Das hier ist für meinen Ehemann. Möchte vielleicht noch jemand drüber schauen, ehe ich es ihm morgen gebe, wenn er von der Arbeit kommt? Ich will versuchen es perfekt zu machen.
Zur Erklärung. Das ist unter „Fanfiktion“ weil es von unseren Word of Warcraft-Charakteren handelt mit denen wir Rollenspiel betreiben. „Vulpera“ sind ein Volk von anthropomorphen Füchsen und Pandaren ein Volk von anthropomorphen Panda-Bären. „Dalaran“ ist ein Ort und der „Rote Kranich“ ist sowas ähnliches wie Gott der Hoffnung. Ich denke man versteht den Text aber auch so.
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Wurzeln tief im Grund
Regentropfen trommelten auf Koyus Ohren, die Angelrute auf seiner Schulter und den leeren Weidenkorb unter seinem Arm. Das Gewicht des Versagens zerrte an ihm wie schwere Ketten, als er sich die steile Treppe zwischen dem Tal und der Kun-Lai Ebene emporkämpfte. Sein Geist war aufgewühlt wie Fluss im Sturm, kalt, trübe und mit wenig Freundlichkeit für sich selbst. Es gab in ihrer kleinen Hütte auf dem Hügel einen Keller, liebevoll gefüllt mit Gläsern und Tonkrügen, die Rettich, Obst und Pilzen. Sie würden nicht hungern müssen, aber Maelin ihren Wunsch nach einem Kaiserlachs nicht erfüllen zu können stach wie Dornen. Er blieb stehen und sein Blick senkte sich auf seine nassen Pfoten. Tief in seinem Herzen wusste er, dass er Berge versetzen konnte, einen Kiesel nach dem anderen. Er war sich ganz sicher, dass er neue Farben erfinden konnte, wenn er es wollte, und seine kleinen Hände einen Erdrutsch stoppen konnten, damit sein Grollen ihre Ruhe nicht störte, wenn sie schlafend unter dem Ahorn im Vorgarten lag. Dennoch hatte ein kleiner, schwarzer Fisch mit roten Streifen ihn ausgetrickst. Die Natur verwehrte ihm seinen Fang, das kostbare Geschenk an seine Liebste.
Der Regen fiel und er fiel noch immer, als er den Hof erreichte. Seine Füße versanken tief im Schlamm. Für einen Wimpernschlag wäre er lieber draußen stehen geblieben, anstatt Kälte und Schmutz in ihr Haus zu tragen, aber er sehnte sich nach dem Klang ihrer Stimme und der Bedeutung ihrer Worte. Die Tür quietschte. Die Pandarin war in der Küche, die fast ein Drittel des Hauses einnahm, und fädelte Dalaranchilli auf eine Schnur, um sie zum Trocknen über den Kamin zu hängen. Ihre kleinen runden Ohren zuckten, erschrocken. Der weiche, schwarz-weiße Pelz in ihrem Nacken kräuselte sich etwas, als sie über ihre Schulter sah. Und als sich ihre Blicke trafen, erstrahlte sie. Ihre Gesichtszüge wurden weich und ehrlich und sie sah ihn an, als wäre der rote Kranich selbst auf ihrer Türschwelle gelandet. Das fehlende Stück ihrer selbst war wieder mit ihr vereint.
„Geht es dir gut? Wenn es noch wenig mehr geregnet hätte, wäre das Fundament weggespült worden und ich wäre dir mit unserem neuen Hausboot entgegengekommen“, scherzte sie und reichte ihm ein trockenes Handtuch aus einer Schublade.
Koyu lächelte, ohne es zu wissen. Aber Liebe machte den Korb, den er an seine Rippen drückte, nicht voll. „Ich habe nichts gefangen. Es tut mir leid. Ich wete, du kochst trotzdem ein Fest Mahl. Du würdest ein Fest Mahl, aus Steinen und Zweigen kochen, wenn du müsstest.“
Ihre Ohren stellten sich auf und ihr Kopf kippte leicht zur Seite. Fühlte sie sich schlecht, weil er sie umsonst den ganzen Tag alleine gelassen hatte? Das musste es sein. Er wusch seine Füße und eilte die Treppe hoch, wo, sein Badezuber stand. Er hätte das Wasser mit dem kleinen Kessel in der Ecke warm machen können, aber der schlechteste Angler aller Zeiten hatte kein warmes Bad verdient. Er ließ das Wasser in sein Fell sickern und streckte seine Glieder von sich. Es war erst Mittag. Dieser scheußliche Tag wollte nicht gehen, wie ein betrunkener Hausgast, der nicht merkte, dass er nicht mehr willkommen war.
„Koyu, Schatz?“, rief Maelins Stimme von unten.
„Ja, Liebling?“. Seine Ohren stellten sich auf, um jede Silbe einzufangen, die von ihren Lippen fiel.
„Ich bekomme eines von den Einmachgläsern nicht auf. Kannst du mir helfen? Mit seinen großen, starken Armen?“
Der junge Vulpera seufzte, erhob sich und schlüpfte in einen hellgrünen Bademantel aus Alpaka-Wolle. Die Treppe quietschte unter seinen Schritten, und die Stufen trugen noch die nassen Pfotenabdrücke, die er vor wenigen Minuten auf dem Weg nach oben hinterlassen hatte. Er betrat die Küche und erstarrte plötzlich.
Ihr Esstisch und die Hocker waren beiseitegestellt. Der Boden war aufgeräumt und mit sauberen Strohmatten ausgelegt. Maelin hockte vor ihm, eingehüllt in einen weißen Seidenkimono mit Stickereien von Vogelfedern und anmutigen Kranichen, im anmutigen Flug über eine Tempelpagode. Alles, was sie trennte, waren ein Teeservice und ein einzelner Ulmenzweig in einer Vase. Die winzige Teekanne und die Tassen trugen unter dem klaren Lack Bilder von halb verwehten Pusteblumen im Wind.
Maelin wartete, bis er vor ihr Platz genommen hatte, und verneigte sich. Koyu tat es ihr gleich. Sein Geist ordnete sich, wie Flachsfasern, die man in dieselbe Richtung kämmte. Respekt war eines der Prinzipien einer Teezeremonie. Sie schenkte ihm ihre Zeit und ihre Aufmerksamkeit so völlig, dass es ein Verbrechen gewesen wäre, die Geste nicht zu erwidern. Ihre Finger fuhren an ihren Oberschenkeln entlang zu einem trockenen, sauberen Tuch, das gefaltet neben ihr gelegen hatte. Sie präsentierte es ihm mit einer anmutigen Bewegung und begann dann, die Bambuslöffel und Teetassen zu säubern. Reinheit. Sie sprachen nicht. Zumindest nicht mit Worten. Aber ihre Unterhaltung war so tief und lebhaft wie jede andere, seit sie sich das erste Mal begrüßt hatten.
Der Ulmenzweig in der Vase trug grüne und gelbe Flechten auf seiner Rinde. Maelin hatte ihn belassen, wie sie ihn gefunden hatte, um seine natürliche Schönheit zu respektieren. Die Seide, die ihre schmalen Schultern bedeckte, zeigte Vögel, die ihre Brutgebiete hinter sich ließen und die Tassen, die Samen von Löwenzahn, den der Wind an ferne Orte trug. Sie wollte, dass er losließ, dass er den Regen und den leeren Korb auch seelisch niederlegte und mit ihr zusammen in der Geborgenheit ihres Heims auf das Ende des Gewitters wartete.
In ihrem Schweigen hörte er das Knistern der Kohlen unter dem Eisenkessel und das Plätschern des heißen Wassers, mit dem sie seine Tasse vorwärmte. Das Gefäß aus dickem Ton, konnte Hitze lange speichern, aber eben auch Kälte, wenn man es ließ. Der Schritt war wichtig, um das Aroma nicht zu verderben. Der kleine, gefleckte Vulpera schloss seine Augen und ließ seinen Schweif, der bis eben wild hin und her geschlagen hatte, hinter sich ruhen. Seine Glieder wurden schwer und sein Herz leicht. Als er wieder hinsah, füllte seine Gefährtin liebevoll zwei Löffel leuchtend grünes Matcha-Puder in seine Tasse und schlug den Tee mit einem Schneebesen aus Bambus auf, um einen feinen Schaum an der Oberfläche zu erzeugen. Der Vorgang konnte eine Minute dauern, aber sie schenkte ihm drei, wusch zunächst alle Utensilien und legte sie zurück an ihre vorbestimmten Plätze.
Die junge Pandarin drehte die Tasse, bis das Motiv in seine Richtung zeigte und er es ungehindert bewundern konnte. Dann stellte sie die Tasse ab und verneigte sich ein weiteres Mal.
„Ich danke dir“, flüsterte er und drehte das Gefäß, das den kostbaren Tee hielt, abermals in seiner Hand, sodass Gäste, die theoretisch neben ihm Platz genommen hätten, ebenfalls das Porzellan hätten bewundern können.
Die Farbe war wundervoll. Das satte Grün leuchtete in der minimal dekorierten weißen Tasse nur noch mehr und der Duft mit all seinen Nuancen und Komplexitäten entfaltete sich um ihn herum wie eine bequeme Decke.
„Möchtest du, dass ich ein Haiko für dich rezetiere?“. Mailen holte ein Stück Wachspapier hervor und entfaltete es. Darin eingewickelt waren Reiskuchen, deren Süße perfekt mit der Bitterkeit des Tees harmonierten, so dass keins von beiden überwog und seine Zunge lähmte.
Koyu nickte. „Ich würde deine Dichtkunst sehr genießen.“
„Bäume biegen sich“, begann sie. „Sturm kommt, doch sie stehen fest, Wurzeln tief im Grund.“
Er lächelte und blickte einmal mehr auf den Zweig in der Vase. Sie hatte eine Ulme ausgewählt, weil diese Bäume tiefe Wurzeln haben.
Der nächste Schritt wäre es gewesen, den Reiskuchen auf einem kleinen Teller zu ihm hinüberzuschieben. Maelin aber hielt die Süßigkeit in ihrer hohlen Hand und streckte ihm ihren Arm entgegen. Mit einem warmen Gefühl in seinem Magen, legte Koyu seine Finger auf ihre und blickte in ihre moosgrünen Augen.
„Heute ist ein guter Tag. Sogar der Lachs hatte Glück und darf weiter im Fluss seine Runden drehen.“
Die Pandarin lehnte sich nach vorne und ihre Lippen berührten seine. Respekt, Reinheit, Harmonie und Gelassenheit, bewusst geschenkt und dankbar angenommen wie dieser eine perfekte Kuss.