Was haltet ihr von Sex in der Literatur?

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 4.098 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. September 2015 um 16:14) ist von Rael.

  • Hallo ihr Lieben!
    Ich würde gerne eine Frage an euch richten, die eventuell etwas heikel ist. Bzw. kommt das wohl ganz auf eure persönliche Einstellung zu diesem Thema an, von daher will ich auch gar keine langen Umschweife machen:

    Was haltet ihr von Sex in der Literatur?

    Der Grund oder besser die Gründe weswegen ich das frage sind folgende:
    Ich schreibe nun ja schon seit einigen Jahren. Man probiert viel herum, spielt mit Perspektiven, mit Zeitformen, Rückblenden und Twists und was es da nicht alles gibt. Einiges beherrscht man ganz gut, anderes muss man ein bisschen Üben, einiges klingt einfach irgendwie immer doof, so dass mans einfach lässt.
    Eines der schwierigsten Themen, mit denen ich mich als Schreiber bisher beschäftigt habe (Gleich hinter Dialogen...ich hasse Dialoge :D ), ist allerdings Erotik und Sex. Beides gehört irgendwie in die Literatur und auch in den Werken "seriöser" Autoren begegnet man immer wieder mehr oder weniger erotischen Sexszenen.
    Vor allem in den etwas düstereren Themengebieten, die ich irgendwie bevorzugt beackere, ist Erotik, sexuelle Spannung und im schlimmsten Falle sogar sexuelle Gewalt gerne mal sogar eines der Hauptmotive. Aber...wie schreibt man sowas? Bisher habe ich mich nie daran getraut weil es halt irgendwie doch...extrem schwierig und persönlich ist finde ich :D
    Philosophischer könnte man auch Fragen: Braucht Literatur explizit(er) beschriebenen Sex? (Ich spreche hier jetzt nicht von an Pornografie grenzenden Beiträgen wie z.B. aus American Psycho sondern von den ganz alltäglichen Sexszenen, über die man bspw. in beinahe jedem Stephen King Roman irgendwann stolpert...selbst im Fantasy Genre! Ich erinnere mich da z.B. an Stan Nichols "Die Orks".) Ist Sex in Literatur auch Kunst? Oder nur lüsterne verbale Fleischbeschau. ist man gleich ein sensationslüsterner Autor oder automatisch unseriös wenn man das Thema behandelt? Ganz einfach: Brauch die Welt das? Ist das legitim sich mit solchen Szenen auseinander zu setzten? Oder ist es besser nach dem obligatorischen "Und er drängte sie Richtung Bett" ein gekonntes Fade out einzuleiten und den Rest dem Leser zu überlassen? Falls ja warum? Der Film darf das ja auch...
    Da würde ich einfach mal gerne eure Meinung zu hören, falls ihr bereit seit über das Thema zu diskutieren.

    Mfg

    Dr. Strangelove

    Aus einer großen Gesellschaft heraus
    ging einst ein stiller Gelehrter nach Haus.
    Man fragte: "Wie sind sie zufrieden gewesen?"
    "Wärens Bücher", sagte er, "ich würd' sie nicht lesen."

    Johann Wolfgang von Goethe

  • Also mich stört Sex in Büchern eigentlich überhaupt nicht ^^ Vorrausgesetzt natürlich, es ist authentisch und glaubhaft geschrieben, nicht etwa kitschig übertrieben oder unrealistisch. Solche Szenen sind meiner Meinung auch vollkommen legitim. Sex ist ein natürlicher Prozess im Leben und es bringt nichts, ihn totzuschweigen als gäbe es ihn nicht. Wenn eine solche Szene also ins Handlungsgeschehen passt und die Zielgruppe auch stimmt, dann kann für mich ruhig die ein oder andere Sexszene in einem Buch vorkommen. Es ist natürlich immer Geschmackssache, ob man sowas lesen möchte und hängt sicher auch davon ab, wie der Autor es geschrieben hat. Grundsätzlich bin ich Sex in der Literatur aufgeschlossen :)
    Selbst Goethe hat in Faust die Hexen und Teufel Orgien feiern lassen ^^

