Schreibwettbewerb Dezember/Januar 2014/2015 - Voting & Siegerehrung

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 5.969 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. Februar 2015 um 22:21) ist von Kiwi.

  • Welche Geschichte hat euch am Besten gefallen? 16

    1. Der Weg des Kriegers (0) 0%
    2. Linderung (1) 6%
    3. Als einziger triumphiert der Tod (5) 31%
    4. Herzenskriege (4) 25%
    5. Atempause (6) 38%

    Hallo zusammen und auch an dieser Stelle nochmals ein frohes neues Jahr!

    Nun, diesmal sind es nicht ganz so viele Geschichten geworden wie letztes Mal, aber ein bisschen Erholung kann ja auch nicht schaden. ;) Schlussendlich sind aber doch 5 Stück bei mir eingetrudelt.

    Hiermit geht der Schreibwettbewerb Dezember/Januar 2014/2015 ins entscheidende Uservoting.

    Folgendes Thema wurde von unseren letzten beiden Gewinnern Ciro und Tika444 vorgegeben:

    Nach dem Krieg ist vor dem Krieg

    Die Geschichten werden gemessen am Datum ihres Einreichens willkürlich gepostet. So steht ihr im Bezug auf deren Autoren völlig im Dunkeln. ;)

    ACHTUNG: Beim Voten ist man nicht anonym. Somit wird Schummeln ausgeschlossen. Zudem dürfen einmal abgegebene Stimmen nicht mehr verändert werden. Bedenkt das bitte bei eurer Stimmenabgabe!

    Das Voting dauert bis 31. Januar 2015 um 23:59:59 Uhr.

    Viel Spass beim Lesen und Voten! :)

    Euer Fantasy-Geschichten Forum

  • Der Weg des Kriegers
    von Königsdrache

    Eine kalte Brise, die den Geruch von Blut, verbranntem Fleisch und Tod mit sich trug, weckte ihn aus einem tiefen Schlaf. Sein Kopf fühlte sich schwer an und sein Körper schmerzte. Alles kam ihm falsch vor. War er nicht gerade bei seiner Familie gewesen? Hatte er nicht noch vor kurzem die Wärme seiner Frau gespürt, mit seinem kleinen Sohn gespielt? Aber innerlich wusste Muromotto, dass dies nicht wahr sein konnte. Es war nur ein Traum gewesen. Ein Traum. Die Wirklichkeit sah anders aus.
    Langsam versuchte er seinen schmerzenden Körper zu bewegen, die Augen zu öffnen. Er lag auf dem kalten Boden, in seinem eigenen und im Blute seiner Kameraden. Muromotto blickte in den Himmel, der von einem dunklen Wolkengebilde bedeckt war, dessen Ränder rötlich glänzten, als würde auch der Himmel bluten. Schwerfällig hob er seine Hand, die verschwommen in seine Sicht kam und er wischte sich das Blut aus den Augen und seine Sicht klärte sich. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er noch am Leben war. Aber was hatte dies schon für eine Bedeutung?
    Plötzlich hörte er Geräusche. Schritte. Noch immer am Boden liegend blickte er um sich und sah sie. Die Häscher der Krähe. Sie suchten nach Lebenden, und trieben ihre Speere in jeden, der noch atmete. Sie machten keine Gefangenen und kannten keine Gnade. Muromotto griff unwillkürlich um sich und fand es, sein Langschwert. Es lag neben dem verletzten Krieger und zwischen den vielen Toten. Als Samurai hatte Muromotto geschworen, für seinen Herrn zu kämpfen, für ihn zu siegen oder auf dem Schlachtfeld zu sterben. Wenn er jetzt aufstand, würde er sterben. Wenn er liegen blieb und sich tot stellte, vielleicht überleben. Aber was er auch wählte, seine Familie würde er nie wieder sehen.
    Sein Schwert immer fester umklammernd bemerkte er, wie sich neben ihm jemand rührte. Er erkannte dessen schweres Atmen wieder. Kuma, ein Bär eines Mannes und ein alter Gefährte von Muromotto. Sie hatten viele Stunden den Schwertkampf zusammen geübt. Kuma war ebenfalls schwer verletzt. Er konnte sein Langschwert nur mit einer Hand halten, die andere hing nur schlaf an ihm herunter. Trotzdem trat er auf die Häscher zu, ein gutes Dutzend. Sie hielten den Samurai mit ihren Speeren auf Distanz, spielten schon fast mit ihm, während Kuma schrie:
    »Für Lord Tokage!«, und dabei unbeholfen sein Schwert in einer Hand schwang.
    Dies wäre die Gelegenheit für Muromotto. Die Häscher waren mit dem anderen Samurai beschäftigt, wenn er ihnen jetzt in den Rücken fiel, dann vielleicht …, aber was dachte er da nur. Er hatte seine Entscheidung bereits getroffen und als eine Speerspitze in die Kehle des Samurais drang, da hatte Muromotto die Ablenkung genutzt und war in den nahen Wald geflüchtet und hatte seinen Kameraden dem sicheren Tod überlassen.

