alles Erklären und Rechtfertigen hinter ihm lag und er wieder Gleicher unter Gleichen war. Die Toten würden lange begraben liegen und die Trauer würde unweigerlich einem neuen Alltag gewichen sein. Er würde ein kleiner Teil in einem großen Ganzen sein, der jagte, patrouillierte, kämpfte, wenn es befohlen wurde, und dazwischen ruhte. Mehr nicht. Die Zeit konnte nur vorwärts fließen, niemals zurück, und so würde er diesen Punkt unweigerlich erreichen, egal wie lang und schwer der Weg dorthin war. Raphael fand Trost darin, aber der andere Krieger war nicht zufrieden. „Bitte überdenk das! Willst du nicht noch warten bis…“

    Und da war es: ein Geräusch. Genau in der Mitte des gesprochenen Satzes, wo er es am wahrscheinlichsten überhört hätte. Der Klang von Stahl auf altem Leder, ein Dolch, der aus seiner Hülle gezogen wurde. Sein Freund wirbelte zu ihm herum und stach zu. Raphael machte einen Satz zurück, aber es war zu spät. Die Klinge riss seinen Bauch auf. Schmerz schoss wie ein Blitz in seine Glieder und kaltes, schleimiges Blut rann an ihm herab bis zu seinen Knien.

    „Es gibt nichts mehr von mir auf dieser Welt“ knurrte der Verräter, seine scharfen Eckzähne gefletscht. Die rostroten Augen fixierten ihn, funkelnd vor Hass, der endlich seinen Weg an die Oberfläche gefunden hatte. „Mein Vermächtnis ist zerstört, weil du zu feige warst, uns in den Kampf zu führen. Es wird für dich kein Zurücktreten geben, Meister der Waffen“. Die letzten drei Worte würgte er hervor, als ob der Titel in seinen Augen für alle Zeit besudelt war, ein Schimpfwort, ein Fluch. Ein weiterer Dolch-Hieb, diesmal von unten nach oben. Er verfehlte nur knapp Raphaels Rippen. Der scharfe Geruch von Blut umgab sie, so stark, dass der Rest der Patrouille ihn garantiert ebenfalls wahrnahm. Aber sein Gegner war kein Narr. Er war sicher, damit davonzukommen, sonst hätte er niemals zugeschlagen.

    Etwas surrte durch die Luft. Ein Armbrustbolzen zertrümmerte Raphaels Schulterblatt und bohrte sich knapp unter seinem Schlüsselbein wieder heraus. Er blickte an sich hinab und erspähte die wiederhakenbewehrte Spitze.

    Die Sehnen an diesen Waffen waren so stark, dass kein Mensch sie spannen konnte. Niemand, nicht einmal er, konnte sich viele Treffer leisten.

    Er stieß dem Krieger mit dem blauen Mantel seinen Ellenbogen mit solcher Wucht ins Gesicht, dass diese mehrere Schritte rückwärts taumelte. Dann wirbelte er herum, alarmiert durch das erneute Knirschen einer Armbrustsehne. Er fing den Bolzen mit rechts auf, eine Hand breit entfernt von seinem linken Auge. Er blickte in die Gesichter seiner ehemaligen Mitstreiter, aber fand dort nur dieselbe ungezügelte Verachtung. Der Schuss war von einem Mädchen abgefeuert worden. Sie hatte schmale Augenbrauen und eine kleine, sichelförmige Narbe auf ihrer Stirn. Zu Hause im Nest nannte man sie ‘Giroflée ‘, aber an ihren wahren Namen konnte er sich nicht erinnern, so sehr er es wünschte. Er holte aus und schleuderte den Bolzen, den er gefangen hatte, auf Sie zu.

    Er traf. Das grässliche, nasse Krachen durchbrach die Stille und sie stürzte auf die Knie, ihren leeren Blick noch immer fest auf ihn gerichtet. Ihr Schädel war gespalten. An den Fingern und Unterarmen beginnend, löste sich ihre Form auf und zerfiel zu feinem, grauem Staub, den der Wind wegriss, als hätte es sie niemals gegeben. Raphael brauchte weder seinen aufgeschlitzten Magen noch die durchlöcherte Lunge, aber er konnte fühlen, wie das Blut seinen Körper in Strömen verließ und seine mystischen Kräfte mitnahm. Es gab keinen Sieg für ihn. Zitternd und ächzend vor Schmerz, ließ Raphael sich auf die Handflächen fallen und konzentrierte sich. Er stellte sich vor, wie er von einer Haut in die andere wechselte, und es geschah.

    Gelenke verdrehten sich, sprangen aus ihren Sockeln, nur um sich neu zu verbinden, Muskeln schrumpften zu winzigen Überresten ihrer selbst und Organe schoben einander aus dem Weg. Dünnes, braunes Fell spross hervor und seine Finger verformten sich zu den ledrigen Schwingen einer kleinen Fledermaus. Erneut sauste kalter Stahl auf ihn nieder, diesmal von dem jüngeren Kämpfer, der mit Giroflée am Tor gelauert hatte.

    Er stieß sich vom Boden ab und rollte auf die Seite, um auszuweichen. Er war sich nicht sicher, ob er getroffen war oder nicht. Zum Wundenlecken war ohnehin keine Zeit. Der kleine Kopf schnappte zu und verbiss sich im Handrücken des jungen Angreifers. Dieser knurrte und riss seinen Arm zurück. Raphael dachte für einen Moment, dass die Wucht, mit der er in den Nachthimmel geschleudert wurde, ihm den Kiefer brechen würde, aber als er sein Maul wieder öffnete, war er gerade hoch genug, um abzuheben. Eine harsche Windböe ergriff ihn und er musste dagegen ankämpfen, um nicht gegen den Stamm einer Kastanie gedrückt zu werden.

    Die Rinde streifte seine Flügelspitze. Er hörte noch ein weiteres Surren. Es erschien ihm wie der grässlichste Klang, den je ein Wesen vernommen hatte. Der Bolzen streifte seinen Kopf und ließ einen triefenden, pulsierenden Stumpf zurück, wo vorher sein linkes Ohr gewesen war. Blut rann seine Stirn hinunter in seine Augen. Die Sterne, das Wasser und das Gras wurden rot. Die Welt war doch gerecht. Ein letzter Flügelschlag, um an Höhe zu gewinnen, dann konnte er vielleicht noch außer Reichweite gelangen und irgendwo Schutz suchen. Ein Schatten tauchte unter ihm auf. Ein Wolf mit schwarzem Pelz und rostroten Augen hetzte lautlos über die Wiese unter ihm. Das Biest schloss mit riesigen Sätzen zu ihm auf und stieß sich mit seinen mächtigen Läufen vom Boden ab. Die Kiefer schnappten zu und zermalmten die Fledermaus zwischen seinen Zähnen.

    Den Kopf hocherhoben stand er da und ließ den Staub langsam über seine Lefzen rieseln. Mit seiner Lust auf Rache endlich befriedigt, wandte er sich ab und trabte davon. Sein schwarzes Fell verschmolz mit der Nacht, wie ein Wassertropfen, der wieder eins mit dem Meer wurde. Und sein verbliebener Mitverschwörer folgte schweigend.

    6 Mal editiert, zuletzt von Feron (11. April 2024 um 18:29)

  • So, ich bin jetzt auch endlich mal dazu gekommen mir deine Geschichte zu Gemüte zu führen :)

    Die Idee, die hinter der Geschichte steckt, wie du sie in deinem Klappentext beschrieben hast, ist wage, aber durchaus interessant. Ich bin auf alle Fälle gespannt, wie du das alles umsetzen wirst. Der Hinweis bezüglich des Gewaltaktes finde ich auf der einen Seite nicht schlecht, aber um ehrlich zu sein, fand ich diesen Abschnitt nicht außergewöhnlich gewaltätig..... meine Meinung, kann jede anders sehen und auch empfinden.

    Ein paar Sachen sind mri sprachlich nicht aufgefallen.


    „Mein Beileid für deinen Verlust“ (Komma) flüsterte die Kreatur zu ihrem Komplizen.

    „Ich hätte das verhindern müssen.(Komma statt Punkt!) presste er schließlich hervor.

    Du führst hier ja den Satz weiter, nachdem du die wörtliche Rede beendet hast, deswegen kommt da nen Komma hin!

    „Es zerfrisst mich von innen.“ Du hattest das nicht verdient. Raphael drehte seine Hand nach innen und hielt sie über sein Herz. Sein Begleiter zuckte mit den Schultern und starrte auf den Teich hinaus. „Man hat sie tot in ihren Betten gefunden. Es ist unwahrscheinlich, dass sie überhaupt nochmal aufgewacht sind. Niemand im Haus Sures wusste, dass Sie zu mir gehören. Sie haben einfach nur ihren Durst gestillt. Mein Sohn und seine Kinder konnten diese Welt ohne Angst und Schmerzen verlassen und dafür bin ich dankbar.“

    hier ist mir tatsächlich nicht ganz klar, ob beide abwechselnd sprechen oder nur einer. Das müsste du mal schauen. Sonst fehlt auf alle die Anführungszeichen für die wörtliche Rede. Wenn beiden tatsächölich sprechen, würde ich an deiner Stelle hier auch einen Absatz rein machen, damit der Sprachwechsel der Personen deutlicher wird.

    „Als Stratege hast du getan, was du musstest.“(Komma statt Punkt, wie zuvor schon erklärt) fügte die Bestie mit dem blauen Mantel an. „Wenn du den Sures-Bastarden das Industriegebiet nicht überlassen hättest, wären wir beim Versuch es zu verteidigen (an diese Stelle würde ich noch ein Komma setzen.... bin mir aber nicht ganz sicher) aufgerieben worden. Es war eine Zahlenfrage. Ich verstehe und akzeptiere das.“

    „Es war der einzige mögliche Zug in einem Spiel, das ich nicht fortsetzen kann. Ein anderer Meister der Waffen hätte vielleicht dasselbe getan, aber dann wäre nicht ich derjenige gewesen, der damit weiterleben muss. Wie könnte ich dich ein weiteres Mal in den Kampf schicken und dein Leben aufs Spiel setzen, in dem Wissen, dass ich versagt habe, als du mich am meisten gebraucht hast?“ Er senkte seinen Arm wieder ab, verblieb aber, wo er stand, anstatt weiter zu gehen. „Ich werde Morgen als Meister der Waffen (Waffenmeister---- um die Widerholung zu vermeiden!) zurücktreten.“ (Komma statt Punkt und dann klein weiterschreiben! )Erklärte er, seine Stimme gerade so über ein Flüstern erhoben. (Absatz--- für mein Empfinden) Als die Worte gesagt und gehört waren, gab es kein Zurück mehr. Er stellte sich einen Moment in der fernen Zukunft vor. Fünf oder sechs Monate entfernt von hier, wenn alles Erklären und Rechtfertigen hinter ihm lag und er wieder Gleicher unter Gleichen war. Die Toten würden lange begraben liegen und die Trauer würde unweigerlich einem neuen Alltag gewichen sein. Er würde ein kleiner Teil in einem großen Ganzen sein, der jagte, patrouillierte, kämpfte, wenn es befohlen wurde und dazwischen ruhte. Mehr nicht. Die Zeit konnte nur vorwärts fließen, niemals zurück, und so würde er diesen Punkt unweigerlich erreichen, egal wie lang und schwer der Weg dorthin war. Raphael fand Trost darin. „Bitte überdenk das! Willst du nicht noch warten bis…“

    Und da war es: Ein Geräusch. in (groß) der Mitte eines Satzes, wo er es am wahrscheinlichsten überhört hätte. (Ehrlich gesagt macht dieser Satz für mich nicht wirklich Sinn....) Der Laut, den etwas Metallisches machte, wenn es über etwas Starres, aber Weiches schleifte. Der Klang von Stahl auf altem Leder, ein Dolch, der aus seiner Hülle gezogen wurde. Sein Freund wirbelte zu ihm herum und stach zu. Raphael machte einen Satz zurück, aber es war zu spät. Die Klinge riss seinen Bauch auf. Schmerz schoss wie ein Blitz in seine Glieder und kaltes, schleimiges Blut rann an ihm herab bis zu seinen Knien. „Es gibt nichts mehr von mir auf dieser Welt“(Komma) knurrte der Verräter, (mit gebleckten Zähnen)------, Komma weg) seine scharfen Eckzähne gefletscht.

    Lila: Kannst du mir erklären, wie etwas metallisches sowohl starr als auch weich sein kann?! Das wiederspricht sich in sich. Etwas metallisches kann nicht weich sein, es sei denn es ist in flüssiger Form, was ein Dolch definitiv nicht ist!

    Orange: Wenn Blut aus dem Körper austritt ist dieses noch warm und nicht kalt. Kalt wird es erst, wenn es einige Zeit der Luft ausgesetzt ist...

    Raphael stellte sich vor, wie er von einer Haut in die andere wechselte und es geschah.

    Hier hätte ich mir doch etwas mehr Umschreibung zum Wechseln der Haut in eine Tierform gewünscht. Da könntest du zum Beispiel das Gefühl mit einbringen, was Raphael beim Hautwechseln hat. Beispielsweise steigt dann ein Kribbeln in den Beinen und Armen auf....

    Gelenke verdrehten sich, sprangen aus ihren Sockeln nur um sich neu zu verbinden, (Punkt) Muskeln schrumpften zu winzigen Überresten ihrer selbst und Organe schoben einander aus dem Weg. Dünnes, braunes Fell spross (schoss) hervor und seine Finger verformten sich zu den ledrigen Schwingen einer kleinen Fledermaus. Erneut sauste kalter Stahl auf ihn nieder, diesmal von dem jüngeren Kämpfer, der mit Giroflée am Tor gelauert hatte.

    Dieser schrie auf und riss seinen Arm noch oben.

    nach

    Ich muss noch dazu sagen, dass mir dein Text an der einen oder anderen Stelle ein bisschen "unrund" vorkommt. Aber dies ist auch nur mein empfinden. Vielleicht sehen das einige der anderen Leser anders. Aber aus meiner Sicht passen einige Begriffe irgendwie nicht zu den anderen, auch wenn du sie verwendet hast um Wiederholungen zu vermeiden, macht es den Text doch gestellt und nicht flüssig...

    Ich hoffe mal, dass meine Kritik nicht zu hart war und du es nicht als persönlichen Angriff auf deine Geschichte auffasst. Es sind mir halt nur ein paar Dinge aufgefallen, die ich so nicht machen bzw. schreiben würde.

    xoxo

    Kisa

  • Hi, guter Einstieg. Da lässt sich mit Sicherheit viel draus machen.

    Ein kleiner Tip: Vermeide so gewaltige Textblöcke, die ermüden deine Leser schnell. Ab und zu eine neue Zeile, wenn es thematisch ein Bisschen passt, wirken da Wunder.

    Oh, mein allererster Gedanke? Ich versuchte Rankental ins Französische zu übersetzen, spielt ja in Fronggreisch, n'est pas?
    Rankental (mit der unzuverlässigen Hilfe von Google) = Vallée du vrilles

    Werde hier weiter mitlesen und dir mit meinem Tips sicher bald auf die Nerven gehen! :D

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Danke, Kisa !

    Zitat


    Der Hinweis bezüglich des Gewaltaktes finde ich auf der einen Seite nicht schlecht, aber um ehrlich zu sein, fand ich diesen Abschnitt nicht außergewöhnlich gewaltätig.....

    Ja. Ich warne lieber einmal Zuviel als zu wenig. Verlust von Körperteilen ist ja schon nicht ohne. Die Gewalt ist hauptsächlich dazu da die Gefahr zu betonen die von Vampiren aus geht. Mehr muss für dieses Manuskript nicht sein.

    Zitat


    Lila: Kannst du mir erklären, wie etwas metallisches sowohl starr als auch weich sein kann?! Das wiederspricht sich in sich.

    Der Dolch ist nicht gemeint. "starr und weich" bezieht sich auf die lederne Hülle. Ich kann es auch bei "...Der Klang von Stahl auf altem Leder, ein Dolch, der aus seiner Hülle gezogen wurde. " belassen, aber ich wollte versuchen alles was mit Gehör zu tun hat super detailliert zu beschreiben, solange es aus der Perspektive eines Vampirs passiert, um besser rüber zu bringen das es sich hier um übernatürliche Wahrnehmung handelt.

    Zitat

    Wenn Blut aus dem Körper austritt ist dieses noch warm und nicht kalt.

    Vampire in diesem Universum haben kein eigene Körperwärme. Es ist sogar später ein Plot-Punkt das sie festfrieren können wenn sie zu lange bei zu niedrigen Temperaturen draußen sind. Wenn ein Mensch verletzt wird, wird das Blut immer als warm beschrieben.

    Zitat

    Ich muss noch dazu sagen, dass mir dein Text an der einen oder anderen Stelle ein bisschen "unrund" vorkommt. Aber dies ist auch nur mein empfinden.