  • Mich würde Sex in Büchern vielleicht auch nicht stören, wenn er nicht in allen Medien so präsent wäre und immer neue Formen "ausgefallener Spielarten" propagieren müsste, um nicht in Langeweile zu versinken. Es nervt mich inzwischen so an, ich kanns gar nicht beschreiben...
    Von daher gilt für mich: ich liebe Fade outs. :D
    Manche Dinge WILL ich nämlich gar nicht wissen und mir auch nicht vorstellen müssen und ich LEIDE fast schon darunter, dass die ganze Welt darauf keine Rücksicht nimmt und meine Fantasie ständig und immerzu mit Dingen füttert, wo mir das Gesicht so einfriert: :S

    Eine gute Geschichte braucht, egal ob düster oder nicht, keine detailliert beschriebenen Orgien, um den Leser bei der Stange zu halten. Wer Porn lesen will, geht sich Porn kaufen, da schwirrt genug in der Literatur herum. Mir persönlich missfällt es, wenn eine sonst gute Geschichte offensichtlich versucht, auch dieses Klientel zu bedienen. Und manchmal langweilen immer wieder kehrende Sexszenen auch einfach nur.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Stelle mich hinter melli ^^ an sich stört mich Sex in der Literatur nicht- aber sobalt ich das Gefühl kriege, dass er jetzt kommt, weil der Autor damit Leser anlocken will und/oder Seiten füllen (sprich: wenn er nicht authentisch und im richtigen Masse eingesetzt und beschrieben wird), regt mich das auf und ich überspringe.

    Imho sollte ein Buch eine Geschichte erzählen. Kommt darin Sex vor- bitte, meinetwegen. LEBT die Geschichte davon- stopp. Wenn die einzigen auch für den Leser emotionalen Momente die Schlafzimmerszenen sind, ist es ein schlechtes Buch. Wenn ich Porno lesen will, kauf ich mir- wie melli sagte- ein entsprechendes Werk.

    ^^ ich sags mal so: mir gefällt es, wenn Sex angedeutet wird, aber man den Protagonisten ihre Privatsphäre lässt :) und ich bin ganz allgemein immer noch der Meinung, dass die besten Beschreibungen die sind, die mit wenigen Worten und viel Platz für die Fantasie des Lesers auskommen ^^


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

  • Außer A Song of Ice and Fire habe ich bisher nur zwei (glaube ich) Werk gelsesen, in denen wirklich explizite Sexszenen beschrieben werden. Mich stören sie nicht und ich finde solange sie gut geschrieben sind und nicht als Höhepunkte der Geschichte sondern als weitere Geschmacksnote des Buchs dienen kann man gut auf sie zurückgreifen. Denn ein Buch erzählt im Normalfall nun mal die Geschichte eines Charakters und ich finde es nicht gut, wenn man bestimmte Teile seines Lebens absichtlich ausspart. Das kommt dann doch sehr oft einfach nur knstlich oder unwirklich herüber. Ich will damit keinesfalls sagen, dass in jede Geschichte Sex hineingehört, aber dort wo es sich passender Weise anbietet, sollte man nicht peinlich berührt abblenden. Immerhin werden ganze Massaker en detail dargestellt.

  • Sex im Buch ist kein Problem und gehört dazu. Lust ist eine menschliche Emotion. Wenn man einen Charakter in zehn Seiten in tiefste Trauer stürzen kann, ist ein Beschreibung von Extase und Liebe auf zwei Seiten doch nicht unerträglich. Es muss aber zur Geschichte beitragen und der Autor muss sich bewusst dafür entscheiden.

    z.B. in vielen Teeniromanen befindet sich genau eine Sexszene, weil sie anscheinend dazu gehört. Oft ist sie erzwungen und trägt zu nichts bei. Man hätte sie getrost weglassen können.
    Das gegenteilige, schlechte Beispiel "50 shades of grey". Es passiert nichts in den Büchern, ohne Sex käme man wohl kaum auf eine Seite pro Buch (wollen wir nicht darauf eingehen, dass es viel zu Kitschig für Soft-Sado-Maso ist). Sex allein macht keine Geschichte.