    Muromotto hatte sich der schweren Rüstung entledigt und mit einem Fetzen Stoff, die Wunde an seiner Stirn verbunden. Aber seine Lang- und seine Kurzschwert hatte er immer noch um die Hüfte gebunden. Wieso, wusste er auch nicht genau. Er war ein toter Mann, daran änderten seine Waffen auch nichts mehr. Man hatte ihn gesehen, wie er die Grenze überschritten hatte und Lord Tokage hatte bestimmt bereits Leute nach ihm ausgesandt. Aber Muromotto wurde von einem letzten Wunsch angetrieben. Seine Familie noch einmal zu sehen.
    Er erreichte sein Haus und war kaum mehr bei Kräften. Doch als Muromotto seinen vierjährigen Sohn Inu erblickte, der mit dem weißen Welpen im Garten spielte, da rannen warme Tränen über seine Wange und die Müdigkeit vergessend rannte er auf den Jungen zu und schrie seinen Namen. Bei ihm angekommen, schloss er ihn in die Arme, während seine Frau aus dem Haus trat. Auch sie weinte, als er sie in die Arme schloss und küsste.
    »Du solltest nicht hier sein«, sagte sie ihm. »Du darfst nicht …«
    »Hör mir zu, meine Geliebt. Hör mir gut zu, denn wir haben nicht viel Zeit. Wir haben die Schlacht … nein, den Krieg verloren. Der Karasu-Clan wird kommen und dieses Land plündern und Lord Tokage wird fallen. Ich habe gesehen, was die Männer der Krähe alles anstellen. Ihr seid ihn Gefahr, du und Inu, ihr müsst von hier verschwinden. Geh mit ihm in die Berge zu deiner Familie, versteckt euch dort!«
    »Was ist mit dir?«
    »Versprich mir, egal was geschieht, verschwinde von hier!«
    Sie wollte etwas erwidern, als einige Krieger auf das Haus zukamen. Muromotto wusste sogleich, dass seine Zeit zu Ende war und er löste sich von seiner Familie. Die Männer nahmen ihm die Waffen ab und übergaben sie einem anderem, der mit einer goldenen Prunkrüstung zu ihm trat. Auf seinem Brustpanzer glänzte ein roter Drache. Lord Tokage, der gerne der Drache genannt wurde, aber hinterrücks nur den Beinahmen die Echse trug.
    »Muromotto? Ich wollte es mit eigenen Augen sehen«, erklärte der Lord. »Ich habe der Nachricht nicht geglaubt, dass ausgerechnet du, von der Schlacht geflohen sein sollst. Was ist Geschehen Muromotto?«
    »Wir haben verloren, Lord Tokage! Das ist geschehen. Die Krähe hat uns überrannt!«
    »Aber wie, wir waren ihnen zahlenmäßig weit überlegen?«
    »Das waren wir und doch hätten wir verloren, wenn wir zehn zu eins gegen sie angetreten wären. Ihr habt die Schlacht nicht gesehen, Lord Tokage, die Männer der Krähe, sie haben Magie genutzt und Kreaturen befehligt, die doppelt so groß wie jeder Mann waren und Feuer spien. Ich wurde von einer dieser Monster am Kopf getroffen und da war für mich der Kampf vorbei.«
    »Und doch lebst du noch, Muromotto. Du bist vom Kampffeld geflohen. Du bist kein Krieger. Du bist nicht mehr als ein Meerschweinchen! Du hast mir deine Loyalität geschworen und diese gebrochen. Mit deiner Tat hast du Unehre über deine ganze Familie gebracht!«, Lord Tokage zeigte auf seinen Sohn. »Sie werden nach deinem Tod als niedere Bauern leben müssen und den Stand einer Kriegerfamilie verlieren. Und sterben wirst du, Muromotto. Du hast deinen Tod nur etwas herausgeschoben«, er nahm das Kurzschwert des Kriegers und warf es Muromotto vor die Füße. »Aber ich bin ein gnädiger Herrscher. Ich biete dir die Möglichkeit, die Ehre deiner Familie wieder herzustellen. Du weißt, was du zu tun hast?«
    Muromotto blickte zurück zu seiner Familie. Seine Frau hatte seinen Sohn an sich gezogen und gegen ihr Bein gepresst, damit dieser das Kommende nicht mitansehen musste. Sie weinte, doch nickte sie ihm zu und Muromotto wusste, dass er jetzt gehen konnte. Er hatte seine Familie gerettet. Sie würde nach seinem Tode von hier fliehen und den Krallen der Krähe entkommen.
    Muromotto ging auf seine Knie und verbeugte sich tief vor dem anderen Mann.
    »Ich danke Euch, Lord Tokage, für diese edle Geste.«
    »Führe meinen letzten Befehl aus und ich verspreche dir, dass ich für deine Familie sorgen werde und deinen Sohn zu einem wahren Krieger ausbilden werde.«
    Muromotto blickte noch einmal zu seinem Lord hoch und er wusste, dass dieser sein Versprechen nicht würde einhalten können. Die Krähe war bereits unterwegs, um die Echse zu erlegen und sie würde erfolgreich sein. Doch seine Familie war in Sicherheit, das war alles, was zählte. Er hatte sie gerettet.
    Er nahm das Kurzschwert auf und entfernte die Scheide. Muromotto blickte auf die Klinge, die er immer pflegte und scharf hielt. Dies würde seine Aufgabe hoffentlich erleichtern. Dann drehte er sie, damit der Spitz auf seinen Magen gerichtet war.
    »Meine gefallenen Kameraden, ich werde euch verspätet folgen. Bitte verzeiht mir meine egoistische Tat.«
    Muromotto rammte sich die Klinge in seinen eigenen Magen. Trotz Schmerzen verkniff er sich einen Schrei und führte einen Schnitt von links nach rechts aus. Sofort verlor er seine Kräfte, ließ das Schwert fallen und brach in seiner eigenen Blutlache zusammen.

  • Linderung
    von Du Vandir

    Corinna ließ das Rumpeln der Wagenräder in ihren Ohren hallen. Jede Erschütterung, die die nassen Pflastersteine durch den Wagen jagten, brachte ihr eine neue Welle der Schmerzen, die sie verzweifelt auszublenden versuchte. Das offene Fleisch ihres rechten Beines hatte aufgehört, zu bluten, doch es bildete sich ein feuchter Schorf und Eiter trat aus den Rändern …
    Eine blassgrüne Wiese breitete sich unter einem grauen Himmel aus. Immer wieder zog ein kahler Nadelbaum durch ihr Sichtfeld.
    Ein Stoß rumpelte durch das Holz des Wagens. Schmerz gleiste in ihrem Bein auf wie Lava.
    Sie durfte nicht daran denken. Es gab Wichtigeres.
    Mit Mühe drehte sie ihren Hals neben sich, wo Lukas in einem fiebrigen Traumzustand wirr vor sich hinbrabbelte.
    Sätze wie „Was, nein danke, mit einem Nest voller Wildbienen kann ich nichts anfangen – ja, nein, danke, sehr freundlich, mein Herr“ mischten sich mit panischem Stottern.
    Im Moment war die Panik wieder dran.
    „Nein, nein – Julia! Nein! Was macht ihr mit Julia?“ Seine Stimme begann, sich zu überschlagen. Tränen liefen aus seinen Augen.
    „Julia, es tut mir so leid … Ihr Schweine! Ihr sollt alle in der Hölle brennen! Verflucht seien die Luraner!“ Er holte Luft, seit Atem ging wild.
    „ Julia … Julia, wir werden uns in der Ewigkeit sehen …“ Den letzten Satz sprach er so sanft, dass Corinna sich am liebsten schlafen legen wollte und nie wieder aufwachen.
    „Könnt ihr den Wirrkopf dahinten nicht abstellen?“, raunzte der Kutscher.
    Die Frau, die neben ihm auf dem Bock saß, blickte ihn ausdruckslos mit fern wirkenden Augen und offenem Mund an.
    Sie alle waren gebrandmarkt.
    Corinna schloss die Augen.