    Ja. Das ist der Hauptgrund dafür das ich es hier posten wollte. Ich hatte diese Idee im Kopf dem Leser diesen Mord zu zeigen, aber den Namen und Identität des Mörders nicht auf zu decken. Die Handlung präsentiert mehrere Charaktere die es gewesen sein könnten, aber wenn ich den Angreifer zu sehr beschreibe funktioniert das nicht mehr. Ich gehe nochmal drüber und schaue nach wo ich mich noch besser ausdrücken kann.

    Zitat

    Ich hoffe mal, dass meine Kritik nicht zu hart war und du es nicht als persönlichen Angriff auf deine Geschichte auffasst. Es sind mir halt nur ein paar Dinge aufgefallen, die ich so nicht machen bzw. schreiben würde.

    Ach, was ! ^^ Ich habe ja drum gebeten. Ich will wirklich, wirklich Autorin werden und Kritik gehört dazu. Ich höre natürlich auch immer gerne was gut war damit ich mehr davon einarbeiten kann.

    Vielen Dank fürs Lesen Tom Stark !

    Zitat

    Ein kleiner Tip: Vermeide so gewaltige Textblöcke, die ermüden deine Leser schnell. Ab und zu eine neue Zeile, wenn es thematisch ein Bisschen passt, wirken da Wunder.

    Ja, hast recht. Das Posten ins Forum hat meine Formatierung nicht übernommen. Ich mache die Absätze das nächste Mal manuell.

    Zitat

    Oh, mein allererster Gedanke? Ich versuchte Rankental ins Französische zu übersetzen, spielt ja in Fronggreisch, n'est pas?

    Rankental (mit der unzuverlässigen Hilfe von Google) = Vallée du vrilles

    Der Gedanke ist mir auch gekommen. Aber ich muss ja von deutschen Lesern ausgehen und da könnte "Vallée du vrilles" zu viel sein, weil man dann über die Aussprache stolpert. Der Name "Rankental" ist aber nicht plotrelevant. Wenn dir etwas schönes einfällt das Französisch klingt aber simpel genug ist das man es als Deutscher leicht lesen und aussprechen kann, immer her damit! Das zu ändern wäre ne Sache von "find and replace".

    Zitat

    Werde hier weiter mitlesen und dir mit meinem Tips sicher bald auf die Nerven gehen! :D

    Du nervst nicht! Ich freue mich deine Meinung zu hören.

  • Kapitel 1

    „Es ist wunderschön“, log Lafayett. Seine betagte Haushälterin wirbelte in einem brandneuen, beigen Alltagskleid durch die Küche, und die dünne Haut um ihre Mundwinkel zerknitterte sich zu einem Lächeln. Der graue Rüschen-Kragen hätte dem Gesicht einer blassen, filigranen Dame sicher geschmeichelt, aber Madame Perrin, mit ihrem dicken Hals, sah darin aus wie ein Rebhuhn.

    „Mir war klar, dass du es bemerken würdest“. Ihre flachen Schuhe klackerten über die Fliesen und ihre Finger fuhren immer wieder über die neuen Perlmutt-Knöpfe. Sie stoppe kurz vor ihm und tätschelte liebevoll seine Wange. Es gefiel ihm sie so zufrieden zu sehen. Das Kleid machte sie glücklich und das war ohne jeden Zweifel wunderschön. „Es hing im Schaufenster in der Toudouze-Straße“, beschrieb sie und drehte sich zum Herd zurück, um hastig in einer Pfanne zu rühren.

    Ein Eiergericht brodelte in einem tiefen Buttergeysir, und das Aroma von Zwiebeln und salzigem Ziegenkäse expandierte in alle Teile des Hauses. „Es war nicht ganz billig und ich musste die Ärmel kürzen.“ " Aber ich hab’ mir gesagt: ‘Emma, Leichenwegen haben keine Anhänger‘ und hab’s dann doch genommen. Die Nähmaschine brauchte sowieso etwas Liebe und ein paar Tropfen Öl. Du hast dich übrigens mit der Rasierklinge geschnitten, Herzchen."

    Er trat an das große Fenster heran, von dem aus man in den Küchengarten sehen konnte, und schob die bestickten Schmetterlingsgardinen noch weiter auseinander. Die Sonne konnte für ihn nie hell genug scheinen. Sein Spiegelbild schaute aus dem sauberen Glas, voller Zuversicht zu ihm zurück. Der Schnitt am Kinn blutete noch. Eine dünne, rote Linie rann seinen Hals hinunter, bis er sie kurz vor seinem Kragen mit dem Handrücken wegwischte. Sein welliges, aschblondes Haar war endlich lang genug, um seine Ohren zu verdecken. Man hatte ihm immer gesagt, sie wären symmetrisch genug, aber konnte deutlich sehen, dass sie nicht im selben Winkel vom Kopf abstanden. Sie verspotteten ihn im Spiegel, und es war längst nicht sicher, dass es sich mit der Zeit nicht verschlimmern würde. Seine neue Löwenmähne machte mehr Arbeit, aber sie gefiel ihm.

    Das Lurand-Haus war zu bescheiden für einen designierten Speisesaal, aber der Platz, den sie hatten, war geschickt ausgenutzt. Seine Mutter, Aurelie, trug bei jedem Besuch in der Schreinerei ein Maßband um ihre Hand gewickelt mit sich, und stellte sicher, dass man in den Zimmern selbst mit ausladenden Reifröcken bequem aneinander vorbeigehen konnte. Sie hatte sich nicht gescheut, den Malern immer wieder ins Wort zu fallen, und hatte wie eine Tigerin darum gekämpft, ihre spezifische Version von einer Wandfarbe zwischen Creme und Savannenbeige durchzusetzen. Sie behandelte das Landhaus wie einen Palast, also war es genau das.

    Auf der Fensterbank wartete ein Picknickkorb. Zwei Flaschen selbstgemachte Himbeerlimonade lugten verführerisch über den Rand. Lafayett hob ein Stück Wachspapier an und erspähte darunter Millefeuille, mit dem idealen Verhältnis von Sahne, Erdbeeren und Blätterteigschichten. Es war perfekt. Am liebsten hätte er sofort zugegriffen, aber es wäre unhöflich gewesen, das Frühstück zu verschmähen, das Madame Perrin für ihn vorgesehen hatte.

    „Nun, setz dich endlich!“ Sie deutete auf den freien Stuhl am Kopfende. „Du machst mich nervös, wenn du hinter mir rumstehst.“ Sie füllte seinen Teller mit grasig duftenden Rucola-Blättern und goldbraunem Omelett. Das Gericht schrie nach Speck, aber kein böses Wort darüber überwand jemals seine Lippen. Herr Perrin war erst zwei Jahre zuvor an Herzversagen gestorben, mit einem halb verzehrten Nackensteak auf seinem Teller. Vielleicht erinnerte der Geruch sie an ihren Verlust, oder sie glaubte, ihre Kochkunst hatte zum Tod ihres Ehemannes beigetragen. Was auch immer in ihr vorging, Schweinefleisch existierte für sie nicht mehr.

    Die lackierten Türscharniere quietschten und seine ältere Schwester Pricilla stakste auf hohen Absätzen herein. Sie hatte ihr blondes Haar zu einem Zopf geflochten, aber noch keinerlei Schminke aufgelegt. Sie mochte es am Frühstückstisch zu lesen, aber die öligen Cremes und Puder hafteten an den Fingern und verursachten, wie sie versicherte, unweigerlich Flecken auf den Seiten. In den letzten Jahren hatten Sommersprossen nach und nach den Rücken ihrer feinen Stupsnase eingenommen. Man konnte die meisten davon selbst unter aufwendiger Kosmetik noch sehen. Das Gegenteil war der Fall für ihre Wimpern, die so hell und unauffällig waren, dass sie schwarze Tusche benutzen musste, um sie zum Vorschein zu bringen.

    „Guten Morgen, Madame Perrin“.

    „Guten Morgen, Prinzessin“.

    Sie nahm Platz, stützte sich auf ihren Ellenbogen und hielt das Buch nah an ihr Gesicht. Der dunkelgrüne Umschlag zeigte das Bild eines mit Seepocken überwucherten Steuerrads. Lafayett beugte sich vor, um einen Blick auf den Roman zu erhaschen, den sie las. Er überflog ein paar Zeilen und erfuhr das tragische Schicksal von „Paul Krüger“, welcher sich mit Lampenöl überschüttete und den Freitod im Feuer suchte, bevor die Parasiten-Eier in seinem Brustkorb schlüpften und sich in ganz Europa ausbreiteten konnten. Er lehnte sich wieder zurück und überließ die Einzelheiten des fiktiven Massakers wieder der Vorstellungskraft Pricillas.

    Er schluckte einen Bissen herunter und fragte dann: „Madame Perrin?“ Sind meine Polo-Stiefel eingefettet? " Die alte Dame ließ vor Schreck die Schüssel, die sie gerade spülte, ins Seifenwasser fallen. Einige Seifenblasen lösten sich und schwebten über der Küchenzeile.

    „Ich habe es vergessen“ keuchte sie mit geweiteten Augen. „Ich hab' an das Essen gedacht, aber nicht an die Stiefel.“ Sie ließ den Abwasch abrupt stehen und bückte sich zu einer der unteren Schubladen, wo die Schuhcreme einsortiert war. Ihr Gesicht erschien ihm so bleich wie Streusalz. Lafayett erhob sich, packte ihre Schulter und richtete sie wieder auf.

    „Bitte belasten Sie sich nicht damit.“ Es ist noch genug Zeit. Ich erledige das selbst".

    „Es selber erledigen?!“ Ihre Augen funkelten feurig. „Am besten ich fange an dir Gehalt zu zahlen. Wenn du nicht gefragt hättest, dann hättest du mit dreckigen Stiefeln spielen müssen. Selber erledigen, als ob“.

    Ehe sie weiter protestieren konnte, nahm er die Schuhcreme an sich und drängte sich zwischen sie und das Spülbecken.

    „Kommen sie zu meinem Spiel! Sie haben eine Pause mehr als verdient. Sie können meine Freunde treffen und mich anfeuern.“

    Ihr Lächeln verflog und ihre Augenbrauen zogen sich eng zusammen, als sie versuchte, ihn mit einer Handbewegung zurück an den Esstisch zu scheuchen, wie man ein Huhn zurück in den Stall treiben würde.

    „Das wäre nicht angemessen. Die Tribünen sind für die Familien der Spieler gedacht und nicht für deren Personal.“

    Er griff sachte ihre vom Seifenwasser aufgeweichten Hände und blickte sie aus seinen eisblauen Augen heraus an. Sie erstarrte.


    „Die Plätze sind für Personen vorgesehen, die ich um mich haben möchte. Damit sind sie qualifiziert“. Seine Stimme wankte nicht eine Silbe lang.

    „Mutter hat ihre Buch-Club-Besprechung.„ Sprach er weiter. „Und Pricilla würde an Ausschlag erkranken, wenn sie versehentlich zu viel Spaß hat. Können Sie sich etwas Traurigeres vorstellen als einen Spieler, der ein Tor erzielt, aber von niemandem bejubelt wird? Also Ich kann es nicht!“

    Pricilla, die mit einer Hand ihren Salat aß und mit der anderen ihr Buch hielt, ließ ihre Gabel zurück auf den Teller sinken und bedachte den Kommentar ihres Bruders mit einer obszönen Geste, die Madame Perrin in Schnappatmung versetzt hätte, wenn die alte Dame sie auch nur aus den Augenwinkeln gesehen hätte. Aber Lafayett machte einen Schritt zur Seite, um ihr gerade noch rechtzeitig die Sicht zu versperren.

    „Nein.“ Beharrte sie und riss ihre nassen Finger aus seinem Griff, nur um seine Hände sofort mit einem Spülhandtuch trocken zu tupfen. „Ich brauche keine Pause und ich will auch nicht nochmal sehen, wie mein Junge vom Pferd fällt und sich die Knochen bricht“.

    "Meine Schulter war nur ausgekugelt, nicht gebrochen.“ Protestierte er und presste schmollend die Lippen aufeinander.

    „Wortklauberei. Iss jetzt auf! Ich mache den Abwasch und kümmere mich dann um die Stiefel".

    Sie drehte sich wieder um und hielt das Thema für beendet. Er aber ging hinüber zur Fensterbank und nahm die beiden verkorkten Flaschen heraus und stellte sie lieblos auf der Arbeitsfläche neben Madame Perrin ab. „Was tust du jetzt!?“ Blaffte sie ihn an. Hör und sichtbar am Ende ihrer Geduld.

    „Der Spielbeginn ist erst um Zwölf. Wie gedenken sie die Getränke bis dahin kühl zu halten?"

    Sie drehte langsam ihren Kopf zu ihm und sah ihn an, als wären ihm spontan Eselsohren gewachsen. „Du hast sie immer warm getrunken.“

    „Madame Perrin, es steht auch mir zu meinen Geschmack zu ändern und um das zu realisieren, müssen die Flaschen im Eisschrank bleiben und mir pünktlich zum Spiel überbracht werden.“

    Die alte Haushälterin schloss die Augen, schmunzelte und schüttelte resignierend den Kopf. „Sturkopf!“ Schimpfte sie. „Ich werde da sein und dir den Korb mitbringen. Aber du versprichst mir, dass du friedlich spielst und niemandem weh tust. Vor allem dir selbst nicht.“

    „Natürlich Madame Perrin. Es wird die zivilisierteste Partie Polo, der sie jemals beigewohnt haben.“ Er verneigte sich albern vor ihr und ließ sich dann zurück in seinen Stuhl sinken.

    Die weiße Tür, welche die Küche vom Hausflur trennte, quietschte erneut und verkündete die Ankunft von Aurelie Lurand, der Matriarchin der Familie. Ihre beiden Kinder wurden still, setzten sich gerade und achteten darauf, dass ihre Ellenbogen die Tischdecke nicht berührten. Allein Madame Perrin klapperte weiter mit dem Geschirr im Spülbecken.

    Aurelie war üblicherweise die Letzte am Frühstückstisch. Sie war mit beträchtlicher Würde gealtert, brauchte aber dennoch mit jedem Jahr etwas länger vor dem Schminkspiegel, ehe sie sich bereit sah, das Haus zu verlassen. Der Stoff eines lavendelfarbenen Sommerkleids klammerte sich an ihre Taille und endete in mehreren Reihen überlappenden Rüschen eine Hand weit über den Knöcheln. In ihren haselnussbraunen Locken lag eine goldene Haarspange in der Form eines Ahornblattes – fast so als wäre es natürlich von einem Baum gefallen und zufällig dort liegen geblieben. Die noble Dame lächelte immer mühelos, besonders wenn ihre Tochter sich im selben Raum aufhielt.

    „Guten Morgen, Kinder.“ Zirpte sie und nickte ihnen nacheinander zu. Zuerst Lafayett und dann Pricilla. Beide beobachteten sie genau. Lafayett hätte ihr niemals vorgeworfen, zu nörgeln oder Vorschriften zu machen. Sie bot vielmehr sachdienliche Hinweise an, was man tun konnte, um Wertschätzung für ihre vielen Jahre aufopferungsvoller Kindererziehung auszudrücken.

    „Guten Morgen, Madame Perrin. Es riecht köstlich, wie üblich.“ Sie nahm Platz und Pricilla entspannte sich wieder, in dem Glauben, sie hätten die Inspektion überstanden, während ihr Bruder weiterhin aufmerksam blieb. Ihre Mutter kratzte schließlich kaum merklich mit der Spitze eines Fingernagels auf der Unterseite eines anderen. Pricilla blickte auf ihre eigenen Hände, und in der Tat waren ihre Nägel etwas zu lang. Ein dünner Streifen Dreck hing darunter fest, den sie ohne eine Feile nicht mehr erreichen konnte. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und verbarg ihre Schande.

    Die Haushälterin servierte der Dame des Hauses ihr Frühstück, während Lafayett sich fragte, ob Emma sich in letzter Zeit öfter für Salat entschied, weil sie begonnen hatte, Aurelies Verspätungen einzuplanen und zumindest beim Frühstück vermeiden wollte, seiner Mutter die Portion immer nachträglich aufzuwärmen. Er aß langsamer, um sie nicht allein am Esstisch zurücklassen zu müssen.

    „Was bespricht der Buchclub heute?“ Erkundigte er sich mit gespieltem Interesse.

