Es gibt 220 Antworten in diesem Thema, welches 68.739 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (7. Januar 2019 um 11:40) ist von 97dragonfly.

  • Das war zwar kurz aber irgendwie einfühlsam. Das Ende mit dem Vergleich seines Lebens und dem der Vögel im Käfig.
    Ich wollte die ganze Zeit meckern, wieso ein Zeisig in der Wüste lebt, aber das hast du ja zum Glück am Ende gelöst xD

    Zitat von Kitsune

    Die Reste der Übelkeit, die ihn mit dem Erwachen geplagt hatte

    Zitat von Kitsune

    Etwas riss an ihm

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

    • Offizieller Beitrag

    Wieder ein schöner und auch tiefsinniger Teil. Auch mir hat der Vergleich mit den Vögeln gefallen. Es heißt ja immer, wer im Käfig aufwächst, würde die Welt draußen allein nicht überleben, weil er keine Ahnung hat. ^^
    Jetzt frage ich mich nur, was der Prinz von Kasim will. Hoffentlich nicht, dass er die ganzen Tiere wieder einfängt. XD
    Lass dir nicht zu viel Zeit mit dem Weiterschreiben. ^^

    LG, Kyelia

    • Offizieller Beitrag

    Wieder ein sehr schöner Teil. Am Anfang dachte ich auch, es wäre eine nette Geste die Vögel freizulassen, dann aber ... nee, Wüste, Hitze und sie waren vermutlich schon lange eingesperrt. :hmm:
    Du konntest wieder eine schöne Stimmung aufbauen, welche zeigt, dass der Pribnz sehr sanftmütig ist und Kasim und er ein stilles Verständnis teilen.
    Ich frage mich jetzt nur, was das für ein Gefallen sein wird. ^^

    :stick:

  • Wieder ein sehr gut geschriebener Teil. Der keine gute Atmosphäre hervorruft, der deine Beschreibungen gerecht werden. Davon mal abgesehen, hat mir die Idee von der Freilassung der Vögel auch gefallen, allerdings nur bis zu dem Moment wo die Hitze und die staubig trockene Luft der Wüste ins Spiel kam, da hatte ich dann doch Mitleid mit dem Federvieh.
    Ich bin mal gespannt wie es weiter gehen wird :stick:

    xoxo
    Kisa

  • Ich wollte die ganze Zeit meckern, wieso ein Zeisig in der Wüste lebt, aber das hast du ja zum Glück am Ende gelöst xD

    Es ist auch gar nicht so einfach, passende Singvögel zu finden. xD' Da Kadirs Vater sie aber von allen möglichen Händlern kauft, die nicht nur durch die Wüste ziehen ...


    So, es geht in die Umbruchphase, wie ich es gern nenne, auch wenn sie nicht wahnsinnig große Veränderungen bringt - glaube ich.
    (Der Kopf voller Ideen, die Finger zu still.)