    Überall war Blut, Schreie, Flammen, Panik. Corinna wusste nicht, wo sie war. Plötzlich war da ein Mann mit einem Schwert und brutalen, schmerzverzerrten Gesichtszügen – Corinna verzog ihr Gesicht auf die gleiche Weise, als die Klinge eisig in ihr Bein biss …

    Nein, nein, wach auf, Cora, du bist auf dem Wagen …

    Ihr Atem ging schwer und schnell. Aber viel leichter und langsamer als der von Lukas, der die Luft verschlang wie ein Ertrinkender.
    Corinna öffnete die Augen. Die kahlen Nadelbäume zogen vor einem grauen Himmel vorbei. Weit hinten, kurz vor dem Horizont stieg am Ende der Kuhweide Rauch auf. Ein Schrei hallte aus der Ferne.
    Der Wagen rumpelte. Ein Stoß. Corinna stöhnte gequält auf und versuchte, den widerlichen Geruch nach Blut, Rauch und anderen Dingen auszublenden. Lukas‘ Gebrabbel drang an ihre Ohren – sie versuchte, es auszublenden. Ihr Bein brannte – sie wünschte sich, sie wäre tot.
    Die Luraner, die Bewohner des benachbarten Reiches, waren gekommen und hatten geplündert und verwüstet. In der Hauptstadtsprachen sie von einer Krise, so hörte man. Doch Corinna wusste es besser. Der letzte Krieg war in jedem verkohlten Acker, jedem Friedhof voller namenloser Steine, jedem verwirrten alten Bettler zu sehen. Sie selbst konnte sich nicht erinnern. Sie war ein Jahr alt gewesen. Doch auch sie spürte es. Sie konnte es mit allen Sinnen wahrnehmen. Sie fühlte die Schmerzen, die die Fleischwunde an ihrem Bein verursachte. Auch jetzt noch hörte sie die Schreie ihrer Nachbarn, Frauen und Kinder, sinnlos gemetzelt. Sie schmeckte das Blut und die Erde in ihrem Mund, seit sie umgestoßen worden und frontal auf den Boden geknallt war. Sie sah den Rauch und die Flammen, die aus dem Dorf am Horizont aufstiegen. Und sie roch den Fieberschweiß und die Angst, die von den anderen Verwundeten auf dem Wagen ausging. Man sagte, Tiere könnten Angst riechen. Nun konnten das sogar Menschen.
    Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, besagte ein berühmtes Sprichwort. Und es ging in Erfüllung. Dies war keine Krise. Es war Krieg.
    Sie umfasste Lukas‘ Hand und betete still zu Stella, der Schutzherrin ihres Dorfes.
    Mögen bessere Zeiten kommen. Möge dein Lächeln Linderung schenken und mögen wir Frieden finden.
    Es war nichts als ein simples Gebet, doch es erfüllte Corinna mit Hoffnung. Sie hörte, wie Lukas ruhig wurde. Sie fühlte, wie seine Hand sich um ihre schloss.
    Die Sonne ging auf, und der Wagen fuhr dem Licht entgegen. Corinna drehte ihren Kopf, blickte nach vorne und lächelte.

  • Als einziger triumphiert der Tod
    von Klimbim

    Das Gesichtsfeld ist nicht mehr als ein Schlitz, und er gibt knapp frei, was sich vor Ember befindet: Dichte Reihen von dunklen Körpern, schwer bewaffnet und gepanzert, von Ost nach West das ganze Feld ausfüllend.
    Ember erschauert. Dies ist nicht seine erste Schlacht, bei Weitem nicht. Und doch geht es ihm jedes Mal wieder gleich. Angst. Tief liegende Furcht.
    Er hört, wie am östlichen Ende des Feldes seine Kameraden das Kampflied anstimmen. Wie jedes Mal. Ember blickt die lange Reihe von Rüstungen, Schilden, Helmen und Hellebarden hinunter und hat schon etwas weniger Angst. Sie sehen so stark aus. So stolz. So unbesiegbar, geschmückt mit der hehren weissen Flagge der Nordlinge.
    Die Krieger nehmen das Lied auf, stampfen im Takt, schlagen gegen ihre Schilde, es breitet sich aus wie eine Flutwelle, bis die gesamte Armee von der eingängigen, schweren Melodie überschwemmt ist. Und auch Ember lässt sich wieder mitreissen, ertränkt seine Furcht und schwimmt auf den Schaumkronen von verzweifelter Kampfeslust.

    Und mögen die Götter uns gnädig sein
    Das Leben ist nichts als ein Spiel
    Ein Spiel ohne Sieger
    Und ohne Verlierer
    Und als einziger triumphiert der Tod

    Und mögen die Götter uns gnädig sein
    Und möge der Tod uns geleiten
    In die nächste Welt
    Das nächste Spiel
    Auf dass er erneut triumphieren kann

    Wie jedes Mal.
    Er weiss, dass es die Südlinge ebenso machen.
    Und dann geht es los, der erste Befehl wird gebrüllt- offenbar versuchen es die Nordlinge diesmal offensiv, Ember sieht, wie die östliche Kavallerie vorprescht, an den eigenen Männern vorbei.
    Noch immer singen ein paar das Kampflied, als die Südlinge ihre ersten Truppen losschicken.

    Und mögen die Götter uns gnädig sein…

    Und dann gibt Embers Hauptmann den Befehl. Und er und sein Trupp stürmen los. Und alles versinkt in einem roten Nebel, und das einzige Geräusch, das Ember hört, ist das Echo des Liedes.