    „Wir sind gerade in der Mitte von `Spiegelscherben`. Es ist ein Drama über Vetternwirtschaft aus der Sicht der Person, welche die bevorzugte Behandlung erfährt und wie die Abwesenheit von Erwartungen und ehrlicher Kritik sein Selbstwertgefühl langsam zerfrisst.“ Sie nippte an ihrem Tee und nahm sich dann einen weiteren Würfel Zucker aus dem kleinen Becher vor ihr. „Wenn wir damit durch sind, bin ich wieder an der Reihe, etwas auszusuchen. Es gibt da eine interessante Geschichte über eine Mutter, die das monatliche Budge ihres Sohnes drastisch kürzt, in der Hoffnung, dass es ihn wiederum bewegt, seine absurd langen Haare zurechtzustutzen.“

    Laffayett nickte höflich und machte zustimmende Laute. „Ich hoffe der Autor geht auf den Aspekt der Selbstverwirklichung ein und zieht den Schluss, dass es ultimativ nicht die Mutter ist, welche mit den Entscheidungen ihres Sohnes leben muss.“

    Precilla lehnte sich näher zu ihm und flüsterte gehässig in sein Ohr. „Netter Versuch.“

    Das feine weiße Porzellan klirrte etwas, als Aurelie ihre Tasse zurück auf den Untersetzer stellte. Ihr Sohn vermied Blickkontakt mit ihr, aber sie streckte die Hand nach seiner Wange aus und hob sanft seinen Kopf, bis er sie ansah. „Deine Ohren sind -nicht- asymmetrisch. Das bildest du dir nur ein. Du bist sehr gutaussehend und tust dir selbst keinen Gefallen, wenn du das nicht zur Geltung bringst“.

    „Danke, Mutter.“ Sprach er und setzte sein Frühstück dann schweigend fort.

    Die edlen Damen und Herren von Rankental hatten in diesem Jahr wegen des schlechten Wetters lange auf ihre Picknicks, Segelregatten und Gartenfeiern warten müssen. Und nun, da sie endlich wieder fähig waren, ihre sozialen Verknüpfungen zu erneuern, strömten sie in die Parks und blühenden Obsthaine, verabredeten sich zu Jagden, Ausritten oder ließen ihre Angelausrüstung an den Fluss bringen. Die ganze Stadt lechzte nach Zusammensein und jeder Anlass war Grund genug.

    Lafayett liebte den Frühling, aber er war auch dankbar für die oft recht harschen Winter der Region. Schneefall, Bodenfrost und allgemeine Kälte hatten ihre Schattenseiten, hauptsächlich für arme Leute natürlich. Aber sie lebten dicht am Wasser und Stechmücken und Bremsen mussten wirklich nicht -alle – überleben, um in der warmen Jahreszeit zu tun, was Ungeziefer tut.

    Auf seinem Schreibtisch sammelten sich, wie immer um diese Zeit, die Einladungen. Er hatte jene, denen er nicht nachkommen wollte oder konnte, gleich in seinen Schubladen verstaut, um es für seine Mutter und seine Schwester weniger offensichtlich zu machen, dass sein Stapel der größte war. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen, die beiden eifersüchtig zu machen, obwohl er, wie er fand, das Recht gehabt hätte, stolz auf sich zu sein.

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    „Es ist wunderschön“, log Lafayett. Seine betagte Haushälterin wirbelte in einem brandneuen, beigen Alltagskleid durch die Küche und die dünne Haut um ihre Mundwinkel zerknitterte sich zu einem Lächeln. Der graue Rüschen-Kragen hätte dem Gesicht einer blassen, filigranen Dame sicher geschmeichelt, aber Madame Perrin, mit ihrem dicken Hals, sah darin aus wie ein Rebhuhn.

    „Mir war klar, dass du es bemerken würdest“. Sie stoppe kurz vor ihm und tätschelte liebevoll seine Wange. Ihre flachen Schuhe klackerten über die Fliesen und ihre Finger fuhren immer wieder über die neuen Perlmutt-Knöpfe. Es gefiel ihm, sie so zufrieden zu sehen. Das Kleid machte sie glücklich und das war ohne jeden Zweifel wunderschön. „Es hing im Schaufenster in der Toudouze-Straße“, beschrieb sie und drehte sich zum Herd zurück, um hastig in einer Pfanne zu rühren. Ein Eiergericht brodelte in einem tiefen Buttergeysir, und das Aroma von Zwiebeln und salzigem Ziegenkäse expandierte in alle Teile des Hauses. „Es war nicht ganz billig und ich musste die Ärmel kürzen. Aber ich hab’ mir gesagt: ‘Emma, Leichenwagen haben keine Anhänger‘ und hab’s dann doch genommen. Die Nähmaschine brauchte sowieso etwas Liebe und ein paar Tropfen Öl. Du hast dich übrigens mit der Rasierklinge geschnitten, Herzchen.“

    Er trat an das große Fenster heran, von dem aus man in den Küchengarten sehen konnte, und schob die bestickten SchmetterlingsGardinen noch weiter auseinander. Die Sonne konnte für ihn nie hell genug scheinen. Sein Spiegelbild schaute aus dem sauberen Glas, voller Zuversicht zu ihm zurück. Der Schnitt am Kinn blutete noch. Eine dünne, rote Linie rann seinen Hals hinunter, bis er sie kurz vor seinem Kragen mit dem Handrücken wegwischte. Sein welliges, aschblondes Haar war endlich lang genug, um seine Ohren zu verdecken. Man hatte ihm immer gesagt, sie wären symmetrisch genug, aber er konnte deutlich sehen, dass sie nicht im selben Winkel vom Kopf abstanden. Sie verspotteten ihn im Spiegel, und es war längst nicht sicher, dass es sich mit der Zeit nicht verschlimmern würde. Seine neue Löwenmähne machte mehr Arbeit, aber sie gefiel ihm.

    Das Lurand-Haus war zu bescheiden für einen designierten Speisesaal, aber der Platz, den Sie hatten, war geschickt ausgenutzt. Seine Mutter, Aurelie, trug bei jedem Besuch in der Schreinerei ein Maßband um ihre Hand gewickelt mit sich und stellte sicher, dass man in den Zimmern selbst mit ausladenden Reifröcken bequem aneinander vorbeigehen konnte. Sie hatte sich nicht gescheut, den Malern immer wieder ins Wort zu fallen, und hatte wie eine Tigerin darum gekämpft, ihre spezifische Version von einer Wandfarbe zwischen Creme und Savannenbeige durchzusetzen. Sie behandelte das Landhaus wie einen Palast, also war es genau das.

    Auf der Fensterbank wartete ein Picknickkorb. Zwei Flaschen selbstgemachte Himbeerlimonade lugten verführerisch über den Rand. Lafayett hob ein Stück Wachspapier an und erspähte darunter Millefeuille mit dem idealen Verhältnis von Sahne, Erdbeeren und Blätterteigschichten. Es war perfekt. Am liebsten hätte er sofort zugegriffen, aber es wäre unhöflich gewesen, das Frühstück zu verschmähen, das Madame Perrin für ihn vorgesehen hatte.

    „Nun, setz dich endlich!“ Sie deutete auf den freien Stuhl am Kopfende. „Du machst mich nervös, wenn du hinter mir herumstehst.“ Sie füllte seinen Teller mit grasig duftenden Rucola-Blättern und goldbraunem Omelett. Das Gericht schrie nach Speck, aber kein böses Wort darüber überwand jemals seine Lippen. Monsieur Perrin war erst zwei Jahre zuvor an Herzversagen gestorben, mit einem halb verzehrten Nackensteak auf seinem Teller. Vielleicht erinnerte der Geruch sie an ihren Verlust, oder sie glaubte, ihre Kochkunst hatte zum Tod ihres Ehemannes beigetragen. Was auch immer in ihr vorging, Schweinefleisch existierte für sie nicht mehr.

    Die lackierten Türscharniere quietschten und seine ältere Schwester Pricilla stakste auf hohen Absätzen herein. Sie hatte ihr blondes Haar zu einem Zopf geflochten, aber noch keinerlei Schminke aufgelegt. Sie mochte es am Frühstückstisch zu lesen, aber die öligen Cremes und Puder hafteten an den Fingern und verursachten, wie sie versicherte, unweigerlich Flecken auf den Seiten. In den letzten Jahren hatten Sommersprossen nach und nach den Rücken ihrer feinen Stupsnase eingenommen. Man konnte die meisten davon selbst unter aufwendiger Kosmetik noch sehen. Das Gegenteil war der Fall für ihre Wimpern, die so hell und unauffällig waren, dass sie schwarze Tusche benutzen musste, um sie zum Vorschein zu bringen.

    „Guten Morgen, Madame Perrin“.

    „Guten Morgen, Prinzessin“.

    Sie nahm Platz, stützte sich auf ihren Ellenbogen und hielt das Buch nah an ihr Gesicht. Der dunkelgrüne Umschlag zeigte das Bild eines mit Seepocken überwucherten Steuerrads. Lafayett beugte sich vor, um einen Blick auf den Roman zu erhaschen, den sie las. Er überflog ein paar Zeilen und erfuhr das tragische Schicksal von Paul Krüger, welcher sich gerade mit Lampenöl überschüttete und den Freitod im Feuer suchte, bevor die Parasiten-Eier in seinem Brustkorb schlüpften und sich in ganz Europa ausbreiteten. Er lehnte sich wieder zurück und überließ die Einzelheiten des fiktiven Massakers wieder der Vorstellungskraft Pricillas.

    Er schluckte einen Bissen herunter und fragte dann: „Madame Perrin? Sind meine Polo-Stiefel eingefettet?“ Die alte Dame ließ vor Schreck die Schüssel, die sie gerade spülte, ins Seifenwasser fallen. Einige Seifenblasen lösten sich und schwebten über der Küchenzeile.

    „Ich habe es vergessen“, keuchte sie mit geweiteten Augen. „Ich hab' an das Essen gedacht, aber nicht an die Stiefel“. Sie ließ den Abwasch abrupt stehen und bückte sich zu einer der unteren Schubladen, wo die Schuhcreme einsortiert war. Ihr Gesicht erschien ihm so bleich wie Streusalz. Lafayett erhob sich, packte ihre Schulter und richtete sie wieder auf.

    „Bitte belasten Sie sich nicht damit. Es ist noch genug Zeit. Ich erledige das selbst.“

    „Es selber erledigen!?“ Ihre Augen funkelten feurig. „Am besten ich fange an dir Gehalt zu zahlen. Wenn du nicht gefragt hättest, dann hättest du mit dreckigen Stiefeln spielen müssen. Selber erledigen, als ob“.


    Ehe sie weiter protestieren konnte, nahm er die Schuhcreme an sich und drängte sich zwischen sie und das Spülbecken.

    „Kommen Sie zu meinem Spiel! Sie haben eine Pause mehr als verdient. Sie können meine Freunde treffen und mich anfeuern.“

    Ihr Lächeln verflog und ihre Augenbrauen zogen sich eng zusammen, als sie versuchte, ihn mit einer Handbewegung zurück an den Esstisch zu scheuchen, wie man ein Huhn zurück in den Stall scheuchen würde.

    „Das wäre nicht angemessen. Die Tribünen sind für die Familien der Spieler gedacht und nicht für deren Personal.“

    Er griff sachte ihre vom Seifenwasser aufgeweichten Hände und blickte sie aus seinen eisblauen Augen heraus an. Sie erstarrte.

    „Die Plätze sind für Personen vorgesehen, die ich um mich haben möchte. Damit sind sie mehr als qualifiziert“. Seine Stimme wankte nicht eine Silbe lang.

    „Mutter hat ihre Buchclubbesprechung.“ sprach er weiter. „Und Pricilla würde an Ausschlag erkranken, wenn sie versehentlich zu viel Spaß hat. Können Sie sich etwas Traurigeres vorstellen als einen Spieler, der ein Tor erzielt, aber von niemandem bejubelt wird? Also, Ich kann es nicht!“

    „Ich kann“, zirpte Precilla ohne aufzusehen. „Der Anblick von dem Hengst, den du geritten bist, wie er im Gras gelegen und seine gebrochenen Vorderbeine hilflos durch die Luft geschwungen hat, bis der Mann mit der Pistole bei ihm war. Das war ziemlich traurig.“

    „Oh, seih still, du dumme Gans!“

    Pricilla, die mit einer Hand ihren Salat aß und mit der anderen ihr Buch hielt, ließ ihre Gabel zurück auf den Teller sinken und bedachte den Kommentar ihres Bruders mit einer obszönen Geste, die Madame Perrin in Schnappatmung versetzt hätte, wenn die alte Dame sie auch nur aus den Augenwinkeln gesehen hätte. Aber Lafayett machte einen Schritt zur Seite, um ihr gerade noch rechtzeitig die Sicht zu versperren.

    „Nein“, beharrte sie und riss ihre nassen Finger aus seinem Griff, nur um seine Hände sofort mit einem Spülhandtuch trocken zu tupfen.

    „Ich brauche keine Pause und ich will auch nicht nochmal sehen, wie mein Junge vom Pferd fällt und sich die Knochen bricht“.

    „Sie übertreiben. Der Sturz war ein einmaliger Vorfall und meine Schulter war nur ausgekugelt und nicht gebrochen“, protestierte er und presste schmollend die Lippen aufeinander.

    „Wortklauberei. Iss jetzt auf! Ich mache den Abwasch und kümmere mich dann um die Stiefel“.

    Sie drehte sich wieder um und hielt das Thema für beendet. Er aber ging hinüber zur Fensterbank ,nahm die beiden verkorkten Flaschen heraus und stellte sie lieblos auf die Arbeitsfläche neben Madame Perrin . „Was tust du jetzt!?“ blaffte sie ihn an. Hör und sichtbar am Ende ihrer Geduld.

    „Der Spielbeginn ist erst um Zwölf. Wie gedenken sie die Getränke bis dahin kühl zu halten?“

    Sie drehte langsam ihren Kopf zu ihm und sah ihn an, als wären ihm spontan Eselsohren gewachsen. „Du hast sie immer warm getrunken.“

    „Madame Perrin, es steht auch mir zu, meinen Geschmack zu ändern, und um das zu realisieren, müssen die Flaschen im Eisschrank bleiben und mir pünktlich zum Spiel überbracht werden.“

    Die alte Haushälterin schloss die Augen, schmunzelte und schüttelte resignierend den Kopf. „Sturkopf!“ schimpfte sie. „Ich werde da sein und dir den Korb mitbringen. Aber du versprichst mir, dass du friedlich spielst und niemandem weh tust. Vor allem nicht dir selbst.“

    „Natürlich, Madame Perrin. Es wird die zivilisierteste Partie Polo, der Sie jemals beigewohnt haben.“ Er verneigte sich albern vor ihr und ließ sich dann zurück in seinen Stuhl sinken.

    Die weiße Tür, welche die Küche vom Hausflur trennte, quietschte erneut und verkündete die Ankunft von Aurelie Lurand, der Matriarchin der Familie. Ihre beiden Kinder wurden still, setzten sich gerade und achteten darauf, dass ihre Ellenbogen die Tischdecke nicht berührten. Allein Madame Perrin klapperte weiter mit dem Geschirr im Spülbecken.

    Aurelie war üblicherweise die Letzte am Frühstückstisch. Sie war mit beträchtlicher Würde gealtert, brauchte aber dennoch mit jedem Jahr etwas länger vor dem Schminkspiegel, ehe sie sich bereit sah, das Haus zu verlassen. Der Stoff eines lavendelfarbenen Sommerkleids klammerte sich an ihre Taille und endete in mehreren Reihen überlappenden Rüschen eine Hand weit über den Knöcheln. In ihren haselnussbraunen Locken lag eine goldene Haarspange in der Form eines Ahornblattes, fast so als wäre es natürlich von einem Baum gefallen und zufällig dort liegen geblieben. Die noble Dame lächelte immer mühelos, besonders wenn ihre Tochter sich im selben Raum aufhielt.

    „Guten Morgen, Kinder.“ zirpte sie und nickte ihnen nacheinander zu. Zuerst Lafayett und dann Pricilla. Beide beobachteten sie genau. Lafayett hätte ihr niemals vorgeworfen, zu nörgeln oder Vorschriften zu machen. Sie bot vielmehr sachdienliche Hinweise an, was man tun konnte um Wertschätzung für ihre vielen Jahre aufopferungsvoller Kindererziehung auszudrücken.

    „Guten Morgen, Madame Perrin. Es riecht köstlich, wie üblich.“ Sie nahm Platz und Pricilla entspannte sich wieder, in dem Glauben, sie hätten die Inspektion überstanden, während ihr Bruder weiterhin aufmerksam blieb. Ihre Mutter kratzte schließlich kaum merklich mit der Spitze eines Fingernagels auf der Unterseite eines anderen. Pricilla blickte auf ihre eigenen Hände und in der Tat waren ihre Nägel etwas zu lang. Ein dünner Streifen Dreck hing darunter fest, den sie ohne eine Feile nicht mehr erreichen konnte. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und verbarg ihre Schande. Die Haushälterin servierte der Dame des Hauses ihr Frühstück, während Lafayett sich fragte, ob Emma sich in letzter Zeit öfter für Salat entschied, weil sie begonnen hatte, mit Aurelies Verspätungen zu rechnen und vermeiden wollte, seiner Mutter die Portion immer nachträglich aufzuwärmen. Er aß langsamer, um sie nicht allein am Esstisch zurücklassen zu müssen.