    ~.~.~.~

    Auf leisen Sohlen schlich Kasim durch die Dunkelheit der Gänge, mied das Licht der an den Wänden brennenden Öllampen. Bedacht wich er den anderen Wachen aus, die ihre Runden durch den stillen Palast drehten. Wie ein Dieb fühlte er sich, ein kleines Bündel unter den Armen.
    Erst, als er die Gemächer des Prinzen über jenen Geheimgang erreichte, den er ihm am Nachmittag gezeigt hatte, erlaubte er sich tief durchzuatmen. Seine Freude über das kleine Geheimnis, dass er nun mit ihm teilte, wurde von ihrem Vorhaben überschattet.
    »Da bist du ja endlich«, raunte es hinter ihm.
    Kasim drückte das Päckchen fest an sich. während er sich umwandte und den Prinzen im Schein einer flackernden Lampe musterte. Aufrecht saß er am Rande seines Bettes, winkte ihn ungeduldig und mit fahrigen Bewegungen zu sich. Mit pochendem Herzen trat er zu ihm.
    »Hat dich jemand gesehen?«, fragte Kadir und beäugte den dunklen Stoff in den Armen seines Gegenübers.
    Die Leibwache schüttelte den Kopf, zögerte, als sich ihr schmächtige Hände entgegenstreckten. Ungewollt blickte sich Kasim um.
    »Die anderen Wachen sind außer Hörweite, darum habe ich mich gekümmert«, versicherte der Prinz ihm. Noch einmal deutete er zum Bündel. »Sind das die Sachen?«
    Kaum sichtlich nickte die Wache und überreichte es ihm. Mit geschickten Fingern wickelte der Prinz einen braunen Kaftan und ein abgewetzte Lederwams aus. Das Bündel selbst entpuppte sich als langer Umhang.
    »Warum meine Kleidung?«, fragte er, beobachtete, wie Kadir sanft über das grobe Gewebe strich.
    »Meine ist zu auffällig. Viel zu fein. Selbst meine einfachste Robe würde zu sehr herausstechen, und das ist das Letzte, was ich will.« Er hielt inne und blickte auf. »Hilfst du mir bei den Schuhen?«
    Verstohlen rieb er sich über das linke Bein. Als er bemerkte, dass Kasim ihn dabei ertappte, hörte er augenblicklich auf. Seufzend streifte er sich sein Gewand über den Kopf.
    Eilig senkte sein Gegenüber den Blick, hörte das leise Lachen; er war erleichtert, als der Prinz es dabei beließ.
    Die Luft wirkte angespannt, knisterte förmlich in seinen Ohren. Kasim gefiel nicht, was der Prinz sich in den Kopf gesetzt hatte. Es gab andere Anordnungen und er wusste nicht, ob es gut war, sich diesen zu widersetzen. Nicht, wenn er ohnehin schon einen schweren Stand unter der Leibgarde hatte.
    »Zieh nicht so ein finsteres Gesicht«, murmelte Kadir, der sich inzwischen in den geliehenen Kaftan schälte.
    Kasim presste die Lippen aufeinander; seine Fingernägel gruben sich in die weiche Haut seiner Handflächen. Er wollte ihm in diesem Moment so viel sagen, doch einerseits fand er die rechten Worte nicht, andererseits stand es ihm nicht zu. Er war sich sicher, dass er es musste, dass er wenigstens den Versuch unternehmen musste, ihn umzustimmen.
    Der Prinz wusste selbst, dass er wie eines seiner Singvögelchen war, die noch immer verwirrt und desorientiert in dem geheimen Zimmer umherflogen, weil er es nicht mehr ertragen konnte, sie in ihre Käfige zu sperren.
    Plötzlich hörte der junge Mann seinen Namen, schreckte dabei heftiger zusammen als beabsichtigt.
    »Kannst du mir die Schuhe reichen? Sie stehen unter meinem Bett«, sagte Kadir ruhig.
    Kasim atmete tief durch, bevor er sich hinkniete und nach den einfachen Stiefeln griff; die ganze Zeit spürte er den Blick des anderen auf sich, was ihm einen leichten Schauer über den Rücken jagte.
    »Sag, wir sind doch Freunde, oder?«, fragte Kadir unvermittelt, als er das Wams anzog.
    Im Magen der Wache begann es zu rumoren aufgrund dieses einen Wortes, er schwieg jedoch.
    »Ich muss dir vertrauen können«, fuhr der Prinz fort und beugte sich leicht nach vorn. »Denn wenn du mich am Ende nur einmal durch die Höfe und Gärten führst, dann muss ich dich enttäuschen - dafür brauche ich deine Hilfe nicht.«
    Ohne auf seine Worte einzugehen, zog Kasim die Schnüre der Stiefel etwas zu fest an, was Kadir mit einem Brummen quittierte. Mit leicht zitternden Fingern lockerte er sie wieder.
    »Verlange ich zu viel von dir?«
    »Nein«, murmelte Kasim, wollte sich wieder aufrichten, als er unvermittelt sanfte Hände auf seinen Wangen spürte. Er blickte auf, direkt in die hellen Augen des Prinzen. Ein Schimmer des warmen Lichtes verfing sich darin, vermischt mit etwas anderem, das schwer zu erfassen war. Etwas, das sich wie ein lebendiges Wesen darin bewegte und zugleich funkelte wie Sterne.
    »Warum hilfst du mir?«, fragte Kadir leise.
    Beinahe hätte er ihm geantwortet, weil er der Prinz war, doch mit einem Mal erschien ihm das nicht richtig. Er wusste selbst nicht, warum er nur halbherzig versuchte, ihn abzubringen. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn wirklich durch die Höfe zu geleiten, in der Hoffnung, er überlegte es sich anders. Ein dummer Einfall, denn am Ende des Tages kannte Kadir sich im Palast besser aus als er selbst. Er würde sofort merken, wenn er nicht dorthin gelangte, wohin er wollte.
    »Ich möchte nur einmal aus dem Palast. Vielleicht möchte ich mir selbst etwas beweisen, aber ich muss sicher sein, dass du mir dabei nicht im Weg stehst.«
    »Nur bis Morgengrauen«, flüsterte Kasim.
    Ein schwaches Lächeln kräuselte die Lippen des Prinzen, als er nickte. »Nur bis Morgengrauen.«
    Er half ihm auf, reichte Kadir seinen Gehstock, als er darum bat und sich einigermaßen sicher auf den ungewohnt festen Schuhe an seinen Füßen fühlte.

    Sie nutzten die geheimen Gänge, um in der Dunkelheit voranzukommen. Ihre Umhänge wehten ihnen bei jeder Bewegung um die Beine und ihre Gesichter waren tief unter Kapuzen verborgen. Kasim führte nur ein kleines Licht bei sich, das er stets abschirmte, wenn sie notgedrungen von einer versteckten Tür zur nächsten schleichen mussten.
    Einmal wurden sie dabei fast von einer der Nachtwachen erwischt, doch Kadir reagierte schnell, zerrte Kasim mit erstaunlicher Geschicklichkeit in eine der Nischen, vor denen schwere Samtvorhänge hingen, und blies das Licht aus. Mit angehaltenem Atem und rasendem Herzen warteten sie, bis sich die Schritte entfernten.
    Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie einen kleinen Hof auf der Westseite. Der Prinz nickte zu einer fast unsichtbaren Tür, die kaum mehr als eine Pforte im Gestein der Palastmauer war. Er zog an einem Lederband um seinen Hals und grinste, als er der Wache den silbernen Schlüssel daran unter die Nase hielt.
    Er erklärte nicht, woher er ihn hatte, sperrte nur die Tür auf und schob Kasim voran.