    Und als einziger triumphiert der Tod…

    Tod… Er sieht im Vorrücken, wie der gegnerische Assassine knapp an ihm vorbei zu Kavalleristen schlüpft und ein übles Blutbad anrichtet, und ebenso schnell wieder hinter seine eigenen Reihen verschwindet. Als Gegenzug schicken die Nordlinge ihre schwere Infanterie frontal vor- die durchorganisierten und taktisch einwandfreien Stellungen der Gegner ist ein einziges Chaos, und die Infanterie wird in die Lücken geschickt.
    Und sie fällt. Immer schneller. Embers Kameraden werden niedergeritten, brutal erstochen, hinfortgewalzt. Wie immer, schiesst es durch Embers umnebelten Verstand- er fühlt sich trunken vom Geruch nach Blut, nach Schweiss, nach Metall und Angst.
    Da- vor ihm! Ein Gegner! Allein, schutzlos. Und der Befehl. Vorrücken!
    Ember denkt nichts, als er vorstösst und dem Südling seine Hellebarde in die Lunge stösst.
    Der dunkel gekleidete fällt, Ember über ihm, teilnahmslos beobachtend, wie erst Todesangst, dann Erkennen und schliesslich Akzeptanz den Ausdruck des Sterbenden bestimmen. Sein Atem röchelnd, immer leiser. Der Südling schliesst die Augen und flüstert: „Möge der Tod uns geleiten in die nächste Welt…“, dann verstummt er in einem letzten Seufzer.
    Ember erschaudert.
    Dann hört der den Ruf seines Hauptmanns, blickt auf, sieht den Finger zeigen- eine andere südliche Infanterie-Einheit, die kampfbereit auf den Einsatz wartet. Sofort ziehen seine Kameraden los.
    Aber- Ember stockt, wird aber von den Soldaten hinter ihm geschoben- es ist eine Falle! Er sieht es genau. Dort der südkönigliche Drache, ein schwarzes Monster, kurz davor, übers Schlachtfeld direkt auf sie zu zu segeln und ihn und seine Kameraden in seinen Flammen zu versengen und mit seinen enormen Pranken zu zermalmen.
    Verdammt! Ich will nicht sterben!
    Embers Blick ist plötzlich klar wie Bergluft. Alles in ihm wehrt sich, doch seine verräterischen Beine tun Schritt um Schritt, seine Hände schwingen die Hellebarde und töten seine Gegner, wissend, dass der Kampf für ihn lange vorbei war. Er sieht das Blut, das er vergiesst, wie einen Schleier über allem, er sieht die Furcht, er hört das Schreien, Bitten und Flehen, die Tränen, die seinetwegen vergossen werden- und über allem, wie ein fernes Echo, erklingt das Lied.

    Ein Spiel ohne Sieger
    Und ohne Verlierer
    Als einziger triumphiert der Tod

    Er sieht, wie das schwarze Ungetüm auf ihn zufliegt. Regungslos beobachtet er, wie der Flammenstrahl aus seinem Schlund schiesst und ihn, Ember, zum Ziel nimmt. Er spürt, wie die Hitze zunimmt, und weiss, dass es nichts mehr gibt, was er tun könnte.
    Aus dem Augenwinkel sieht Ember noch, wie ihr eigener Königsdrache seine weissen Schwingen ausbreitet, um die Falle zuschnappen zu lassen, gegen sein abgelenktes dunkles Ebenbild anzutreten und es zu vernichten.

    In die nächste Welt
    Das nächste Spiel

    Dunkelheit.
    Wie jedes Mal.
    Ember kann fühlen, wie der Tod ihn erhebt und neben dem Feld abstellt, wo er warten würde bis zur nächsten Schlacht, wo alles wieder von vorne beginnen würde. Nämlich dann, wenn die vernichtenden Worte erklingen, die das Ende bedeuten.

    „Schach… und Matt!“

  • Herzenskriege
    von Hikari & Rheuen

    Caleb stand am Rande des riesigen Feldes, beobachtete das gegnerische Kriegslager und spürte, wie der Wind seine sowieso schon zerzausten dunklen Haare zum Tanzen brachte. Die Brise trug ihm ein Gewebe aus süßlichem Duft entgegen, von eben hier in der Gegend wachsenden Beeren, und regte damit seinen Appetit an. Er lächelte, als Erinnerungen aus alter Zeit sich in seinen Kopf schlichen.
    Wie oft haben wir sie zusammen gegessen, meine Geliebte? Du hast stets nach Früchten und Blumen geduftet, als wärst du selbst ein üppiger Garten.
    Jetzt wo er sich den großen roten Bannern zuwandte, erschauderte er. Seine Gedanken wirbelten herum, verzweifelten an der Suche nach einer anderen Lösung, doch war ihm klar, dass Es das einzige für sie war. Nicht weil er sich danach gesehnt hätte, mitnichten, aber sie konnten ja nicht anders. Calebs Lächeln erlosch und seine Augen verwandelten sich von Kristallseen in dunkle Tintenkleckse.
    Hatte er das nicht schon immer getan? Wie oft hatten sie dies alles hier schon erlebt? Er konnte es nicht sagen, doch es stimmte ihn traurig.
    Eine Hand legte sich auf seine Schulter und zog ihn ein Stück zurück. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper, schon hielt er die besagte Hand in schmerzhaft verdrehter Position fest und drückte sie dem Besitzer gegen den Rücken.
    „Scheiße, lass meine Hand los!“, brüllte die Person ihn an. Caleb erkannte fast sofort des Mannes kratzige Stimme, ließ Rokur los und beobachtete, wie er zu Boden fiel.
    „Verdammter Mistkerl! Sackratte! Ogerlurch! Pass doch auf, was du tust!“, keifte dieser, während er aufstand und sich das Handgelenk rieb. Dann murrte er etwas von Grünschnäbeln und Jungspunden, und brummte Caleb etwas ruhiger zu: „Daran lässt ausrichten, sein Fraß sei fertig. Also komm, Bursche, setz dich zu den anderen ans Feuer.“
    Solch eine schon fast freundliche Einladung des alten Brummbären konnte er nicht einfach ausschlagen und so trotteten sie nebeneinander zurück ins Lager. Auf dem Weg kamen Calebs Mundwinkel nicht umhin, beim Anblick von Rokurs angewidertem Gesichtsausdruck in die Höhe zu zucken. „Lass mich raten, Alterchen. Gibt's wieder den heißbegehrten Ratteneintopf?“ Doch er bekam nur einen bösen Blick als Antwort geschenkt, lachte und ließ den grummeligen Knurrhahn am Anfang des Lagers allein.
    Stumm glitt er zwischen den Zelten hindurch und suchte nach seinem Pferd, einem reinblütigen tiefschwarzen Mustang. Napalm trug, im Gegensatz zu den anderen Reittieren, weder Sattel noch Zaumzeug und schüttelte seine wallende Flammenmähne, sodass Funken in nahe Umgebung geschleudert wurden.
    „Freust du dich nicht, mich zu sehen?“, kam es Caleb nur schwach über die Lippen, „Vielleicht freust du dich aber wenigstens, wenn wir zusammen auf's Schlachtfeld reiten.“ Mit diesen Worten stieg er auf und ritt gemächlich durch die Ansammlung der Zelte hinaus auf die weite Fläche.
    Bald, ja, bald würde auch ihr Blut fließen.