    „Was bespricht der Buchclub heute?“ erkundigte er sich mit gespieltem Interesse.

    „Wir sind gerade in der Mitte von `Spiegelscherben`. Es ist ein Drama über Vetternwirtschaft aus der Sicht der Person, welche die bevorzugte Behandlung erfährt, und wie die Abwesenheit von Erwartungen und ehrlicher Kritik sein Selbstwertgefühl langsam zerfrisst.“ Sie nippte an ihrem Tee und nahm sich dann einen weiteren Würfel Zucker aus dem kleinen Becher vor ihr. „Wenn wir damit durch sind, bin ich wieder an der Reihe, etwas auszusuchen. Es gibt da eine interessante Geschichte über eine Mutter die das monatliche Budge ihres Sohnes drastisch kürzt, in der Hoffnung, dass es ihn wiederum bewegt, seine absurd langen Haare zurechtzustutzen.“

    Lafayett nickte höflich und machte zustimmende Laute. „Ich hoffe, der Autor geht auf den Aspekt der Selbstverwirklichung ein und zieht den Schluss, dass es ultimativ nicht die Mutter ist, welche mit den Entscheidungen ihres Sohnes leben muss.“

    Precilla lehnte sich näher zu ihm und flüsterte gehässig in sein Ohr. „Netter Versuch.“

    Das feine weiße Porzellan klirrte etwas, als Aurelie ihre Tasse zurück auf den Untersetzer stellte. Ihr Sohn vermied Blickkontakt mit ihr, aber sie streckte die Hand nach seiner Wange aus und hob sanft seinen Kopf, bis er sie ansah. „Deine Ohren sind nicht asymmetrisch. Das bildest du dir nur ein. Du bist sehr gutaussehend und tust dir selbst keinen Gefallen, wenn du das nicht zur Geltung bringst“. „Danke Mutter“ sprach er und setzte sein Frühstück dann schweigend fort.

    Die edlen Damen und Herren von Rankental hatten in diesem Jahr wegen des schlechten Wetters lange auf ihre Picknicks, Segelregatten und Gartenfeiern warten müssen. Und nun, da sie endlich wieder fähig waren, ihre sozialen Verknüpfungen zu erneuern, strömten sie in die Parks und blühenden Obsthaine, verabredeten sich zu Jagden, Ausritten oder ließen ihre Angelausrüstung an den Fluss bringen. Die ganze Stadt lechzte nach Zusammensein, und jeder Anlass war Grund genug.

    Lafayett liebte den Frühling, aber er war auch dankbar für die oft recht harschen Winter der Region. Schneefall, Bodenfrost und allgemeine Kälte hatten ihre Schattenseiten, hauptsächlich für arme Leute natürlich. Aber sie lebten dicht am Wasser und Stechmücken und Bremsen mussten wirklich nicht alle überleben, um in der warmen Jahreszeit zu tun, was Ungeziefer tut.

    Auf seinem Schreibtisch sammelten sich, wie immer um diese Zeit, die Einladungen. Er hatte jene, denen er nicht nachkommen wollte oder konnte gleich in seinen Schubladen verstaut, um es für seine Mutter und seine Schwester weniger offensichtlich zu machen, dass sein Stapel der Größte war. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen, die beiden eifersüchtig zu machen, obwohl er, wie er fand, das Recht gehabt hätte, stolz auf sich zu sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Feron (8. April 2024 um 23:58)

  • Eine Stunde später fanden sich Precilla und Lafayett zum Mittagsspaziergang am See im Schlosspark ein. Die meisten Familien, die in Laufreichweite lebten, trafen sich um diese Tageszeit zum Entenfüttern. Viele der Vögel waren bereits so sehr gemästet, dass sie ordinäres Futter wie Mais und Brotkruste im Graß verrotten ließen, zugunsten von Delikatessen wie Kohlköpfen und Brokkoli.

    Der See war auch die Heimat von einem Dutzend exotischer Mandarinenten. Lokale Malern und Fotografen liebten die Tiere und Kinder sammelten begeistert ihre bunten Federn, aber die beständige Aufmerksamkeit hatte sie vorsichtig werden lassen, sodass sie meistens auf der dem Gehweg abgewandten Seite rasteten. Madame Perrin scherzte oft, dass die schönen Federn sich für die Vögel wahrscheinlich wie ein Fluch anfühlten, und sie wahrscheinlich lieber gewöhnliche, graue Tauben wären, die sich der Beachtung der Menge entzogen.

    Da der Frühling verregnet begonnen hatte, war der Boden in den tieferen Schichten noch feucht und es fehlte den Pflanzen an nichts mehr. Die Kastanienbäume waren bereits schwer behangen mit weißen Blüten und warfen ihre Schatten auf einen satten, hellgrünen Rasen.

    Die Geschwister beanspruchten eine Parkbank unter dem Dach eines neuen Pavillons, der von einem Hügel aus der See überblickte. Der wolkenlose, blaue Himmel spiegelte sich auf der Wasseroberfläche und die Ried-Binsen schaukelten in der Brise, als würden sie ihnen zuwinken. Pricilla schlug ihr Buch auf und feuchtete ihre Fingerspitze an, um die Seiten einfacher umblättern zu können. Sie schien hier draußen schneller zu lesen, vermutlich weil die Lichtverhältnisse besser waren. Lafayett hatte sich etwas zurückfallen lassen und betrachtete sie aus ein paar Metern Entfernung. Er ahnte schon lange, dass sie eine Brille brauchte, aber sie direkt darauf an zu sprechen war der schnellste Weg, die Unterhaltung zu beenden und jedes Wohlwollen zu verspielen. Er rief in seinen Gedanken eine lange Liste mit Namen und Attributen auf und versuchte sich an eine Person, idealerweise eine Frau, zu erinnern, die unbestreitbar schön war, obwohl sie in der Öffentlichkeit eine Brille trug. Die Auswahl war nicht groß, aber er kannte jemanden, wenn auch nur flüchtig.

    „Hast du schon den neuen Hut gesehen, den Colette Moreau trägt?“

    Sie warf das mitgebrachte Brot geistesabwesend über das hölzerne Geländer. Es schien sowohl ihr als auch den Wasservögeln gleichgültig.

    „Sollte ich?“ Zirpte sie und lugte über den grünen Umschlag.

    „Oh, ja! Er hat viel weniger Seidenblumen. Man kann ihren langen Hals viel besser sehen. Und er passt auch perfekt zu ihrer Brille. Die Dame hat solch einen Stil.“ Er legte die linke Hand in seinen eigenen Nacken, schloss die Augen zur Hälfte und senkte den Blick, um verträumt zu wirken. Als er schließlich neben Precilla Platz nahm, fiel sein Schatten auf sie. Sie rollte mit den Augen und rutschte ein Stück weiter nach links, weg von ihm und zurück in die Sonne. Er würde es ein andermal erneut versuchen, sie von einer Sehhilfe zu überzeugen.

    „Ist das Buch so gut, wie du gehofft hast?“ " Wechselte er das Thema. „Hat Pauls Opfer die Invasion aufgehalten?“ Sie hob den Zeigefinger und deutete ihm, ihre Konzentration nicht zu stören.

    „Schon gut. Wir müssen nicht reden“. Beschwichtigte er. Er beugte sich auf der rechten Seite über den Rand der Sitzfläche und streckte seinen Arm durch das Geländer und pflückte fünf Gänseblümchen. Er ertastete die Stiele und zwickte sie so weit unten ab, wie er konnte.

    Pricilla legte ihre Hand auf die Seite, die sie zuletzt gelesen hatte, und klappte ihr lautlos Buch zu.

    „Nein. Pauls Tod war sinnlos. Einer der Polizisten von den Docks im vierten Kapitel war bereits infiziert. Protagonisten in P. H. Manon Romanen gewinnen fast nie.

    „Ist so etwas nicht sehr unbefriedigend? Deprimierend sogar? " Er legte die kleinen weißen Blumen in seinen Schoss und begann damit die Stiele miteinander zu verflechten. Seine Schwester seufzte und schaute zum ersten MMal,seit sie angekommen wwaren,auf den See. Ein zerzauster alter Schwan stützte sich gerade auf die Brotkruste und verscheuchte die wenigen interessierten Enten mit Fauchen und heftigen Flügelschlagen. Lafayett konnte den Windstoß in seinem Gesicht fühlen.

    „Was sollen normale Leute gegen Außerirdische und kosmische Ungeheuer ausrichten?“ Precilla streifte eine blonde Strähne die sich durch die Böe gelöst hatte, zurück hinter ihr Ohr.

    „Es ist so…“ begann sie und er meinte fast sehen zu können, wie sich Zahnräder hinter ihren Augen drehten, als sie versuchte einem Laien die spezifische, pessimistische Weltsicht des Horrorautors zu erklären.

    „Manon ist optimistischer Nihilist. Es sind tragische Bücher, aber sie sind befreiend in ihrer Hoffnungslosigkeit. Es gibt keinen Schöpfer zu enttäuschen, keinen Zweck zu erfüllen, kein Schicksal, dem zu folgen wäre, und auch sonst keinen höheren Sinn für alles. Leben ist im Gesamtbild unbedeutend und das Versagen der Figuren damit auch. Man liest seine Romane für das Spektakel, den langsamen Verfall und das schiere Ausmaß des lauernden Schreckens, gegenüber einer kleinen, unbedeutenden Welt, die noch nicht weiß, dass sie untergehen wird.“

    Lafayett hob seinen kleinen Blumenring an und befand ihn für vollendet. Er streckte seine Finger nach Pricilla aus und bot ihr an, ihre Hand in seine zu legen.

    „Du solltest ebenfalls dem Buchclub beitreten und einen deiner Romane vorschlagen, wenn du an der Reihe bist. Das würde garantiert für mehr Abwechslung sorgen.“

    Er steckte den Gänseblümchenring vorsichtig an ihren ausgestreckten Finger und zog ihn am Knoten enger, bis er perfekt saß. Sie hielt ihren Arm ins Sonnenlicht und betrachtete die winzigen weißen Blütenblätter, die wie ein Edelstein in der Mitte zusammengesteckt waren.

    Sie schüttelte den Kopf. „Das ist eine fürchterliche Idee. Das Genre ist eine kleine Nische für eine kleine Anzahl von Lesern und das ist gut so.“

    „Ich denke, das hängt von der Perspektive ab. Die Allermeisten werden den Appetit verlieren und sich entschuldigen, sobald sie können, aber wenn unter all den Anwesenden jemand ist, der so denkt und fühlt wie du, dann wäre die Unterhaltung zweifellos der Höhepunkt ihres oder seines Tages. Vielleicht lernst du so auch jemanden kennen. Du begehrst schließlich nur einen einzigen guten Ehemann und nicht ein Dutzend.“

    Sie seufzte so tief, dass die Luft in ihren Lungen nicht mehr genügt hätte, um ein Streichholz aus zu blasen. „Mein Herz gehört Clairval, Lafayett. Wenn ich mich mit jemand anderem treffen will, müsste ich zuerst akzeptieren, dass er mich nicht will. Es ist einfach schwer, los zu lassen.“

    Sie sah zu ihm auf und er konnte sehen, wie hin und hergerissen sie war. Die meisten ihrer Freundinnen hatten schon jemanden gefunden. Einige tauften sogar schon ihre ersten Kinder. Er hatte schon oft versucht, sie aufzumuntern, aber er musste sich eingestehen, dass sie sich nicht mehr so nahestanden, wie es als Kinder getan hatten. Es war ihm nicht möglich, sie zu Sportveranstaltungen oder in Bars mitzunehmen, und selbst wenn es sittlich gewesen wäre, so hätte sie vermutlich kaum Interesse an Diskussionen über Politik oder die Börse gehabt. Er wiederum konnte ihr wohl kaum sinnvoll beim Sticken helfen oder mit ihr und Madame Perrin Suppe für die Armen kochen.

    „Ich unterstütze alle deine romantischen Vorhaben. Du bist die einzige Schwester, die ich habe und in meinen Augen wirst du niemals unbedeutend oder hoffnungslos sein.“

    „Danke.“ Flüsterte sie. Und schlug ihr Buch wieder auf. In ihrer Stimme schwang Überraschung mit und für einen Moment bereute er, dass er nicht mehr und nicht früher versucht hatte, um die unsichtbare Trennlinie zwischen ihnen zu überwinden.

    „Vielleicht ist es gut, dass Clairval dir nie einen Antrag gemacht hat. Euer potenzieller Nachwuchs wäre hässlich wie die Nacht gewesen.“

    Sie ließ ihren Roman sinken und drehte sich mit aufgerissenen Augen zu ihm um. „Crétin!“ Schrie sie ihn an, Idiot. Sie streifte den Ring von ihrem Finger und warf ihn zurück in seinen Schoss, ehe sie aufstand und lauter als nötig gewesen wäre über den Schotterweg Richtung Ausgang stapfte, ihr geliebtes Buch wie einen Rettungsring an ihre Brust gedrückt. Er sah ihr nicht nach.

    Er blieb für eine Weile alleine sitzen, während kleiner Gruppen von Spaziergängern kamen und gingen, seine Hände sicher um den filigranen Ring geschlossen. Er verwahrte ihn vor der gleißenden Sonne, welche drohte, ihn verdorren zu lassen.

    „Verzeihung? Können Sie mir die Urzeit sagen? “ Richtete er an ein älteres Paar, das mit Krocket-Schlägern über den Schultern und einem Dackel an der Leine vor dem Pavillon vorbeiging.“ Der Mann zog eine versilberte Taschenuhr aus seiner Brusttasche.

    „Halb Zehn, junger Mann.“

    „Haben Sie vielen Dank.“ Antwortete er und schaute suchend nach rechts und links.

    Die Kirchenglocken schlugen zehn und schließlich elf, bis das Getrappel von entfernten Pferdehufen ihn aus seinen Gedanken riss. Eine vertraute Männerstimme rief seinen Namen.

    „Lafayett! Entschuldige bitte. Ich wurde aufgehalten.“

    Clairval saß im Sattel einer dunkelbraunen Stute. Das Tier blähte seine Nüstern auf und Schweiß glänzte auf ihrem Fell. Er musste den ganzen Weg von seinem Grundstück am Stadtrand bis hierher galoppiert sein. Er selbst trug ein dunkles Jackett mit einem breiten Samtkragen und einen Zylinder, welche wie durch ein Wunder bei dem wilden Ritt nicht schmutzig geworden waren. Der Segen eines trocknen Tages, wie er sich dachte.

    „Nicht schlimm. Ich warte noch nicht lange.“ Log er. Er streckte sich hoch, um ihm den Ring zu reichen.

    „Das ist ihre Ringgröße.“ sagte er.

    Sein Freund nahm das Schmuckstück entgegen und hielt es ebenfalls so vorsichtig in seinen großen Händen wie man ein Vogelküken halten würde.

    „Ich schulde dir so viel.“ Versicherte ihm der werdende Bräutigam.

    In Lafayetts Bauch lag ein Stein, ein Backstein mit Ecken und Kanten, der ihn das Atmen schwer machte. Aber er lächelte trotzdem. Er musste.

    Die Verwandlung Clairvals von einem schüchternen, blassen Jungen zu dem eloquenten Gentleman, der er nun war, hatte sich schleichend über viele Jahre hinweg ereignet, sodass Lafayett sie lange Zeit nicht wahrgenommen hatte. Vielleicht hatte er auch einfach ignorieren wollen, dass die schmachtenden Blicke Precilla galten und dass sein Freund unweigerlich Familie werden würde.

    „Ich liebe deine Schwester.“ Sprach er, als ob er seine erratischen Gedanken hätte hören können. „Sie ist die Johanna Winter zu meinem Paul Krüger.“

    Lafayett nickte einfach, auch wenn er die Referenz nur halb verstand.

    „Ich würde mich nicht zu stark mit der Figur identifizieren.“ Murmelte er in einer Tonlage, die es unklar ließ, ob er gehört werden wollte oder nicht.

    „Lafayett, wenn du mir den Plot von `Kalte Strömung` verrätst, bin ich gesetzlich verpflichtet, deine Zunge rauszuschneiden und sie als Angelköder zu benutzen“. Es klang wie ein Scherz, aber er war sich nicht völlig sicher.

    „Oh, schon gut. Bring den Blumenring zum Juwelier! Wege, du zögerst das noch länger heraus. Und geiz nicht dem Diamanten. Das schuldest du ihr, weil du die Ärmste so lange hast warten lassen.“

    Sein Freund lachte. „Sie wird Mühe haben ihren Armen noch zu heben, wenn sie meinen Ring trägt. Ich habe die Pferde, die du dir leihen wolltest, schon zum Feld bringen lassen. Es wäre mir übrigens eine Ehre, wenn du es möglich machen könntest meinen Junggesellenabschied zu planen.“

    Lafayett verdrehte die Augen. Aber nicht so stark, dass Clairval die Bitte zurücknehmen würde. „Damit sind wir dann aber mehr als quitt, ja?“ Er gab der Stute einen Klaps auf das Hinterteil, sodass sie sich mit Clairval in einen wilden Galopp stürzte und sich mit lautem Hufgetrappel in Richtung Innenstadt von ihm entfernte. Er würde ohne jeden Zweifel auch hässliche Nichten und Neffen lieben lernen. Ein wenig freute er sich sogar darauf, jemandes Onkel zu werden.

    -----------------

    (Meine Haupt-Sorge mit dem ersten Kapitel ist die Persönlichkeit des Protagonisten. Es ist mir wichtig ihn als manipulativ, aufmerksam und klug zu charakterisieren, er soll aber auch arrogant, eitel, leichtsinnig, und eine Aufmerksamkeits-H*re sein. Außerdem sollte rüber kommen das er seine Familie liebt.

    Mich würde auch sehr Interessieren ob der kleine Plot-Twist mit dem Blumenring klappt oder ob ihr findet das Leser dafür zu lange im Dunkeln gelassen wird. Die ideale Reaktion die ich gerne hätte sobald er Clairval den Blumenring gibt ist „awwww“ wenn das Sinn macht.)

    Einmal editiert, zuletzt von Feron (7. Januar 2024 um 01:01)

  • Das Polo-Feld von Rankental hatte zehn Jahre zuvor als Teil eines Landschaftsgartens begonnen. Der perfekte Rasen war noch immer umringt von Laubbäumen, deren Blätter, zum Leidwesen des Platzwarts, jeden Frühling erneut entfernt werden mussten. Anfangs war es nicht mehr gewesen als ein paar Stöcke im Boden, um die Spielfeldgrenze zu markieren, aber als mit der wachsenden Begeisterung der Bewohner, die Zeit von einem Spiel zum nächsten immer kürzer wurde, waren die Markierungen immer länger stehen geblieben. Zuerst nur weitere Stöcke mit weiß angemalten Spitzen, damit man sie besser sehen konnte, dann Kanthölzer, die man gerade und ordentlich aufstellen konnte und zum Schluss ein weißer Zaun. Die ersten Zuschauer hatten noch auf Decken im Gras gesessen oder eigene Klappstühle mitgebracht. Nun aber zogen sich hölzerne Besucher-Tribünen das Feld entlang. Es war der erste Sportplatz der im Frühling öffnete und der letzte der in die Winterpause verabschiedet wurde. Die Einwohner mussten sich jedes Jahr aufs Neue dazu durchringen die Saison zu beenden.

    Als Lafayett das Feld eine halbe Stunde vor dem ersten Glockenschlag erreichte tobte bereits der übliche logistische Alptraum. Die Regeln verlangten das die Pferde zwischen jeder Runde ausgetauscht wurden, um sie nicht zu Schaden zu reiten. Selbst für eine kurze Partie wie diese mit vier Intervallen wurden für jede Mannschaft sechszehn Tiere benötigt. Eine kleine Armee aus mitgebrachten Stall-Helfern, Zeug-Warten und Pferdetrainern rollte bereits hektisch über den Platz.

    Die Zuschauer warteten ungeduldig. Die Herren trugen feine Freizeit-Anzüge in einer kleinen Auswahl von schwarz und grau-Tönen, während den Damen alle möglichen und unmöglichen Farben zur Verfügung standen. Sonnenhüte waren mit Sträußen aus Seidenblumen oder Vogelfedern geschmückt, sodass die Tribüne von weitem wie ein einziger großer Blumenstrauß in einer viereckigen Vase aussah. Er vergewisserte sich das Madame Perrin in der ersten Reihe saß. Die robuste, kleine Frau hielt seinen Picknickkorb auf ihrem Schoss und winkte ihm überschwänglich zu, sobald sie ihn hinter dem Begrenzungs-Zaun ausmachte. Die Sonne, die frische Luft und die Gesellschaft würden ihr guttun, entschied er.

    Clairvals versprochene Polo-Ponys warteten bei den Anbinde-Pfosten, allerdings waren weder die empfindlichen Beine bandagiert noch die Schweife hochgebunden. Er ließ die Luft aus seinen Lungen entweichen und schaute zu den Anderen, die allem Anschein nach in eine Taktik-Diskussion vertieft waren. Er wusste das sie ihm nicht zur Hilfe kommen würden, zumindest nicht aus der Güte ihrer Herzen heraus.

    Die Woll-Streifen waren blau, die Farbe seiner Mannschaft. Er kniete sich neben das erste Pferd und wickelte den Stoff lose um dessen linkes Vorderbein. Lafayett wusste das er vier Umwicklungen gebraucht hätte, aber er machte nur drei und befestigte sie am oberen Ende mit dem falschen Knoten. Die Bandage glitt Sekunden später herunter.

    „Oliver?“ Rief er und versuchte unsicher zu klingen. „Was ist denn? Verzögerst du mit Absicht!?“ Kam es vom Feld aus zurück. Er zuckte bei dem harschen Vorwurf zusammen. Oliver war der Mannschafts-Captain, wenn auch nicht seine erste Wahl. Er spielte zu passiv und verschwendete zu viel Energie darauf die vermeintlich besseren Reiter ihrer Gegenspieler zu blockieren anstatt selber Punkte zu erzielen.

    Lafayett legte die Hand auf seine Brust und schloss kurz die Augen um wieder zur Ruhe zu kommen. „Könntest du mir nochmal vor machen wie man die Bandagen richtig anlegt? Ich will es so machen wie du, aber du bewegst immer die Hände so schnell das ich kaum mitkomme.“

    Der junge Mann mit dem kurzen, dunkelbraunen Haar kam näher und hob die Bandage vom Boden auf. Seine Irritation schien wie verflogen. „Gut, sieh her!“ Lafayett nickte und wiederholte jede von Olivers Anweisungen als wären sie geniale Thesen eines antiken Philosophen, die sich ihm niemals selbst eröffnet hätten. Sie arbeiteten synchron nebeneinander her, um besser zu lernen natürlich. Es stellt sich heraus, dass er, ahnungsloser Anfänger der er war, immer neue Fragen hatte, die immerzu weitere Demonstrationen erforderten. Aber der Mannschafts-Captain wurde mit so viel Dankbarkeit und Anerkennung seiner Reitkunst überschüttet das er die Geduld auch beim zweiten und dritten Pferd nicht verlor.

    „Danke. Ich denke den Rest kann ich bewerkstelligen.“ Oliver nickte. „Dafür sind Captains da. Vergiss dein Trikot nicht!“ Er nahm im Vorbeigehen ein blaues Hemd von einem der Begrenzungspfosten und warf es ihm zu. Lafayett schwang sich mit einem beherzten Sprung in den Sattel und legte sich die Zügel zurecht. „Tourbillon“ war auf eine kleine Kupfer-Platte am Halfter eingraviert. Ein gutes Pferd, kompakt, aufmerksam und flink wie ein erschrockenes Kaninchen.

    Einmal editiert, zuletzt von Feron (8. Februar 2024 um 23:23)

  • Hallo Feron

    Du schreibst sehr schön und es verspricht eine interessante Geschichte zu werden.

    Ein paar Kleinigkeiten haben meine Vorgänger ja schon angemerkt. Ich hätte noch etwas hinzuzufügen:

    Siebzehnjährige Lafayett trifft in der kleinen französischen Stadt Rankental

    Allerdings würde ich ein Buch dessen Klappentext so beginnt wohl nicht kaufen ... weil ich das Gefühl bekäme da wären sicher viele logische Mängel drin.

    Welche französische Stadt heißt denn Rankental? Das weist eher auf eine deutsche Stadt hin. Wenn es in Frankreich spielt dann bitte ich um einen französischen Ortsnamen damit es authentisch klingt. (Darauf hat Tom Stark dich ja auch schon hingewiesen).

    Lafayett ... müsste auf Französisch wohl orthografisch korrekt Lafayette geschrieben werden? Sieht jedenfalls für mich "falsch" aus. Ich würde dann auch weitere französische Namen erwarten.


    Die beiden Männer erschienen von Nahem und von Weitem wie Menschen,

    wozu dann die Unterscheidung zwischen Nähe und Weite? Wenn sie doch keinen Unterschied macht?

    Mein Vorschlag:

    Die beiden Männer erschienen wie Menschen.

    „Aber das konntest du nicht.“ Es lag kein Zorn in den Worten der vermummten Gestalt: nur kalte, klare Fakten, heruntergebetet wie die Börsenkurse des gestrigen Tages. Der Geruch von Torf, verrottenden Blättern und Kerzenwachs hing an seiner Kleidung. Er war definitiv auf dem Friedhof gewesen, egal wie stoisch er sich gab

    Das gefällt mir sehr gut.

    „Ich werde Morgen als Meister der Waffen zurücktreten.“ Erklärte er,

    "Ich werde ... zurücktreten", erklärte er

    Du hast einige Fehler drin bei der wörtlichen Rede. Schau dir nochmal die Regeln an.

    Niemand im Haus Sures wusste, dass Sie zu mir gehören. Sie haben einfach nur ihren Durst gestillt.

    "Sie" großgeschrieben ist eine Anrede. Es ist hier aber nicht als Anrede gemeint. Daher sollte es kleingeschrieben sein.

    Das erste "sie" bezieht sich auf die Toten. Das zweite "sie" bezieht sich auf die Mörder. Das kann zu Missverständnissen führen und ich würde es daher ändern.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Kirisha Vielen Dank. Es tut gut mal zu hören das man als Autor nicht komplett hoffnungslos ist.

    Rankental ist mehr so eine Art Arbeitstitel. Das Nachbardorf heißt zum Beispiel "Arvendorn". Ich habe Probleme einen Eigennamen zu finden der zwar Französisch klingt, bei dem Deutsche Leser aber sofort und problemlos wissen wie das ausgesprochen werden soll. Wenn mir etwas passendes einfällt ist die Korrektur ja nur ein Fall von einmal "find and replace all".

    Du hast Recht mit dem Namen aber ich befürchte meine Zielgruppe würde Großteils nicht wissen dass das letzte "e" stumm ist, deswegen möchte ich das so beibehalten. Mir ist bewusst das Namen auch Regeln folgen und historische Hintergründe haben können aber ich denke hier komme ich mit kreativer Freiheit relativ gut davon.

    Ich fand das "von Nahmen und Weitem" poetischer klang. Ich dachte das vermittelt vielleicht auch das ein normaler Sterblicher keine Chance hat sie von seinesgleichen zu unterscheiden, auch wenn man sehr genau hinschaut. Ich füge es den Notizen hinzu. Ich editiere eh mindestens einmal im Monat drüber, vielleicht finde ich einen Weg es klarer aus zu drücken. Danke sehr.

    Oh no! Rechtschreibung meine einzige Schwäche! ;p Ok das korrigiere ich sofort. Sorry ich habe Satzzeichen als Kind nicht richtig gelernt und wenn man versucht es als Erwachsene nachträglich zu lernen raucht einem der Kopf.

  • Es tut gut mal zu hören das man als Autor nicht komplett hoffnungslos ist.

    Ganz im Ernst du schreibst eine gehobene Sprache mit vielen schönen und nett gewählten Formulierungen. Was du ja bestimmt auch selbst weißt. Aber ich weiß wie es ist man mag es auch mal gern von anderen hören.

    Ich störe mich nicht so sehr an Rechtschreibfehlern aber weiß das das viele Leser tun. Und wenn du veröffentlichen willst musst du die halt ausmerzen. Für meine eigenen Texte nutze ich Papyrus Autor. Das Programm findet (fast) alles und wenn man viel schreibt lohnt sich die Investition. Ansonsten kann man Regeln zur Zeichensetzung auch im Internet googeln. Das habe ich am Anfang des Schreibens auch gemacht weil ich da auch nicht ganz sicher war - gerade bei der wörtlichen Rede. (Und ich mache es noch immer weil ich manchmal auch Papyrus misstraue und dann lieber die Regel sehen will).

    aber ich befürchte meine Zielgruppe würde Großteils nicht wissen dass das letzte "e" stumm ist,

    Ich frage mich auch immer wie ich mir meine Zielgruppe vorstellen soll und wie sie wohl die Dinge verstehen. Frag vielleicht nochmal andere Leute ob sie den Namen auch als Fehler empfinden. Vielleicht bin es nur ich. Aber wenn andere das auch sagen solltest du überlegen. (Eventuell könntest du irgendwo im Text die Aussprache thematisieren).

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Zitat

    Ich störe mich nicht so sehr an Rechtschreibfehlern aber weiß das das viele Leser tun. Und wenn du veröffentlichen willst musst du die halt ausmerzen

    Ich weiß. Ich will veröffentlichen und später auch in einen Lektor investieren, damit das Buch professionell wirkt und das zweite, dritte oder vierte dadurch vielleicht ne Chance hat Umsatz zu machen und Fans auf zu bauen. Rechtschreibung ist leider für mich nicht intuitiv, sondern etwas über das ich nachdenken und das ich aktiv nachschlagen muss.

  • Ich habe jetzt mal etwas weitergelesen. Deine Geschichte ist wirklich ganz toll. Ich mag die altmodische Atmosphäre und die schönen Formulierungen sehr gern. Tss tss dass ich diese Geschichte so lange übersehen konnte!

    Ein Eiergericht brodelte in einem tiefen Buttergeysir, und das Aroma von Zwiebeln und salzigem Ziegenkäse expandierte in alle Teile des Hauses. „Es war nicht ganz billig und ich musste die Ärmel kürzen.“ " Aber ich hab’ mir gesagt: ‘Emma, Leichenwegen haben keine Anhänger‘ und hab’s dann doch genommen. Die Nähmaschine brauchte sowieso etwas Liebe und ein paar Tropfen Öl. Du hast dich übrigens mit der Rasierklinge geschnitten, Herzchen."

    Einfach wundervoll! :D Sowas genieße ich einfach.

    Aber was sollen die zwei Anführungszeichen hintereinander? Es ist doch dieselbe Person die spricht? Einfach beide Zeichen streichen.

    Und du meintest sicher Leichenwagen

    rumstehst.

    Das klingt so sehr umgangssprachlich und ich würde immer "herumstehst" schreiben. Ganz besonders wo es ja in deinem Text noch auf Etikette ankommt.

    Schwester Pricilla

    Also Pricilla geht nicht für eine Französin wäre mal meine Meinung. (vielleicht bin ich da etwas pingelig ... Französisch war mein Lieblingsfach) Erstens müsste es wohl Priscilla heißen (oder?) und zweitens ist das einfach kein französischer Name. Mach vielleicht Priscille draus? Das wär dann schon viel besser?

    Ach so und was den Namen des Dorfes betrifft: Was hältst du von Vallèe Verte? (Grünes Tal) Oder eine simplere Version Val Bleu (Blaues Tal. Es gibt ein sehr hübsches Kaffeegedeck dieses Namens von einer französischen Firma daher könnte das auch nette Assoziationen wecken).

    „Madame Perrin? Sind meine Polo-Stiefel eingefettet? "

    Eine wörtliche Rede wird mit einem Ausführungszeichen begonnen und erst dann mit einem neuen Ausführungszeichen abgeschlossen wenn die Rede beendet ist. Also nicht zwischen jedem Satz.

    „Deine Ohren sind -nicht- asymmetrisch.

    Wenn du etwas betonen willst dann setze es kursiv. Sonst wirkt es komisch (nicht entsprechend den Regeln)

    Er aber ging hinüber zur Fensterbank und nahm die beiden verkorkten Flaschen heraus und stellte sie lieblos auf der Arbeitsfläche neben Madame Perrin ab.

    Zwei mit "und" verbundene Sätze hintereinander klingt nicht schön. Mach lieber eine Aufzählung daraus mit einem Komma anstelle des ersten "und".

    Das alles sind aber nur Kleinigkeiten. Die Geschichte ist wirklich sehr schön!

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Zitat

    Aber was sollen die zwei Anführungszeichen hintereinander? Es ist doch dieselbe Person die spricht? Einfach beide Zeichen streichen.

    Ich hab da das falsche Zeichen benutzt. ( „ text “) und das dann auto-korrigiert. Das Rechtschreibprogram möchte aber ( "text ") lesen und hat deswegen eins extra hinzugefügt.

    Zitat

    Das klingt so sehr umgangssprachlich und ich würde immer "herumstehst" schreiben. Ganz besonders wo es ja in deinem Text noch auf Etikette ankommt.

    Joo... Perin hat in ner frühen Version mal Plattdeutsch gesprochen das Wort war wohl noch übrig. Ich änders gleich. Danke.

    Zitat

    Zwei mit "und" verbundene Sätze hintereinander klingt nicht schön. Mach lieber eine Aufzählung daraus mit einem Komma anstelle des ersten "und".

    Urgg... ich seh`s auch grad. Editing-Fehler sind die Pest...

  • Der Hengst hatte den Kopf hoch erhoben und beobachtete, wie die Pfleger das Feld nach und nach verließen, um Platz für die Spieler zu machen. „Na? Sollen sie schneller machen, damit du anfangen kannst? „Fragte Lafayett in die gespitzten Ohren und streichelte ihm über den muskulösen Hals.

    Es gab für ihn noch eine letzte Sache zu erledigen. Als er sicher war, dass Oliver sich weit genug entfernt hatte, zog er ein Band aus elastischem Stoff hervor und fixierte sein langes Haar hinter seinem Kopf. Im Chaos des Spiels würde sich niemand auf seine Ohren konzentrieren. Die Gefahr, dass sich lose Strähnen in den Schlägern verhakten, war zu groß. Eine Stimme erhob sich plötzlich hinter ihm.

    „Haben die Damen nicht eine eigene Liga, in der du spielen kannst?" Er zuckte zusammen und das Haarband glitt aus seinen Händen.

    Der fremde Reiter lenkte sein Pferd neben seines, beugte sich vor und hob das Haarband mit dem Schläger auf, um es ihm zurück zu reichen. Lafayett wollte den Mund aufmachen und mehr Platz fordern, aber auf den zweiten Blick war ihm der Mann gar nicht zu nahe. Seine schiere Größe warf nur einen unerwartet langen Schatten.

    „Wie geht es deiner Schulter?“ erkundigte er sich. Die Frage klang weniger herabsetzend als die erste, aber Lafayett sah das weiße Trikot der gegnerischen Mannschaft und verschloss sich der Idee von ehrlichen Antworten sofort. Die einfachen Hemden waren so geschnitten, dass sie fast jedem Spieler passten, aber die breiten Schultern und Brustmuskeln von diesem Angeber zogen sichtbar den Stoff glatt.

    Sein Akzent kam ihm eigenartig vor. Weniger melodisch und um einiges schärfer als normalerweise in seinem Umfeld gesprochen wurde.

    „Ich habe am nächsten Morgen kaum noch was gespürt.“ Aber danke der Nachfrage. Es ist sehr sportlich von dir, dich um meine Belastbarkeit zu sorgen. Ich bin Lafayett Lurad. Kommst du von außerhalb?" Er wusste, dass die Vorstellung unnötig war. Schließlich hatte dieser grobe Klotz von der Verletzung im letzten Jahr gehört. Aber es schien der höflichste Weg, nach seinem Namen zu fragen.

    Sein Gegner nickte ihm zu, etwas langsamer als er es gewohnt war. „Phillip De'pont.“ Die neue Villa am Marktplatz gehört meinen Eltern. „Wir konnten letztes Jahr noch nicht einziehen, weil es Schwierigkeiten mit dem Dach gab.“

    Lafayett streckte sein Kinn hoch und drückte seine Schenkel zusammen, um sein Pony in Bewegung zu setzen. „Wenn du Angst hast, lebendig begraben zu werden, hättest du nicht herkommen sollen.“ Er band sich das Haar zusammen, während er Phillip dabei freihändig umkreiste.

    Die dichten, dunklen Augenbrauen hoben sich. Es brannte Feuer in Phillips braunen Augen, nicht die Art von wilden Flammen, die Wälder verschlingen konnten, sondern ein konstantes, verlässliches Glühen.

    „Es wäre reizlos, wenn deine Mannschaft keinen Widerstand leisten würde. Schön, dass du meine Zweifel zerstreuen konntest.“ Phillip ritt einen Halbkreis und stellte sich in Lafayetts Weg, ehe diese eine weitere Runde abschließen konnte. Die Nüstern ihrer Pferde berührten sich fast. Phillips kantigen Gesichtszüge warfen Schatten über seine irritierte Mine. Lafayett spürte, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten und das Blut in seinen Ohren rauschte. Seine Muskeln fühlten sich heiß an, und er war so wacher und schärfer konzentriert als jemals zuvor. Er studierte seinen Gegner, als seine Frustration und sein Ärger zwischen einem Atemzug und dem nächsten verblassten. Alles, was blieb, war Aufregung, die Vorfreude auf das Spiel, die wilde Jagd nach dem kleinen Ball und die Gelegenheit, all sein Können zur Schau zu stellen. Ein würdiger Herausforderer war hier und er schien das Spiel als einziger ernst genug zu nehmen und seinen Ehrgeiz und seinen Stolz zu teilen.

    „Solange ich hier bin…“ begann er so leise, dass nur Philipp es hören konnte. „Wirst du den besten Sport deines Lebens haben.“ Für einen Augenblick sahen sie einander in die Augen. Philipp war der erste, der abdrehte und sich zu seiner eigenen Mannschaft auf die andere Seite gesellte. Lafayett hatte das Versprechen, an Madame Perrin zivilisiert zu spielen, nicht vergessen, aber in seinem Kopf war es längst gebrochen. Und wäre der Teufel persönlich in Rauch und Flammen erschienen, hätte er ihm zehn Sekunden Vorsprung gegeben, um die Sache fair zu machen.

    Die erste Glocke wurde geschlagen und Sporen trafen auf Pferdeflanken. Die Hufe donnerten über das Gras. Der Sattel war bequem und der Wind genau richtig, um seine Stirn zu kühlen, ohne dabei das Spiel zu stören. Lafayett fegte nach einem langen Pass hinter dem Ball her und war sich bewusst, dass Phillip in diesem Moment dasselbe versuchte. Er musste einfach. Würde er rechts oder links an ihm vorbeiziehen? Es blieb nur ein Wimpernschlag, sich zu entscheiden, und kein weiteres Sandkorn in der Uhr, um zu bestätigen, was er dachte.

    Links!

    Er lehnte sich nach links und das Tier unter dem Sattel gehorchte ihm, als wäre dessen Körper sein eigener. Ein dumpfer Aufprall von der Seite presste die Luft aus seinen Lungen. Ein geringerer Reiter wäre aus dem Sattel geschleudert worden, aber er erlangte seine Balance schnell zurück. Philip drohte weiterhin ihn abzudrängen, aber der Schlagarm seines Gegners war jetzt blockiert. Wenn er nur die gerade Linie halten konnte, dann würde er den nächsten Pass schlagen und seiner Mannschaft die Vorlage für das erste Tor des Jahres geben. Der Versuch, ihn links zu überholen, war gescheitert, aber Phillip gab nicht auf. Er bedrängte Lafayett und drückte ihn immer weiter von seinem Ziel weg. Einige Hundert Meter verblieben. Die Versuchung, mit dem Schläger auf den gegnerischen Reiter einzuprügeln, war groß. Sein Kopf kannte die Regeln gut, aber sein Herz, das von dem Fremden nicht besiegt werden wollte, nicht besiegt werden durfte, klagte und litt unter der Einschränkung. Tourbillon, so tapfer er sein mochte, war nicht stark genug, um das andere Gespann zurückzuschieben.

    Der winzige Ball lag auf halbem Weg zwischen der Mittellinie und den Torpfosten. „Kämpf!“ schrie er in die Pferdeohren. Dem Tier unter dem Sattel bedeutete das Wort nichts, wohl aber Philipp, und mit etwas Glück würde das genügen. Die Aufmerksamkeit des anderen Reiters war für einen Moment auf ihn gerichtet. Er lehnte sich vor und holte weit aus. Sein Blick war auf einen Phantom-Ball gerichtet, der nicht mal in der Nähe des Echten lag. Das Schauspiel verunsicherte Phillip gerade genug, um sein Tempo zu drosseln und die Distanz erneut zu prüfen. Seine Augen hasteten über das Feld. Der Ball war noch an Ort und Stelle, aber sein Zögern kostete entscheidende Zeit. Lafayett und Tourbillon zogen an ihm vorbei. Er holte erneut aus, diesmal ernsthaft.

    Plick.

    Eine Welle von Jubelrufen wusch über den Platz hinweg und Philipp sah stumm zu den Torpfosten hinüber, als er in Gedanken langsam rekonstruierte, was passiert sein musste. Seine Lippen bewegten sich lautlos. Lafayett glaubte das Wort zu erkennen. „Bastard“? Ja, definitiv das.

    Der blonde Reiter schloss zu ihm auf und eskortierte ihn wie zerbrechliche Ware zur Mittellinie zurück. „Gib nicht auf! Das Wichtigste im Sport ist, dass man sein Bestes gibt, nicht wahr?“

    „Du hast betrogen. Spiel gefälligst fair!“ Verlangte er und straffte seine Schultern mit eiserner Miene. „Spiel fair? Ah, ja die Ballade der Verlierer. Ich erinnere mich an den Text.“ Er ritt ein Stück freihändig und tat so, als würde er eine fiktive Violine spielen. Er konnte das Zähneknirschen seines Widersachers geradezu spüren und er liebte jede Sekunde.

    Nach dem Pferdewechsel ritt Oliver an ihm vorbei und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Das könnten wir vielleicht sogar gewinnen.“

  • Also liebe Feron jetzt habe ich mal bis hier gelesen.

    Ich liebe die Geschichte! Der Charakter von Lafayett hat die richtige Mischung aus Ehrgeiz und List. Er ist ein bisschen frech und mag andere ein wenig übers Ohr hauen aber bleibt sympathisch dabei. Gut finde ich auch den Stress den er sich mit seinen Ohren macht - er ist also auch eitel (und vermutlich ist die Sache nicht so schlimm wie er sich einbildet aber für ihn ist es eben ernsthaft). Ich mag sehr gern die Neckereien und den Spott unter den Geschwistern und unter den Sportlern und mir gefällt auch das Setting in diesem Adelsmilieu wo Haltung und Etikette eine Rolle spielen.

    Den Trick mit dem Blumenring hast du auch gut beschrieben!

    Ich denke das wird eine sehr schöne Geschichte und die wirst du auch sehr gut veröffentlichen können.

    Ja deine wörtliche Rede bringt mich ein wenig zur Verzweiflung ... machst du das mit einem Programm? Vielleicht wäre es besser die Zeichen manuell zu setzen damit es nicht so oft schiefgeht?

    „Schon gut. Wir müssen nicht reden“. Beschwichtigte er.

    Wenn die wörtliche Rede mit einem Punkt endet dann steht der Punkt innerhalb der Anführungszeichen.

    Aber wenn nach der wörtlichen Rede ein Inquit folgt (wie "beschwichtigte er") endet sie nie mit einem Punkt sondern das Inquit wird wie ein Nebensatz mit einem Komma angefügt. Also

    "Schon gut. Wir müssen nicht reden", beschwichtigte er.

    (Wenn die wörtliche Rede mit einem Ausrufungszeichen oder einem Fragezeichen endet wird dieses Zeichen geschrieben und der folgende Inquit dennoch mit einem Komma fortgeführt.) Also:

    "Schon gut. Wir müssen nicht reden!", beschwichtigte er.

    „Crétin!“ Schrie sie ihn an, Idiot.

    Ja! Der war richtig gut! Und richtig gut dass du hier den französischen Ausdruck nimmst. Das macht es echt. Ich denke mal dass den auch viele Leser verstehen.

    (nur wieder falsche Zeichensetzung in der wörtlichen Rede ... „Crétin!“, schrie sie ihn an.)

    Du bringst danach dann die Übersetzung für deine Leser weil du denkst sie verstehen es sonst nicht. Das würde ich wohl auch machen. Aber vielleicht nicht ganz so deutlich (damit die Leser nicht denken "Der Autor hält mich für so dumm dass er meint es mir erklären zu müssen") Vielleicht könntest du es mehr indirekt bringen.

    z.B. Ihn deswegen gleich einen Idioten zu schimpfen hielt er für übertrieben. (?)

    (Es sind noch einige weitere Zeichensetzungsfehler immer in der wörtlichen Rede. Es würde sich daher lohnen wenn du dich mit dem Thema mal beschäftigst. Ich werde die jetzt nicht alle einzeln markieren).

    Sie wird Mühe haben ihren Armen noch zu heben,

    :rofl:

    wenn du es nur ein wenig korrigieren würdest

    "Sie wird Mühe haben, ihre Arme noch zu heben

    Ich mag deinen Humor.

    Phillip De'pont

    Der Name klingt wiederum falsch. Philipp ist auf französisch Philippe und der Nachname muss meiner Meinung nach zwingend Dupont sein. Der französische Adelstitel "de" wird nie mit einem Akzent dahinter geschrieben und "de Pont" wäre auch einfach falsch.

    Meine Meinung ist: Wenn du eine Geschichte in einem französischen Ambiente spielen lässt dann ist das Französische der Bonus den du bietest. Die Leute werden es unter anderem deswegen lesen weil sie etwas Französisches toll finden. Daher muss es dann aber auch echt französisch wirken.

    Gut du kannst sagen in Deutschland lernen nur ca. 10-12 Prozent der Schüler Französisch (in den Bundesländern nahe Frankreich sind es doppelt so viele) - das habe ich mal gerade gegoogelt. Das heißt der Großteil deiner Leser kann kein Französisch. Aber es bleiben halt doch genug Leser die es "können" (im Sinne von rudimentäre Grundkenntnisse haben). Ich denke jedoch deine Leserschicht rekrutiert sich zu einem großen Teil aus diesen. Die haben ja Französisch wohl gewählt weil sie es mögen?

    Wie auch immer. Also mich würde es als Leserin sehr stören wenn ich grobe Fehler sehen würde (De Pont statt Dupont wäre ziemlich grob). Umgekehrt würde es mich seeehr freuen wenn du ab und zu was "echt Französisches" bringst und es dann stimmt. Wenn da also ab und zu etwas Einfaches Französisches auftaucht was auch die Leser erkennen die nicht besonders viel Französisch können.

    Daher würde ich tatsächlich auch überlegen ob du nicht das stumme -e am Ende dennoch schreibst. Auch bei Philippe.

    Es brannte Feuer in Phillips braunen Augen, nicht die Art von wilden Flammen, die Wälder verschlingen konnten, sondern ein konstantes, verlässliches Glühen.

    sowas mag ich sehr.

    Lafayett hatte das Versprechen, an Madame Perrin zivilisiert zu spielen, nicht vergessen, aber in seinem Kopf war es längst gebrochen

    Hier sollte noch ein zusatzliches Komma hinter Madame Perrin. (Sonst verschiebt sich die Bedeutung des Satzes dahin: Das Versprechen das er gegeben hat sei "an Madame Perrin zivilisiert zu spielen")

    Die gegenseitigen Sticheleien zwischen Lafayett und Philipp sind super. Hat mir viel Spaß gemacht zu lesen.

    P.S. Ich habe deine Überarbeitungen zu Aleena von Mephi gesehen. Das hast du super hinbekommen und plötzlich wurde die Geschichte richtig gut lesbar. Hat mir sehr gefallen. Ich fürchte nur Mephi wird es nicht erkennen.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Kirisha

    Vielen Dank! *wächst vor Stolz zwei Zentimeter* Ich habe den Anfang extra so konstruiert, dass das Erste was der Leser von Lafayett mitbekommt ist wie er jemanden ins Gesicht lügt.

    Ich überprüfe die wörtliche Rede beim nächsten Teil manuell, die Auto-Korrektur macht das nur noch schlimmer.

    Ich habe mal nachgeschlagen „Precilla“ ist ne Abwandlung von einem lateinischen Namen, wäre also theoretisch für eine Französin ok. Ich poste hier erstmal weiter mit „Precilla“ damit es keine Verständnisprobleme gibt, werde sie dann aber wohl entweder „Monique“ oder „Jolene“ nennen. Ich bin auch bereit Phillip sein konfisziertest, stummes „e“ wieder aus zu händigen, da PillipE immer noch ein schöner Name ist. Lafayett bleibt aber so! LafayettE klingt zu komisch, das würde ich nicht wollen. Du hast übrigens Recht. Ich wollte das Phillipes Nachname „unter der Brücke“ bedeutet aber ich hatte das schlampig übersetzt. „Dupont“ ist korrekt.

    Ich gebe mir auch Mühe noch mehr Französisch rein zu bringen. Die Kutschen-Pferde sind zum Beispiel „Percheron-Hengste“ eine französische Rasse, genau wie Boubonaiser-Jagdhunde.

    Ich denke „Cretin“ muss ich gar nicht übersetzen. Zum Verstehen genügt zu wissen das es ein Schimpfwort ist. Welches genau ist ja eigentlich nicht wichtig. Ich dachte nur es wäre vielleicht ironisch witzig, wenn sie ihn Idiot nennt, während sie auf seinen Trick reinfällt. *schulterzuck*

  • „Monique“ oder „Jolene“

    Dann plädiere ich für Jolène was ich persönlich hübscher finde. (Bleibt aber natürlich dir überlassen). Pricilla klingt einfach nicht richtig französisch weil französische Frauennamen eben in der Regel nicht auf einem -a enden. Auch die Jungfrau Maria heißt in Frankreich Marie.

    „unter der Brücke“ bedeutet aber ich hatte das schlampig übersetzt. „Dupont“ ist korrekt.

    Ich glaube es bedeutet nicht "unter der Brücke" sondern "von der Brücke" oder "zur Brücke". Da steckt das französische Adelsprädikat ja drin ist nur nicht so deutlich zu erkennen. (spielt aber ja keine Rolle).

    Boubonaiser-Jagdhunde.

    Bourbonnaiser wäre dann besser ...

    Aber die Idee ist sehr gut. So hatte ich es gemeint. :)

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Das hier ist die letzte Szene mit Laffayett, ehe die Kamera erstmal zu den Vampiren zurück schwenkt. Mich würde besonders interessieren ob das Gespräch zwischen Madame Perrin und Mathis vielleicht etwas zu kurz geraten ist. Ich will ihn unbedingt hier vorstellen ich war mir aber unsicher was er tun soll.

    -------------

    Kurz darauf dröhnte Phillipes Stimme über den Platz, so laut, dass man sie wahrscheinlich noch an der Küste hören konnte. Er stand umring von seiner Mannschaft an der Mittellinie, deutete mit dem Schläger auf Laffayett und schaute einem nach dem anderen ins Gesicht während er klarstellte: „Der Blonde gehört mir!“

    Laffayetts ließ einige Sekunden verstreichen bis er den Atemzug nachholte, den er vor Schreck ausgelassen hatte. Die Aufregung prickelte unter seiner Haut wie ein elektrischer Schlag. Jeden Moment würde er vor Ungeduld an den Nähten platzen.

    Zur selben Zeit sah sich Mathis nach einem Sitzplatz um, den er stehlen konnte. Die erste Reihe war für die Familien der Spieler reserviert, aber wer nicht hier war brauchte auch keine Bank. Irgendjemand kam immer zu spät oder eben gar nicht und wenn er erwischt wurde konnte er es immer noch auf ein Versehen schieben. Er ließ sich auf einem freien Polster nieder, zum ersten Mal seit mehr als zwölf Stunden. Seine Rückenwirbel knacksten und prickelten. Aber Ruhe blieb ihm zunächst verwehrt. Der geflochtene Griff eines Picknick-Korbs knirschte unter den Fingernägeln einer älteren Dame direkt neben ihm. Sie presste die Lippen zusammen und ihre Augen verfolgten jede Bewegung eines bestimmten Spielers, kleiner und schwächer als alle anderen. Er konnte die Anspannung in ihrem Gesicht sehen, wann immer ihr Schützling angerempelt wurde oder zu viel Geschwindigkeit aufnahm. Er hüstelte mit vorgehaltener Hand und wartete geduldig darauf, dass sie ihn bemerkte.

    Sie trug ein beiges Kleid mit einem Rüschen-Kragen der nicht zu ihr passte, aber ihre Schuhe und ihre Handtasche verrieten das sie nicht arm war, eher schlecht beraten. Er selbst war in eine schwarze Weste gekleidet mit einem weißen Halstuch und Kupfer-Knöpfen. Ihm war bewusst das seine Stirn und seine Wangen vom Arbeiten in der Sonne gerötet waren. Finanziell war er einem durchschnittlichen Landstreicher näher als ihr. Seine Manieren mussten zeigen wer er war. Sie sah zu ihm hinüber und quetschte zunächst ihre Handtasche zwischen Ellenbogen und Hüfte ein. Er wiederum zog einen imaginären Hut und grüßte sie so leichtherzig er konnte.

    „Guten Tag. Mein Name ist Mathis Fournier. Ich konnte nicht vermeiden zu bemerken wie verstört sie wirken. Ist alles in Ordnung?“ Sie öffnete den Mund um etwas zu antworten aber der schrille Klang einer Triller-Pfeife riss ihre Aufmerksamkeit zurück auf das Feld, wo Laffayett und einer der Schiedsrichter sich wild gestikulierend gegenüberstanden.

    „Was ist jetzt wieder passiert!?“ Jammerte sie. „Wird er verwiesen?“

    Mathis schaute sich die Scene für einige Augenblicke an und schüttelte den Kopf.

    „Nein. Nur eine Verwarnung.“ Die gerade aufkommende Erleichterung in ihrem Blick erstarb wieder. Sie drehte sich zu ihm und bot einen Handschlag an. Ihre Hände fühlten sich warm an vom ständigen herumhantieren mit dem Korb.

    „Emma Perrin. Ich bin zum ersten Mal hier. Monsieur Lurad bestand darauf, dass ihn zumindest eine Person emotional unterstützt.“ Mathis rückte etwas näher, damit sie reden konnten ohne zu brüllen oder den Beginn der nächsten Runde zu verpassen.

    „Hat er sich die Zeit genommen ihnen die Regeln zu erklären?“

    Madame Perrin schüttelte den Kopf. „Ich weiß das er den Ball durch die Torpfosten da schlagen muss.“ Sie deutete auf das Paar weiße Pfosten ganz am Ende des Platzes. „Aber die anderen Spieler reiten ihm in die Flanke, wenn er es versucht. Genau so ist letztes Jahr der Unfall mit seiner Schulter passiert.“

    „Das nennt sich `Abreiten` einer der erlaubten Spielzüge um den Ball von einem Gegner zurück zu holen.“

    „Es wirkt unglaublich gewalttätig auf mich.“ Sie schaute auf die Innenseite ihrer Hände, wo sich bereits tiefe rote Abdrücke vom Flecht-Muster des Korbes gebildet hatten. Sie stellte ihn neben sich ab und rieb ihre Finger um die Durchblutung wieder an zu regen.

    „Keiner von den jungen Kerlen da unten ist gezwungen worden mit zu spielen. Sie wollen ihr Potenzial ausschöpfen und zeigen wozu sie fähig sind. Sport mit seinen klaren Regeln und definierten Zielen gibt diesem Bedürfnis Raum.“

    „Und welcher davon ist ihrer?“ Sie nickte Richtung Spielfeld.

    „Oh, niemand bestimmtes. Ich arbeite als Kutscher, aber meine Pferde sind schon versorgt und die gnädige Dame reist erst heute Abend weiter. Daher habe ich etwas Zeit gefunden mir das Spiel an zu sehen.“

    Madame Perrin lachte. „Oh, ich habe wohl den falschen Beruf. Essen und frische Kleidung werden rund um die Uhr gebraucht und ich damit auch.“

    Ein Schmunzeln brach durch Mathis gefasste Mine und er nickte ihr anerkennend zu, ehe er sich wieder zum Geschehen drehte um den Rest des Spiels zu verfolgen. Es war eine Leere in ihm, wo einmal der Nervenkitzel gewesen war, den die jungen Reite runter ihm gerade jetzt erlebten. Er vermisste Polo, aber seine Tage waren zu kurz geworden. Er vertrieb den Gedanken schnell. Er war hier um ein paar Stunden zu entspannen und wenn es ihm nicht gelang würde er das heute Nacht spüren.

    Durch den kleinen Vorsprung kämpften Oliver und die anderen härter als üblich. Niemand von ihnen wollte der Grund für eine Niederlage sein und so spornten sie sich durch ihre kollektive Verbissenheit gegenseitig an. Man hatte sich stumm verständigt das Laffayett weiterhin auf der ersten Position spielen würde, auf der die Chance ein Tor zu schießen am größten war.

    Je mehr das Spiel sich der letzten Runde näherte desto ruhiger wurden die Menge. Sport war für die meisten nur ein weiterer Vorwand Leute zu treffen, um sich den Zugriff auf soziale und geschäftliche Gefälligkeiten zu erhalten, aber an diesem Tag waren alle Athleten so außergewöhnlich, dass sie den geladenen Gästen und dem einen Scharlatan der zwischen ihnen saß, ihre Aufmerksamkeit raubten. Selbst die wichtigsten Diskussionen waren verstummt.

    Die Erschöpfung zog an Laffayett. Salzige Schweißtropfen hatten sich immer wieder auf seiner Stirn gesammelt und waren wieder getrocknet. Am liebsten hätte er sich aus dem Sattel ins Graß fallen lassen und wäre dort geblieben bis seine Muskeln aufhörten sich zu beklagen. Aber die Tafel zeigte zwei zu zwei. Besser als sie sich je geschlagen hatten. Er fühlte sich leer, keine tragische Leere, sondern jene eines Mannes der alles gegeben hatte.

    Polospiele in Rankental konnten nicht auf Gleichstand enden. Es musste eine fünfte Runde geben, so wollten es die Regeln. Er sah sich nach seinen Mitstreitern um, die gerade noch einmal ihre Pferde wechselten, zurück zu jenen die sie in der ersten Runde geritten waren. Das bedeutete für ihn das er nochmal das Vergnügen mit Tourbillon hatte. Er zog sich direkt von einem Sattel in den nächsten. Der Ritt an den Tribünen vorbei zurück zur Mittellinie war seine persönliche Parade. Er machte seinen Rücken gerade und streckte den Arm aus, um im Vorbeireiten die ausgestreckten Finger der Zuschauer zu berühren die nach ihm griffen.

    „Hör auf rum zu albern!“ Blaffte Oliver. „Wir sind hier noch nicht fertig“.

    Die letzte Runde begann. Die Sonne versengte nun unbarmherzig sein Gesicht. Seine Zunge war ein trockener Schwamm und seine schweißgetränkte Kleidung war Schleifpapier auf seiner Haut. Die Spielzüge beider Mannschaften waren konservativ und vorsichtig, ein langwieriger, zermürbender Tanz mit dem Ziel den Gegnern einen fatalen Fehler zu entlocken. Seine vorherigen Tricks wirkten nicht mehr und Phillipe bewachte das Tor wie Cerberus den Eingang der Unterwelt. Mehrmals im Verlauf weniger Minuten versuchte er sich so zu positionieren, dass ihm die Anderen den Ball zupassen konnten, aber sein neuer Widersacher drängte ihn ab, ehe er auch nur daran denken konnte mit dem Schläger aus zu holen.

    Plick.

    Seine Gedanken drifteten schon weg, als ihn der Klang zurück ins hier und jetzt riss. Der Pass, den sein Mitstreiter geschlagen hatte, war nur ein wenig zu kurz um die Torpfosten zu passieren. Oliver war näher, aber er trat Tourbillon dennoch in die Flanken und versuchte sich von Phillipe los zu reißen. Das war sein Tor. Er täuschte an nach links ab zu drehen, wie er es das ganze Match über getan hatte, nur damit Phillipe sein Pony jetzt wo es darauf ankam nach rechts zog und er an ihm vorbei preschen konnte. Oliver sah ihn herangaloppieren und stoppte verdutzt, um nicht mit ihm zusammen zu stoßen. „Was soll das!?“ beschwerte er sich, aber Laffayett reagierte nicht auf ihn und folgte in gerader Linie dem kleinen weißen Ball im Gras. Er lehnte sich zur Seite und konnte fühlen wie sein Hengst sich von selbst richtig ausrichtete. Die Erschöpfung lockerte ihren Griff. Das Universum begann und endete hier, nichts anderes zählte. Er wollte diesen Punkt mehr als seinen nächsten Atemzug.

    Er holte aus, die Schrittlänge von Tourbillon vorsichtig mit einkalkulierend. Sein Moment kam, aber sein Tor nicht. Laffayett blickte seinen Schläger entlang. Phillipe hatte sich mit seinem eigenen eingehackt und seinen Arm zur Seite gezogen. Ein anderer Spieler aus der gegnerischen Mannschaft ritt von links an ihm vorbei und schlug einen langen Pass, weg von den Torpfosten, fast bis auf die andere Seite des Spielfeldes. Er war für alles was jetzt geschah außer Reichweite und musste hilflos mit ansehen wie ihm der sichere Sieg aus den Fingern gerissen wurde. Die letzte Glocke ertönte und beendete das Spiel. Drei zu Zwei.

    Er sprang ab und warf den Schläger ins Gras. Es kostete ihn alle Selbstkontrolle nicht nach dem Pferd zu treten. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und biss sich auf die Unterlippe. Alles was er in der letzten Stunde geleistet hatte war völlig vergebens gewesen. Wenn er das Tor Oliver überlassen hätte wären sie sicher siegreich gewesen und seine Mannschaft und alle Zuschauer hatten es gesehen. Die Demütigung war unerträglich. Keiner der anderen sagte irgendetwas. Sie ließen sich von ihren Angestellten Wasserflaschen und saubere Handtücher reichen, aber niemand erkundigte sich nach seinem Befinden. Er stand alleine auf dem Platz bis Madame Perrin zu ihm aufschloss.

    „Gott sei Dank. Es ist vorbei.“

    „Ja. Ich schätze das ist es.“ Murmelte er. Er hatte sich die Pferde nur geliehen, es war ihm also problemlos möglich einfach auf zu geben und nie wieder einen Fuß auf das Feld zu setzen. Wenn er sich angewöhnte zu unüblichen Tageszeiten in der Stadt zu sein konnte er vermutlich sogar für ein paar Monate vermeiden auf Mitglieder seiner Mannschaft zu treffen. Sein Atem ging schnell und sein Herz schmerzte. Vielleicht konnte er anstatt seinen Kaffee auf der Parkbank zu trinken unter einem Baum am Fluss sitzen um zu vermeiden das er andere Spieler auf dem Weg zum Feld sah damit diese Erinnerung nicht ständig wieder hoch kochte. Madame Perrin drückte ein weiches Taschentuch an seine Wange. Es hatte neben den Limonadenflaschen gelegen und war angenehm kühl.

    „Der letzte Zug war nicht besonders gut oder?“ Sie klang unsicher, aber wenn selbst eine simple Frau wie sie es bemerkte mussten alle erkannt haben das er es war der das letzte Tor verschenkt hatte, was für ein Idiot er gewesen war. Er nahm das Tuch schweigend an und tupfte den Schweiß aus seinem Gesicht, während er mit der anderen Hand Tourbillon führte. Perrin begleitete sie auf dem Weg zum Ausgang.

    „Ich habe dir trotzdem gerne zu gesehen.“

    Sie log. Er hatte gesehen wie sie ständig zusammengezuckt war und wie verkrampft sie sich an Trenn-Zaun geklemmt hatte. Er bereute jetzt das er sie überredet hatte hier zu sein. Aber sie versuchte ihn auf zu muntern. Das mindeste was er tun konnte war zu lächeln, ihr zu signalisieren das sie seinen Schmerz linderte, auch wenn die Demütigung ihn wie Säure zerfraß.

    „Danke.“ Flüsterte er schüchtern und schmunzelte.

  • Hey Feron,

    also den Prolog finde ich nun wirklich nicht zu gewalttätig, aber du hast Recht besser einmal zu viel warnen, als zu wenig. Finde auch, dass du einen guten Zwischenweg gefunden hast. Wenn Gewalt nur der Gewalt Willen ausartet, wirkt das oftmals überzogen bis albern.

    Finde deine Beschreibungen im Prolog gut gewählt und allgemein gibt es eine Menge schöner / gut klingender Beschreibungen in deinem Text, die ihm einen gewissen Ton verleihen und ihn ansprechend zum Lesen machen.

    Lafayett war mir vom ersten Absatz an sympathisch. Er findet, dass das Kleid seiner Haushälterin nicht steht, aber das Kleid an sich ist schön und er will sie nicht kränken.

    Der Dialog zwischen ihnen ist sehr süß, genauso wie der spätere Dialog zwischen ihm und seiner Schwester.

    Du hast einen sympathischen und sehr individuellen Hauptcharakter geschaffen bei dem ich nicht den Eindruck habe, dass er einer dieser "von der Stange-Protagonisten" ist, wie zum Beispiel manche Shounen-Helden oder viele Protagonistinnen aus, vor allem heterosexuellen, YA/NA-Romanzen.

    Lafayett betreibt auch einen selten gesehenen Sport, der ihn interessant wirken lässt, und er zeigt viel Ehrgeiz dafür und ich finde die Szenen ziemlich mitreißend beschrieben. Man ist eindeutig mitten im Geschehen.


    Aufgrund deiner Beschreibungen und Charakterisierung kann mir auch auf Anhieb vorstellen was er an Philip finden könnte.

    Etwa:

    Zitat

    Es brannte Feuer in Phillips braunen Augen, nicht die Art von wilden Flammen, die Wälder verschlingen konnten, sondern ein konstantes, verlässliches Glühen.

    Wir wissen gleich, er ist ebenso nicht ein 0815-Love Interest für ihn. Wir können uns vorstellen was Lafayett an ihm interessant und sympathisch finden könnte.

    Zudem tritt er mit ihm ein wenig in sportliche Konkurrenz, was ihm bestimmt gefällt, aber nicht in eine toxische Feindseligkeit oder Konkurrenzdenken.

    Ich bin mir nur unsicher wie man ihn schreibt? In den Textfragmenten hieß er Philippe, glaube ich.

    Ansonsten hab ich wieder falsch verwendete Inquitformeln gesehen, so beispielsweise auch der letzte Satz in dem Kapitel über mir („Danke.“ Flüsterte er schüchtern und schmunzelte. -> „Danke“, flüsterte... ), aber du meintest du würdest du in der Überarbeitung da noch darüberschauen, deswegen ist es nicht nötig jeden Satz anzustreichen.

    Eine kleine Anmerkung: Hast du die Schriftart zwischendurch bei #7 geändert? Fand ich etwas störend.

  • Danke LittleOwlbear

    Der Name ist jetzt offiziell "Phillipe" mit dem stummen E. Damit es mehr wie authentisches Französisch rüber kommt. Auch wenn ich glaube das meine Deutschen Leser da "PhillipE" draus machen werden. Ja die Schriftart war anders. Hab das wohl aus Versehen umgestellt.

    Hier ist der nächste Teil. Ich bin mir hier mit den Dialogen an sich extrem unsicher, weil die Situation (zum Glück) eher selten ist. Es ist auch ne (hoffentlich) subtile Lore-Dump für die Vampire. Entschuldigt bitte die Länge. Der Text hängt thematisch stark zusammen und ich habe keine gute Stelle zum Aufteilen gefunden. Schaut mal drüber wenn ihr Zeit habt und sagt mir was ihr davon haltet.

    ----

    Doktor Renee schaute hinauf zu der Uhr über dem Fenster, jene Uhr, die zu hoch hing, um den Staub hinunter zu fegen und deren Ticken zum Rhythmus seines Lebens geworden war. Es war eine warme Sommernacht. Aber er war hier unten im Kellergewölbe sicher von der erdrückenden Hitze, den Mücken und den Blicken anderer Leute.

    „Wir sind hier fertig. Jetzt kannst du schlafen“.

    Auf dem Tisch vor ihm lag ein kleiner Junge, nicht älter als Sieben. Die Lymphknoten am Hals waren zu grotesken, entzündeten Klumpen angeschwollen und seine blassen Lippen aufgerissen vom ständigen Husten. Seine Knochen zeichneten sich scharf unter der blassen Haut ab. Doktor Renee mit seinem weißen Kittel und dem Licht, das von oben herabfiel, stand wie ein Engel über ihm. Er legte die Nadel und den chirurgischen Faden beiseite und wusch seine Hände in einer Schüssel mit Essiglösung. Das Wasser war warm gewesen, als er begonnen hatte, aber nun stach ihm die Kälte in seine steifen, gischtgeplagten Finger.

    „Es tut mir leid, dass so lange gedauert hat, aber du hast mir sehr geholfen“. Schwindsucht war oft gnädig mit Erwachsenen, aber Kinder wie dieses hatten kaum eine Chance. Er deckte den Leichnam behutsam mit einem Leinentuch ab und nahm an seinem Schreibtisch Platz, um seine Notizen zu übertragen.

    Ein Stapel Unterlagen versperrte ihm die Sicht auf eine metallene Urne. Er schob das Papier zur Seite, legte den Kopf schief und betrachtete sie für eine Weile schweigend. Die Liebe seines Lebens lag unerreichbar für ihn hinter dem Schleier des Todes, aber all die anderen Seelen da oben hatten noch so viele kostbare Stunden, die gerettet werden konnten. Die Wunder der Medizin würden Frankreich eines Tages erlösen. Niemand starb vergebens, dafür würde er sorgen.

    Ein Lufthauch zerrte an seinem schütteren, grauen Haar. Er wirbelte herum und versuchte etwas zu erkennen, aber vor seinen Augen tanzten bunte Flecken. Er hatte viel zu lange in das grelle Licht geschaut. Das Fenster hinter ihm war offen und die beiden Flügel schwangen quietschend in der Brise. Der verdammte Rahmen hatte sich verzogen und das Schloss wollte seit einer Weile nicht mehr richtig einrasten. Er trat näher und vergewisserte sich, dass er es wieder geschlossen hatte.

    „Guten Abend Doktor“, grüßte eine raue, männliche Stimme. Die kleinen Haare an seinen Armen stellten sich auf.

    „Seid ihr euch im Klaren darüber, dass es hier auch eine Tür gibt!?“,blaffte er und bereute seine ausfälligen Worte noch ehe er sie zu Ende gesprochen hatte. Der unterbewusste Teil von ihm wollte sich der Gefahr entziehen, der er sich aussetze, sowie man vom Rand einer hohen Klippe zurückschreckte. Aber er zwang sich zur Ruhe. Die Temperatur im Raum sank schlagartig ab, wie immer, wenn Vampire zu Besuch waren.

    Er drehte sich langsam um. Cédric, der Meister der Waffen mit seinen leuchtenden Augen, stand auf der anderen Seite nahe dem Ausgang und neben ihm eine junge Frau, die Doktor Renee noch nicht kannte.

    Der männliche Untote war so groß, dass sein rotbraunes Haar fast den Türrahmen streifte. Er trug einen sonderlichen, antiken Stoff aus dunkler Seide, verziert mit goldenen Fäden und Brokat, wie er schlussfolgerte. Die weibliche Kreatur, die er mitgebracht hatte, dagegen hatte schwarzes, gekräuseltes Haar und die dunkle Haut. Sie trug ein simples Kleid aus blassgrüner Baumwolle, vierziert mit einer bestickten Borte, die eine flache, schneebedeckte Bergkette zeigte. Der Blick ihrer Bernstein-Augen war gesenkt und ihre Hände massierten die Finger der jeweils anderen. Sie wirkte noch verlorener als die üblichen Neuzugänge.

    „Ihr beide seid spät“, stellte der Mediziner klar. „Ihre Eltern sind in ein paar Minuten hier. Könnt ihr euch das Desaster vorstellen, wenn ich ihnen keine Leiche hätte zeigen können?“

    Cédric sprach zuerst. „Dies ist Andréa. Andréa, das ist Doktor Renee. Er wird dir helfen, von der Bildfläche zu verschwinden“.

    Sie nickte, aber er konnte sehen, wie weit weg ihre Gedanken waren. Er hatte Mitgefühl für ihre Lage, aber er vertraute dem Anführer. Es war das Beste so. Sie musste ihr altes Leben wie eine Schlangenhaut abstreifen.

    Er brachte das Kind, das an diesem Morgen verstorben war, ins Kühlhaus zurück und holte eine leere Bahre, die er in der Mitte des Labors abstellte. Der zerkratzte Stahl glänzte wie von Spinnennetzen überzogen, wie eine Falle, die zuschnappen würde, wenn man sie berührte. Er deutete auf einen Raumtrenner in der Ecke.

    „Wenn Sie so weit sind, dann legen Sie bitte Ihre Kleider ab und nehmen Sie hier Platz.“ Sie werden bis zu den Schultern mit einem Leichentuch bedeckt sein, bis man sie offiziell identifiziert hat. „Wir müssen nur den Anschein erwecken, dass eine Untersuchung stattgefunden hat“.

    Das Vampirmädchen reagierte nicht. Ihr Begleiter gab ihr einen Schubs gegen die dürre Schulter, um sie in Bewegung zu setzen.

    Renee holte derweil einen Notizblock und einen Kugelschreiber von seinem Schreibtisch. „Woran ist sie gestorben?“, fragte er.

    Cédric streifte ungeduldig durch den Raum wie ein verstörtes Tier in einem zu kleinen Käfig. Renee blickte zum Essigwasser. Der Gestank war für ihn bereits sehr belastend, und er konnte kaum erahnen, wie es war, ihn mit einem so hoch sensiblen Geruchssinn wie dem seinen wahrzunehmen. „Verzeihung“, murmelte er und räumte die Schüssel und die vollgesogenen Handtücher weg. Es gab keinen guten Grund die blutrüstigen Monster zu reizen.

    Der Raumtrenner verbarg Andréa, aber Cédric wandte dennoch seinen Blick ab. „Welche Todesursache wäre die typischste, Doktor?“

    „In Anbetracht ihrer Herkunft, Alters und Geschlechts wäre ein verschmähter Verehrer mit einem Messer am wahrscheinlichsten“.

    „Auf gar keinen Fall!“ Brüllte es entsetzt von der anderen Seite des Vorhangs. Es war das Erste, was sie überhaupt von sich gab.

    Renee nickte. „Verständlich. Wären deine Verwandten überrascht, von einer Drogenüberdosis oder Alkoholvergiftung zu hören? "

    „Nicht jede arme Familie ist so“, fauchte sie. Er konnte ihre Fangzähne nicht sehen, hörte aber an der Art, wie sie die „N“ in ihrem Satz nuschelte, dass sie ausgefahren sein mussten.

    „Gewissenhaft notiert. Aber wir brauchen nach Möglichkeit eine unkomplizierte Todesursache, die keine weiteren Fragen aufwirft.

    Andréa trat in ein weißes Handtuch gewickelt hervor. Sie rüttelte an der Bahre, um sicher zu gehen, dass sie stabil war, und legte sich darauf nieder. Ihre braunen Augen zogen sich im grellen Licht zusammen.

    Der Meister der Waffen trat neben sie. „Könnte sie im Dunkeln eine Treppe runtergefallen sein?“ "

    Der Doktor machte eine Notiz auf seinem Block. „Ja. Das Trauma an der Schläfe weist meiner fachlichen Meinung nach auf einen Schädelbruch hin“.

    „Welches…“

    Der ranghöhere Vampir hatte so schnell ausgeholt und zugeschlagen, dass die sterblichen Augen des Doktors die Bewegung nur verschwommen ausmachten. Andréa drückte beide Hände auf das getroffene Auge und fletschte erneut ihre Zähne, wagte es aber nicht, sich zu beklagen. Als sie die zittrigen Finger von ihrem Gesicht nahm, breitete sich bereits ein dunkler Fleck tief unter der Haut aus. Einige Gefäße in ihrem rechten Auge waren durch die Wucht geplatzt. Das Blut der Kreaturen war kalt und zähflüssig. Es half der Verletzung, älter aussehen zu lassen, als sie war.

    Zu gerne hätte er nach einer Probe gefragt und sie näher untersucht, aber wenn es um seine besonderen Klienten ging, traf die Wissenschaft meistens auf ihre Grenzen. Sie waren die Ausnahmen aller Naturgesetze. Wenn Cédric und Andréa eine Ahnung davon hatten, wie und warum sie so waren, dann teilten sie ihr Wissen nicht mit Außenseitern wie ihm.

    „Gut, Andréa. Deine Eltern werden gleich hier sein. Alles, was du tun musst, ist kurz stillzuliegen, bis sie bestätigen können, wer du bist. Danach schicke ich sie zum Trauern nach draußen und stelle deinen Totenschein aus. Die können sich, wenn ich so offen sein darf, kein aufwendiges Begräbnis leisten. Das Wort ‚Armen-Grab‘ wird so sicher fallen wie Schnee im Winter und all unsere Probleme sind damit gelöst“.

    Sie starrte in die Lampe, als wäre sie fest entschlossen, sich selbst zu blenden. „Sie werden sich die Schuld an all dem geben.“ Warum kann ich nicht einfach vermisst bleiben und ihnen ihre Hoffnung lassen?"

    Doktor Renee schüttelte den Kopf und klickte mit dem Kugelschreiber, um sich zu beruhigen. „Deine Eltern lieben dich, Andréa.“ Sie werden niemals aufhören nach dir zu suchen. Aber das müssen sie“.

    „Sei nicht naiv!“ Brummte Cédric. „Wenn sie weiter bohren und herausfinden, wohin du wirklich verschwunden bist, muss der Meister der Stille sie beseitigen. Ist es das, was du willst?“

    Sie schüttelte den Kopf, den Blick glasig und ihre Finger in das Handtuch gekrallt. Der helle Ton einer Klingel schallte durch den Keller. Jemand kam durch die Tür im Eingangsbereich.

    „Es ist so weit“, Renee zog das kratzige Leinen über Andréas Gesicht und vergewisserte sich, dass sie verstanden hatte sich nicht zu bewegen. Sie musste nicht mehr blinzeln und holte nur noch Luft, um zu sprechen. Es sollte eigentlich einfach sein.

    Der Meister der Waffen setzte sich an den Schreibtisch und legte ein paar Unterlagen zurecht, die er vorgeben konnte zu lesen. Er würde sie einfach in der Annahme lassen, dass er ein Assistent des Doktors war, der im Hintergrund seiner Arbeit nachging.

    „Bitte hier entlang. Passen Sie auf die Stufe auf“ ,das Ehepaar kam die Treppe herunter und eilte mit langen Schritten auf das Labor zu, obgleich sie wissen mussten, dass keine Eile mehr geboten war. Die Dame trug ein Rüschenkleid und einen Hut aus demselben blassgrünen Stoff wie ihre Tochter, vermutlich Wolle vom selben günstigen Ballen, und ihr Ehemann die dunkle Latzhose eines Kaminfegers. Andréas Mutter drückte immer wieder ein durchweichtes Taschentuch an ihr geschwollenes Gesicht und war die erste, die ihre Hand nach dem Leichentuch ausstreckte.

    „Frau Boureima. Ich muss Sie warnen. Es gibt eine recht entstellende Verletzung im Gesicht. Wenn sie ihre Tochter lieber in Erinnerung behalten möchten, wie sie war, würde die Bestätigung eines Elternteils für die Papiere genügen.

    „Nein.“ Ihre Stimme war schwach vor Kummer. „Ich will sie sehen. Ich muss“. Ihr Gefährte drückte sie an seine Brust und streichelte über ihren Rücken. Er versuchte nicht zu weinen, aber auch sein Gesicht war von der Verzweiflung gezeichnet. Seine Augen streiften scheinbar ziellos im Labor umher, über die Schränke, den Schreibtisch, die Werkzeuge, das alte Fenster, alles, nur nicht das Tuch aus Leinen vor ihnen.

    Der Pathologe trat vor und rollte die Abdeckung routiniert bis zu ihren Schultern zurück. Die Reaktionen waren nicht immer dieselben, aber es gab starke Gemeinsamkeiten. Hinterbliebene klammerten sich an Strohhalme. Selbst wenn die Beschreibung eines Verstorbenen haargenau mit jener eines Vermissten übereinstimme, hielten sie an der Hoffnung fest, das Gesicht auf der Bahre nicht wieder zu erkennen, und gaben sich bis zum letzten Augenblick dieser winzigen Chance hin, dass ihre schlimmste Angst doch noch nicht wahr geworden war.

    Er hatte Mitgefühl mit jedem Einzelnen, aber nur dieser schmerzhafte, finale Schlussstrich konnte den Stachel im Herzen herausziehen und langfristig Platz für Heilung schaffen.

    Die Frau war nicht länger im Stande, sich verständlich auszudrücken. Sie vergrub ihr Gesicht in der Schulter ihrer Begleitung und heulte und schrie ohne Unterbrechung. Als könne sie diesen Alptraum vertreiben, wenn sie nur laut genug war?

    „Wer hat unsere Tochter so zugerichtet?“, brachte ihr Vater schließlich hervor. Renee zog die Plane wieder zurück und verdeckte Andréa ganz.

    „Ein Unfall“. Sie wurde am Fuß einer Treppe in der Toudouze-Straße gefunden. Die Todesursache ist ein Bruch des rechten Schläfenbeins. Sie war sofort tot, Herr Boureima“.

    „Wir sind ihretwegen hergezogen, wissen sie?“ Als ihr Vater zu erzählen begann, rollte der Meister der Waffen am Schreibtisch kaum merklich mit den Augen. Geduld dachte sich der Doktor. Er brauchte jetzt jemanden, der ihn anhört, egal wen. Er nickte dem Mann zu und gestikulierte ihm fortzufahren.

    „Wir hatten einen Weizen-Hof und ein paar Hühner. Wir waren immer glücklich damit, aber unsere Tochter hatte nie…“

    Er stockte. „Hatte nie Freunde in ihrem Alter und keine Schule. Sie hat uns dazu gebracht, höhere Ansprüche zu stellen und jetzt ist sie weg. Gottes größtes Geschenk an uns ist weg“.

    Andréas Stimme erklang. „Ich habe die Farm gemocht, Papa.“

    Sie richtet sich auf, das graue Leinen vor ihren Körper haltend. Tränen rannen ihre Wangen herunter. Das Ehepaar stolperte rückwärts, mit weit aufgerissenen Augen. „Was hat das zu bedeuten!?“, schrie ihr Vater und stellte sich schützend vor seine Frau.

    Sie streckte ihren zitternden Arm nach ihm aus. „Papa, es ist in Ordnung, ich kann es erklären.“

    „Nein! Das kannst du nicht.“ Cédric stand auf und schloss mit einem Knall die große Doppeltür, die in den Flur führte. Als er sich zu ihr umwand, waren seine blitzenden Fangzähne ausgefahren und seine Raubtier-Augen glänzten voller Zorn.

    Das Mondlicht drang durch das kaputte Fenster und schimmerte in den Konturen von Doktor Renees weißem Kittel. Aber die erleuchtete Gestalt tat mehrere Schritte rückwärts, anstatt ein zu greifen. Er wendete seinen Blick ab. Dummes, dummes Mädchen.