    Schlaflos strich Galib durch die düsteren Gänge. Seine Finger strichen über die kühlen Wände zu seiner Linken, hüpften seicht über die feinen Löcher im Stein. An einem der Fensterbögen hielt er inne, blickte über den leeren Hof. Zumindest dachte er, er wäre es, doch ihm entgingen die schattenhaften Bewegungen nicht. Ein kleines Licht sprang aufgeregt auf und ab, bevor es neben der Mauer verschwand.
    Stirnrunzelnd stützte sich der alte Diener auf den schmalen Vorsprung. Eine der beiden Gestalten, die sich nun durch die Pforte drückten, erkannte er augenblicklich. Den Gang und die Haltung des Prinzen war unverwechselbar, selbst im fahlen Mondlicht.
    Seine Kehle brannte; seine Hände verkrampften. Ihm war klar, wer die zweite Person war. Außer dieser wandernden Made würde es niemand wagen, den Prinzen auch nur in die Nähe eines der Tore zu bringen.
    Nun wagte er es also, seinen Platz erneut zu verlassen und Kadir mit hineinzuziehen. Das ungeschriebene Gesetz zu brechen.
    Galibs Mundwinkel hoben sich leicht.
    Jemand schälte sich aus dem Schatten hinter ihm und trat in das bleiche Mondlicht, das inzwischen durch das Fenster fiel. »Sollten wir ihnen nicht nachgehen, Herr?«
    »Nein, ich will wissen, was passiert.« Der alte Diener sah weiterhin zu jenem Punkt, an dem er den Thronfolger das letzte Mal erblickt hatte. »Wie ist die Lage in der Stadt?«
    »Es wird geflüstert und gemunkelt.«
    »Gut. Morgen Nacht.« Damit wandte er sich herum und stolzierte den Gang hinab, während der andere in entgegengesetzte Richtung verschwand.
    Mit wesentlich besserer Laune griff Galib in den kleinen Samtbeutel, den er an einer Schnur um seinen Hals trug, holte das kleine Gefäß hervor. Im Schein einer Öllampe musterte er den umherwirbelnden Goldstaub. Mit einem leicht gelblichen Fingernagel tippte er gegen das Glas und der Staub wich zitternd vor ihm zurück, hinterließ eine Lücke, die sich kurz darauf wieder schloss.
    »Oh, ich hoffe, Ihr genießt das Festmahl«, raunte er und entblößte die Zähne.
    Der Inhalt des Gefäßes tanzte wild und ungezügelt umher, während ein verhaltenes Wehklagen an die Ohren des Dieners drangen.

  • Wie ein Dieb fühlte _(er) sich, ein kleines Bündel unter den Armen.

    Was Kasim und Kadir da machen finde ich äußerst interessant und bin da schon einmal gespannt, wo es die beiden hinführen wird. Was ich echt gruselig finde ist immer noch Galib, weil ich den echt nicht einschätzen kann und der letzte Absatz hat ihn mir auch nicht wirklich sympathischer gemacht. ich frage mich jetzt nur noch was er vor hat und was er genau ist, denn ich wage es ernsthaft zu bezweifeln, dass es sich bei Galib um einen normalen Menschen handelt, aber ich warte einfach gespannt, was du als nächstes schreiben wirst :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Das hatte Kadir also vor. Er will auch mal aus dem Palast raus. Verständlich, wenn man immer nur eingesperrt war. Nur hoffentlich passiert nichts, denn Schuld an der Sache wird nicht der Prinz tragen, sondern Kasim. :hmm:
    Und was genau plant Galib? Der Kerl ist mir echt unheimlich, aber irgendwie macht ihn gerade das so interessant und ich kann nicht mal sagen, dass ich ihn nicht sympathisch finde.
    Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Lass uns also nicht zu lang warten. ^^

    LG, Kyelia

  • Also, bisher habe ich mich noch nicht zu deiner Geschichte geäußert, aber jetzt finde ich es doch angepasst, auch mal meinen Senf dazuzugeben... *Trommelwirbel*
    Ich finde die Story r-i-c-h-t-i-g gut gelungen. Die Beziehung zwischen Kadir und Harun und zwischen Kadir und Kasim gefallen mir wirklich sehr gut. Ich warte aber schon von Anfang an ungeduldig auf die Rolle, die Kadir spielt und wieso er immer diese Albträume hat, die ja eigentlich keine Albträume sind... Ach, ich finde das sooooo spannend *seufz* ;D

    Lg, Nyneve


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Was gibt es noch zu sagen? Nicht mehr, außer einem dicken Lob. Das war wirklich stimmungsvoll mit all der Heimlichkeit und den heimlichen Beobachtern, die heimliche Unterfangen beobachten und düstere Vorahnungen beim Leser verbreiten :D Galbi ist echt so ein seltsamer Kauz, dass man ihn nicht einordnen kann. Eigentlich hielt ich ihn ja für einen lieben Kerl, aber wer weiß.
    Ich würde ja ausführlicher kommentieren, aber es gibt nichts zu meckern und ein copy-and-paste-Lob nützt dir ja auch nichts :thumbup:

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • @Nyneve
    Danke für das Lob und willkommen an Bord. :)

    Auch an euch anderen natürlich wieder ein Danke. Groß mit Ausrufezeichen.
    So, der Rest von Kapitel 4. Derzeit feile ich am Übergang - mal schauen, ich werde sicher wieder zig andere Dinge einschieben zwischendurch. (Und wer braucht schon Schlaf um diese Uhrzeit. Pfft.)


    ~.~.~.~

    Im letzten Schatten neben dem Fenster rieb sich Harun über die schweren Lider, während sich das erste Licht des Tages in den kleinen Ratssaal stahl. Außer ihm war nur noch der König anwesend, alle anderen waren bei Dämmerung in ihre eigenen Gemächer gekehrt. Der Oberste Rat glänzte bereits länger mit Abwesenheit, um in Ruhe nachzudenken, wie er gemeint hatte.
    Vorsichtig roch der Hauptmann an seiner Kleidung, fragte sich insgeheim, wann er das letzte Mal in den Genuss eines ausgiebigen Bades gekommen war. Hinter vorgehaltener Hand gähnend, blickte er mit kleinen Augen zu der über den Tisch gebeugten Gestalt.
    Murmelnd schob der König mit finsterem Gesicht und gerunzelter Stirn einige Edelsteine auf einer abgewetzten Karte umher, die kaum mehr als helle Flecken und vereinzelte Oasen aufzeigte. Als seine Hände zu zittern begannen, schüttelte er sie kurz, bevor er die Finger schloss und öffnete, um sich schließlich wieder den Steinen zu widmen.
    »Malik, es wäre besser, wenn Ihr zu Bett gehen würdet. Dies ist die dritte Nacht, in der Ihr kein Auge zugemacht habt«, sagte Harun bedacht und rieb sich über seinen steifen Nacken. Er selbst hatte kaum Schlaf gefunden. Nicht einmal nach Kadir hatte er sehen können.
    »Diese Gerüchte aus der Stadt, von denen Arif sprach - ist Euch vor unserer Abreise je etwas Derartiges untergekommen, Hauptmann?« Der König sah nicht einmal auf, während er sprach.
    Harun seufzte. »Ihr könnt keine völlige Zufriedenheit gewährleisten, Malik. Der Stadt geht es gut, abgesehen von der anhaltenden Hitze in diesem Jahr. Das hat Euch der Oberste Rat ebenso mitgeteilt. Die Menschen befürchten eine weitere Dürre.« Und sie schoben es stärker denn je auf das Verhalten ihres Königs. Harun hatte befürchtet, dass diese Gedanken auch vor den Mauern Alsahars keinen Halt machten.
    »Das beantwortet meine Frage nicht«, murmelte der König ruhig und rieb sich mit dem Daumen über den Nasenrücken. »Was ist mit den Worten hinter erhobener Hand?«
    »Ein Munkeln, mehr nicht.«
    Sein Herr wandte sich langsam herum. Mit gehobenen Brauen musterte er ihn eine Weile schweigend. »Ein Munkeln, das sich gegen den eigenen Herrscher richtet?« Er schnaubte. »Eine seltsame Ansicht, die Ihr da hegt, mein Freund.«
    »Es gab keinerlei Einschreiten der Stadtwache. Gerüchte über Euch und Euren Sohn gab und gibt es zuhauf. Letztendlich war es nie ein Grund zur Besorgnis.«
    »Sollte sich der Hauptmann meiner Leibgarde nicht mehr Gedanken machen? Oder habt Ihr geglaubt, mir entgeht das Getuschel darüber, ich sei ein Gotteslästerer?« Er wandte sich wieder der Karte zu und rieb sich über den Bart. »Die Händler bringen Kunde von außerhalb der Stadtmauern.«
    Harun trat von einem Bein auf das andere. »Ich habe nie angenommen, dass es Euch in den Wüstenprovinzen entgangen ist, mein König.«
    »Natürlich nicht. Tätliche Angriffe gegen mich waren bisher jedoch die Ausnahme.« Er hielt einen Moment inne, steckte einen der Steine zurück in den kleinen Beutel neben der ausgebreiteten Karte. »So, wie ich der Auffassung bin, dass jeder glauben soll, was er will, sollte es mir als Herrscher dann nicht auch zustehen?« Er rückte einen Opal zurecht und seufzte. Langsam fuhr seine rechte Hand an die silberne Kette um seinen Hals. Nachdenklich zog er sie hervor und spielte an dem kleinen Ring, dessen hellblau unterlegte Ornamente im Sonnenlicht wie Aquamarin schimmerten.
    »Es wäre wünschenswert, mein König«, bemerkte Harun und lächelte schwach, als der König den Ring an seine Lippen führte.
    Ehe sie ihr Gespräch fortsetzen konnten, hörten sie den Tumult vor der verschlossenen Tür, die nun mit Schwung aufgestoßen wurde. Einer der jungen Diener eilte schnellen Schrittes herein, dicht gefolgt von zwei Männern der Leibgarde. Sie wirkten zerzaust. Von draußen drang das wilde Rascheln hastiger Schritten herein.
    Harun runzelte die Stirn. »Was hat das zu bedeuten?«
    Der Junge in seiner braunen Robe war vollkommen außer Atem. Als er sprach, überschlug sich seine Stimme beinahe, sodass es dem Hauptmann schwerfiel, seinen gehaspelten Worten zu folgen; er trat auf den Jungen zu und legte schwer die Hände auf seine Schultern. Sacht schüttelte er ihn, damit er innehielt und nach Luft schnappte.
    »Noch einmal langsam«, forderte Harun mit einem ermutigenden Lächeln. »Was ist geschehen?«
    Die dunklen Augen, die ihm entgegenblickten, wurden groß und glänzend. »Der Prinz ... Der Prinz«, stammelte das Kind und seine Aufmerksamkeit huschte zum König, der sich ächzend hinter ihnen von seinen Kissen erhob.
    »Was ist mit meinem Sohn?«, brummte ihr Herr, während er sich verstohlen das Kreuz rieb. »Sprich langsam, Junge.«
    Der Diener atmete tief durch. »Er ist verschwunden.«
    Harun glaubte, ihn erfasse ein Schwindel. Seine Finger krallten sich in die Schultern seines Gegenübers. »Ist er nicht in seinen Räumen?« Er merkte, wie belegt seine Stimme mit einem Mal war und räusperte sich. »Hast du in seinem Vogelzimmer nachgesehen?«
    »Die Vögel sind freigelassen und fliegen wild umher, sofern sie nicht verendet sind«, schaltete sich eine der beiden Wachen ein. »Doch vom Prinzen keine Spur.«
    »Was ist mit seiner Nachtwache? Wie kann er einfach so verschwinden?«, fragte Harun zunehmend wütender. »Habt ihr in den Höfen nachgesehen? Versteckt er sich wieder vor euch?«
    »Wir haben den gesamten Palast auf den Kopf gestellt, als der Junge ihn nicht im Bett vorfand. Auch seine Nachtwache ist verschwunden«, berichtete der Gardist sichtlich unwohl. Dem Mann standen Schweißperlen auf der Stirn und seine Augen wichen stets dem strengen Blick seines Hauptmannes aus.
    Harun schöpfte tief Atem. Wenn er sich recht erinnerte, war Kasim erneut für den Posten eingeteilt gewesen, auf Kadirs Wunsch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der junge Mann dem Prinzen etwas antun würde, nicht nach den Sorgen, die er sich nach der albtraumhaften Nacht gemacht hatte. Und wenn sein Gefühl ihn doch trog? Dass der Prinz sich vor den Wachen versteckte und sich einen Spaß daraus machte, wie sie den ganzen Tag nach ihm suchten, war nicht selten vorgekommen, doch immer hatte zumindest ein Diener darüber Bescheid gewusst. Vorrangig einer seiner derzeitigen Lieblinge.
    »Was gedenkt Ihr zu tun, Hauptmann?«, wandte der König neben ihm ein. Sein Gesicht wirkte finster und sein Kiefer mahlte.
    Harun gab seinen Männern den Befehl, jeden Stein umzudrehen und jedes bekannte Versteck des Prinzen dreimal zu durchsuchen. Als die beiden Wachen davongeeilt waren, sah er eingehend zu dem Jungen vor sich hinab.
    »Er hat euch nichts gesagt?«, fragte er.
    Der Diener schüttelte den Kopf. »Nein. Vor Sonnenuntergang hat er wie stets um Tee gebeten, dann wollte er seine Ruhe, niemand sollte ihn stören.« Er kaute auf seiner Unterlippe. Sein Blick huschte umher und seine Finger verkrampften sich ineinander. Es wirkte, als fiele ihm etwas ein, dass er sich nicht getraute, anzusprechen. Als hadere er mit den Worten, während er versuchte, niemandem der beiden Männer auch nur länger als nötig ins Gesicht zu sehen.
    Etwas schroff forderte der König ihn auf, auszusprechen, was in seinem Kopf vorging. Auch ihm war nicht entgangen, wie der Junge mit sich rang. Schließlich berichtete er hastig von seiner Beobachtung, als er mit trockener Kehle auf der Suche nach etwas zu trinken gewesen war - jemand war in der Dunkelheit durch die Gänge geschlichen.
    »Und da hast du es nicht für nötig gehalten, eine der Wachen Bescheid zu geben?«, grollte der König.
    Der Junge schreckte zusammen. »Das habe ich. Die Wache meinte, sie würde nach dem Rechten sehen, und mich zurück in meine Kammer geschickt.«
    Harun wollte den Namen der Wache erfahren, doch der Diener erinnerte sich nicht mehr. Es sei zu dunkel gewesen. Müde rieb sich der Hauptmann über die zerfurchte Stirn und entließ den Jungen, der flink die Beine in die Hand nahm.
    »Bin ich denn nur von Stümpern umgeben?«, murmelte er in seinen Bart.
    Blinzelnd drehte er sich um, als sich die Schritte des Königs von ihm entfernten. Mit dem Rücken zu ihm, die Hände ineinander verschränkt, sah er zum Fenster hinaus. Im Sonnenlicht schimmerten seine Haare gräulich.
    »Ich sollte auch nachsehen«, bemerkte Harun.
    »Hätte ich dem Jungen mehr Freiraum lassen sollen?«, fragte der König unvermittelt, als der Hauptmann bereits an der offenen Tür war.
    »Ihr habt ihm genügend Freiraum gegeben, Malik.«
    Grunzend lachte sein Herr auf und seine Schultern sanken leicht ein. »Nicht genug, wie mir scheint. Ich kann es ihm nicht verübeln, dass ihn der Palast langweilt.«
    »Ihr denkt, er könnte das Gemäuer verlassen haben?«
    Haruns Gegenüber drehte den Kopf etwas herum und musterte ihn eingehend. »Sagt Ihr es mir. Ihr wisst wohl eher, was in seinem Kopf vorgeht.«
    »Oh, das wünschte ich mir«, nuschelte Harun mehr zu sich selbst, bevor er sich lauter äußerte. »Ich werde eigenhändig die ganze Stadt durchkämmen, Malik.« Mit der Hand auf der Brust verneigte er sich leicht und eilte aus dem Ratssaal.

  • Zitat von Kitsune

    Oder habt Ihr geglaubt, mir entgeht das getuschelte Gotteslästerer?«

    Schau da nochmal drüber xD

    Ich sollte nicht loben, damit es sich nicht abnutzt, aber was soll ich sonst schreiben? Eine Szene mit viel Dialog - mit viel gelungenem Dialog - was will man mehr? Spannung mit drin, Unwissenheit über das Geschehene und ein Hauch von Gefahr mit den Gerüchten.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

    • Offizieller Beitrag

    Oha, ich frage mich, wohin der Prinz verschwunden ist. Eigentlich wollten Kasim und Kadir ja bis Sonnenaufgang zurück sein. Entweder hat Kadir darauf bestanden, doch länger draußen herumzulaufen, oder aber es ist etwas passiert. Warum habe ich das Gefühl, dass Galib seine Finger im Spiel hat? :hmm:
    Ein sehr schöner und spannender Teil, der gezielt etwas Hektik in die Geschichte bringt. Gefällt mir gut und ich bin gespannt, wie es weiter geht. ;)

    LG, Kyelia

  • »Was ist mit seiner Nachtwache? Wie kann er einfach so verschwinden?«, fragte Harun zunehmend wütender. »Habt ihr(groß) in den Höfen nachgesehen? Versteckt er sich wieder vor euch(groß)

    Ich bin mir nicht sicher, ob du es durchgehend gemacht hast, vielleicht fällt es mir auch erst heute wirklich auf, aber ich sage es einfach der vorsichtshalber. Die persönliche Anrede, ganz egal ob König oder unter normalen Menschen werden groß geschrieben. Beispielsweise wenn du einen Brief an jemanden schreibst, dass schreibst du das Possessivpronomen bzw. Personalpronomen groß. Ich weiß dass du das an den meisten Stellen im Text gemacht hast, aber ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern, ob das auch unter den Bediensteten so war, aber ich wollte es wie gesagt nur noch einmal erwähnt haben :)

    Davon mal abgesehen habe ich an diesem Teil wirklich absolut gar nichts auszusetzen. Man bekommt einen sher guten Eindruck von dem König (lernt ihn besser kennen und mittlerweile kann ich auch sein Tun und Handeln etwas besser nachvollziehen) und natürlich bekommen wir als Leser auch noch einen besseren Einblick in Harun und dessen Gedanken bzw. Gefühlswelt, was mir persönlich sehr gut gefällt, da Harun für mich ein absoluter Sympathieträger der Geschichte ist.
    Ich bin wirklich mal gespannt wie es im nächsten Abschnitt weiter gehen wird und freue mich auch schon darauf mehr zu lesen. Also lass uns nicht allzu lange auf den neuen Part warten :stick:

    xoxo
    Kisa

  • Ich sag ja sonst immer erst etwas, wenn ich einen neuen Abschnitt poste (und ich nicht am Handy tippe wie jetzt x.x), aber ich schalte mich doch kurz ein. ^^
    [Zitieren am Handy ist ja auch toll ...]


    Zitat von Kisa

    Ich bin mir nicht sicher, ob du es durchgehend gemacht hast, vielleicht fällt es mir auch erst heute wirklich auf, aber ich sage es einfach der vorsichtshalber. Die persönliche Anrede, ganz egal ob König oder unter normalen Menschen werden groß geschrieben. Beispielsweise wenn du einen Brief an jemanden schreibst, dass schreibst du das Possessivpronomen bzw. Personalpronomen groß.

    Lieb, für die Erläuterung, das weiß ich auch, manchmal entfleucht es einem beim Korrigieren. Hier war es aber bewusst.
    Der Grund: Harun spricht alle an, sowohl den Jungen als auch die beiden Wachen. Vielleicht sollte ich das noch etwas deutlicher machen. :) Soweit ich weiß, gehört es da nicht groß.
    Ansonsten alles gut. ^^


    Zitat von Wysenfelder

    Schau da nochmal drüber xD

    Ich glaub, ich weiß warum, frag aber vorher trotzdem noch mal nach. xD

  • Oder habt Ihr geglaubt, mir entgeht das getuschelte Gotteslästerer?«

    Ich glaube Wysi meint Gottegeläster
    Gotteslästerer ist ja eine Person.
    Es sei denn du beziehst es auf Harun, dann müsste es aber "das Getuschelte, Gotteslästerer" heißen XD
    Wie auch immer ^^

    »Ich werde eigenständig die ganze Stadt durchkämmen, Malik.«

    eigenhändig
    eigenständig würde bedeuten er tut es allein ...

    Ansonsten habe ich auch nichts mehr zu kacken ^^
    Wie immer gut und angenehm zu lesen :D
    Mehr kann ich einfach nicht sagen ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Zitat von Kitsune

    Oder habt Ihr geglaubt, mir entgeht das getuschelte Gotteslästerer?«

    Miri hat recht xD
    Ich sehe bei diesem Satz mehrere Möglichkeiten, nur deine ist falsch :D
    ... mir entgeht das Getuschelte, Gotteslästerer?
    ... mir entgeht das Getuschel, Gotteslästerer?
    ... mir entgeht das Getuschel der Gotteslästerer?

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • @Wysenfelder @Miri
    Okay, dann gab es ein eindeutiges Missverständnis, wie ich mir dachte. ^^
    Tatsache ist: Der König bezeichnet weder die Menschen noch Harun als Gotteslästerer, sondern umgekehrt - er wird als solcher bezeichnet. Das werde ich wohl noch etwas genauer herausschreiben müssen.

    Und bevor das jetzt wieder einsam in der Landschaft rumsteht, nutze ich die Gelegenheit, den nächsten Abschnitt und somit den Beginn von Kapitel 5 zu bringen.

    ~.~.~.~


    - 5 -


    Einsam strich der Wind durch die Landschaft, wirbelte die Sandkörner auf und stob sie spielerisch in die Luft. Musafirs halblanges, pechschwarzes Haar flatterte sanft um seine Wangen, während die Sonne am Horizont emporwanderte. Er genoss die morgendliche Ruhe im Lager und streckte seine langen Glieder. Tief atmete er durch; das Pochen in seinem Kopf beruhigte sich, während der Druck auf seinen Schläfen und der Nase nachließ.
    Sein Blick glitt über die halbmondförmig angeordneten Zelte. Sein eigenes lag etwas abgelegener, mit etwas größerem Abstand als üblich. Wie kleine Häuser standen die Bauten solide im Sand und boten Schutz vor Sonne und Staub. Noch drangen wenige Geräusche zu ihm heran, doch bald würden die ersten Töpfe klappern und Stimmen laut. Er wandte seine Aufmerksamkeit zu den Kamelen, die im Zentrum des kleinen Lagers im Wüstensand lagen und sich träge umblickten, leichte Wolldecken auf dem Rücken.
    Seufzend drehte sich der junge Mann um, schlug die Plane seines Zeltes zurück und duckte sich hindurch. Mit wenigen Schritten stapfte er über die abgewetzten Teppiche, die in dem kleinen Rund ausgelegt waren. Sein vorübergehendes Zuhause war spartanisch eingerichtet; außer seinem provisorischen Bett aus Decken, Fellen und bunter Kissen befand sich nur sein Reisegepäck, eine Waschschüssel und ein kleiner Schreibtisch in seinem Zelt, das damit fast vollkommen ausgefüllt war.
    Musafir vermisste festen Steinboden unter seinen Füßen, ein richtiges Bad und allgemein die Annehmlichkeiten und die Weite eines richtigen Hauses.
    Er trat an seinen Tisch heran, auf dem allerhand zusammengerollte Schriftrollen kreuz und quer lagen. In bröckeliges Leder gebundene Notizbücher türmten sich zu einem schiefen Stapel auf, der gefährlich weit über die Tischkante herausragte. Am anderen Ende des Tisches wellte sich eine Landkarte teilweise in ihre ursprüngliche Form zurück. Seine aufgerauten Finger glitten über das dünne, helle Leder der Karte, während er die Konturen der Grenzverläufe verfolgte.
    Schließlich wandte er sich seinen Büchern zu. Langsam setzte er sich auf den niedrigen Schemel neben sich, während er in einem der Bände blätterte. Eine Weile überflog er die letzten Einträge, musterte die hinzugefügten Zeichnungen. Das meiste handelte von der andauernden Hitze, den Sandstürmen und dem allgemeinen Lagerleben. Die letzten Tage waren von wenig Erfolg gekrönt gewesen.
    Neben etlichen Kritzeleien von Zelten, Lagerfeuern und Goldmünzen, hielt er bei der Skizze eines Portraits inne. Die fein geschwungenen Umrisse des Gesichtes, das ihm Nacht für Nacht in seinen Träumen erschien, wurde dem Bild in seinem Kopf nicht ansatzweise gerecht.
    Musafir griff zu der kleinen Holzkiste, die unter einem weiteren Stapel Papiere vergraben war, stieß dabei beinahe seine restlichen Notizbücher um und fluchte leise, als er sie gerade noch auffangen konnte. Murrend warf er den Großteil direkt hinter sich auf sein Bett, bevor er die Ärmel seiner Robe hochkrempelte und den Deckel der Kiste mit seinen abgegriffenen Kohlestiften öffnete. Nach kurzem Zögern begann er, den angedeuteten welligen Haaren der Gestalt einen goldgelben Glanz zu verleihen. Haare dieser Farbe hatte er nie mit eigenen Augen gesehen. Nur von Händlern hatte er Geschichten über solche Männer und Frauen gehört, die jenseits der Wüste und umliegenden Steppen in bergigen Tälern lebten.
    Insgeheim fragte er sich, ob er ihnen eines Tages begegnen würde.
    Als er fertig war, lehnte er sich leicht zurück. Seine dunklen Finger waren fleckig geworden. Gedankenverloren rieb er sich über die Haut, fuhr über die stoppeligen Wangen und überlegte, wie lange ihn dieses Bild wohl noch verfolgte, ohne dass er eine Antwort fand.
    Von draußen wehte mit einem Mal Unruhe herein - ein Murmeln und leises Rufen im Lager. Mit gerunzelter Stirn erhob sich der junge Mann und streckte seinen Kopf hinaus.
    Eine Gruppe Frauen hatte sich im Zentrum des Lagers versammelt und tuschelten aufgeregt miteinander. Unter ihnen war auch Elin. Die kleine, rundliche Frau beteiligte sich jedoch nicht an den Gesprächen, starrte stattdessen auf einen unbekannten Punkt in der Ferne.
    »Was ist los?«, fragte Musafir und stapfte durch den Sand auf sie zu.
    »Seht selbst«, sagte Elin nur und deutete gen Osten.
    Mit den Händen schirmte er die Augen ab. Aufgewirbelter Sand und Staub erschwerten die Sicht, ganz so, als würde sich ihnen eine Schar Reiter nähern. Das verhieß nie Gutes.
    »Rebellen oder königliche Berittene?«, murmelte er. Beides bereitete ihm einen flauen Magen, doch seine Hoffnung, dass sie abkehrten und einen anderen Weg einschlugen, schwand von Sekunde zu Sekunde, welche die Staubwolke näherkam.
    »Hoffen wir, dass es nur Wanderer sind«, brummte Elin neben ihm und verschränkte die stämmigen Arme.
    »Wanderer? Um diese Zeit?« Musafir hob beide Brauen, als er sie schräg von der Seite hinab musterte.
    Die Frau neben ihm zuckte mit den Schultern. »Es wäre mir lieber als die andere Möglichkeit.«
    Der Staub gab die ersten Reiter auf ihren glänzenden Rossen frei. Das Murmeln der Frauen wurde lauter. Nomaden reisten nicht auf einem Pferd, schon gar nicht in diesem Galopp.
    »Ihr solltet in Euer Zelt, Safir«, raunte Elin und trat aus der Gruppe hervor, als sich die Neuankömmlinge nun tatsächlich zielgerichtet ihrem Lager näherten.
    Musafirs Hände verkrampften sich; er selbst rührte sich nicht vom Fleck. Er verzog das Gesicht, als er die schlichten Kaftane und Lederwämser der Männer erkannte. Sie waren zu abgenutzt, als zu den Männern des Königs zu gehören.
    Die Reiter zügelten ihre Tiere. Einer von ihnen saß ab und trat mit aufrechtem Gang und finsterem Gesicht zu ihnen. Ohne auch nur auf Elin zu achten, die sich ihm entgegenstellte, wandte er sich an Musafir.
    »Seid Ihr der einzige Mann im Lager?«, fragte der Reiter und musterte seinen Gegenüber eingehend. Musafir wurde unter diesen stechenden, dunklen Augen zunehmend unruhiger. Wie er solche Situationen hasste.
    »Das ist er. Er ist unser Gast«, schaltete sich Elin ein und stellte sich zwischen sie.
    Der Blick des Unbekannten huschte flüchtig zu ihr. Sein Mund verzog sich, dann nickte er zu den Zelten. »Wo sind die anderen Männer?« Seine Hand lag selbstsicher auf dem Knauf seines Säbels, der in seiner Scheide von seinem Gürtel baumelte.
    »Ihr werdet mit uns vorlieb nehmen müssen.«
    »Wo?«, knurrte der Reiter.
    Elin betrachtete ihn von oben bis unten. Ihre Schultern waren gestrafft, ihr Haupt erhoben. Im Sonnenlicht schimmerte ihr graumelierter Zopf. »Wir sind Wanderer des Schicksals, Männer sind in unseren Reihen nicht mehr als geduldet.«
    Musafir presste die Lippen aufeinander, als der Unbekannte ungläubig zwischen ihr und ihm hin und her sah. Dann lachte er leise, bevor er neben sich ausspuckte. Unter seinem linken Auge zog sich eine Narbe bis hinab zu seinem Kinn, auf die Musafir die ganze Zeit starren musste.
    »Wanderer des Schicksals? Ich bin Wanderer des wahren Wortes.« Er lachte und wandte sich zu seinen Männern um, die tief über seinen wenig gelungenen Scherz lachten, bevor er sich wieder umdrehte. Sein dunkles Antlitz wurde starr und seine Augen schmal. »Der König schickt seine Männer aus. Er hat bereits Nomadenlager zerstört, wenn die Bewohner nicht seinem Glauben folgten. Alle, die ihm laut widersprechen, spielen mit ihrem Leben, so sagt er. Dabei ist er schuldig an der Dürre, durch ihn versiegen die Oasen. Die Lieferungen aus den angrenzenden Ländern werden weniger, weil er nicht imstande ist, Schulden zu begleichen. Seine Untertanen verhungern und er lässt sie nicht in die fruchtbareren Provinzen ziehen.«
    Elin schnaubte leise. »Es liegt nicht an uns, zu richten.«
    »Überlegt es euch gut, auf wessen Seite ihr steht, sollte es zum Äußersten kommen.«
    Langsam löste Elin die Arme vor der Brust und ließ sie sinken. »Wollt Ihr mir drohen?«
    »Warnen. Der Tag wird kommen, da die wahren Götter wieder wandeln werden, mit dem wahren Herrscher.« Damit wandte er sich um, kehrte zu seinem Pferd zurück und saß auf. Er gab seinen Männern das Zeichen und mit Rufen und einem Spucken in ihre Richtung, trabten sie dicht an den Zelten vorbei, weiter durch die Wüste.
    Musafir hustete und spuckte Sand aus, eilte zu Elin, die leicht in die Knie gegangen war, doch sie wies seine Hilfe mit einer entschiedenen Geste ab. Sie sahen zu, wie die Reiter wieder in ihrem aufgewirbelten Schutz verschwanden.
    »Sie werden sich damit nicht zufriedengeben«, raunte Musafir und klopfte den Dreck von seiner Robe.
    »Nein. Baut die Zelte ab, Mädchen, wir reisen weiter.«
    Die jungen Frauen hatten bereits begonnen, ihr Hab und Gut zusammenzuklauben. Musafir half ihnen, nachdem er sein eigenes Gepäck verstaut hatte, das Lager aufzulösen und die Kamele zu beladen.

    • Offizieller Beitrag

    Ein neuer Charakter, oder sogar zwei neue. Auch diese sind sehr interessant und scheinbar auch völlig verschieden zu den anderem. Ich bin mal gespannt, wie die Handlungsstränge alle so zusammen gehören und auf was die Geschichte hinauslaufen wird. Der "Rebell"? hat ja jetzt nicht sehr gut über den König gesprochen. So schlecht habe ich ihn bisher noch nicht vor Augen gehabt, aber das hat ja nichts zu sagen Und ob alles gestimmt hat, was der Mann gesagt hat, weiß ja auch keiner. :hmm:
    Ich bin gespannt. ^^

    LG, Kyelia

  • Interessant. Dieser Teil lässt einige Fragen offen, aber macht deutlich das diese noch im Verlauf der weiteren Abschnitte geklärt werden. Mir sind diese Reiter irgendwie nicht wirklich geheuer. Während ich Elin (schöner Name im übrigen) und auch Musafir sympathisch finde, allerdings kann ich diese auch noch nicht wirklich einschätzen, aber sie sind mir um einiges lieber als die Reiter... bin mal neugierig wie es weiter gehen wird :stick:

    xoxo
    Kisa

  • Interessant und spannend zugleich. Diese Frauengang wird es nicht leicht haben, bedenkt man diese Einführung. Ich frage mich ja, wie das alles zueinander gehört, da lässt du uns ja noch im Dunkeln tappen (positiv gemeint). Fehler gab's keine, außer, dass ich jetzt noch weniger durchblicke :D

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"