    Anyriana lag auf ihrem Feldbett und sah dem Zeltstoff über ihr zu, wie er im sachten Blasen des Windes hin und her flatterte. Zunder, eine gewaltige schwarze Kyrie, lag, wie es der Katzen Eigenart ist, zusammengerollt in ihrem Deckennest und schlief. So schien es jedenfalls, aber sie würde ihre Herrin niemals unbewacht lassen. Anyu hatte längst das leichte Zucken des rechten Ohres bemerkt, welches immer in ihre Richtung wies und ausblieb, sobald sie offensichtlich zu ihrer Gefährtin schaute.
    Leises Geraschel zog sie aus ihren Gedanken, weckte ihre Neugier und trieb sie an, hinaus zu gehen. Kastanienrote Haare umrahmten ihr Gesicht und schwebten sanft in der Brise, welche den Geruch von Napalm zu ihr trug.
    Mit den Zähnen knirschend eilte sie im Laufschritt los, zwischen den Zelten entlang, an den Rand des Feldes, welches sich schon in Bälde rot färben würde. Als hätte er sie schon erwartet, stand er dort unter den Bäumen mit seinem Flammenmustang und schaute sie an.
    „Bastard!“, schrie sie Caleb an und ging auf ihn los. „Was suchst du hier, du widerlicher Aschezwerg?! Du hast hier nichts verloren, oder hast du es so eilig zu sterben?“ Anyrianas Finger hatten seinen Hals gefunden, trieben ihre Fingernägel in seine Haut und drückten erbarmungslos zu. Da Caleb jedoch keine Anstalten machte, sich gegen sie zu verteidigen, sondern lediglich seine Hände an ihre Hüfte legte, fiel es ihr schwer, stark zu bleiben.
    Du liebst ihn.
    Kaum war dieser Gedanke in ihrem Kopf angekommen, stieß sie ihn von sich weg und raufte sich die Haare. „Du hast doch keine Ahnung! Geh! Verschwinde, Elender! Die Schlacht wird deinem Todeswunsch noch schnell genug folgen.“
    Während Caleb sie lediglich bedauernd und traurig musterte, schnaubte Napalm beleidigt und scharrte unheilvoll mit den Hufen. Nur ein kleines Anzeichen dafür, dass es ihm nicht gefiel, einfach ignoriert zu werden. Nur für einen Sekundenbruchteil, einen schnellen Wimpernschlag, bröckelte ihre Aufmerksamkeit und ließ sie ihre Vorsicht vergessen. Als Anyu die Augen wieder aufschlug, drückte Calebs Körper den Ihren bereits gegen einen Baum. Seine Hände hielten sie behutsam aber bestimmt fest, während er sie küsste, als wolle er damit die Zeit zum Stillstand bringen.
    Auch wenn sie es nicht gern zugab, es gefiel ihr. Langsam und genüsslich schmolz sie in seinen Armen, entspannte sich vollends und gab sich ihm hin.
    „Wir müssen das nicht tun. Bestimmt gibt es einen anderen Weg“, flüsterte er, als sein Mund sich nach einiger Zeit von ihr löste. „Ich kann so nicht weitermachen, Anyu. Bitte.“

    Calebs Herz klopfte wie ein Chor aus tausenden Trommeln, nur um dann plötzlich auszusetzen, als Anyriana zu sprechen begann: „Du hast Recht. Es gibt bestimmt einen anderen Weg.“
    Dann hatte er Anyus Knie in seinem Bauch und den Ellbogen im Nacken. Sie packte seine Hand, welche sie eben noch fast liebevoll festgehalten hatte, und rammte einen ihrer Dolche hindurch in den Baum, gegen den er sie gedrückt hatte.
    Er spürte heißes Blut mit Schmerzen ein Wettrennen an seinem Arm hinunter vollführen, roch Napalms loderndes Feuer. Schnell war sie losgelaufen, verwirrt und wütend zugleich, und vermutlich würde sie mit einem Heer zu ihm zurückkehren.
    Mit zusammengebissenen Zähnen zog Caleb den Dolch Stück für Stück weiter aus dem Stamm heraus und keuchte, als dieser seine Hand dabei noch mehr malträtierte. Ruckartig schnitt er einen Streifen Stoff von seinem Leinenhemd. Er wickelte es sich um die blutende Wunde, zog sich auf Napalm und ritt wie das flackernde Feuer so schnell über das bevorstehende Schlachtfeld.
    „Reicht mir mein Schwert!“, brüllte er über das Lachen und Johlen der Kämpfer hinweg. „Alle Männer zu mir, wir ziehen in den Krieg!“
    Jubelrufe und Beifall künden von der Unwissenheit dieser Narren, dachte Caleb, aber es ist ohnehin schon zu spät, um noch umzukehren.
    Wie eine Bestätigung für seine Gedanken ertönte ein Horn im Lager der roten Banner und Trommeln wurden in Kriegsrhythmen geschlagen. Rokur reichte ihm sein Schwert, legte sich sein eigenes an und blickte drein, als freue er sich auf das Gemetzel. Selbst Daran hatte sich mit seinen Küchenutensilien bis an die Zähne bewaffnet und strahlte nun über das ganze Gesicht. All diese Männer waren lediglich Söldner, mit Spaß am Töten und Gier nach Gold.
    Caleb trabte mit seiner Unzahl an Kriegern auf das Feld, auf dem Anyriana bereits mit Zunder und ihrer kleinen Armee wartete. Kein Wort wurde mehr gesprochen, als hätte jemand oder etwas die Welt um sie herum zum Schweigen gebracht.

    Noch einen letzten Augenblick verharrte alles in der trügerischen Stille, dann brach ein ohrenbetäubender Tumult auf dem Feld los. Die Heere setzten sich brüllend in Bewegung, doch anders als bei den Reihenformationen in den Armeen der Fürsten und Könige erinnerte das Spektakel eher an einen gewaltigen Ameisenhaufen. Die zum Kampf angeheuerten Söldner in ihren unterschiedlichen Monturen und eigenartigsten Waffen rannten stumpf aufeinander zu und schienen dabei lediglich das Gold im Sinn zu haben, dass sie sich jetzt endlich mit Blut und Gewalt erkaufen durften. Es ging nur um das nackte Überleben und wenn man dazu den Kopf von ehemaligen Partnern oder Freunden einschlagen musste, denn auch einige Söldner kannten sich untereinander recht gut, dass hatten Caleb und Anyu in ihren Lagern bemerkt.
    Wie zwei Wellen schlugen die Parteien schließlich gegeneinander und das Kampfgeschrei wich dem schrillen Geräuschen von aufeinander treffendem Stahl.
    Schnell vermischten sich die Fraktionen zu einem großen Schwarm, in dem niemand mehr Zeit hatte nachzudenken, wen genau er gerade niederstreckte. Dies machte es auch Caleb schwer, der versuchte, sich im Getümmel zu orientieren. Während er mit seinem Anderthalbhänder bemüht war, sich die gegnerischen Söldner vom Leib zu halten, spähte er über die Köpfe der Kämpfenden hinweg und versuchte, Anyu zu entdecken. Auf Napalms Rücken hatte er noch immer eine gute Sicht über die Ebene und erspähte sie schließlich, wie sie schnurstracks auf ihn zuhielt, ungeachtet des Getümmels um sie herum. Eine Leibgarde deckte ihre Flanke, sodass sie sich darum keine Sorgen machen musste.
    „Dann beginnt es“, flüsterte Caleb leise in ihre Richtung und begann, sich ebenfalls einen Weg durch die Masse zu bahnen.
    Schon standen sich beide auf ihren Reittieren gegenüber. Caleb konnte die Mordlust in Anyus Augen erkennen und wie sich ihre Fäuste in die Hefte der beiden ellenlangen Dolche krallten. Schwungvoll stieg sie von ihrer Kyrie ab und Sekunden später bohrte das Tier sich mit einer totbringenden Klaue in einen der Söldner, der Anyu einen Schritt zu nahe gekommen war. Caleb stieg ebenfalls ab und ehe sein zweiter Fuß den Boden berührte fuhren bereits Anyus Dolche auf ihn herab. Geschwind hob er sein Schwert und blockte nur knapp ihren Angriff. Schon tauchte einer der beiden Dolche ab und Caleb musste den Bauch einziehen, um der Klinge zu entgehen. Sie ist schneller geworden, dachte er sich, ehe seine Gedanken von weiteren Angriffen zerschlagen wurden. Endlich hörte er auf zu zögern und zwischen den beiden entbrannte ein Gefecht, hitziger und geschwinder als bei all den Söldnern um sie herum. Körper um Körper fiel in der Schlacht und der Boden wurde immer mehr getränkt mit Schweiß und Blut. Weder Anyu noch Caleb wagten es, ihre Augen von ihrem Gegenüber abzuwenden. Es gab nur sie beide. So war es immer und so sollte es immer sein, doch irgendwann wurden auch ihre Glieder bleiern und die Hiebe trotz allem Willen langsamer, bis beide sich nur noch schwer atmend gegenüberstanden, mit bebenden Schultern.
    „Du weißt doch, dass wir eh beide sterben werden“, ächzte Caleb. „Warum bringen wirs nicht einfach hinter uns.“ Sein Atem ging schwer, doch hob er noch ein letztes Mal sein Schwert zum finalen Schlag und stürzte auf seine geliebte Anyriana zu.
    Sie blockte seinen laschen Schwerthieb mühelos ab und rammte ihm mit ihrer verbliebenen Kraft einen ihrer Dolche bis zum Schaft ins Herz. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, erlosch aber sofort wieder, als sie ihren eigenen Dolch im Herzen spürte.
    „Du … Du hast mich erwischt“, murmelte sie ungläubig und schaute ihn aus großen Augen an. Dann klärte sich ihr Blick. Seine Hände nahmen ihr Gesicht.
    „Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, kleine Anyu“, flüsterte Caleb.
    Ich liebe dich auch, dachte Anyriana, hatte jedoch keine Kraft mehr zu sprechen, Also küsste sie ihn vorsichtig.
    „Bis zum nächsten Leben, meine Geliebte.“ Auch Caleb küsste sie. Schließlich legte er sich neben sie auf den Boden, spürte wie sie starb und schloss die Augen. Dann starb auch er.

  • Atempause
    von Tom Stark

    Still lagen die Wälder der Highlands von Faolghas unter dem allgegenwärtigen dichten Nebel, der das zerklüftete Land wie eine halb durchsichtige Seidendecke verhüllte.
    Am Fuße eines Felshangs in den Berg hinein gebaut, lag die Clanfeste Doran in welcher der gleichnamige Clan lebte, der größte und wichtigste Stamm unter den Faol-Stämmen.
    Der Weg zur Feste war breit genug, dass zwei schwere Wägen aneinander vorbei konnten, endete jedoch an einem Tor, dessen schwere Zugbrücke davor heruntergelassen war und den nicht sonderlich breiten Graben überbrückte.
    Zwei Wächter hielten dort ihre Stellung und die zu Wolfsköpfen geformten Helme, zeigten jedem, dass die Faols sich als Erben der lange verschwundenen Wolflinge sahen, von deren Blut sie tatsächlich auch abstammten. Wie alle ihrer Art hatten sie dichtes langes Haupthaar, zu vielen Zöpfen geflochten, die durch kunstvolle Ösen im Helm herausragten. Ihre rotbraunen Bärte waren ebenso dicht und zu zwei oder mehreren dicken Zöpfen geflochten. Beinahe zwei Schritt groß, trugen die Hünen dicke, mit Metallringen versehene ärmellose Lederwesten und grobe ebenfalls gepanzerte Lederhosen, die in schweren eisenbeschlagenen Stiefeln steckten. In ihren Händen hielten sie furchteinflößende schwere Langäxte so leicht, als hielten sie Gehstöcke.
    Aufmerksam musterten die Beiden die nächtliche Landschaft, mit dem sicheren Instinkt wilder Männer, die einen Feind witterten. Nachdem sie eine Weile in den Nebel gestarrt hatten, entspannten sie sich schließlich wieder.
    »Da war wohl doch nichts ...« , sagte der Eine und drehte den Kopf zu seinem Kameraden, doch als Antwort bekam er nur einen Schwall Blut, welches aus dessen Mund quoll.
    Mit der Wildheit eines Wolfkriegers wollte er herumwirbeln, den Angreifer stellen, ihn mit einem gewaltigen Hieb zur Strecke bringen, doch so schnell er war, der Angreifer war schneller. Er spürte einen Stich unter der Achsel, der Schmerz war eigentlich zu ertragen. Dennoch wusste er bereits, dass sein kräftiges Herz seinen letzten Schlag getan hatte und gegen seinen Willen gaben seine Knie nach. Sein Angreifer wartete nicht einmal bis der Körper auf den Boden gesunken war und eilte weiter. Er wusste nicht wie lange der Tod der Wachen unbemerkt bliebe. Zu seinem Glück waren die kriegerischen Faols sich ihrer Stärke sehr sicher, wozu sie durchaus allen Anlass hatten. Ihre Wolfsboote hatten gerade die Insel Ankada vollständig umzingelt und vor wenigen Tage die kleine Flotte aufgerieben, welche die tapferen Bewohner mit letzten Mitteln zusammengestellt hatten.
    Seit Tagen schon warteten die Faols auf etwas und hielten die Menschen der Insel lediglich davon ab zu fliehen. Keiner der Ankadaner wusste worauf sie warteten, aber die Alten kannten überlieferte Geschichten der Schicksale anderer Länder, die den Wolfsmenschen in die Hände gefallen waren. Natürlich hofften alle, dass das nur Ammenmärchen waren, Geschichten um dem Bösen ein Gesicht und um Alpträumen einen Namen zu geben.

