Kommt her, ihr lieben Leute, alte und auch junge,
hab neue, wundersame Mär –
mein Affe hier gibt euch Gewähr –
und hört ein seltsam Lied von dieses Sängers Zunge.
Ein Ritter kühn, der alten Sippe ganzer Stolz,
verlor einst seine dritten Zähne,
– ich schäm´ mich fast, dass ich´s erwähne –
denn das Gebiss, ja das Gebiss – es war aus Holz.
Aus edlem, festen Span und reichlich dickem Kleister,
mit Fäden fein zum festen Biss,
bemalt mit guter Farb´, gewiss,
er ließ es fertigen bei einem hochberühmten Meister.
Wie kam´s? Es war des Ritters schnödes Missgeschick
und nicht des Alters Räuberhände,
dass seine Zunge Leere fände.
Und dann – ach, ach! Hier die Ereignisse auf einen Blick:
Auf einem Ritterfest geschah´s im großen Köln am Rhein:
Das Ross sprang hoch, jedoch zu kürzlich,
und machte drum den Ritter stürzlich.
Der Sand, der Sand war weich, doch nicht der ekle Stein.
Da lag er nun, der Rittersmann, im Kreise seiner Zähne,
der Helm zerbeult, der Mund zerbläut,
im Zwölfuhrmittags Kirchgeläut,
und helles Blut entquoll wie eines Feuerengels Strähne.
Ihr sagt: Ein Ritter, dreist und wild in tollen Schlachten,
der beißt doch nicht, er haut und sticht,
so hat ein Zahn doch kein Gewicht,
wer, Teufel, sagt ihr Leut´, würd´ ihn darum verachten?
Doch ach, ihr Leut, denkt ihr denn gar nicht an die Minne?
An´s Stelldichein auf grüner Au,
am Bach mit einer schönen Frau?
Des Ritters Sinn: Dass er der Liebsten Herz gewinne?
Nun muss nicht jeder, weder tags noch in der Nacht,
will er ´ne holde Herrin wählen,
von heißer Lieb und Treu erzählen,
Doch lachen sollt´ er können. Herzhaft, mit Bedacht.
Er tut´s. Doch ach! Sie sieht in seines Mundes Gähne
und senkt verstört die holden Lider.
Sie denkt bei sich: Mit dem? Nie wieder!
Aus ihrem Augenpaar tropft nicht die kleinste Träne.
Doch unbesiegbar ist des Ritters kühner Stolz,
wenn auch sein Blut zu Eis geronnen.
Zu herrlich sind der Minne Wonnen.
Gebiss, Gebiss, ruft er, und sei es auch aus Holz! –
Nun hält er´s in der Hand, das seltene Gebilde,
er legt´ es an, sich zu gewöhnen –
soll´n ihn die Brüder doch verhöhnen!
Will reiten schnell zu seiner Braut in spe Mathilde.
Sein frohes Herz erfasst erneute Liebesglut.
Herbei ruft er den feschen Knappen:
Du Striegle mir den schnellsten Rappen!
Was lange währt, denkt er, wird endlich, endlich gut.
Geschwind jagt er dahin durch Wald und rote Heide,
durch Fluss und Tal und schwarzes Moor,
Schon steht Mathild´ am hohen Tor,
ihr gold´nes Haar erglänzt wie köstliches Geschmeide.
Er springt vom Pferd: He Knapp´, versorg´ das edle Ross!,
die hohe Sinn voll Minnefieber.
Sie sieht in an – o du mein Lieber!,
der Blicke Glut: Verwundert sieht´s der Knappen Tross.
Sie löst vom goldnen Haar das Jungfernkranz-Gewinde.
Mein Herz, ruft sie, wie froh es ist!
Ich weiß, in angemess´ner Frist
bescherst du mir, mein Lieb, das bunte Braut-Gebinde.
Am Linden-Brunnen lassen sich die beiden nieder.
Des Lautenschlägers heit´res Spiel
erspart dem Ritter Worte viel.
Ein Gaukler eilt herbei, sein Kleid wie Pfau-Gefieder.
Mathilde sieht´s und klatscht vergnüglich in die Hände.
Der arme Ritter lacht befreit –
und sein Gebiss, es fliegt so weit –
vergaß er doch die allzu zarten Halte-Bände.
Er ritt dann nach Jerusalem, ins heilige Land,
wo er mit wenig echten Zähnen
bei fürchterlichen Sarazenen
in schwerem Kampfgewühl die ewige Ruhe fand.
Das Lied ist aus. Spart nicht mit euren milden Gaben.
Der Sänger schweigt und wirft den Hut,
und, liebe Leute, füllt ihn gut.
Der schwere Krug steht schon bereit, der ihn wird laben.