    Dann gibt es auch noch die guten Bücher mit einer packenden Story zu der Sex dazugehört und tatsächlich eine Rolle spielt, aber auf dem nicht alles aufgebaut ist. Ich empfehle da nur jeden von Jaqueline Carey die Kushiel-Reihe.

    Was Gewalt und Sex angeht. Man sollte sich den Mund nicht wegen Tabus verbiegen. Wer Masacker beschreiben kann brauch im selben Buch nicht auf Blümchensex umsteigen (außer es ist Absicht). Egal was uns die Medienwelt uns alles noch als Tabu verkaufen möchte (um andere Dinge besser zu verkaufen wie z.B. Feuchtgebiete), sind wir doch alle ziemlich abgestumpft.

  • Wenn es wirklich wichtig für die Story ist, quasi ein Teil davon, oder bspw. auch wichtig um die Entwicklung der Charaktere zu beschreiben, finde ich es ok. Aber meistens ist das doch gar nicht der Fall. Oft erscheint mir das einfach rein konstruiert. Und dann ist die Beschreibung erotischer Szenen glaub auch nicht einfach. Das kann ganz schnell ins Lächerliche oder Rosamunde Pilcher abdriften.

    Ich erinnere mich noch ganz schwach an eine Buchserie, in der eine gewisse Anziehung zweier Charaktere zueinander immer mal wieder angedeutet wurde. Doch es wurde nie thematisiert. Das war so viel effektiver. Als dann einer der Charaktere starb, war ich emotional viel mehr eingebunden. Statt "Oh, die Frau hat ihr Karnickel verloren" dachte ich "Man, da hat sich doch was angebahnt! Die hätten ein Paar werden können!".

    Will damit sagen: Man sollte sich vielleicht vorher fragen ob es gleich Sex braucht, oder ob es nicht mehr bringt, die emotionale Bindung zweier Menschen in den Vordergrund zu stellen. Und ja, ich weiß, Sex & Emotionen gehören nicht zwangsläufig zusammen ;)

  • Wenn Sex (oder die zur nebensächlichsten Hauptsache mutierte schönste Nebensache des Lebens) in einem Buch so "übergebracht" wird, wie in den Medien, dann lege ich es bei Seite, werfe es aus dem Fenster oder verbrenne es.
    Dem entsprechend bin ich auch kein grosser Fan von Sexualkundeunterricht im Kindergarten. Wie dem auch sei. Die Frage, die ich mir stelle ist: Wo ist die Grenze zwischen erotisch und pervers? Ist die Menschheit abgehärtet genug, dass man in einem literarischen Werk harte Sexszenen schreiben darf, oder sind die Leser abgeklärt genug, damit sie Fantasie von Realität unterscheiden können?

    Anderer Ansatzpunkt: Shades of Grey. Alle Bücker zu Hause. Insgesamt nicht mal siebzig Seiten gelesen. Mag ja sein, dass die Story sich erst mit dem Auftauchen der ach so interessanten Spielereien verbessert, meines erachtens jedoch ist der Anfang jedenfalls dünn. Da gibt es bessere "Sexgeschichten".

    Dann gibt es Bücher von x-beliebigen Autoren, die einen wirklich guten Handlungsstrang haben, dann jedoch - meiner Meinung nach - an Wert verlieren, sobald der Autor das Thema Sex ansteuert und sich darin vertieft.
    Zur Verteitugung: "Sein Glied stiess immer schneller in ihr Geschlechtsteil", liest sich kaum schöner als sowas wie "er fickte sie hart in ihr Arschloch"
    Wie also kann der Autor eine Grenze zwischen Erotik und Perversion finden? Oder ist das alles nur Geschmackssache...?