    Der flinken Gestalt, die sich von Schatten zu Schatten huschend immer weiter in die Clanfestung vorwagte, waren diese Geschichten ebenfalls bekannt. Allerdings war ihr nur zu bewusst, dass es keine einfachen Märchen waren, sondern dass die Erzählungen im Gegenteil den wirklichen Schrecken gar nicht angemessen widergaben.
    Sie war selbst dabei gewesen - mehrmals. Jedes Mal hatte sie gekämpft und ... verloren.
    Dieses Mal hatte die dunkle Gestalt jedoch einen vielversprechenden Gegenplan. Wenn man einen Feind beinahe 800 Jahre bekämpfte, lernte man so einiges.
    Heimat um Heimat hatte sie verloren, hatte die seltenen Freunde und raren Vertrauten am Ende im Stich lassen müssen, denn sie konnte es nicht wagen sich mehr als Wenigen zu offenbaren. Die Menschen würden ihr nicht folgen, womöglich sich mehr vor ihr fürchten, als vor den Faols, und wer wollte es ihnen verdenken? Noch vor eintausend Jahren, war die junge Menschheit ein Spielball zwischen ihrer Art und den Wolflingen gewesen, ein Bauer im Schachspiel des ewigen Krieges. Doch schließlich hatten die Wolflinge gesiegt, ein Sieg, der für sie Niederlage zugleich war, denn sie hatten damit auch ihr eigenes Ende besiegelt.
    Doch anders als ihre Art, hatten die Wolfblute ihr Erbe an die wilden Menschen weitergegeben, ihnen Stärke, Ausdauer, Mut und ein Ziel gegeben.
    Die wenigen Letzten ihrer Feinde wurden von den Erben der Wolflinge gejagt, aufgespürt und zerfetzt, so dass es nur noch diese gab, die sich tief versteckt hielten, verborgen das Dasein Verbannter führten, die jederzeit damit rechnen mussten ihrem Ende ins Gesicht zu sehen.

    Unerkannt erreichte die Gestalt das Hauptgebäude, ein prächtiges zweistöckiges Langhaus, an dessen Giebel ein gewaltiger Wolfskopf aus unverwüstlicher Eiseneiche prangte: Der Sitz des Clanhäuptlings, der zugleich der König aller Faols war.
    Noch war alles ruhig und dem tödlichen Schatten gelang es mühelos, den wenigen arglosen Wächtern auszuweichen. Er hätte ein Blutbad anrichten können, doch anders als den Wolfblütern oder ihre Nachkommen, lagen ihr Massaker nicht. Er empfand sie als barbarisch und unnötige Verschwendung, wenngleich auch seine Art sich früher nicht um Kollateralschäden gekümmert hätte. Doch eine Existenz im Verborgenen, angewiesen auf das Vertrauen und die Freundschaft jener Wesen, die einst nur einen bequemen Vorrat an Nahrung darstellten, hatte sogar jemand verändert, dem man früher zu Recht nachgesagt hätte, dass er sich niemals ändern würde.
    Schließlich hatte der Schatten sein Ziel erreicht, Die Wache vor der Tür starb schnell und lautlos und schon schlüpfte ihr Mörder in die privaten Räumlichkeiten den Häuptlingsfamilie.

    »Nur noch drei Tage, dann ist es soweit. Der Mond wird voll sein und unser Blut kochen! Wir werden diese elenden Inselhocker zusammentreiben, die Stärksten verwandeln und der Rest wird uns reiche Beute sein. Bald werden wir die Herren der ganzen Welt sein und unser Sohn sie als ihr König erben.«
    Der Mann, der diese Worte zufrieden sprach, stand vor einem gewaltigen Bronzespiegel und zupfte seine Kleidung zurecht. Sein prächtiges feuerrotes Haar hing in einem einzigen langen Zopf bis zu seinen Kniekehlen und war geschmückt mit Edelsteinen und Goldbroschen.
    Groß war er, der Clansherr, hatte mächtige Schultern und in seinem breiten Gürtel steckte ein gerader, breiter Dolch, den die meisten Menschen eher als Kurzschwert benutzt hätten.
    Aus dem Nebenraum kam ein zustimmender Laut, eindeutig von einer Frau, doch sie sagte nichts weiter, sang stattdessen eine alte Weise, leise und beruhigend. Ein Kinderlied, wie der Schatten erkannte, während er sich dem Rücken des Königs näherte.
    Dieser ahnte es wohl, denn im Spiegel hatte er seinen Angreifer nicht gesehen, da die Art seines Feindes sich niemals in spiegelnden Flächen zeigte und ebenso wenig durch verräterisches Atemholen auffiel.
    Seine Hand fuhr zum Dolch, doch ein anderer Dolch, lang, schmal und gebogen, hatte bereits seinen Weg zwischen die Rippen des König gefunden. Der gewaltige Faol bemerkte nicht mehr, wie er von zwei schlanken aber doch stahlharten Händen aufgefangen und langsam zu Boden gelassen wurde. Seine Seele hatte schon den Marsch ins Reich der Stille angetreten.
    Aus dem Nebenzimmer trat eine Frau, in vieler Hinsicht das weiblichen Gegenstück zu ihrem Mann: Groß, prächtiges und reichgeschmücktes Haar, stolz und stark.
    Sie erschrak als sie die bleiche Gestalt sah, die von ihrem Mann aufblickte. Die silbernen Augen des Attentäters erinnerten sie in ironischer Weise an ihre eigenen, wenn sie sich der Verwandlung im Vollmond hingab.
    »Es gibt also doch noch welche von Euch ...«, ihre Stimme war feststellend, nicht fragend. Sie zeigte, dass sie um ihr Schicksal wusste, denn anders als die törichten Menschlinge, hatten die Faols ihr Wissen und ihr Erbe bewahrt und so wusste sie sehr wohl, wer da vor ihr stand.
    Obwohl sie ahnte, dass sie keine Gnade zu erwarten hatte, gebot ihr der Mutterinstinkt dennoch den Versuch. »Mein Sohn, bitte, er ist erst neun Monde alt ...«
    Sie hatte kaum die Möglichkeit Atem zu holen, als die bleiche Gestalt auch schon vor ihr stand. »Sei ganz ruhig. Im Gegensatz zu euch, halte ich meine innere Bestie im Zaum und morde nicht wahllos.«
    Die Königin erkannte die Wahrheit in der Stimme, hoffte es zumindest - warum hätte sie auch lügen sollen - und so schloss sie sich einen Moment später mit leichter Seele ihrem Mann an, um an seiner Seite den langen, stillen Marsch anzutreten.
    Ohne diesmal dem fallenden Körper Beachtung zu schenken, betrat der Schatten das Schlafgemach, wo auch das Bett des Kindes stand. Mit Bedauern blickte er auf das Kind und sein Dolch senkte sich in die Wiege.

    »Vorbei! Der Krieg ist vorbei! Sie sind abgezogen, einfach so!«
    Der Mann jubelte und stieß mit den anderen Männern am Tisch an.
    »Man sagt, irgendetwas hätte diese Wolfskrieger so erschreckt, dass sie in Panik all ihre Schiffe zurückgerufen haben. Würde mich wirklich interessieren, was das war.«
    In der dunkelsten Ecke der Taverne saßen zwei Gestalten, die instinktiv von allen anderen Gästen gemieden wurde, was ihnen jedoch nur recht war.
    »Töte den Alpha-Rüden und sein Weibchen und das Rudel ist führerlos. Ich habe sehr lange gebraucht um mich wieder daran zu erinnern.« Die Stimme war melodisch aber auf eigentümliche Weise dennoch kühl und vor allen ... alt.
    »Vielleicht hättet ihr den kleinen Bastard doch töten und nicht nur Euren guten Dolch als Warnung neben seinem Kopf zurücklassen sollen?« Der junge Mensch sprach respektvoll, gehörte er doch zu den Wenigen die wussten, mit wem er da sprach.
    »Dadurch habe ich uns etwa 18 Jahre erkauft, bis der Junge soweit ist, sein Volk in den Kampf zu führen. Sonst wäre sofort ein Onkel an seine Stelle getreten und wir hätten nichts gewonnen.«
    »Gut, aber Ihr könntet Euch jetzt wirklich etwas entspannen. Fürs Erste haben wir Frieden.«
    Ein altes, trauriges Lächeln umspielte die Lippen seines Gegenübers.
    »Es gibt niemals Frieden, mein sterblicher Freund, nur bisweilen längere Pausen in denen der Krieg tief Atem holt.«

  • Grüezi miteinander! :hi1:

    Der Votingzeitraum zum Schreibwettbewerb Dezember/Januar 2014/2015 ist hiermit abgelaufen! Auch diesmal können wir euch wieder einen demokratisch gewählte Gewinner/Gewinnerin präsentieren, obwohl es zum Ende hin so richtig knapp geworden ist!

    Hier die Auflösung:

    ...Gewonnen haben mit jeweils 8 von insgesamt 25 Stimmen... *trommelwirbel* :mamba2:

    Spoiler anzeigen

    :mamba2:

    Spoiler anzeigen

    Hikari & Rheuen mit der Geschichte Herzenskriege


    Herzlichen Glückwunsch! Ihr könnt nun das Thema für den nächsten Wettbewerb vorgeben und wurdet in die Rangliste eingetragen. Ausserdem bekommt ihr für einen Monat 3 goldene Sterne und einen eigenen Benutzertitel. ;)

    Ein herzliches Dankeschön auch an alle anderen Teilnehmer! Wir hoffen, dass ihr beim nächsten Schreibwettbewerb auch wieder fleissig mitmacht und so zahlreich abstimmt. Wir sind schon sehr auf das neue Thema gespannt, das unsere aktuellen Gewinner hoffentlich schon bald vorgeben werden. 8)

    Übrigens könnt ihr nun auch nachschauen, wer die Autoren sind. Diese wurden den Geschichten beigefügt.

    Das war der Schreibwettbewerb Dezember/Januar 2014/2015. Vergesst nicht, euer Feedback zu den Geschichten zu hinterlassen! ;)

    Euer Fantasy-Geschichten-Forum

  • Rheuen: & Hikari: Herzlichen Glückwunsch. Ich hoffe, ihr sucht ein feines Thema aus, ich will mal wieder mitmachen :)

  • Auch von mir die herzlichsten Glückwünsche!
    Das war eine sehr schöne, gefühlvolle Geschichte die mich von Anfang an überzeugt hat :thumbsup:
    Bin auch sehr gespannt auf das nächste Thema. Vielleicht schaff ich's dann auch mal innerhalb der Frist fertig zu werden :D

    Aus einer großen Gesellschaft heraus
    ging einst ein stiller Gelehrter nach Haus.
    Man fragte: "Wie sind sie zufrieden gewesen?"
    "Wärens Bücher", sagte er, "ich würd' sie nicht lesen."

    Johann Wolfgang von Goethe

  • Auch von mir herzlichen Glückwunsch. Habt ihr euch echt verdient und eure Geschichte hat mir wirklich hervorragend gefallen. :thumbsup:
    LG TiKa

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley