Die Vampire von Rankental

Es gibt 94 Antworten in diesem Thema, welches 4.094 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (14. Mai 2024 um 17:15) ist von LittleOwlbear.

  • Heyho, ich habe mir den Prolog und Kapitel 1 auch einmal zu Gemüte geführt.

    Ich finde der Prolog ist dir sehr gelungen. Er liest sich spannend, gibt einen guten Eindruck auf das Setting und macht Bock auf mehr. Vor allem der erste Abschnitt weckt gleich Interesse und vermittelt viele wichtige Informationen über das Setting. Ich finde auch die Anmerkung mit den Waschbären und Igeln, die sich des Nachts in der Zivilisation rumtreiben einen guten Hinweis darauf, dass es sich bei unseren Protagonisten auch um Raubtiere handelt.

    Übrigens wollte ich dich gerade belehren, dass Waschbären nordamerikanische Tiere sind. Jetzt hab ich aber gerade erfahren, dass sie offenbar auch in Europa eingeschleppt wurden und sich in Nordfrankreich verbreitet haben. Damn, wer nimmt einen Waschbären mit ins Flugzeug? :topicclosed:

    Das Einzige, was mich beim Prolog stören würde, ist die scheinbare Untätigkeit von Raphaels Freund während dem Kampf. Vielleicht findest du da noch einen Weg, seine Aktionen zu tracken und dabei den Lesefluss zu wahren.

    Der Gedanke ist mir auch gekommen. Aber ich muss ja von deutschen Lesern ausgehen und da könnte "Vallée du vrilles" zu viel sein, weil man dann über die Aussprache stolpert.

    Ich fände einen französischen Namen auch schöner. Zugegeben, ich wohne an der Sprachgrenze, daher klingen französische Namen für mich auch recht intuitiv.

    Das erste Kapitel hat mir auch sehr gefallen. Die Charakterisierungen sind recht elegant in die alltägliche Situation eingefädelt und der Blumenring hat für mich gut funktioniert. Wenn der Twist nicht wäre, würde ich darauf schliessen, dass Lafayett den Ring bastelt, weil er zappelig und charmant ist und die abfällige Bemerkung aus einer Laune heraus macht, weil er ja nicht zu wohlwollend erscheinen will.

  • Danke. Jufington Ich habe es gerade nachgeschlagen. Du hast mit den Wachbären Recht. Die sind zwar hier eine invasive Art, aber erst seit ca. Jahr 2000. Der Roman spielt aber 1901, also für Waschbären zu früh. Die wurden übrigens absichtlich angesiedelt wegen ihrer tollen wasserabweisenden Pelze. Es ist wirklich nicht leicht Beispiele für Europäische Raubtiere zu finden die in einer Stadt leben würden.

  • Wieder ein sehr schöner Abschnitt.

    Lafayett wird von seinem Onkel in die Mangel genommen um einen Job in der Bank zu beginnen. Da windet er sich geschickt heraus. Amüsant und hübsch geschrieben wie immer.

    Ein Ensemble von lächelnden Gören mit den immer gleichen Körben voller Blumen, Äpfel und Gebäck lächelten ihn von ihren Ölgemälden

    hier hast du zweimal das Lächeln

    Stellte er fest und musterte ihn von oben bis unten. Er konnte nur hoffen, dass die Schminke sein blaues Auge gut verdeckte.

    HIer sind die Pronomen missverständlich. Das erste "er" bezieht sich auf den Onkel. Das folgende "ihn" auf Lafayett und das nächste "Er" dann ebenfalls auf Lafayett. Da würde ich ab und zu den Namen bringen damit man nicht durcheinanderkommt.

    Sein Onkel leerte sein Glas und bestellte das Gleiche noch einmal. Er hatte keine Ahnung,

    Hier ebenfalls. Das "Er" bezieht sich auf den Onkel. Ist aber vermutlich nicht so gemeint.

    Gabriel liebte seine Arbeit bei der Bank und er konnte erahnen, wie selten ihm jemand zuhörte, wenn er versuchte darüber zu reden.

    auch hier. Das Subjekt des Satzes ist Gabriel. Auf wen beziehen sich die Pronomen? Grammatikalisch ebenfalls auf Gabriel. Ich denke es ist nicht so gemeint. Da würde ich nochmal drübergehen.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Nochmal vielen Dank Kisa, Tom Stark, Kirisha, LittleOwlbear, Rainbow und Jufington

    Ich beginne zu glauben das dieser Roman was werden könnte. Ich fange die nächste Verbesserungs-Runde an und ziehe alles was ihr vorgeschlagen habt in Betracht. Ihr findet die bearbeiteten Versionen für jeden Abschnitt im Spoiler unter dem ursprünglichen Post, angefangen mit dem Prolog, falls ihr mal einen Blick reinwerfen wollt. Das ist jetzt auch durch ein Rechtschreibprogramm gelaufen und sollte theoretisch Fehlerfrei sein.

    An alle die bis zu der Szene mit Gabriel gelesen haben. Ist denn klar das der Kerl der im Prolog ermordet wurde Lafayetts Vater war? Der ganze Teil mit Doktor Renee ist dazu da zu etablieren das Vampire ihren Tod vortäuschen, damit niemand nach ihnen sucht. Wenn das so nicht geklappt hat müsste ich eine Menge umschreiben…

    Auf die nächste Szene bin ich relativ stolz. Ich hatte das hier schonmal in die Textfragmente gepostet, es aber dann umgeschrieben um den Text etwas kürzer und die Einsicht von Lafayett weniger plötzlich zu machen.

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    Lafayett stemmte sein ganzes Gewicht gegen die Flügel der Doppeltür und verschaffte sich Zutritt. Fliesen aus weißem Marmor bildeten den Boden der Halle. Er konnte sich vorstellen, wie prächtig dies alles bei der Eröffnung ausgesehen hatte, aber seine Augen konnten die Risse und abgebrochenen Kanten nicht überfliegen. Die hohen Wände warfen das einsame Echo seiner Schritte hin und her, und über seinem Kopf wölbte sich eine majestätische Glaskuppel, die als einzige Lichtquelle diente.

    Ein Podest zu seiner Linken rief ihn lautlos. In einer Hülle aus Eisen und Glas lebte eine lebensgroße Bronze-Skulptur. Er kam näher und sah zu ihr auf wie ein Bittsteller zu einer Königin. Die weibliche Figur in dem Kasten war leicht nach vorne gebeugt, gerade erst im Begriff, sich aufzurichten. Ihre Hände und Unterarme verdeckten den nackten Körper, als ob sie bis eben ungestört in einem See gebadet hätte und vom Betrachter in ihrem Frieden gestört worden wäre. Sie erschien ihm so lebendig, als könnte sie jeden Moment aus ihrer Versteinerung brechen. Er schlich um sie herum und betrachtete die Details in ihrem schockierten Gesicht, die Locken ihrer Haare und die Wölbung ihres Rückens, ihrer Pobacken, ihrer Kniekehlen und Fersen. Die Gravur um Sockel kannte keine Namen, weder ihrer noch den ihres Schöpfers. Lafayett sträubte sich zunächst dagegen, beeindruckt zu sein. Oberflächlich war es ein alter Klumpen Metall, aber das Werk war auf so eine einzigartige Weise schön, so unantastbar für seinen Zynismus, dass er bedauerte, sie gleichzeitig zum Ersten und zum letzten Mal zu sehen.

    In seinen nebligen Erinnerungen waren alle Räume gleich. Wenn er etwas wiedererkannte, dann nur, weil Madame Perrin ihm an dieser Stelle etwas Außergewöhnliches gezeigt hatte, wie ein bestimmtes stark texturiertes Ölfarben-Bild von einem Reiher an einem Bachlauf.

    „Das hat er draußen in der Wildnis gemalt“ hatte sie damals gesagt und auf die Frage hin, woher sie das wisse, auf die rechte untere Ecke gezeigt, wo auch heute noch ein Grashüpfer in die olivgrüne Farbe eingeschlossen war. Er konnte sich gegen sein aufkommendes Lächeln nicht wehren. Der Künstler musste den Makel gesehen haben, aber er hatte sich selbst und sein Kunstwerk nicht zu ernst genommen und die Leinwand belassen, wie sie war. Verankert in dem mumifizierten Insekt wuchs auch seine Wertschätzung für den Rest des Bildes. Die Ruhe und die Harmonie, die der Szene innewohnten, sprachen zu ihm. Kunst konnte wunderschön sein. Vielleicht konnte er Raum dafür machen und sich selbst eine Staffelei und ein paar Farben zulegen. Dann besann er sich anders. Auf diesem Niveau zu malen würde Jahrzehnte dauern.

    Er folgte einer Reihe von Wegweisern in dem neuen Bereich mit den griechischen Statuen, die hier genauso Besucher waren wie er selbst. Hier gab es kein Glas, nur rote Stricke und strenge, schriftliche Warnungen, nichts zu berühren. Siebzehn blütenweiße Staturen nahmen den Raum ein. Es waren Szenen aus Mythen über alte Götter in sehr dynamischen Posen. Der Stoff ihrer Tuniken und Umhänge wehte im Wind, kräuselte sich, wo er geknickt wurde, und warf lebensechte Falten. Ihr Haar war entweder ganz der Schwerkraft unterworfen oder zu prächtigen, hochgesteckten Zöpfen frisiert, und die einzelnen, stark betonten Muskelgruppen unter der Haut vermittelten ihre schiere Macht und ihre Stärke. Bei einigen Figuren bedeckten strategisch platzierte Stofffetzen oder Feigenblätter den Schoss, aber die meisten von ihnen stellten sich der Wahrheit, dass der menschliche Körper nicht unter dem Bauchnabel aufhörte. Der rote Teppich dämpfte seine Schritte, und als in diesem Moment die Sonne draußen unterging, schaltete der Hausmeister, irgendwo im Gebäude die Glühbirnen an. Die moderne, künstliche Beleuchtung flutete die Halle und brachte so viele neue Perspektiven in den toten Stein, dass er versucht war, zurückzugehen und sich jede einzelne Skulptur erneut an zu sehen, buchstäblich in einem anderen Licht.

    Er kam vor dem Größten der Werke zum Stehen. Hinter der Absperrung lenkte Hades, der Gott der Unterwelt, seinen Streitwagen, während er seine Hand nach einer flüchtenden Persephone ausstreckte. Die Arme und das Gesicht der jungen Maid, hatten Schaden genommen. Die fehlenden Stellen waren mit weißer Spachtelmasse aufgefüllt, die aber anders als der polierte Marmor nicht glänzte. Ihm wäre es lieber gewesen, die Statur beschädigt zu sehen. Die Ergänzung machte sie für ihn ironischerweise weniger vollständig. Seine Augen folgten ihrem fließenden Gewand, wie ein Blatt in der Strömung, hinauf zu ihrer Schulter und von dort aus zu den Fingern ihres Verfolgers. Seine Hände waren nicht glatt. Der Bildhauer hatte die einzigartigen Falten eingearbeitet, die jeder Mensch in seiner Handfläche trug, und hier und dort stachen Venen durch die imaginäre Haut.

    Er wollte näher herantreten. Obwohl der rote, hüfthohe Strick es untersagte, verließ er den roten Teppich und setzte zuerst einen Fuß auf den Sockel. Dann den anderen. Es fühlte sich beklemmend an, der überlebensgroßen Figur so nahe zu sein, aber Lafayett musste ihn einfach berühren. Die Kraft, die ihn vorwärts schob, war zu groß. Mit der beschädigten Persephone in seinem Rücken streckte er den Arm aus und seine Finger rutschten wie von selbst zwischen jene der männlichen Skulptur. Der Marmor war kalt, aber die Oberfläche fühlte sich seidig weich an. Atmen wurde zu einem bewussten Akt und seine Knie drohten unter ihm nachzugeben.

    Unter dem strengen, entschlossenen Gesicht mit seinem starken Unterkiefer und der leichtesten Andeutung von Stirnfalten, lagen breite, athletische Brustmuskeln, die ihrerseits fest über die Rippen gespannt dalagen. Die Kanten und Wölbungen seines Körpers gingen so vollkommen ineinander über, dass es ihm nicht möglich war, sich eine Abweichung davon auch nur vorzustellen. In seinem Kopf sah er, wie sich der festgehaltene Moment entfaltete. Der Herr der Unterwelt würde die Zügel zur Seite reißen, der Wagen würde nach links driften und seine Hand würde zupacken. Dann würde er das Objekt seiner Begierde mit einem kräftigen Ruck zu sich ziehen und es eng an seinen Torso drücken, damit die Beute während der wilden Flucht nicht aus dem Wagen fiel.

    Er blickte zurück auf seine eigenen Fingerkuppen, das rosa Fleisch, das sich fest gegen den blassen Stein presste. Die Figur, dessen Hand er hielt, stellte den König der Unterwelt da. Man würde ihn buchstäblich in die Hölle zerren. Er lockerte seinen Griff und zog sich zurück. Er massierte seine Handballen, während er auf die andere Seite der Absperrung zurückkehrte. Seine Brust fühlte sich eng an und er bereute, das Museum überhaupt betreten zu haben. Der sonst perfekt sitzende Stoff seiner Herrenhose drückte unangenehm gegen seine Männlichkeit.

    Die Blicke der leeren, weißen Augen brannten sich in seine Haut. Er hielt sich selbst mit beiden Händen den Mund zu, so feste, dass sich seine Fingernägel in seine Wange bohrten. Er konnte seine Freunde und seine Familie täuschen, aber nicht länger sich selbst. Dies war keine Phase, die wie eine Wolke vorüberziehen würde, sondern ein Teil von ihm. Es würde niemals „die Richtige“ geben, denn was sich für ihn richtig anfühlte, war keine Frau.

  • Hey Feron ,

    möchte mich auch wiedermal zu Wort melden. :D


    Also erstmal zum Cover: Ich finde ebenfalls, dass es nach Horror aussieht. Es hat zwar einen gewissen Charme und sieht gut aus, aber es erinnert mich irgendwie an diese 80er-Filmposter? Irgendwoher kommt diese Assoziation. xD
    Bisher hast du zwar einige düstere Szenen, die du eingebracht hast, aber diese finde ich nicht so grafisch, als dass ich sie als Horror einstufen würde und du hast selbst gesagt, sie werden nicht schlimmer werden als die Szenen im Prolog.

    Ob die Romanze zu viel Platz einnimmt, ist schwierig zu sagen... was bedeutet für dich zu viel? Du wirst ja deine Gründe dafür haben, wieso du sie schreiben möchtest und wieso du ihr einen gewissen Platz zugestehst. Vielleicht als Subgenre?

    Zitat

    Als die Welle flüchtender Kleintiere vorüber war, öffnete der Wald selbst ein Dutzend schimmernde Augen. Unzählige leuchtende Punkte tauchten aus dem Nebel auf, immer zwei zusammen. Was eben noch wie die Umrisse von Felsen und Sträuchern ausgesehen hatte setzte sich in Bewegung und Mathis erkannte die Silhouetten von Wölfen die Schulter an Schulter auf ihn zu schlichen. Das Rudel war größer als es wilde Tiere jemals erlaubt hätten. Es bedeckte jeden Flecken Boden und das Licht der Laterne erreichte dennoch an keiner Stelle das Ende ihrer Formation. Die Meute schickte eine Kaskade tiefer Wimmer und Knurr-Laute voraus. Eine Ballade über Hunger. Bei vielen von ihnen stachen die Rippen und Hüftknochen hervor und ihre Schnauzen waren vernarbt von zahllosen Kämpfen um Beute-Reste. Hunderte von geifernden Mäulern begannen die Kutsche zu umrunden und immer engere Kreise zu ziehen. Mathis wurde sich jeder einzelnen der Sechs Kugeln, die im Magazin des Revolvers ruhten, schmerzlich bewusst.

    Diese Beschreibung fand ich richtig gut. ^^

    Zitat

    Sie richtete sich auf, aber ihr Rückgrat verblieb wie immer leicht gekrümmt, mit den einzelnen Wirbeln deutlich erkennbar selbst durch mehrere Schichten Stoff. Sie entblößte ihre langen Eck-Zähne und starrte einzelnen Wölfen, die ihr zu nahekamen, in die Augen, um sie ein zu schüchtern. Ihre haarigen Finger endeten in scharfen Krallen, denen nicht einmal Leder standhalten konnte, geschweigenden ungeschützte Haut.

    Jessica war ein Rattling. Eine Kaste unter den Vampiren deren Erschaffung an einer Stelle das Herz einer toten Ratte erforderte. Die meisten Krieger aus Haus Sures waren wie sie, scheuschliche Zerrbilder ihrer alten Erscheinung und auch nicht die größten Krieger unter den Untoten, aber absolut durchdrungen mit Trotz gegen all jene die auf sie herabsahen. Wenn es einen Weg gab zu überleben dann war es fast immer ein Rattling der ihn fand.

    Ich find die Beschreibung bisschen creepy, also richtig passend. Man erkennt sehr gut noch die Ratteneigenschaften, die du auf sie übertragen wolltest.

    Zitat

    Das Wolfsrudel war noch da. Ihre langen Beine umgaben ihn wie die Gitterstäbe eines Käfigs, aber sie hielten jetzt Abstand.

    Das ist wieder ein starkes Bild, das du hier erschaffst. Ich hab kurz überlegt, was du ausdrücken wolltest, aber ja... es macht Sinn.

    Zitat

    Er trug die Kleidung von jemanden der schon vor langer Zeit das Interesse an Mode verloren hatte.

    Ich finde deine Aussehensbeschreibungen sehr schön, da sie ein gewisses Bild von der Person erzeugen, die mehr über eine Person aussagen, als bloß ihre Kleidung und gewisse Aussehensmerkmale zu beschreiben.


    Zurück geht es zu Lafayett. Ich finde das Pacing angenehm, dass bei ihm die Handlung (noch?) ruhiger verläuft und man vor allem sein Leben kennenlernt. Hier fallen mir ein paar Stellen auf.

    Zitat

    „Man muss Mutter einfach lieben, nicht wahr? Sie kennt mich so gut, dass sie weiß, was ich will, bevor ich es weiß.“

    Bankwesen? Eher hätte er Säure getrunken. Sein Onkel schnippte die verbrannte Spitze seiner Zigarre in den Aschenbecher vor ihm und setzte seinen sentimentalen Blick auf.

    Später reden sie über seinen Haarschnitt, und allgemein macht er "Reichensport", den scheint er aber tatsächlich lieber zu mögen, als alles andere, das man ihm aufdrängt. Der Junge wird von seiner Familie zurechtgebogen, oder zumindest haben sie das vor.

    Zitat

    Ist denn klar das der Kerl der im Prolog ermordet wurde Lafayetts Vater war? Der ganze Teil mit Doktor Renee ist dazu da zu etablieren das Vampire ihren Tod vortäuschen, damit niemand nach ihnen sucht. Wenn das so nicht geklappt hat müsste ich eine Menge umschreiben…

    Ja schon, zumindest habe ich es mir mal gedacht und gedanklich notiert.

    Zitat

    Auf die nächste Szene bin ich relativ stolz. Ich hatte das hier schonmal in die Textfragmente gepostet, es aber dann umgeschrieben um den Text etwas kürzer und die Einsicht von Lafayett weniger plötzlich zu machen.

    Die Szene kenne ich ja bereits, habe sie aber gerne nochmal gelesen. ^^
    Man merkt den Druck, der auf dem Jungen liegt und den er sich infolgedessen selbst macht. Diesmal fand ich die Szene auch noch etwas eindrucksvoller, da man sie im Kontext erkennt und Lafayett und seine Familiensituation nun bereits eine Weile kennengelernt hat.
    Die Beschreibungen find ich sehr schön und ausführlich, vielleicht etwas zu ausführlich, aber in diesem Fall passend, da Lafayett ja auch lange daraufstarrt.


    So, nun bin ich auch wieder up to date. ^^

  • Hey Feron

    Jetzt melde ich mich auch nochmal zu Wort. Ich bin ja jetzt up to date und habe es bisher sehr genossen, deine Geschichte zu lesen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass du die ersten Parts bereits deutlich öfter überarbeitet hast und sich zunehmend mehr Fehler eingeschlichten hatten. ich würde sagen, im Anschluss an das Polo-Spiel war ein kleiner Qualitäts-Abfall zu verzeichnen. Kam aber vielleicht auch nur mir so vor :pardon:

    Alles in allem bleibe ich bei meiner ursprünglichen Meinung: Die Art und Weise, wie du Lafayett zeichnest, ist großes Kino. Die Beziehung zu seiner Schwester (die Aktion mit dem Ring war echt cool eingefädelt :)) ist sehr schön eingefangen. Und natürlich war das Polo-Spiel grandios. Seine Fechteinheit war äußerst unterhaltsam und das Gespräch mit seinem Onkel in der Bank ebenfalls. Man hat das Gefühl immer wieder etwas Neues über ihn zu erfahren, so ja jetzt auch wieder, bei seinem Museumsbesuch.

    Der Part mit Doktor Renee und der Verschleierung der Todesursache von Andrea hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Ich hatte quasi fast das Gefühl live bei diesem schrecklichen Szenario beizuwohnen. Der Mathis- Part hingegen hat sich für mich etwas verworren lesen lassen. Ich meine den Angriff der Wölfe. Vom Grundgedanken fand ich das okay, nur war die Lesequalität nicht auf dem gewohnten Niveau, fand ich. :hmm:

    Es bleit auf jeden Fall spannend, in welche Richtung du das alles weiterspinnen wirst. :gamer:

  • Danke. LittleOwlbear Das ist so lieb von dir.

    Zitat

    Bisher hast du zwar einige düstere Szenen, die du eingebracht hast, aber diese finde ich nicht so grafisch, als dass ich sie als Horror einstufen würde und du hast selbst gesagt, sie werden nicht schlimmer werden als die Szenen im Prolog.

    Die Gewalt an sich wird nicht schlimmer als im Prolog, aber der Plot ist extrem düster und ich würde nicht wollen das jemand das Buch aufschlägt und dann denkt das hier irgendjemand ein Happy-End bekommt. Ich möchte, dass das Cover minimalistisch ist aber eine Atmosphäre von lauerndem, unvorstellbar großen Schrecken vermittelt. Deswegen schwebt die Fledermaus als dunkle Präsens über dem Protagonisten. Im Augenblick spiele ich eh nur mit verschiedenen Designs rum. Eventuell investiere ich auch beim Cover mal ein paar Euro und lasse es einen Profi machen. Ich muss ja erstmal fertig werden.


    Spoiler anzeigen
    Zitat

    Ob die Romanze zu viel Platz einnimmt, ist schwierig zu sagen... was bedeutet für dich zu viel? Du wirst ja deine Gründe dafür haben, wieso du sie schreiben möchtest und wieso du ihr einen gewissen Platz zugestehst. Vielleicht als Subgenre?

    Ich wollte eine kurze aber glaubhafte Romanze, damit es so richtig weh tut, wenn das Glück das die beiden hätten haben können plötzlich aus ihren Fingern gerissen wird. Ich fürchte nur das es etwas ausgeufert ist. „Die Szene wäre doch schön!“ „Hier sollte er noch dabei sein!“ „Oh! Es wäre so cool wenn er das hier noch mitbekommen könnte“ und jetzt ist die Romanze wahrscheinlich viel zu lang und ich habe Mühe den Vampiren genügend Szenen zu geben um das aus zu gleichen. *Haut ihren Kopf gegen die Tastatur*

    Danke. Rainbow

    Zitat

    Ich hatte allerdings das Gefühl, dass du die ersten Parts bereits deutlich öfter überarbeitet hast und sich zunehmend mehr Fehler eingeschlichten hatten. ich würde sagen, im Anschluss an das Polo-Spiel war ein kleiner Qualitäts-Abfall zu verzeichnen. Kam aber vielleicht auch nur mir so vor :pardon:

    Nein das ist tatsächlich so. Ich lasse meine Text üblicherweise ein paar Wochen sacken, ehe ich einen Abschnitt nochmal lese und dann verbessere. Daher sind die ersten Seiten vermutlich besser als die weiter hinten im Buch. Meine ersten Entwürfe sind immer fürchterlich, aber wenn ich einmal das „Gerippe“ einer Szene stehen hab fällt es mir leichter daran zu arbeiten. Und dann kommt natürlich noch das „rückwärts editieren“ wenn mir später irgendein schönes Detail einfällt das schon vorher eine Rolle hätte spielen sollen, wie Lafayetts Ohren.

    In der nächsten Szene hat Lafayett das erste Mal direkten Kontakt mit den Untoten. Ich lasse die Namen jetzt erstmal so… Seine Schwester heißt Precilla in meinem Kopf und es fällt mir schwer mich an einen anderen Namen zu gewöhnen. Das machte ich später mit Copy-Paste. Hier geht’s weiter:


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    Der alte Kartenverkäufer mit seiner grauen Uniform schritt den Flur entlang und schloss, der Reihe nach, alle Fenster im Südflügel. Aber es war zu spät, um die Dunkelheit draußen zu halten. Cedric bewegte sich vorsichtig über die weißen Fliesen. Der alte Wolfling hielt seine Schritte flach und näherte sich lautlos. Er wartete wie immer, bis sein erwähltes Opfer sich weit genug von den Glasscheiben entfernt hatte. Es gab zwar kein Spiegelbild mehr, das ihn verraten konnte, aber die Straße draußen war nicht so leer, wie er erhofft hatte. Er ging hinter dem Mann her, schloss die Distanz und schlug zu. Kein Schrei, kein Kampf und keine Zeugen.

    Die Spitzen seiner Fangzähne drückten sich durch die inzwischen vernarbte Haut – und warmes Blut füllte seinen Mund. Cedrik fühlte den Puls des rasenden Herzens so stark, als wäre es sein eigenes. Die qualvolle Trockenheit verschwand aus seiner eigenen Kehle, die Kälte in seinen Gliedern verflog, der schmerzhafte Knoten in seinem Magen löste sich und auch seine bis eben noch stark verkrampften Kiefer gaben endlich Ruhe. Er fühlte, wie sein Geist wieder klarer wurde. Ein letzter tiefer Schluck – mehr konnte er nicht nehmen, wenn er nicht auch das Leben des alten Mannes wollte.

    Er lehnte den Bewusstlosen mit dem Rücken an eine der Vitrinen und leckte über die Bisswunde. Was auch immer er an Stelle von Speichel hatte, stoppte die Blutung und begann bereits, die Wundränder zusammenzuziehen. Der Kartenverkäufer würde die Müdigkeit und die wiederkehrenden Erinnerungslücken auf sein Alter schieben. Schlimmstenfalls erfuhr Doktor Renee davon.

    Cedric begab sich in die große Eingangshalle, Richtung Ausgang, als jemand mit ihm zusammenstieß. Er selbst war so schwer, dass er durch den Aufprall kaum ins Wanken kam, aber der junge Kerl mit dem langen, blonden Haar taumelte rückwärts und schlug mit dem linken Ellenbogen zuerst auf den Marmor auf.

    „Sind Sie verletzt?“ Der alte Vampir streckte dem Fremden seine Hand entgegen. Der Junge griff mit seinem unversehrten Arm zu und ließ sich auf die Beine helfen. Er starrte dabei für einen Augenblick auf Cedriks krallenartige Fingernägel und ließ erst dann wieder los. Gischt war in der Oberschicht von Rankental weit verbreitet. Höfliche Menschen kommentierten verkrümmte oder verfärbte Finger nicht, aber sein Ekel war offensichtlich.

    „Ich bitte um Verzeihung. Das war meine Schuld“ wimmerte er und drückte das geprellte Gelenk an seinen Bauch. Er versuchte sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, konnte aber weder das Zittern seiner Hände noch die Tränen seiner Augen unterdrücken.

    Für den Waffenmeister spielte das Befinden dieses Halbstarken keine Rolle. Sein Blutdurst nagte schon seit vielen Nächten an ihm und ein zweites Opfer war genau das, was er brauchte. Dieser Mensch, dieser Kümmerling, der in seinem Schatten kauerte, war zur falschen Zeit am falschen Ort. Die klauenbewehrten Hände schnellten vorwärts und schlossen sich um den Kragen des Jungen. Er zog ihn zu sich, bereit, die nadelspitzen Fänge in seinem Hals zu versenken, hielt dann aber inne. Spielten seine Augen ihm Streiche? Er studierte sein Gesicht, während der Knabe sich nach Kräften wehrte und schrie.

    „Lass mich gehen, du Hurensohn!“ Sie waren alleine, das war sicher. Er hasste nichts mehr als, eilig trinken zu müssen. Frisches, warmes Blut war eine der wenigen Freuden in seinem Unleben, und er würde sich das von niemandem nehmen lassen. Trotzdem: Warum glaubte er ihn zu kennen? Ein Gedanke bahnte sich seinen Weg an die Oberfläche.

    „Wie ist dein Name?“ Rief er und versuchte, herrisch zu klingen. Aber er stieß beim Sprechen mit der Zunge gegen seine ausgefahrenen Eckzähne und nuschelte deswegen. Das Federgewicht in seinem Griff hörte kurz mit seinem sinnlosen Gezappel auf und sah ihn an. Er hatte silberblaue Augen und dünne blonde Brauen. Die Nase war dieselbe und sogar der Geruch, der von ihm aus ging, ähnelte dem von Raphael.

    „Lafayett Lurad. Der Sohn von Aurelie Lurad. Nimm deine Hände von mir oder du siehst das Gefängnis nie wieder von außen!“

    Cédrics Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. Er lachte kurz auf und ließ seinen Arm langsam sinken, bis die Stiefel des Jungen wieder Kontakt mit dem Boden hatten. Aber seine Hände krallten sich noch immer so fest in den Stoff, dass sie Löcher in dessen Kragen rissen. Der alte Vampir zog Luft durch die Nase ein und konzentrierte sich, schob den Gedanken an frisches Blut beiseite, bis seine hinderlichen Zähne sich in den Kiefer zurückzogen.

    „Dein Vater?“, knurrte er und wartete. Als er die geforderte Antwort auch Augenblicke später nicht erhielt, begann er seine Beute heftig zu schütteln. „Dein Vater!?“, wiederholte er finster. Das Gesicht des jungen Mannes wurde blasser. Sein Mut schien dahin zu schmelzen, als ihm klar wurde, dass ihm niemand zur Hilfe kam.

    „Raphael Lurad. Er ist vor fünfzehn Jahren gestorben. Hey, Ich habe Geld in meiner Brusttasche. Nimm es, wenn du musst, aber lass mich gehen!“ winselte er und sah kurz zu der entsprechenden Tasche, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen.

    Cédric hatte sich niemals so verraten gefühlt wie in diesem Moment. Raphael hatte ihm nicht vertraut und ihm die Sterblichen, die ihm wichtig waren, niemals offengelegt. Die Erkenntnis, wie einseitig ihre Freundschaft gewesen sein musste, traf ihn mit der Wucht eines Blitzschlags. Sein Vorgänger war schon vier Monate fort und er fand immer noch neue Wege, ihm weh zu tun. Er sehnte sich danach, dem Monster in seinem Inneren nachzugeben und diese Demütigung unverzüglich zu rächen, aber er ließ ihn gehen. Raphaels Sohn stolperte über seine eigenen Füße und schnappte nach Luft wie ein verendender Fisch. In der Zeit, die er brauchte, um sich zum Ausgang zu schleppen, hätte Cedric ihn fünf Mal einholen und in Fetzen reißen können, aber er wartete.

    Als die hektischen Schritte in der Ferne verklangen, kniete er sich auf die kalten Fliesen und ließ seine Form verschwimmen. Seine Glieder streckten sich knackend und seine Schulterblätter verdrehten sich, während seine Haut und seine Kleidung zu einem dichten Wolfspelz verschmolzen. Die Verwandlung war schmerzhaft, aber das Schlimmste war immer der Schädel. Sein Mentor hatte niemals gejammert und so hatte er stets geglaubt, dass er sich daran gewöhnen könnte, wenn genügend Zeit verstrich. Aber so war es nie gekommen.

    Er zuckte ein letztes Mal zusammen und stand als vollkommenes Raubtier inmitten der weißen Halle. Auf leisen Pfoten schlich er die Treppe hinunter, um seiner Beute zu folgen.

    Mit den Sinnen eines Wolfes war die Stadt eine andere. Er bewegte sich durch eine Geruchswelt, in der er die Gegenwart und die Vergangenheit zugleich wahrnahm. Die mannigfaltigen Düfte, die ihm der Wind zutrug, formten in seinem Kopf ein lebhaftes Bild, wie ein Ölgemälde, das aus Schichten von Farbe aufgebaut war. Er konnte die Tauben auf den Dächern riechen. Ihre Witterung war mit dem letzten Regen die Hauswände hinuntergespült worden und hing nun an den Fassaden, hin und wieder unterbrochen von verbrannten Tabakblättern und Zigarettenaroma, das Passanten aus ihren spezifischen Bars nach draußen trugen. Er konnte verschiedene Marken auseinanderhalten, Teure, Billige und Billige, die Teure imitierten. Die Mittelschicht und die Menschen an den Fließbändern kreuzten Pfade, aber sie liefen niemals nebeneinander. Verschwitzte Pferde zogen auf beiden Seiten Kutschen, deren Räder und Speichen vor Öl trieften. Der Geruch des Jungen haftete nicht gut an den glatten Kopfsteinen, wohl aber an den feuchten Moosen dazwischen. Überall dort, wo er stehen geblieben war, um über seine Schulter zu sehen, war die Fährte etwas stärker. Es waren nur noch wenige Leute unterwegs. Cedric musste nur selten in eine Seitengasse ausweichen oder sich kurz hinter einem Brennholzstapel ducken, wenn sich doch jemand zeigte. Eine Wolfsichtung so nahe an ihren Haustüren wäre eine Quelle für wochenlange Hysterie gewesen. Die Brücke, der Marktplatz und der Park lagen bald hinter ihm. Die Witterung war stark genug, sodass er seine Schnauze nicht am Boden halten musste. Das Haus, in dem Raphaels Familie lebte, kam näher.

    Mit einem kraftvollen Sprung hievte er sich über einen weißen Lattenzaun, den sein Ziel berührt hatte, und landete in einem Garten zwischen zwei Beeten mit Liebstöckel und Bohnenkraut. Der Gestank von Knoblauch überwältigte seine Sinne. Cédric schüttelte sich, wich zurück und machte einen großen Bogen um den kleinen Flecken Erde, auf dem die verhasste Pflanze wuchs. Seine Schnauze brannte wie Feuer von der Spitze bis zu der Stelle zwischen seinen Augen. Er roch nichts mehr und würde es für viele Stunden nicht. Er stieß ein frustriertes Knurren aus. Hatte der Kerl das mit Absicht getan? Nein. Das konnte nicht sein. Wenn er wusste, dass ihm jemand folgte, rechnete er immer noch mit einem Menschen.

    Licht flutete den kleinen Kräutergarten. In dem großen Fenster flackerte eine Öllampe auf. Der weiche Boden verschluckte seine Schritte, als er sich näherte und zwischen die dicken Vorhänge spähte. Hinter dem Glas lagen ein Esszimmer und eine Küche mit einem schmalen Esstisch, an dem der Junge saß. Eine Frau mit hellbraunem Haar kam zu ihm und legte einen Eisbeutel an seinen Ellenbogen.

    „Das wird sicher anschwellen. Es scheint aber nicht weiter schlimm zu sein“ redete sie beruhigend auf ihn ein.

    „Danke, Mama“ seine Stimme klang abwesend. Er sah sie nicht an, sondern starrte auf die Obstschüssel vor ihm.

    „Ich will wissen wie das passiert ist, Lafayett. Du hast diesen Blick. Irgendwas stimmt nicht.“

    „Blick?“ fragte er und schaute sie verdutzt an.

    „Erinnerst du dich daran, als du zwölf warst und Clairval mit dir gewettet hat, dass du dich nicht traust, einen lebenden Goldfisch aus dem Schlossteich runterzuschlucken?“

    Er schmunzelte ohne eine Spur von Scham. Dann nahm er ihr den Eisbeutel ab und hielt ihn selbst fest, während sie unruhig vor der Küchenzeile auf und ab ging und in den Schublanden und Schränken nach Verbandsmaterial suchte.

    „Ich bin so krank geworden. Ich kann immer noch die Kohle-Tabletten schmecken, wenn ich daran denke.“

    „Ganz genau!“ schimpfte sie mit erhobenem Zeigefinger. „Und als Doktor Renee dich untersucht und dich gefragt hat ob du irgendetwas Unübliches gegessen hast, hattest du genau diesen Blick. In genau dem Moment, als du wusstest, dass dir die Konsequenzen deiner Blödheit über den Kopf gewachsen sind und du die Wahrheit würdest sagen müssen.“

    Der Kleine vergrub das Gesicht für einen Moment in seinen Händen und rieb sich die Stirn, ehe er zurück zu seiner Mutter sah, die mit der Geduld einer Heiligen auf seine Antwort wartete. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Cédric konnte sehen, dass der Satz einen bestimmten Anfang hatte. Aber der Junge wählte im letzten Moment andere Worte.

    „Ich glaubte, ich bin überfallen worden.“

    „Überfallen!?“ Schrie die Dame auf, laut und schrill. „Was meinst du mit ‚du glaubst‘!?“

    Er stand auf und nahm ihre Hand, damit sie nicht aus dem Zimmer stürmte und auf der Suche nach einem Schuldigen irgendetwas Voreiliges tat.

    „Er hat mir nichts gestohlen. Aber er kannte Vater. Er hat nach meinem Namen gefragt. Hat er uns Schulden hinterlassen, von denen ich nichts weiß?“

    Sie schüttelte den Kopf. „Er hat mir das Haus und seine Eisenbahn-Aktien übertragen, als er krank geworden ist. Schulden haben wir keine, und wenn doch, dann hätte Gabriel mich vorgewarnt. Vielleicht war es nur ein Betrunkener.“

    „Er sah nicht wie ein Trinker aus. Seine Kleidung war schicker als meine.“

    „Ach, Lafayett.“ sie legte seine Hände an seine Wangen und drückte ihre Stirn an seine.

    „Wohlhabende Leute haben auch ihre Dämonen. Dass er nicht wie ein Landstreicher ausgesehen hat, muss nichts heißen. Ich gehe morgen Früh mit dir zur Polizei. Schreib auf, wie er ausgesehen hat, damit du es bis dahin nicht vergisst.“

    „Ja, Mama. Natürlich.“ erwiderte er gehorsam und küsste sie auf die Wange, ehe er sich losriss.

    „Seih bitte leise, Pricilla und Madame Perrin sind schon im Bett.“ fügte sie an, ehe er durch die Tür verschwand.

  • Zitat

    Ich werde deine Geschichte erst kritisieren wenn ich beim aktuellen Kapitel binIch glaube ich bin bei Kapitel 2.

    Ich hoffe das ist in Ordnung für dich?

    Lass dir alle Zeit der Welt. Ich korrigiere die nächsten Tage erstmal die Teile die schon kommentiert worden und poste dann erst mehr.

  • Hey Feron

    Ein interessanter Part mit einigen Neuigkeiten. :)

    Bin gespannt, was Cedrik vorhat. Töten wollte er Lafayett offenbar nicht. Aber ihn einfach gehen lassen, wollte er auch nicht. Zwischendurch habe ich mich gefragt, wie der Part sich wohl hätte lesen lassen, wenn er aus Lafayetts Sicht geschrieben worden wäre. Ist mir schon klar, dass das nicht ging, weil du die Enthüllung hier an der Stelle ja brauchtest. Aber ich hätte gerne mal Lafayetts Gedanken gehört. Der muss ja den Schreck seines Lebens bekommen haben, der Arme.

    Ach ja, hier an der Stelle bin ich kurz hängen geblieben:

    Spielten seine Augen ihm Streiche? Er studierte sein Gesicht, während der Knabe sich nach Kräften wehrte und schrie.

    Der Bezug ist hier beim zweiten "sich" nicht ganz klar. Du meinst logischerweise den Jungen. Das könntest du an der Stelle dann auch nochmal schreiben.

    Er versuchte sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, konnte aber weder das Zittern seiner Hände noch die Tränen seiner Augen unterdrücken.

    Hier habe ich mich kurz gefragt, ob Lafayett so weich ist, dass er zittert und Tränen in den Augen hat. (Okay, vielleicht ist das auch nur die krasse Raubtierwahrnehmung von Cedrik, der sein Opfer ja eingehend studiert) Aber für gewöhnlich würde man nach dem Zusammenstoß mit einem Fremden und einem angestoßenen Arm vielleicht nicht unbedingt derartige Reaktionen zeigen :hmm: Immerhin hat Lafayett ja auch kein Problem damit, sich mal zu raufen. Vielleicht könnte man das hier etwas subtiler machen? Das "kaum merkliche Zittern seiner Hände" oder "obwohl er versuchte, es zu unterdrücken, spiegelt sich der Schmerz in seinen Augen"...irgendwie so. (nur ein Vorschlag)

    „Ich bin so krank geworden. Ich kann immer noch die Kohle-Tabletten schmecken, wenn ich daran denke.“

    „Ganz genau!“ schimpfte sie mit erhobenem Zeigefinger. „Und als Doktor Renee dich untersucht und dich gefragt hat ob du irgendetwas Unübliches gegessen hast, hattest du genau diesen Blick. In genau dem Moment, als du wusstest, dass dir die Konsequenzen deiner Blödheit über den Kopf gewachsen sind und du die Wahrheit würdest sagen müssen.“

    Der Vergleich mit der Situation, als Lafayett den Goldfisch heruntergeschluckt hat, ist super! Nicht nur, dass man als Leser wieder ein weiteres Puzzleteil seiner kindlichen Persönlichkeit erhält, verschafft es dem Gespräch mit der Mutter auch eine gewisse Authentizität. :thumbup: Das hast du wirklich drauf.

    Wie geht`s weiter? :gamer:

  • Bin gespannt, was Cedrik vorhat. Töten wollte er Lafayett offenbar nicht. Aber ihn einfach gehen lassen, wollte er auch nicht.

    Ich glaube er wollte ihn durchaus töten. Aber er lässt sich damit Zeit weil er vorher noch mehr über die Familie herausfinden will. Offenbar gibt es da noch Dinge die er unbedingt erfahren will. Ich schätze die heile Welt von Lafayett wird in Kürze zerbrechen und er kann froh sein wenn er sein Leben rettet.

    Der Part ist jetzt ganz schön düster geworden. Fast schon eine Ahnung von einem tiefen Grauen darin das noch kommen wird. Der Gegensatz zwischen dem zwar etwas erschrockenen aber doch weitgehend unbekümmerten Lafayett und der tödlichen Gestalt die ihn verfolgt ist ziemlich angsteinflößend. Das ist dir sehr gut gelungen.

    Ich hatte mich vorher gefragt warum du die Liebesszenen zu lang findest - ich finde Liebesszenen nie zu lang - jedoch beginne ich zu verstehen was du damit meinst. Ich denke du solltest die Frage später nochmal stellen wenn man mehr von deiner Geschichte gelesen hat. (Sonst kann man das gar nicht beurteilen).

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Hey Feron ^^,

    Zitat

    „Seih bitte leise, Pricilla und Madame Perrin sind schon im Bett.“ fügte sie an, ehe er durch die Tür verschwand.

    *Sei

    "... im Bett", fügte sie an...

    Wie man "heul leise" etwas netter ausdrückt. :D

    Einerseits hat das Gespräch eine gewisse Authenzität, andererseits ist es doch kurz und abgehackt und kommt mir seltsam vor. Also ja, ich weiß nicht, ob das Absicht ist oder nicht, aber das Gespräch ist sehr kurz und sie fragt nicht nach Details. Andererseits zeigt sie ein paar mitfühlende, nonverbale Gesten, doch sie verbirgt etwas vor ihm und will das Gespräch wohl schnellstmöglichst abschließen? Zuerst will sie Details erfahren, dann wird's recht schnell abgehakt?


    Zur eigentlichen "Hauptszene":

    Mir tut der arme Lafayett leid wie er überfallen wurde und man aus der Sicht des Vampirs die Angst des Jungen anhand seiner Reaktionen erkennt und dann doch irgendwo dankbar ist, dass Cedric ihn nicht töten konnte, weil er der Sohn seines ehemaligen Freundes ist. Ich glaube auch, dass Cedric ihn töten wollte, aber nicht konnte und durfte.


    Speziell diese Szene und Perspektive gefällt mir auch gut:

    Zitat

    Mit den Sinnen eines Wolfes war die Stadt eine andere. Er bewegte sich durch eine Geruchswelt, in der er die Gegenwart und die Vergangenheit zugleich wahrnahm. Die mannigfaltigen Düfte, die ihm der Wind zutrug, formten in seinem Kopf ein lebhaftes Bild, wie ein Ölgemälde, das aus Schichten von Farbe aufgebaut war. Er konnte die Tauben auf den Dächern riechen. Ihre Witterung war mit dem letzten Regen die Hauswände hinuntergespült worden und hing nun an den Fassaden, hin und wieder unterbrochen von verbrannten Tabakblättern und Zigarettenaroma, das Passanten aus ihren spezifischen Bars nach draußen trugen. Er konnte verschiedene Marken auseinanderhalten, Teure, Billige und Billige, die Teure imitierten. Die Mittelschicht und die Menschen an den Fließbändern kreuzten Pfade, aber sie liefen niemals nebeneinander. Verschwitzte Pferde zogen auf beiden Seiten Kutschen, deren Räder und Speichen vor Öl trieften. Der Geruch des Jungen haftete nicht gut an den glatten Kopfsteinen, wohl aber an den feuchten Moosen dazwischen. Überall dort, wo er stehen geblieben war, um über seine Schulter zu sehen, war die Fährte etwas stärker. Es waren nur noch wenige Leute unterwegs. Cedric musste nur selten in eine Seitengasse ausweichen oder sich kurz hinter einem Brennholzstapel ducken, wenn sich doch jemand zeigte. Eine Wolfsichtung so nahe an ihren Haustüren wäre eine Quelle für wochenlange Hysterie gewesen. Die Brücke, der Marktplatz und der Park lagen bald hinter ihm. Die Witterung war stark genug, sodass er seine Schnauze nicht am Boden halten musste. Das Haus, in dem Raphaels Familie lebte, kam näher.


    Edit zu deiner vorigen Antwort

    Zitat

    Ich wollte eine kurze aber glaubhafte Romanze, damit es so richtig weh tut, wenn das Glück das die beiden hätten haben können plötzlich aus ihren Fingern gerissen wird. Ich fürchte nur das es etwas ausgeufert ist. „Die Szene wäre doch schön!“ „Hier sollte er noch dabei sein!“ „Oh! Es wäre so cool wenn er das hier noch mitbekommen könnte“ und jetzt ist die Romanze wahrscheinlich viel zu lang und ich habe Mühe den Vampiren genügend Szenen zu geben um das aus zu gleichen. *Haut ihren Kopf gegen die Tastatur*

    Ja, das kenne ich. xD

    Allerdings find ich "zu lang" relativ. Zu lang wirken sie meist nur dann, wenn sie nervig sind, oder der Rest der Handlung dann über lange Zeit vergessen wird.

  • Rainbow

    Zitat

    Zitat von Feron

    Spielten seine Augen ihm Streiche? Er studierte sein Gesicht, während der Knabe sich nach Kräften wehrte und schrie.

    Der Bezug ist hier beim zweiten "sich" nicht ganz klar. Du meinst logischerweise den Jungen. Das könntest du an der Stelle dann auch nochmal schreiben.

    Du hast wahrscheinlich Recht. Mir war das nicht so klar, weil ich ja automatisch immer weiß wer redet. Das kann man sicher deutlicher ausdrücken. Es kommt auf die Liste.

    Zitat

    Hier habe ich mich kurz gefragt, ob Lafayett so weich ist, dass er zittert und Tränen in den Augen hat. (Okay, vielleicht ist das auch nur die krasse Raubtierwahrnehmung von Cedrik, der sein Opfer ja eingehend studiert)

    Die Szene war ursprünglich aus Lafayetts Sicht, aber ich wollte seine Kapitel besser gegen die von Cedrik balancieren. Das mit dem Zittern ist noch aus dem ersten Entwurf übrig. Ich werde das subtiler machen.

    Kirisha

    Zitat

    Ich schätze die heile Welt von Lafayett wird in Kürze zerbrechen und er kann froh sein wenn er sein Leben rettet.

    Ein paar Seiten kommen schon noch aber das ist zumindest der Anfang vom Ende.

    LittleOwlbear

    Zitat

    Andererseits zeigt sie ein paar mitfühlende, nonverbale Gesten, doch sie verbirgt etwas vor ihm und will das Gespräch wohl schnellstmöglichst abschließen? Zuerst will sie Details erfahren, dann wird's recht schnell abgehakt?

    Das sie hier verdächtig rüber kommt ist eigentlich keine Absicht. Mir fällt es bei langen Dialogen immer schwer den leeren Raum zwischen der wörtlichen Rede zu füllen und ich wollte schneller zum Ende kommen. Vielleicht füge ich noch ein paar Sätze an in denen sie Desinfektionsmittel auf die Wunde tupft oder sowas.

    Vielen Dank. Hier geht es weiter, da ihr alle so schnell lest:

    ---------

    Cedric zog sich langsam zurück. Dies würde Anna und Leander sicher brennend interessieren. Er übersprang den Zaun an einer anderen Stelle, um dem Knoblauchbeet nicht zu nahe zu kommen, und nahm den gleichen Weg zurück, den er gekommen war, nur dass er am Marktplatz nach rechts abbog und nicht nach links.

    Das Stadtzentrum war enger geworden. Im vergangenen Jahrhundert hatten mehr und mehr Menschen Rankental zu ihrem Zuhause gemacht. Viele waren hier geboren, andere hatten die freien Arbeitsplätze in den Fabriken angelockt, aber alle brauchten Raum für sich und ihre Familien. Die steigenden Grundstückspreise hatten die ehemals prächtigen Gärten nacheinander weggefressen. Effizienz war wichtiger als Schönheit und vermietbarer Wohnraum brachte viel Geld.

    Cédric kehrte zu seiner menschlichen Gestalt zurück und verschwand in den Schatten unter einer Straßenunterführung. An einem Ort, der nur als `Rue Courte`, die kurze Gasse bekannt war, lag eine Bar, die keine sein durfte. Tanzmusik dröhnte lauter, je näher er der schäbigen Holztür kam, mit harschen Noten aus den Saiten einer viel zu zwanglosen Violine. Er klopfte an und wartete, bis jemand von innen das kleine Holzfenster aufschob. Das Augenpaar, das ihn ansah, war blutunterlaufen und bereits jetzt genervt von dem Aufwand, sich mit dem ungeladenen Gast beschäftigen zu müssen.

    „Hier für die Musik?“, verlangte die grimmige Stimme des Türstehers zu wissen.

    Er seufzte und hoffte, dass Anna das Passwort seit seinem letzten Besuch nicht geändert hatte. Die Diener anderer Vampire zu verletzen wäre unhöflich gewesen. „Sie muss nicht perfekt sein. Sie muss nur sein.“ Murmelte er und das Schloss klickte. „Vorsicht auf den Stufen. Das Geländer ist kaputt.“ Fügte Annas Wächter an und hielt Cedric die Tür in den umgebauten Weinkeller auf. Er blieb am oberen Ende der Treppe stehen und ließ seinen Blick über den Gastraum streifen.

    Fünf riesige Bögen aus Backstein hielten die Decke und die beiden sanft schimmernden Kristall-Kronleuchter. Auf den verzierten Messingarmen saßen so viele Kerzen, dass es über eine halbe Stunde dauerte, sie alle anzuzünden, aber er stimmte zu, dass es den Anblick mehr als wert war. Annas gutbetuchte Gäste tummelten sich an der Bar, den runden Tafeln mit ihren ikonischen violetten Tischdecken und den Kartenspieltischen. Männer und Frauen in verschiedenen Stadien von Trunkenheit saßen zusammen, als wäre es das Normalste auf der Welt. An einem der Ecktische saß der Polizeipräsident mit einer Dame in einem schwarzen Kleid, die nicht seine Frau war, an einem anderen ein Arzt, dessen Opium-Rezepte besonders locker saßen.

    Auf der großen Bühne gegenüber dem Eingang spielte ein Violinist in einem mit Pailletten bestickten, schwarzen Anzug. Einige der Passagen seines Liedes waren sanft und leise wie ein Flüstern, während andere voller Wildheit und Leidenschaft von den Saiten sprangen. Er erwischte sich selbst dabei, wie er für den besseren Teil einer Minute zugehört hatte, anstatt sich weiter nach Anna umzusehen. Der Gedanke allein nervte ihn. Er teilte ihr Interesse an Kunst, aber im Vergleich zu ihr hatte er seine Prioritäten geordnet, oder wollte zumindest, dass es so war. Niemals hätte er Sterbliche in seine Zuflucht gelockt und niemals hätte er auch nur einen Fuß auf eine Bühne gesetzt. Verborgenheit bedeutete Überleben. Man konnte Künstler fördern, die einem gefielen, und ihnen heimlich Geld zukommen lassen, aber seinesgleichen konnte niemals selbst ein Musiker, Sänger oder Tänzer sein. Zu viel Licht, zu viele Augen und zu vielen Zungen, die still gehalten werden mussten.

    Sein Geruchssinn war noch immer betäubt von dem stechenden Knoblauch, aber das Aroma der alten Eichenfässer vergangener Jahrzehnte hing hartnäckig zwischen den alten Steinen, überdeckt von künstlichem Lavendel und Zitrusnoten von einer parfümierten Kerze auf dem Tresen, ihrer Lieblingssorte.

    Die eigentliche Zuflucht lag verborgen hinter dem überfüllten Schankraum. Cedric wich dem Schankwirt mit der violetten Schürze aus und öffnete die Tür auf der Rückseite der Bar. Der dickliche, tätowierte Mann öffnete den Mund, um ihn nach Waffen zu fragen, aber er war nicht schnell genug. Der alte Vampir verschwand im Flur, ohne sich durchsuchen zu lassen.

    Hinter einer Doppeltür auf der rechten Seite erstreckte sich ein fensterloser Aufenthaltsraum mit dicken, olivgrünen Teppichen und Möbeln aus Walnussholz, mit klarem Lack, der die natürliche Holzmaserung durchscheinen ließ. Impressionistische Gemälde von Balletttänzerinnen und Anglern an friedlichen Seen zierten jeden Quadratmeter der hohen Wände.

    Eine Gruppe junger Vampire rekelte sich auf der geschmackvollen Sofagarnitur oder auf Kissen am Boden, Männer und Frauen zusammen. Duftender Qualm stieg aus mehreren Wasserpfeifen auf und sammelte sich unter der Decke. Viele von ihnen nagten auf Knochen herum. Das Mark im Inneren dämpfte das Verlangen nach Blut und machte die Zeit zwischen einem Biss und dem nächsten angenehmer. Es war Annas Brut, die sich hier über die Jahre angesammelt hatte. Kaum einer von ihnen erschien älter als zwanzig Jahre. Ihre Herrin war wählerisch, wenn auch nach völlig falschen Maßstäben. Sie alle besaßen atemberaubende, jugendliche Schönheit oder ein Talent für Kunst und Musik, das sie einfach nicht sterben lassen konnte. Sie musste sie besitzen. Wie die Bilder und Violinen, auf denen sie spielte.

    Einer der Knaben stand auf und trug offenbar einen Witz vor. Der Rest von ihnen lauschte aufmerksam, aber Cedrik würde die Pointe niemals hören. In dem Moment, als der Wölfling einen Fuß über die Schwelle setzte, verstummten diese Hallen und Lachen und Frohsinn würden nicht zurückkehren, bis er dieser Zuflucht den Rücken kehrte. Der Witz war wahrscheinlich sowieso geschmacklos gewesen. Seine Augen streiften über die am Boden hockenden Neulinge und blieben auf Andrea, haften, die zunächst nur mit verengten Augen zu ihm aufsah.

    „Andrea, Ich verstehe, dass du wütend auf mich bist“ begann Cedrik. „Aber du wirst ab jetzt wieder zuhause wütend sein. Kehre unverzüglich zur Zuflucht zurück und warte dort auf mich.“

    Andrea raffte den Saum eines brandneuen roten und goldenen Abendkleides zusammen und stand auf. Sie trug ihr dunkles, gelocktes Haar nicht nur offen, sondern verziert mit Seidenblumen und noch mehr Gold, die Garderobe einer Frau, die erwartete, dass andere die Waffen trugen, die für sie bestimmt waren. Ihre dunklen Lippen kräuselten sich und sie zeigte ihm ihre blitzenden, weißen Fänge.

    „Fahr zur Hölle, Cedrik!“ Brüllte sie aus vollem Hals. Ihre neuen Freunde eilten schützend an ihre Seite, knurrten und ließen ihre Krallen spielen. Er wusste, dass sie versuchten, ihn einzuschüchtern, aber er lachte innerlich über den Versuch. Der alte Wolfling wandte seinen Blick kurz von Andrea ab und ließ ihn gelassen über die Menge schweifen. „Bitte verstehen Sie, dass Sie zu Schaden kommen werden, wenn Sie Hand an mich anlegen.“ Stellte er klar.

    Der Flederling, dessen Vortrag er unterbrochen hatte, trat vor und drängte sich zwischen ihn und seine Schülerin. Der Knabe hatte kurzes, gebleichtes Haar und trug einen Kragen aus silbernem Fuchsfell. Seine Dekadenz ließ Cedrik wünschen, er könnte sich noch immer übergeben.

    „Waffenmeister, die Herrin besteht darauf, dass Mademoiselle Andrea hier bleibt, bis es ihr beliebt zu gehen. Wir werden sie verteidigen.“ Cedrik ignorierte ihn und machte einen Schritt zur Seite, um wieder Blickkontakt zu Andrea zu haben.

    „Andrea, Liebes. Deine Gastgeberin legt sehr großen Wert auf ihre Einrichtung und ich würde sehr ungerne die Eingeweide ihrer Haustiere auf dem Parkett verteilen. Könnte es dir also jetzt bitte `belieben zu gehen` ?

    Sie machte einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. Er verdrehte die Augen. „Du kennst die Regeln, Andrea! Deine Eltern hätten überlebt, wenn du getan hättest, was dir befohlen wurde.“

    „Nein!“ fauchte sie. Ihre Augen schienen zu funkeln. „Du hättest sie zu deinen Dienern machen können, hättest sie bestechen oder bedrohen können unser Geheimnis zu bewahren. Es gab hunderte Wege, sie zu verschonen. Du bist einfach nur zu grausam, sie zu sehen.“

    „Wir werden diese Diskussion nicht nochmal führen.“ Cedrik fasste an seine linke Schulter. Er trug dort eine Narbe, nicht auf seiner Haut, aber in seiner Erinnerung. Für einen Moment versuchte seine Nase wieder, ihn davon zu überzeugen, dass er brennendes Fleisch roch. „Der Schleier muss um jeden Preis geschützt werden! Die Menschen konnten es schon nicht ertragen, alle paar Monate ein Kalb oder ein Schaf an Wölfe zu verlieren. Was denkst du, würde passieren, wenn sie von uns erfahren?“

    Der Flederling mit dem gebleichten Haar mischte sich ein. „Euch kümmern weder Vampire, noch Menschen, geschweige denn die wilden Tiere. Wir könnten Frieden mit Haus Sures haben, wenn ihr nicht wärt!“

    „Ja. Ich schätze, Rankental wäre sehr friedlich, wenn wir alle Staub sind.“ Sprach er und bog nach rechts ab. Er folgte dem roten Teppich, dorthin, wo die Hausherrin ihr Arbeitszimmer hatte. An Stelle von Tapete bedeckten tausende lebensechte Blumen die Wände, gemalt mit Sensibilität, Präzession und ihrem einzigarten Hauch von Wahnsinn. Sie hatte das beste Gehör unter allen Federlingen und Ohren, so sensibel, dass sie mühelos erkennen konnte, welche Ziegeln locker saßen, allein vom Prasseln der Regentropfen auf den Dächern. Es war nicht nötig, sich anzukündigen. Er näherte sich der Tür und sie öffnete ohne Verzögerung.

    „Bitte komm herein. Verzeih die Unordnung.“ Sie deutete mit einer Handgeste in ihr weitläufiges Büro. Cèdric roch Ruß und Schellack an ihren Händen, aber auch an ihrer Stirn. Sie kauerte schon so lange über ihren Notenblättern, dass sich die aufsteigenden Dämpfe der Tinte in ihren Augenbrauen festgesetzt hatten. Er war sich fast sicher, dass sie heute Nacht noch nicht auf der Jagd gewesen war. Ihre Musik war wichtiger. Sie war eingehüllt in ein türkisfarbenes, hochgeschlossenes Kleid, aus ihrer eigenen Zeit, zwei Jahrhunderte bevor das Fundament dieses Hauses gelegt worden war. Ihr Haar wirkte dunkelbraun, aber wenn sie sich einer Kerze zuwandte und alle Schatten für einen Moment hinter sie fielen, konnte man sehen, dass es zugleich einen dezenten Rotstich hatte. Ihre Locken, tanzten bei jeder Bewegung verlockend an ihrem Hals und ihrem Schlüsselbein entlang. Er mochte und fürchtete sie, war eifersüchtig und hatte Mitleid, alles auf einmal.

    „Ich störe, nicht wahr?“ Fragte er vorsichtig, obwohl er die Antwort kannte. Selbst wenn sie sich zu einem festen Termin überreden ließ, konnte man ihr immer ansehen, dass sie die Nacht, die sie dafür hergegeben hatte, lieber damit verbracht hätte, an ihren Sonaten zu schreiben.

    Eine große Sammlung von Glasvitrinen nahm beide Seiten des Zimmers ein. Im Inneren hatten Geigen ihre letzte Ruhestätte. Ihre Instrumente waren wie enge Freunde für sie, und sie brachte es nicht übers Herz, sie zu verkaufen oder zu verschenken, wenn sie ein besseres Model gefunden hatte. Ihr Schreibtisch war eine teure Spezialanfertigung nur für sie, fast doppelt so groß wie gewöhnliche Stücke. Im linken, oberen Viertel hatte ein Modell von Rankental seinen Platz. Sie hielt es so aktuell sie konnte, und fügte regelmäßig neue Häuser hinzu, mit der Detailverliebtheit einer unsterblichen Architektin.

    „Ich bin hier, um gestört zu werden. Beschränk dich auf das Wesentliche und ich räume dir so viel Zeit ein, wie du brauchst. Ich weiß im Übrigen zu schätzen, dass du meine Schüler nicht wie Sontags Wäsche zusammenfaltest, wenn sie dich provozieren.“

    Er winkte ab. „Ich habe heute den Sohn von Raphael getroffen. Er ist im Museum herumgeschlichen.“

    Zuerst spiegelte sich Verwirrung in ihren grünen Augen, dann Trauer und schließlich kamen ihre Fangzähne zum Vorschein. Die Spitzen stachen in ihre vor Wut gekräuselte Unterlippe bis sie blutete. Ihre feinen, dunklen Augenbrauen begannen erratisch zu zucken.

    „Er hat mir nicht vertraut!“ Sie ließ ein tiefes Knurren hören, irgendwo ganz tief aus ihrem Inneren. Er trat einen Schritt zurück, um ihr Raum zu geben, und sie zog ihre Fingernägel neben dem Modell über den Tisch, wo sie tiefe Risse im polierten Holz hinterließen. Ihre sonst kristallklare Stimme wurde undeutlich, weil ihre langen Zähne den Worten, die sie sagen wollte, im Weg waren.

    „Weist du, wie viel Beute übrigbleibt, wenn ich die sterblichen Nachfahren all meiner Verbündeten verschone? Nicht viel. Trotzdem habe ich es immer geschafft, habe keinen einzigen Sterblichen geopfert, um es mir einfacher zu machen. Und er hat mir dennoch nicht vertraut. Vielleicht hat er uns schon immer im Stich lassen wollen und hat sich das so ermöglicht.“

    „Es gibt eine Ehefrau“ fügte Cédric an. „Und anscheinend auch eine Tochter. Wir können sie heute noch aufsuchen, wenn du willst, und unsere Rache frisch und warm haben.“

    Ihre Lippen teilten sich, um etwas zu sagen, aber sie erstarrte, scheinbar ohne äußeren Einfluss und ihr Blick richtete sich auf die Tür.

    „Leander ist hier. Ich höre seine Schritte auf der Treppe. Können wir kurz warten?“ Der Meister der Waffen neigte zustimmend den Kopf und sie standen für eine gewisse Zeit schweigend nebeneinander, bis sie die Tür erneut öffnete.

    Die Gestalt auf der anderen Seite hatte gerade die Hand erhoben, um anzuklopfen. Ein Mann von ungefähr dreißig Jahren mit glattrasiertem Gesicht trat ein, Leander. Auch seine Haut war leblos und fahl, aber durch den Kontrast zu seinem dunklen Haar fiel die Blässe mehr auf als bei anderen ihrer Art. Sein Anzug war maßgeschneidert und ließ die athletische Statur darunter gut erahnen. Er nickte Anna knapp zu, schloss die Tür und schob sich an ihr vorbei zu Cedric. Der Windstoß trug dem Wolfling die Witterung von Ruß zu, allerdings fehlten die Bindemittel, die daraus Tinte gemacht hätten. Was er roch, war der Rauch aus den Schornsteinen im Industrieviertel, Gift das wie Schnee auf die Straßen rieselte, genau an der Grenze zu jenem Gebiet, das sie zuletzt an Haus Sures verloren hatten. Der Meister der Stille patrouillierte dort besonders oft, daher kam ihm die Erkenntnis nicht überraschend.

    Leander lehnte sich schließlich doch zur Gastgeberin hinüber. „Die kurze Version, wie üblich?“ Seine Stimme war monoton in Höhe und Lautstärke, fast schon hypnotisierend, wenn man seine Sinne nicht beisammenhatte. Aber Anna ergriff zuerst das Wort.

    „Später, bitte. Cedric hat Neuigkeiten. Raphael hat uns eine Familie verheimlicht. Eine Frau und zwei Kinder. Wir gehen gleich zusammen los und tilgen diesen Schandfleck. Möchtest du mit uns kommen?“ Cèdric achtete genau auf Leanders Gesicht. Seine Augen weiteten sich kurz vor Überraschung. Ein kleiner Riss in seiner Fassung für das winzigste Bruchstück einer Sekunde, mehr nicht. Hatte er dem Verräter so schnell vergeben können oder waren seine Nerven tatsächlich die Drahtseile, für die man sie hielt.

    Der Vampir mit dem dunklen Haar machte eine beschwichtigende Handgeste. „Wenn ihr sie tötet, beweist ihr nur, dass er Recht hatte, euch nichts von ihnen zu sagen. Außerdem sind offensichtliche Morde schlecht für den Schleier. Euer Doktor Freund kann nicht immer alles unter den Tisch kehren.“

    Anna fletschte die Zähne, bis ihre Kiefer unter dem Druck zu knirschen begannen.

    „Ich verlange Vergeltung.“ Cèdric stellte sich neben sie, um seine Zustimmung auszudrücken, beinahe furchtsam, dass sie ihre Meinung ändern könnte und er seinen Standpunkt alleine verteidigen musste.

    „Rache an wem?“ fuhr der Meister der Stille fort, frei von Sarkasmus oder jeder anderen Gefühlsregung. „Rache an der Frau, die er belogen und verlassen hat, genau wie uns? Rache an den Kindern, die er nicht großgezogen hat? Ihr beide seid noch immer hungrig. Stillt euren Durst und überdenkt, was genau ihr da vorhabt.“

    „Willst du andeuten, ich sei so schwach, dass ich nicht klar denken kann, nur weil sich meine Mahlzeit ein paar Stunden verzögert!?“ Anna holte mit ihren Krallen aus, schnellte vor und schlug direkt nach Leanders Augen. Dieser riss seinen linken Arm hoch und packte ihr Handgelenk mit solcher Kraft, dass ihre Klauen wie eingefroren an genau der Stelle verblieben an der sie sich getroffen hatten.

    „Als Meister der Stille verbiete ich es. Das Risiko, den Schleier zu brechen, ist zu groß. Keine Morde, außer um Zeugen zu beseitigen. Das ist mein letztes Wort dazu.“ Er ließ Anna los.

    Sie drehte sich trotzig von ihm weg und ging auf ein freies Stück Mauer zwischen den Glasvitrinen zu. Als sie ihr Ziel erreicht hatte, zog sie ein Knie an und setzte ihren Fuß auf die senkrechte Fläche. Die Schwerkraft selbst gab nach und sie schritt die Wand empor, als wäre es der Boden. An der Decke angekommen, verschränkte sie die Arme und ging hin und her wie ein Tier in einem zu kleinen Käfig.

    „Es ist aber nicht mein Letztes!“ knurrte Cedrik.

    „Diese Regeln waren auch deine Idee. Oder bekomme ich ein Veto-Recht für militärische Belange und das Kampftraining der Neulinge? Ich hätte da in der Tat mehrere Anmerkungen.“

    Cedriks Füße rutschten von selbst in eine stabile Kampfhaltung. Wut flackerte in seinen Augen wie glühende Kohle. Leander hatte seine Grenzen einmal zu oft getestet. Wenn er damit fertig war, ihm die Rippen und Glieder zu zertrümmern, würde er vielleicht aufhören und seinen Schädel intakt lassen, damit das Amt des Meisters der Stille nicht neu besetzt werden musste, aber diese Entscheidung war erst in ein paar Minuten fällig. Bis dahin würde er einfach nur Spaß haben.

    „Übrigens…“ äußerte sich sein neuer Stressball, ehe er ihn anspringen konnte. „Chicks war kurz in der Stadt. Er hat mich gewarnt, dass unsere alten Bekannten von Haus Ravilett wohl auf dem Heimweg sind. Man beachte dabei: `Heim` ist für sie der Boden, auf dem du stehst.“

    Nun war es Cèdric dessen Kehle ein wildes Knurren entfuhr. Er ballte seine Finger zu Fäusten, so fest, dass seine Fingerknöchel weiß unter der Haut hervortraten. Leander stand noch immer entspannt da, lächelnd, vollkommen sicher, dass ihm nichts zustoßen würde. „Das ist nicht mehr ihr Zuhause“ brüllte der alte Vampir, so laut, dass Anna ihre spitzen Ohren mit den Handflächen bedecken musste.

    „Dann weißt du, was zu tun ist, Meister der Waffen.“ Antwortete sein Rivale. „Vergiss Raphaels Brut und rekrutiere stattdessen mehr Kanonenfutter. Die Ravilett Veteranen werden niemals akzeptieren, dass sie sich woanders ansiedeln müssen. Entweder wir vertreiben Haus Sures aus Rankental und Arvendorn, ehe sie ankommen, oder wir sind gezwungen, gegen zwei Feinde auf einmal zu kämpfen.“

    Anna protestierte, während sie ihr Gehör noch immer mit den Händen schützte. „Das Nest drüben in Arvendorn hat doch genau dasselbe Problem. Deren Jagdgebiete sind ebenfalls von Haus Ravilett gestohlen. Warum bieten wir Ihnen kein Bündnis an und verteidigen uns gemeinsam?“

    Cedrik verdrehte die Augen. Warum liebten es Frauen nur so sehr über Frieden zu reden? Ja! Natürlich war Kooperation besser als Konflikt. Aber warum konnte sie nicht sehen das manche Widersacher Krieg brachten, egal was sie oder irgendjemand anders bevorzugte? Er schüttelte resignierend den Kopf.

    „Nein, Anna. Rattenherzen machen feige. Sie würden sich im Kampf zurückhalten, entweder aus Berechnung oder aus Instinkt. Selbst wenn wir gewinnen, sind unsere Verluste die Schwersten. Sie werden die Chance nutzen und uns am Ende in den Rücken fallen.“

    „Wir haben selbst Rattlinge in unseren Reihen, einschließlich jenem, der dein Schwert geschmiedet hat. Einen Instinkt zu haben, heißt noch lange nicht, dass man ihm auch nachgibt. Andernfalls würde ich niemals wagen, auch nur einem von euch beiden meine Tür zu öffnen.“

    Leander drehte sich Cedrik zu und ignorierte Anna, wie man Möbel ignoriert, die man gerade nicht nutzt. „Sie sind uns zahlenmäßig überlegen.“

    Cedrik ließ seine Knöchel knacksen und sein Blick streifte nachdenklich über die kleine Modell-Stadt auf dem Tisch, ehe er antwortete. „Ich schlage eine Belagerung vor.“ Verkündete er durch gefletschte Zähne. „Sie mögen viele sein, aber wir haben viel mehr in Ausbildung und Waffen investiert. Die Burgruine ist weit genug vom Dorf entfernt. Alles, was wir tun müssen, ist, sie lange genug von ihrer Beute zu trennen.“

    Leander protestierte zurückhaltend, in seiner üblichen monotonen Stimme. „Nein. Da ist eine erschöpfte Salzmine unter dem Gemäuer. Es gibt unzählige Tunnel, durch die wir umgangen oder überrascht werden können. Sie kennen das Gebiet wie ihre eigenen Handflächen, wir aber würden im Dunkeln tappen.“

    „Das kann ich ändern.“ Cedriks Behauptung blieb im Raum stehen, als ob die anderen beiden hofften, der jeweils andere würde sie zuerst herausfordern. Dann weiteten sich Annas Augen und ihre zarten Finger legten sich auf ihre Brust, als müsse sie ihr Herz daran hindern, herauszufallen. Sie stieß sich von der Decke ab, drehte sich im Fall und landete anmutig genau vor ihm.

    „Tu das nicht! Versprich es mir!“ Flehte sie entsetzt. „Nicht sie! Das ist ehrlos und falsch.“

    Leander zuckte gleichgültig mit den Schultern und schaute zu Cedrik, um mehr zu hören. Zum ersten Mal mit erkennbarer Neugier in seiner Mine. „Möchtet ihr mich einweihen, Meister der Waffen?“

    „Ja. Das will ich. Komm näher!“

    3 Mal editiert, zuletzt von Feron (10. April 2024 um 20:00)

  • Hey Feron,

    ein cooler Part, in dem jede Menge passiert und ein paar interessante Infos fließen.

    Meine Anmerkungen bzw. Gedanken, die mir beim Lesen kamen, packe ich mal in den Spoiler. Such dir raus, wa du gebrauchen kannst. :)

    Spoiler anzeigen

    Das Stadtzentrum war enger geworden. Im vergangenen Jahrhundert hatten mehr und mehr Menschen Rankental zu ihrem Zuhause gemacht. Viele waren hier geboren, andere hatten die freien Arbeitsplätze in den Fabriken angelockt, aber alle brauchten Raum für sich und ihre Familien. Die steigenden Grundstückspreise hatten die ehemals prächtigen Gärten nacheinander weggefressen. Effizienz war wichtiger als Schönheit und vermietbarer Wohnraum brachte viel Geld

    Das liest sich ein bisschen wie eingeschoben, um ein paar Infos loszuwerden. Eine Möglichkeit, das etwas eleganter einfließen zu lassen, wäre vielleicht das mehr aus Cedriks Perspektive zu schreiben. Wenn ihm diese Gedanken kämen, während er durch die Gassen läuft. Vielleicht erinnert er sich sogar noch daran, wie es früher einmal ausgesehen hat und vielleicht kommentiert er das eine oder andere auch gedanklich. Weißt du, was ich meine? (nur eine Idee)

    lag eine Bar, die keine sein durfte.

    So ganz verstanden habe ich das nicht. Meint er damit, weil dort Vampire ein und ausgehen? weil es dort einen verbotenen hinteren Teil gibt? Der vordere Teil ist ja, soweit ich das sehe schon eine normale Bar. Wenn sie auch nur für ausgewählte Menschen zugänglich ist, da hier offenbar krumme Geschäfte gedreht werden. Also, was meint er mit "Eine Bar, die keine sein durfte." Vielleicht meint er auch "Eine Bar, die nicht hätte sein dürfen..." (?) Keine Ahnung, vielleicht stehe ich auch gerade auf dem Schlauch. Dann ignorier mich einfach :rofl:

    Das Augenpaar, das ihn ansah, war blutunterlaufen und bereits jetzt genervt von dem Aufwand, sich mit dem ungeladenen Gast beschäftigen zu müssen.

    würde ich gefühlt streichen und höchstens ersetzen durch ein "ganz offenbar" . (ist aber nur ein Vorschlag :pardon:)

    Sein Geruchssinn war noch immer betäubt von dem stechenden Knoblauch, aber das Aroma der alten Eichenfässer vergangener Jahrzehnte hing hartnäckig zwischen den alten Steinen, überdeckt von künstlichem Lavendel und Zitrusnoten von einer parfümierten Kerze auf dem Tresen, ihrer Lieblingssorte.

    Das gefällt mir :thumbup:

    Es war Annas Brut, die sich hier über die Jahre angesammelt hatte. Kaum einer von ihnen erschien älter als zwanzig Jahre. Ihre Herrin war wählerisch, wenn auch nach völlig falschen Maßstäben. Sie alle besaßen atemberaubende, jugendliche Schönheit oder ein Talent für Kunst und Musik, das sie einfach nicht sterben lassen konnte. Sie musste sie besitzen. Wie die Bilder und Violinen, auf denen sie spielte.

    Die Idee dahinter finde ich gut. Man bekommt gleich ein bestimmtes Bidl von Anna. Kultiviert, an schönen Dingen interessiert, leicht dekadent und hält sich einen Harem bildschöner Vampire :)

    Einer der Knaben stand auf und trug offenbar einen Witz vor. Der Rest von ihnen lauschte aufmerksam, aber Cedrik würde die Pointe niemals hören.

    Das allerdings zerstört für mich ein bisschen dieses herrlich verruchte Bild, das du zuvor gezeichnet hast. Er soll tatsächlich einen "Witz vortragen"? :hmm:

    iner Frau, die erwartete, dass andere die Waffen trugen, die für sie bestimmt waren.

    was meinst du damit? Verstehe ich nicht so ganz.

    Seine Dekadenz ließ Cedrik wünschen, er könnte sich noch immer übergeben.

    Sehr cool! :thumbsup:

    hre feinen, dunklen Augenbrauen begannen erratisch zu zucken.

    "erratisch" musste ich tatsächlich googeln. Keine Ahnung, ob das jedem geläufig ist. Das Bild kommt mir auf jeden Fall etwas überzeichnet vor. ist aber vielleicht auch Geschmacksache. :)

    Ihre sonst kristallklare Stimme wurde undeutlich, weil ihre langen Zähne den Worten, die sie sagen wollte, im Weg waren.

    Ich weiß nicht warum. Natürlich ist schon klar, dass Vampire Fangzähne haben, von denen für gewöhnlich ja auch eine gewisse Faszination ausgehen. Aber derartige Beschreibungen, bei denen ich mir vorstellen soll, wie eine Vampirin mit ausgefahrenen Zähnen spricht...also undeutlich usw., die entzaubern für mich irgendwie das Ganze. Ich hätte jetzt irgendwie die Erwartung, dass die Zähne nicht ein derartiges handicap beim Sprechen sein sollten...das wirkt auf mich irgendwie unsexy :rofl:Aber auch das ist wahrscheinlich wieder ein bisschen Geschzmacksache.

    Der Windstoß trug dem Wolfling die Witterung von Ruß zu, allerdings fehlten die Bindemittel, die daraus Tinte gemacht hätten. Was er roch, war der Rauch aus den Schornsteinen im Industrieviertel, Gift das wie Schnee auf die Straßen rieselte, genau an der Grenze zu jenem Gebiet, das sie zuletzt an Haus Sures verloren hatten. Der Meister der Stille patrouillierte dort besonders oft, daher kam ihm die Erkenntnis nicht überraschend.

    Das gefällt mir auch sehr gut. Ein schönes Detail. :thumbup:

    Sie drehte sich trotzig von ihm weg und ging auf ein freies Stück Mauer zwischen den Glasvitrinen zu. Als sie ihr Ziel erreicht hatte, zog sie ein Knie an und setzte ihren Fuß auf die senkrechte Fläche. Die Schwerkraft selbst gab nach und sie schritt die Wand empor, als wäre es der Boden. An der Decke angekommen, verschränkte sie die Arme und ging hin und her wie ein Tier in einem zu kleinen Käfig

    Das finde ich gut. So wird nochmal deutlich, dass wir es nicht mit normalen Menschen zu tun haben. Die Vorstellung, wie sie da an der Wand hochläuft finde ich ganz witzig.Vielleicht wäre es aber gut zu erwähnen, dass es hohe Decken gibt? Ich glaube, dann wirkt es imposanter. :hmm:

    Bis dahin würde er einfach nur Spaß haben.

    „Übrigens…“ äußerte sich sein neuer Stressball, ehe er ihn anspringen konnte.

    Ich weiß nicht. Gefühlt würde ich sagen, dass es für mich nicht passt, das derart ins Lächerliche zu ziehen. Das "neuer Stressball" kommt mir außerdem für einen alten Vampir ziemlich modern vor.

    Leander drehte sich Cedrik zu und ignorierte Anna, wie man Möbel ignoriert, die man gerade nicht nutzt

    vielleicht fällt dir hier noch ein schönerer Vergleich ein :hmm: (Irgendwas gemeines :D)

  • Jetzt legt sich also langsam die Schlinge um den Hals von Lafayett ... oder erstmal noch nicht. Jedoch glaube ich nicht dass die Gefahr damit gänzlich gebannt ist. Das machte es spannend.

    Auf der großen Bühne gegenüber dem Eingang spielte ein Violinist in einem mit Pailletten bestickten, schwarzen Anzug. Einige der Passagen seines Liedes waren sanft und leise wie ein Flüstern, während andere voller Wildheit und Leidenschaft von den Saiten sprangen. Er erwischte sich selbst dabei

    Diese "Er" bezieht sich hier auf den Violinisten. Ich denke jedoch nicht dass du ihn auch meinst.

    Sein Geruchssinn war noch immer betäubt von dem stechenden Knoblauch, aber das Aroma der alten Eichenfässer vergangener Jahrzehnte hing hartnäckig zwischen den alten Steinen, überdeckt von künstlichem Lavendel und Zitrusnoten von einer parfümierten Kerze auf dem Tresen, ihrer Lieblingssorte.

    Das finde ich sehr gut. Es zeigt ein bisschen die andere Wahrnehmung des Vampirs und das gefällt mir

    gemalt mit Sensibilität, Präzession

    Präzision

    „Andrea, Liebes. Deine Gastgeberin legt sehr großen Wert auf ihre Einrichtung und ich würde sehr ungerne die Eingeweide ihrer Haustiere auf dem Parkett verteilen. Könnte es dir also jetzt bitte `belieben zu gehen` ?

    Die Diskussion mit Andrea leuchtet mir noch nicht richtig ein. Cedric will sie zwingen zu gehen und droht damit die Leute im Saal umzubringen. Aber: Andrea gehorcht nicht. Und er macht seine Drohung auch nicht wahr. Stattdessen wird er von dem Flederling abgelenkt und diskutiert dann über das Haus Sures weiter und Andrea ist vergessen. Habe ich da etwas nicht richtig verstanden oder ist die Diskussion mit Andrea wirklich einfach versandet? Das würde ich anders lösen.

    „Ja. Ich schätze, Rankental wäre sehr friedlich, wenn wir alle Staub sind.“

    Rankental wäre sehr friedlich wenn wir alle Staub wären (würde ich sagen)

    wo die Hausherrin ihr Arbeitszimmer hatte. An Stelle von Tapete bedeckten tausende lebensechte Blumen die Wände, gemalt mit Sensibilität, Präzession und ihrem einzigarten Hauch von Wahnsinn. Sie

    Gemeint ist jetzt Anna? Ich vermute es aber es wäre für mich einfacher wenn du den Namen am Anfang dieser Passage nochmal nennen würdest.

    Im Inneren hatten Geigen ihre letzte Ruhestädte.

    Ruhestätte (Das hat nichts mit Städten zu tun)

    Ihre sonst kristallklare Stimme wurde undeutlich, weil ihre langen Zähne den Worten, die sie sagen wollte, im Weg waren.

    Ich denke nur ein Problem mit der Zunge oder dem Gaumen könnte zu einer undeutlichen Aussprache führen. Die Zähne ... kann ich mir nicht vorstellen?

    über die kleine Model-Stadt auf dem Tisch

    Du meinst vermutlich keine Stadt voller Laufsteg-Models. Daher würde ich zu "Modell-Stadt" raten.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Rainbow

    Zitat

    So ganz verstanden habe ich das nicht. Meint er damit, weil dort Vampire ein und ausgehen? Weil es dort einen verbotenen hinteren Teil gibt? Der vordere Teil ist ja, soweit ich das sehe schon eine normale Bar.

    Ich weiß auch nicht mehr was ich mir dabei gedacht habe. Bars sind legal zu der Zeit. Ich nehme das wohl einfach ersatzlos raus. Danke sehr.

    Zitat

    Das allerdings zerstört für mich ein bisschen dieses herrlich verruchte Bild, das du zuvor gezeichnet hast. Er soll tatsächlich einen "Witz vortragen"?

    Es sollte ein Witz sein um zu zeigen das Cedrik von dem „fröhlichen Zusammensein“ anderer Vampire ausgeschlossen ist, weil er den Ruf hat kalt und grausam zu sein. Er wollte den wirklich gerne hören und redet sich selbst ein es wäre nicht so. Ich arbeite nochmal dran.

    Zitat

    einer Frau, die erwartete, dass andere die Waffen trugen, die für sie bestimmt waren.

    was meinst du damit? Verstehe ich nicht so ganz.

    Cedriks Aufgabe als Meister der Waffen ist die Verteidigung der Stadt, unter anderem das Kampftraining der Neulinge. Es nervt ihn das sie hübsch ist und nicht nützlich.

    Zitat

    Ich weiß nicht warum. Natürlich ist schon klar, dass Vampire Fangzähne haben, von denen für gewöhnlich ja auch eine gewisse Faszination ausgehen. Aber derartige Beschreibungen, bei denen ich mir vorstellen soll, wie eine Vampirin mit ausgefahrenen Zähnen spricht...also undeutlich usw., die entzaubern für mich irgendwie das Ganze. Ich hätte jetzt irgendwie die Erwartung, dass die Zähne nicht ein derartiges handicap beim Sprechen sein sollten...das wirkt auf mich irgendwie unsexy :rofl:Aber auch das ist wahrscheinlich wieder ein bisschen Geschzmacksache.

    Zitat

    Ich denke nur ein Problem mit der Zunge oder dem Gaumen könnte zu einer undeutlichen Aussprache führen. Die Zähne ... kann ich mir nicht vorstellen?

    Ich habe früher oft bei „Vampire die Maskerade“ Larps (Live Aktion Rollplay) mitgespielt. Die meisten Leute konnten schon mit 1cm Plastik-Zähnchen nicht mehr richtig sprechen und haben die irgendwann einfach rausgenommen, wenn nicht gerade gekämpft wurde. Die Zähne von Rankental-Vampiren sind kanonisch so lang wie eine Fingerkuppe. Die würden garantiert nicht mehr deutlich sprechen. Das kann ich natürlich wegerklären und zum Beispiel erklären das die daran gewöhnt sind, aber ich fand die symbolische Wirkung, die das während den Larps hatte toll. Wenn die Zähne draußen sind, dann ist die Verhandlung vorbei und das Gemetzel geht los. Das mag vielleicht ein wenig „unsexy“ sein, aber Vampirismus ist ein Fluch kein Segen. Die Zähne sollen eine Last sein.

    Kirisha

    Zitat

    Die Diskussion mit Andrea leuchtet mir noch nicht richtig ein. Cedric will sie zwingen zu gehen und droht damit die Leute im Saal umzubringen. Aber: Andrea gehorcht nicht. Und er macht seine Drohung auch nicht wahr. Stattdessen wird er von dem Flederling abgelenkt und diskutiert dann über das Haus Sures weiter und Andrea ist vergessen. Habe ich da etwas nicht richtig verstanden oder ist die Diskussion mit Andrea wirklich einfach versandet? Das würde ich anders lösen.

    Ja. Ich verstehe was du meinst. Ich hatte das vorher so das er dem Typen mit dem gebleichten Haar den Hals bricht, aber das hätte Anna herzlos wirken lassen, wenn sie anschließend freundlich mit ihm redet. Die Drohung das er die Brut von Anna umbringt ist derzeit als ein Bluff vorgesehen. Er kann das physisch tun, aber das würde ihn das Bündnis mit Anna kosten, und Andrea durschaut das. Ich arbeite nochmal dran. Danke.

  • Ich poste mal weiter. Ruft einfach stopp, wenn es euch zu schnell geht, ja? Das nächste Stück handelt von Laffayett und Phillipe. Es ist nicht so als ob ich Romanzen und Flirt-Dialoge überhaupt nicht schreiben kann, aber sowas fällt mir besonders schwer, weil es mir weniger Spaß macht als Horror.

    Ich habe den Verdacht, dass hier das Pacing zu langsam sein könnte oder dass es vielleicht zu kitschig ist. Eventuell habe ich mich ich diesem und dem Teil der danach kommt auch ein bisschen mit dem Foreshadowing hinreißen lassen. Dazu wären eure Meinungen besonders nützlich.

    ---------------------------

    „Schau! Ist der nicht schön?“

    In Phillipes Hand kreiste ein Rosenkäfer, dessen grüner Panzer in der Sonne funkelte wie ein Edelstein. Das Insekt hatte stachelige Beine und einen grauen Pelz auf seiner Unterseite. Die Fühler und Mandibeln zuckten erratisch, als er versuchte höher zu klettern, aber er drehte und wendete seine Finger immer so, dass es ihm nicht gelang, einen hoch gelegenen Abflugpunkt zu erreichen. Zu Lafayetts Entsetzen nahm er den Käfer zwischen Daumen und Zeigefinger auf und versuchte, das grässliche Ding auf seinen Handrücken zu setzen.

    „Vergiss es! Ich fass das nicht an.“ Er zog seine Hand weg, als hätte sein Arm bis eben unter dem Fallbeil einer Guillotine gelegen.

    „Du Weichei! Hast du Angst, dass er dich beißt?“ Phillipe kniete sich hin und entließ das Geschöpf zurück in den moosbedeckten Baum, auf dem er es erspäht hatte.

    Die Mittagssonne sickerte durch das Blätterdach und tupfte den Waldboden mit hellen Flecken. Das Gelände im Wald von Arvendorn war außerhalb von ein paar wenigen befestigten Wegen zu uneben zum Reiten, und seine Eschen und Eichen, verdreht und ungleichmäßig wie sie waren, eigneten sich nicht mehr für die automatisierten Sägewerke in der Umgebung. Dieser Wald war älter als auch nur das Konzept einer Siedlung, grundlegend abnormal, chaotisch und wild. Und Lafayett hasste ihn dafür.

    Er folgte Philipe und dieser behauptete, wiederum einem Trampelpfad zu folgen, der für ihn aber nur wie mehr stacheliges Unterholz aussah. Kein Schritt war verlässlich. Mal trat er auf einen Ast und musste seine Balance wiederfinden, ein andermal knirschten trockene Tannenzapfen und ständig scheuchte er Mäuse und Eidechsen auf, die zwischen den Farnen verschwanden und durch den Schreck jedes Mal einen kleinen Teil seiner Lebenserwartung mitnahmen.

    Bärlauch-Pflanzen entfalteten ihre sternenförmigen, weißen Blüten soweit man sehen konnte, und er war sich ziemlich sicher, dass er auch eine ganze Weile nichts anderes riechen würde als das. Als die Hitze kurz darauf ihren Höhepunkt erreicht hatte, erhoben sich zwischen den verschlungenen Wurzeln und Sträuchern Millionen von geflügelten Ameisen für ihren Hochzeitsflug, wie ein korrumpierter Schneesturm, dessen Flocken aufwärts drifteten, anstatt zur Erde zu fallen.


    In stiller Gelassenheit schritt Phillipe voran, eine Schrotflinte ruhte auf seiner breiten Schulter. Brun, ein weißer Boubonaiser-Hund mit nussbraunen Tupfen, wich ihm nicht von der Seite; Buchstäblich geboren, um bei der Jagd zu helfen.

    „Was jagen wir, eigentlich?“ fragte Lafayett nach einer Weile. „Sag es mir, dann kann ich auch Ausschau danach halten.“ Sein Begleiter verlangsamte sein Tempo und drehte sich zu ihm. Seine Mine und Körpersprache wirkten dabei unendlich friedvoll, der Waffe und ihrem Anliegen zum Trotz.

    Er zog ein Päckchen Patronen aus seiner Brusttasche und hielt es hoch, zweieinhalb Millimeter. Konnte man anhand der Munition erraten, was er schießen wollte? Panik stieg langsam in ihm auf. Er hatte ihm an diesem Morgen erzählt, wie gerne er einmal wieder einen Jagdausflug machen würde. Das er aber Clairval und Oliver weder mit Betteln noch Bestechung dazu bringen könne. Die wenigen Fachbegriffe wie „Trittsiegel“ und „Kirrung“ die er aus einem Buch aufgeschnappt hatte, waren bis hierher ausreichend gewesen, um einen Freizeitjäger vorzutäuschen, aber nun geriet er zum ersten Mal ins Stocken.

    „Tauben?“ riet er mutig. Sein Freund nickte und er musste sich zusammenreißen, den Atemzug, den er übersprungen hatte, nicht nachzuholen. Er machte ein paar größere Schritte, um die Distanz zwischen ihnen zu schließen und wieder knirschten diverse Nüsse und Schalen unter dem Gewicht seiner Stifel.

    „Wenn wir eine kriegen, mache ich uns Pigeonneaux au Vin Rouge“ verkündete Phillipe. „Wenn du die probiert hast, wie ich sie mache, wirst du nie wieder in einem Restaurant essen wollen, Blondie“

    „Hör auf, mich so zu nennen!“ Eine Ameisendrohne landete auf seinem Nasenrücken, als er gerade Luft holen wollte, wodurch der Satz hoch, kindisch und weinerlich klang. Er schnippte das Insekt weg.

    „Ich zweifle außerdem an der Existenz von Menschen, die Bärlauch mögen. Wie wäre es mit Pilzen? Steinpilze haben Saison, oder?“ Er wusste sehr genau, dass es so war. Das Lexikon, das er überflogen hatte, nannte sogar die häufigsten Fundorte. Er klopfte seitlich auf seine Umhängetasche. „Wir holen Sie auf dem Rückweg. Dann müssen wir uns keine Sorgen machen, das sie unterwegs kaputt gehen.“

    „Klingt nach einem guten Plan.“ Phillipes Stimme klang enthusiastisch, aber Lafayett erkannte allmählich die Schwächen in seiner Strategie. Es war unwahrscheinlich, dass er eines Morgens aufwachte und Ausflüge wie diesen tatsächlich mochte, aber wenn er zugab, dass er nicht hier sein wollte, würde sein wunderschöner, galanter Jägersmann sicher nach einem anderen Partner suchen und er würde nie wissen, worüber sie sprachen, wenn er nicht dabei war. Es musste einen Grund geben, warum Leute all die Unannehmlichkeiten der Natur hinnahmen: Irgendetwas, das die Mühe wert war.

    Phillipe und Brun blieben plötzlich stehen. Er selbst war so konzentriert darauf gewesen, nicht zu stolpern, dass er die ganze Zeit kaum aufgesehen hatte. Er folgte dem Blick seines Begleiters über eine Lichtung und hinunter in einen ausgetrockneten Bachlauf. Für eine Weile war dort Nichts. Dann bewegte sich plötzlich etwas und eine schwarz-weiße Form löste sich vom Hintergrund.

    Ein majestätischer Graureiher schritt langsam durch den Schlamm und pickte Stichlinge und Molche aus den verbliebenen Pfützen. Aber diese Aura der Eleganz hielt nicht an. Ein Fisch schlüpfte aus seinem Schnabel und purzelte seinen Rücken herunter, während er wieder und wieder danach schnappte. Seine Beute landete auf der Moosdecke neben ihm und machte kleine Hüpfer Richtung Wasser, während der Vogel ihn wieder und wieder knapp verfehlte. Schließlich entkam ihm der schuppige Gegner mit einem Platschen zurück in seine Pfütze. Es war so anders als der Reiher in dem Ölgemälde, lustig und nachvollziehbar, wie ein Kind das zum ersten Mal mit Besteck isst.

    „Ardea cinerea“, erklärte Philippe. Ein Graureiher. Die Dinger sind stinkend faul. Die fischen immer da, wo es am einfachsten ist. Deswegen hatten wir in unserem alten Garten einen Teich, aber nie einen Fischteich.“ Er lächelte so sehr, dass er fürchtete, sein Gesicht könnte dauerhaft so bleiben.

    Sie blieben noch viele Male stehen. Phillipe stellte ihm mit einer Fülle von Anekdoten noch dutzende Vögel und Kriechtiere vor, so wie man einer Gruppe Arbeitskollegen, die man seit Jahren kannte, einen Neuzugang vorstellte. Da waren `Salamandra salamandra` der Feuersalamander, der Erzfeind von Brun, an dem er sich als Welpe das Maul verätzt hatte, und „Andricus coriarius“ eine Gallwespenart, welche die preisgekrönten Rosen seiner Mutter zu ihrer Kinderstube gemacht hatten. Aber die De`Pont Familie hatte nicht nur Niederlagen hinnehmen müssen. Da waren vererbte Rezepte für Hagebutten-Marmelade, buttermilchgebeizten Rehrücken und Taubenbrust, Phillips ganzer Stolz. Es erstaunte ihn, wie eloquent und redselig der große Kerl sein konnte, sobald er über etwas sprach, das er liebte. Das Angebot einer selbstgekochten Mahlzeit erschien ihm plötzlich viel persönlicher und bedeutsamer, weil Phillipe so viel von sich selbst in den Akt des Jagens und Kochens steckte. Sein Herz machte einen tollpatschigen Hüpfer, als er darüber nachdachte. Vielleicht war das hier alles nicht so hoffnungslos, wie er dachte.

    „Hey, Phillipe. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, das du aus Paris kommst. Ist das wahr?“

    Eben noch lächelnd und unendlich gesprächig, blieb er abrupt stehen und anders als zuvor drehte er sich nicht um. Sein Jagdhund spürte die Anspannung und blieb mit steifem Rücken und erhobener Rute neben seinem Herren stehen. Der nordfranzösische Akzent wurde stärker und all die Freude und Freundlichkeit in seiner Stimme erstarben von einem Atemzug zum nächsten.

    „Sag deinem Vögelchen, es soll den Schnabel halten! Das ist weder sein Belang noch deiner.“


    Die harschen Worte trafen ihn wie eine Kugel und trieben einen kalten Schauer seinen Rücken hinunter. War er zu weit gegangen? Phillipe war stehen geblieben, bewegte keinen Muskel und sprach nicht weiter.

    „Du hast Recht. Es tut mir leid“ sagte er, aber meinte keines von beidem. Wie hätte er denn ahnen sollen, dass das Thema derart tabu war? Eigentlich sollte er eine Entschuldigung erwarten, so grundlos angebrüllt zu werden.

    Seine Neugier flammte auf wie Zunder, der nur auf einen Funken gewartet hatte, um in Flammen aufzugehen. Vielleicht waren seine Lungen zu schwach für die verschmutzte Luft in der Großstadt. Nein. Das konnte es nicht sein. Es gab designierte Luftkurorte in der Nähe und ein Tuberkulose-Kranker konnte sich sportlich nicht auf diesem Niveau betätigen. Hatte er jemanden umgebracht? Vielleicht war während eines Duells etwas schiefgelaufen.

    Phillipes Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Du kommst doch von hier, oder? Kennst du eine Stelle, an der es Tauben oder Fasane gibt? Wenn es zu dunkel wird, müssen wir mit leeren Händen zurück.“

    Er entschied, das großzügige Friedensangebot zu akzeptieren und ihn das Thema wechseln zu lassen.

    „Ein Stück von hier ist eine abgebrannte Papiermühle. Da sitzen fast immer welche.“ Er hatte keine Ahnung, ob es stimmte oder nicht, aber im schlimmsten Fall würden sie eben keine Beute machen und er würde nicht mit ansehen müssen, wie die zarten Vögel niedergeschossen wurden.

    „Ich hatte als Kind immer Angst, mich zu weit vom Waldrand zu entfernen.“ Gab er zu. „Unsere Mutter hat meiner Schwester und mir immer Geschichten davon erzählt, dass im Wald von Arvendorn Hexenzirkel leben, die kleine Kinder verschleppen.“

    Die nächsten Worte, die er hörte, zogen die Farbe aus seinem Gesicht und gaben seinen Alpträumen neue Munition.

    „Sie hat nicht völlig Unrecht.“

    Phillipe hielt einen niedrig hängenden Buchen-Ast aus dem Weg, sodass Lafayett darunter hindurch schlüpfen konnte, weigerte sich aber zunächst, seiner Aussage eine Erklärung hinzuzufügen.

    „Weißt du was, dass ich nicht weiß?“

    „So einiges, Blondie, zum Beispiel dass es hier einen druidischen Steinkreis gibt. Brun hat ihn entdeckt, als wir einen Rehbock verfolgt haben. Er ist natürlich schon lange verlassen, aber wenn du dich traust, zeige ich ihn dir.“

    „Natürlich traue ich mich. Aber opfern kannst du mich nicht. Ich bin getauft“, scherzte er, mehr, um sein angekratztes Ego zu beruhigen, als Phillipe zu unterhalten.

    „Ach ja?“ Das wunderschöne Wesen begann verspielt, in engen Kreisen um ihn herum zu schleichen. „Das ist doch wirklich kein Hindernis für einen entschlossenen Kultisten wie mich. Ich könnte dich einfach fesseln und dich hungern lassen, bis du dich von deinem Gott lossagst.“ Lafayett konnte hören, wie er versuchte, mit Ersthaftigkeit zu sprechen, es sich aber nicht eine Sekunde verkneifen konnte, breit zu grinsen.

    „Ist das so? Und was bekämst du vom Teufel für meine verdammte Seele?“

    „Ich weiß nicht. Reichtum? Macht? Unsterblichkeit? Eine fette Taube vielleicht?“

    Brun blieb wie versteinert stehen und streckte Kopf, Rücken und Schweif zu einer Linie. Sie folgten der Nase des Hundes zu einer jungen Fichte und dort auf einem Ast, vielleicht drei Meter über ihren Köpfen, hockten zwei graue Vögel, ein Hohltauben-Pärchen.

  • Hey Feron,

    Ich habe den Verdacht, dass hier das Pacing zu langsam sein könnte oder dass es vielleicht zu kitschig ist.

    Das empfinde ich kein bisschen so. Ganz im Gegenteil. Nach dem letzten Part, wo wir viele Infos bekommen haben und an den bösartigen Intrirgen der Vampire teilhaben durften, ist dieser "Wald-Jagd-Spaziergang" ein schöner Kontrast.

    Ich finde, die Nähe zur Natur hast du wunderbar eingefangen. Auch Lafayetts Wahrnehmung und seine Gedanken gefallen mir hier sehr gut. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen. Teils herausfordernd, teils auch ein bisschen verspielt...das ergibt eine schöne Mischung.

    Ich habe nichts gefunden, was zu beanstanden wäre. Außer vielleicht eine klitzekleine Sache:

    „Ich hatte als Kind immer Angst, mich zu weit vom Waldrand zu entfernen.“ Gab er zu. „Unsere Mutter hat meiner Schwester und mir immer Geschichten davon erzählt, dass im Wald von Arvendorn Hexenzirkel leben, die kleine Kinder verschleppen.“

    Die nächsten Worte, die er hörte, zogen die Farbe aus seinem Gesicht und gaben seinen Alpträumen neue Munition.

    „Sie hat nicht völlig Unrecht.“

    Du nimmst hier seine Reaktion vorweg. Das nimmt ein bisschen die Spannung raus, weil man sich als Leser schon darauf einstellt, was Phillipe sagen wird. Man müsste mal ausprobieren, ob es eindringlicher wird, wenn Lafayett die Worte tatsächlich zuerst hört, und ihm dann erst die Farbe aus dem Gesicht weicht. :hmm: Das ist aber wirklich Kleinkram und schlägt bei diesem wunderschönen Text nicht wirklich ins Gewicht.

    Kann weitergehen :gamer:

  • Hey Feron ,

    Ich poste mal weiter. Ruft einfach stopp, wenn es euch zu schnell geht, ja? Das nächste Stück handelt von Laffayett und Phillipe. Es ist nicht so als ob ich Romanzen und Flirt-Dialoge überhaupt nicht schreiben kann, aber sowas fällt mir besonders schwer, weil es mir weniger Spaß macht als Horror.

    Ich habe den Verdacht, dass hier das Pacing zu langsam sein könnte oder dass es vielleicht zu kitschig ist. Eventuell habe ich mich ich diesem und dem Teil der danach kommt auch ein bisschen mit dem Foreshadowing hinreißen lassen. Dazu wären eure Meinungen besonders nützlich.

    Also ich bin ohnehin der Meinung, dass recht viele moderne Bücher wie Marvel-Filme gepaced sind - und ich mag Marvel nicht so sonderlich - und die Leute immer mehr an Aufmerksamkeitsspanne verlieren, bei manchen macht es mich lowkey wahnsinnig. xD

    Finde solche Szenen und Kapitel daher sehr angenehm.


    Ich mag ebenfalls deine Naturbeschreibungen sehr und der Umgang der beiden, Philippe ist etwas herausfordernd (obwohl ich mich auch wundern würde weshalb ich jemanden nicht fragen dürfte woher er stammt) und man merkt ihnen beiden an, dass sie die Anwesenheit des anderen mögen. ^^

    Lafayette ist etwas etepetete und greift den Rosenkäfer nicht an. xD

    Etwas Kitschiges kann ich diesem Kapitel bei weitem nicht erkennen.

    Zitat

    „Ich hatte als Kind immer Angst, mich zu weit vom Waldrand zu entfernen.“ Gab er zu. „Unsere Mutter hat meiner Schwester und mir immer Geschichten davon erzählt, dass im Wald von Arvendorn Hexenzirkel leben, die kleine Kinder verschleppen.“

    Die nächsten Worte, die er hörte, zogen die Farbe aus seinem Gesicht und gaben seinen Alpträumen neue Munition.

    „Sie hat nicht völlig Unrecht.“

    Ooh, das find ich sehr interessant.


    Edit: ich glaube, du hast wieder manchmal Philippe und manchmal Phillipe oder Phillippe geschrieben. Glaub alles davon ist möglich, aber irgendwann musst du dich wohl entscheiden. :D

    Einmal editiert, zuletzt von LittleOwlbear (13. April 2024 um 14:49)

  • Zitat

    Das empfinde ich kein bisschen so. Ganz im Gegenteil. Nach dem letzten Part, wo wir viele Infos bekommen haben und an den bösartigen Intrirgen der Vampire teilhaben durften, ist dieser "Wald-Jagd-Spaziergang" ein schöner Kontrast.

    Ich finde, die Nähe zur Natur hast du wunderbar eingefangen. Auch Lafayetts Wahrnehmung und seine Gedanken gefallen mir hier sehr gut. Die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen. Teils herausfordernd, teils auch ein bisschen verspielt...das ergibt eine schöne Mischung.

    Zitat

    Also ich bin ohnehin der Meinung, dass recht viele moderne Bücher wie Marvel-Filme gepaced sind - und ich mag Marvel nicht so sonderlich - und die Leute immer mehr an Aufmerksamkeitsspanne verlieren, bei manchen macht es mich lowkey wahnsinnig. xD

    Finde solche Szenen und Kapitel daher sehr angenehm.

    Vielen Dank! Rainbow und LittleOwlbear Ich war kurz davor die Hälfte zu löschen, weil ich sie nicht interessant genug fand.

    Zitat

    „Ich hatte als Kind immer Angst, mich zu weit vom Waldrand zu entfernen.“ Gab er zu. „Unsere Mutter hat meiner Schwester und mir immer Geschichten davon erzählt, dass im Wald von Arvendorn Hexenzirkel leben, die kleine Kinder verschleppen.“

    Die nächsten Worte, die er hörte, zogen die Farbe aus seinem Gesicht und gaben seinen Alpträumen neue Munition.

    „Sie hat nicht völlig Unrecht.“

    Ooh, das find ich sehr interessant.

    Erinnerst du dich wie ich im Woldbuilding beschrieben habe das Vampire wissen das sie von Hexen erschaffen worden sind, weil der Ritualkreis noch erhalten ist? Da geht es als nächstes hin.

    Ich hatte Probleme das System mit den 3 Kasten zu erklären, weil Vampire das maximal einem Neuling erzählen würden. Ich hatte einen kompletten Charakter in Haus Sures der neu ist, nur damit man ihm das erzählen kann, aber dann hätte er den Rest des Buches nichts zu tun gehabt. Da ist mir die Idee gekommen das die Sterblichen das dem Leser vermitteln können, auch wenn die in-universe nicht verstehen was sie sehen.

    ----------

    „Bewegt dich nicht.“ Flüsterte Phillipe und nahm langsam und routiniert die Waffe von seinem Rücken. Sie war noch nicht geladen, also beobachtete Lafayett ihn für die längsten zehn Sekunden seines Lebens, wie er die Patronen in den Lauf legte. Er erwartete, dass sein Freund die dummen Tiere einfach vom Baum schießen würde. Stattdessen gab er Brun ein Zeichen und der Jagdhund rannte los, um die Beute aufzuscheuchen.

    Rindenstücke und kleine Federn wirbelten auf, als die erschrockenen Vögel mit den Flügeln schlugen, um an Höhe zu gewinnen. Als ihre Form über den Baumwipfel auftauchte, verfolgte Phillipe sie mit dem Lauf seiner Flinte so ruhig, als könnten sie niemals seine Reichweite verlassen.

    Zwei Schüsse hallten durch das sonnengeflutete Gehölz, und als ihr Echo verklungen war, herrschte nur noch gespenstische Stille.

    „Hol sie!“

    Brun verschwand mit raumgreifenden Sprüngen in einer Hecke aus Farnen und Brombeeren.

    „Sieht so aus, als bleibt die Küche heute doch nicht kalt“ verkündete Phillipe triumphierend. Lafayett sah zu wie die letzten grauen Daunen herunterrieselten. Er hatte definitiv beide Ziele getroffen.

    „Was wenn sie noch leben? Schüttelt Brun sie dann tot?“

    „Ach, Unsinn, Apportierhunde sollen die Beute nicht beschädigen. Stell dir vor, du triffst den Fasan des Jahrhunderts mit einem sauberen Schuss, mitten auf dem Acker, und ein übermäßig aufgeregter Hund bricht die Schwanzfeder ab.“

    Lafayett grinste schadenfroh. „Ist dir das passiert?“

    „Ja. Er hängt an der Wand in meinem Schlafzimmer. Der Taxidermist hat den Schweif mit Draht repariert, aber man sieht, dass er nicht perfekt ist, und das wurmt mich bis heute.“ Schnaubte er.

    Die Vegetation rasselte und der gefleckte Bourbonaiser mit seinen Schlappohren kam zurück. Der Kadaver der ersten Taube hing locker in seinem Maul. Phillipe nahm das Tier an sich, aber Brun drehte sofort wieder um und trabte zurück durch die niedergetrampelten Farne.

    „Mir müssen ihm folgen, Blondie. Manchmal bleiben geschossene Vögel zu weit oben in den Zweigen hängen. Da kommt er dann nicht dran.“

    Die Bäume in diesem Teil des Waldes standen dichter zusammen als die Übrigen. Das Licht war schwächer und der Boden war übersäht mit Dornen. Seit dem Schuss waren alle Tiere verstummt. Lafayett fühlte zum ersten Mal, wie erschöpft ihn das lange Umherwandern gemacht hatte. „Lass sie!“ Keuchte er. „Eine ist mehr als genug. Wir können teilen.“

    Sein Begleiter schüttelte betroffen den Kopf. „Das geht nicht. Wenn Krähen oder Falken das Aas fressen, verschlucken sie die Bleikugeln mit und krepieren daran. Wir müssen alles mitnehmen, was wir getroffen haben.“

    Bevor er ein Gegenargument aufbringen konnte, setzte sich sein Freund in Bewegung.

    Seine Optionen waren begrenzt: Er konnte folgen oder alleine und unbewaffnet zurückbleiben. „Hey, warte auf mich!“

    Er nahm einen tiefen Atemzug und drückte sich durch die Hecke. Lange, hölzerne Wiederhacken zerrten an seinem Haar und den Stoffen seiner Kleidung. Seine Stiefel blieben immer wieder in den verflochtenen Ranken hängen, aber er überzeugte sich selbst, dass die andere Seite näher war als sein Ausgangspunkt, und kämpfte sich vorwärts.

    „Phillipe?“ Er hatte ihn aus den Augen verloren und wagte nicht weiterzugehen, ehe er sich vergewissert hatte, dass er noch auf dem richtigen Weg war.

    „Folge einfach meiner Stimme!“ Schallte es vor ihm, und nach ein paar Schritten verlor sich das Dickicht und gab stattdessen eine kleine versteckte Lichtung frei. Eine Eiche mit einem gespaltenen Stamm thronte hoch über ihrem Köpfen. Die linke Hälfte trug noch Blätter, während die andere tot und ausgedörrt dastand. Getrennt von ihrem vitalen Zwilling durch eine Trennlinie aus verbrannter Rinde. Ein Blitz-Schaden.

    Brun legte seinen Kopf in den Nacken und bellte. Über ihm, an einem der grünen Zweige knapp unter der Spitze, hing eine graue, fedrige Form, verkeilt in einer Astgabel.

    „Hui, das ist hoch“ stellte Phillipe fest und lehnte seine Flinte an die tote Seite des Baumes.

    Lafayett legte eine Hand an seine Schulter und stützte sich an ihm ab. Sein Atem ging kurz und flach.


    „Lass mich das machen. Du kannst mich auffangen, wenn ich falle. Wenn wir es andersherum versuchen, breche ich mir im Ernstfall nur das Kreuz.“

    „Ich kann nichts dafür, dass du so ein Hungerhacken bist. Iss vielleicht mal was anderes als Käse und Wein!“ Dann zögerte er. „Aber du hast Recht, Blondie. Klettere mit Händen und Füßen und sei vorsichtig. Prüfe erst ob…“

    „Ich weiß, wie man klettert!“ Er nahm Anlauf, stieß sich mit einem kraftvollen Sprung an der Rinde ab und bekam einen tiefhängenden Ast zu fassen. Das vertrocknete Moos auf der Oberseite fühlte sich zunächst wie ein Tierpelz an. Es irritierte ihn für einen Moment, aber es war jetzt ohnehin zu spät, um loszulassen.

    Er zog sich dicht am Stamm hoch und suchte nach der nächsten Stelle, die aussah, als ob sie Halt bot, immer und immer wieder.

    „Der Efeu zu deiner Linken.“ Schrie Phillipe. „Teste mal, ob der hält!“

    Er hatte die Kletterpflanze ebenfalls gesehen, aber nicht in Erwägung gezogen, den dünnen Trieben sein Leben an zu vertrauen. Er griff zwischen die satten, grünen Blätter und zog prüfend daran. Jede einzelne Ranke hätte unter seinem Gewicht nachgegeben, aber in Bündeln schienen sie zu halten. Asseln und Schnurfüßler krabbelten mit ihren kleinen Hackenfüßen über seinen Handrücken, und er musste den Impuls, sie abzuschütteln, bewusst unterdrücken.

    „Danke!“ rief er und beging dabei einen schweren Fehler: Er sah nach unten. Der Waldboden war schon zu weit entfernt, um individuelle Blätter zu erkennen. Mit der Gefahr des Sturzes präsent in seinen Gedanken verlangsamten sich seine Bewegungen. Er griff nicht einfach nur zu und kletterte weiter, sondern betrachtete, wie sehr sich das Holz bog und wiegte, wenn er daran zerrte, schätzte jeden Schritt neu ab. Die leblose Taube hing weit außen am Ende eines kerzengeraden Astes, nicht viel dicker als sein Unterarm. Er hielt inne, konzentrierte sich ganz auf sein Ziel und schob all die Dinge, die schiefgehen konnten, zurück in die hintersten Ecken seines Verstands.

    „Komm wieder runter! Ist schon gut. Wir lassen sie hängen.“ Er hörte die Worte, aber sie waren nur ein Hintergrundrauschen in seinem Kopf. Phillipe war nicht ehrlich. Er wollte die Taube noch immer. Um zu drehen und sie hier verrotten zu lassen, hätte an seiner Ehre gekratzt, sie beschädigt wie ein Bild mit einem Knick in der Mitte, das nie wieder perfekt sein konnte.

    Er stellte sich wackelig auf, ließ dabei seine Knie aber gebeugt, damit er sich notfalls zurück auf den Ast fallen lassen konnte. Das Holz selbst war gerade, aber die Rinde hatte viele kleine Buckel, die ihm nicht erlaubten, seine Stiefel gerade aufzusetzen. Nach fünf unsicheren Schritten streckte er seine rechte Hand aus. Der geschwächte Baum ächzte, als er begann sein Gewicht nach vorne zu verlagern. Seine ausgestreckten Fingerspitzen berührten eine der Schwungfedern, aber die feinen grauen Fasern entglitten ihm jedes Mal, ehe er sie zu sich ziehen konnte. Der einzige Weg, um die wenigen Zentimeter zu gewinnen, die ihm fehlten, war es den festen Griff den er mit seiner linken Hand hatte zu lockern.

    Es gab für ihn weder den Boden noch den sonnengetupften Wald, keine Schwerkraft, keine Angst und kein Versagen. Nur ein toter Vogel und das Privileg derjenige zu sein, der ihn dem schönen Jäger aus Paris überreichte. Sein Geist war vernebelt und gleichzeitig klar. Er liebte ihn und er weigerte sich, irgendetwas anderes zu fühlen als das.

    Knack.

    Der Ast gab nach und er stürzte. Er streckte seine Arme nach außen, in der Hoffnung, etwas greifen zu können, aber sein Fall wurde erst nach mehreren Metern gebremst, als, er mit dem Bauch voran auf eine tiefer hängende Verzweigung aufschlug. Seine Zähne schlugen durch die Wucht aufeinander und erwischten die Seite seiner Zunge. Sein Mund begann nach Eisen zu schmecken. Er versuchte sich hochzuziehen und in eine sichere Position zu bringen, aber die trockenen Moose und Flechten boten ihm keinen Halt.

    „Lass los! Ich fange dich!“

    Das Fleisch unter seinen Fingernägeln brannte. Er konnte sich nicht länger festkrallen, aber er sah den Boden nicht und wusste nicht, wie lang der Weg nach unten war. Dennoch fand er den Mut, seinen Griff zu lockern und seine Finger langsam abrutschen zu lassen.

    Eichenblätter streiften sein Gesicht und vertrocknete Eicheln taumelten mit ihm nach unten, aber Phillipe fing ihn auf. Der Jäger mit den breiten Schultern wankte und musste seinen Stand nachbessern, um das Gewicht zu tragen, aber er blieb stehen. Sein Freund legte ihn an einer Stelle ab, die besonders dick mit toten Blättern gepolstert war.

    „Du Idiot! Hast du dir was gebrochen?“ Seine Bernstein-Augen waren weit aufgerissen und suchten ihn panisch nach Verletzungen ab. Für einen Augenblick war er selbst unsicher, ob er die Kletterpartie unbeschadet überstanden hatte. Er zog seine Beine an, zuerst das Rechte, dann das Linke, bewegte seine Arme und alle Finger. Als sich nirgendwo Schmerz einstellte, stand er auf und klopfte das Laub von sich.

    „Ich bin nicht aus Porzellan gemacht.“ Stellte er klar und übergab Phillipe die Hohltaube. „Ist noch genug Zeit, um Pilze zu sammeln?“

    Phillipe starrte ungläubig auf den toten Vogel und schüttelte den Kopf. „Ich hätte dich fallenlassen sollen.“ Er rief Brun zurück und sie machten sich auf den Rückweg. Sie sprachen nicht viel, obwohl Lafayett beharrlich versuchte, ihm eine Unterhaltung über Polo abzuringen. Sie ließen die Lichtung und die gespaltene Eiche hinter sich, aber der erfahrene Jäger drängte dieses Mal viel weiter nach Westen, sodass sie nicht zur Hauptstraße zurückkehren würden.

    Der trockene Untergrund spie mehr und mehr Felsen aus. Dichte Weißdornsträucher versperrten die Sicht, sodass sie die gigantische Höhle erst sahen, als sie kurz davor zum Stehen kamen. Ein Loch klaffte im Hügel vor ihnen, wie das Maul eines Fisches, dutzende Meter breit und hoch genug, um eine Kutsche hindurchzufahren. Lange Tropfsteine schmückten die Decke, unanfechtbare Zeichen ihres Alters. Lafayetts Mund stand offen.

    „Warte ab, bis du die Statuen drinnen siehst.“ Kühle, feuchte Luft aus dem Inneren wehte über sie hinweg. Phillipe packte sein Handgelenk und zog ihn über die Schwelle des dunklen Schlunds. Das schwindende Tageslicht erreichte gerade noch so die Konturen einer runden Steinplatte. Ein Altar, aus einem Stück aus dem Felsen gehauen, hatte seinen Platz in der Mitte, umringt von drei steinernen Tierbildnissen.

    Das erste hatte eine lange Schnauze und fletschte seine scharfen Zähne. Unter seinen vier Pfoten lagen stilisierte Darstellungen von Bäumen, Weidevieh und Menschen, die mit verdrehten Körpern da lagen, niedergedrückt von seinen Klauen. Ein Wolf-Geist oder eine andere zerstörerische Wesenheit in dieser Form, die im Begriff war, die Welt zu fressen. Lafayett fegte über das Relief und wischte Staub, beiseite, um mehr Details offen zu legen. Knapp über dem Sockel kniete eine weibliche Figur neben ihrem zerborstenen Speer und betete, unfähig, das Monster zu zähmen oder gar zu stoppen. Die Ehrfurcht, oder vielmehr Furcht des Künstlers war spürbar. Sie erfüllte diesen Ort und verweilte in der Finsternis wie ein eingefrorener Gedanke.

    Die zweite Statue bestand zu fast einem Drittel aus spitzen Ohren und hatte einen Körper der von ledernen Schwingen umschlungen war; eine riesige Fledermaus, die auf ein Dorf mit Rieddächern herabsah. Speichel tropfte aus ihrem Schlund. Nein, es war kein Speichel und die Flüssigkeit tropfte nicht, die Art und Weise, wie der Strom gestaltet war, machte das klar. Die eingemeißelten Fontänen flossen aufwärts, von der Stadt aus nach oben und vereinten sich auf der Zunge des Monsters.

    „Was ist das!?“ Murmelte er und verengte die Augen. Er wendete sich hastig um und fand sich gegenüber dem dritten Stein. Eine monströse Ratte stützte ihre Vorderbeine auf einem Knochenhaufen ab. Sie hielt einen Schädel zwischen ihren Nagerzähnen. Die Kreatur, was auch immer sie war, fraß die Toten in einem Massengrab.

    „Pricilla würde das lieben!“ stellte Lafayett fest und zog sich dennoch langsam vom Höhleneingang zurück. Das Tageslicht schwand. Sie mussten umkehren oder sie riskierten, sich hoffnungslos zu verirren. Phillipe ging um den runden Altar herum und deutete ihm zu folgen. Der große Mann mit dem nordfranzösischen Akzent kniete sich hin und befreite eine polierte Tafel von Tannennadeln und Blättern. Auf dem dunklen Stein waren Worte eingraviert. Lafayett konnte sie als Latein erkennen, aber nicht übersetzen. Aber sein Freund half ihm aus.

    „Mit dem Herz des unreinen Tieres verwehre ich dir deinen Frieden, mit meiner Stimme, schwach vor Trauer, verkünde ich dein neues Schicksal. Verfeindet mit der Welt entsende ich meine Rache und meinen Fluch. Erhebe dich und diene meinem Willen.“

    Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich glaube zumindest, dass es sich so liest.“

    „Weiß die Kirche, dass das hier ist?“ fragte Lafayett mit wachsendem Entsetzen. Die verwitterten Worte auf der Steintafel in Verbindung mit dem runden Altar in der Mitte des Kreises machten das alles zu echt für ihn. Kultisten und dunkle Rituale in Büchern waren eine Sache, der Schauplatz von tatsächlichen Menschenopfern eine andere.

    „Warum fragst du? Willst du petzen gehen? Dann machen die, dass alles hier kaputt, obwohl es schon lange verlassen ist.

    Lafayett rieb sich über seine inzwischen kalten Oberarme und begann sich bewusst deutlich nach dem Rückweg umzusehen. Du hast vermutlich Recht.“ Murrte er. Sollte die Wildnis das alles doch selbst beseitigen und die Relikte dunklerer Zeiten unter Bärlauch und Brombeerranken begraben.