    Jedenfalls eine sehr interessante Diskusion, die du da gestartet hast @Dr. Strangelove

  • Ich denke, dass Sexualität heutzutage nicht mehr zwangsweise etwas mit Liebe zu tun hat. Charaktere werden also auch nicht unbedingt wichtiger, wenn sie mit dem Protagonisten Sex haben, die Verbindung verbessert sich nicht. Ich mag es eher, wenn soetwas subtil angedeutet wird, die Momente, bevor so eine Szene normalerweise beginnen würde. Ich hatte ernsthaft überlegt eine "Sexszene" einzubauen, da ich recht düster schreibe und es passen könnte. Aber es kann viel kaputt machen und ich habe mit solchen Szenen auch keine Erfahrung. Außerdem veröffentlich ich nicht unter nem Pseudonym ... :whistling:

    Manchmal flüstert der Wind eine Legende,
    bevor die Geschichte sie zu schreiben vermag.

    Hört das Flüstern:

    Der Orden der Geweihten

  • Mir persöhnlich macht eine gute Sexszene, die wirklich schön beschrieben und nicht einfach nur plump auf die Seiten gespuckt wurde, garnichts aus. Die Andeutung macht da einfach mehr her, wie es hier ja schon manche gesagt haben oder eben der gute alte fadeout :D
    Mich stört nur, dass, nach meinem Eindruck, immer öfter einfach Sex in eine Geschichte eingebaut wird, um welchen drin zu haben. Manchmal weiß man schon direkt zu Beginn wer mit wem rummacht und Sex hat und meistens ist das dann so unglaubwürdig.
    Als gäbe es irgendwo so einen Standartplan für Romane...

  • Wenn es kein "Pseudo-ich-hab-Ahnung-von-allem-und-will-damit-Profit-machen-kann-aber-sonst-nichts-Sex" wie in shades of Grey ist, habe ich damit eigentlich wirklich keine Probleme.
    Ich stimme Melli und Klim zu, dass dem Sex grundsätzlich eine zu große Bedeutung beigemessen wird.
    Ich muss aber auch Skadi zustimmen und sagen, dass es eben einfach dazu gehört.
    Wie wäre es mit einer Mischung: Man Kann den Anfang ja beschreiben muss jetzt aber nicht in Seitenlange Monologe ausarten -.-
    Man die "Tat" an sich ja beschreiben oder umschreiben - je nachdem ob man eher der direkte oder andeutende Typ ist.
    Es gibt so viele gute Bücher in denen Sex vorkommt (Das Lied von EIs und Feuer, Die Säulen der Erde und so Zeug).
    Was ich hingegen überhaupt nicht ausstehen kann ist, wenn es aufgrund der einzig wahren reinen wundervollen Liebe auf den ersten Blick zum Sex kommt -.- Das wirkt dann immer völligst überzogen ...

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Wenn es kein "Pseudo-ich-hab-Ahnung-von-allem-und-will-damit-Profit-machen-kann-aber-sonst-nichts-Sex" wie in shades of Grey ist, habe ich damit eigentlich wirklich keine Probleme.

    Da gebe ich dir völlig Recht. Gerade bei Shades of Grey, war es am Anfang noch relativ spannend, irgendwann habe ich diese Szenen dann überblättert, weils mich auf dauer so angenervt hat.

    Wenn die Beschreibung an und für sich gut ist, dann habe ich da prinzipiell kein Problem mit, aber das wichtigste ist, es muss passen. Andeutungen können manchmal viel erotischer sein, weil sie Raum zu interpretieren und für die Fantasie lassen.

    Dies wahre Liebe - Sex statement, würde ich so nicht unterschreiben. Nicht prinzipiell. Es kommt auf die Situation, die Geschichte und die Characktere an. Wenn alles passt warum nicht. Ich gebe dir aber recht, es kann schon überzogen wirken.

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!: