Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 4.334 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. November 2016 um 02:07) ist von Jenneko.

  • Hey Freunde :)
    Ich dachte ich schreibe auch mal wieder was ...
    Ich habe zwar eine Idee für eine längere Geschichte, aber der Witz war gut ... XD
    Das hier ist nur eine kleine Seite und vielleicht ändere ich den Threadnamen nochmal und mach sowas auf wie Phi, wenn ich weitere solcher kleinen Schreibanfälle bekomme :)
    Anyway ... bitte sehr.


    Der See

    Sie saß an einem riesigen See.
    Seine Oberfläche schlug leichte Wellen im lauen Sommerwind und spiegelte verschwommen den silbernen Mond und das klare Licht der Sterne. Vereinzelt standen halbdurchsichtige Schleierwolken am Himmel und zogen langsam von Osten nach Westen.
    Ihre Beine umspielte saftig grünes Gras und kitzelte ihre Waden, als sie den Blick auf das gegenüberliegende Ufer hob. Steile Berghänge mit großen Bäumen und kleinen Gräsern bewachsen zogen sich hinauf bis zu der imposanten Burg, die auf ihren Spitzen thronte. Versonnen starrte sie auf die verspielten Zinnen und die im Licht der Nacht silbern glitzernden Dächer der Türme und Erker.
    „Hör auf zu träumen“, riss eine tiefe und volle Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie wandte ihren Blick von der malerischen Idylle ab und dem riesenhaften Wolf, der neben ihr erschienen war, zu.
    Sein silbergraues Fell bewegte sich leicht im Wind, die Ohren hatte er aufmerksam aufgestellt und seine schwarzen Augen schienen so tief zu sein, wie das Meer. Unergründlich fing sein Blick den ihren und sie seufzte. Als sie ihren Blick erneut schweifen ließ, war der See von einem öligen Film überzogen. Tote Fische trieben mit dem Bauch nach oben und der Geruch von Tod und Fäulnis stieg ihr in die Nase. Er war so heftig, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
    Die fruchtbaren Berghänge hatten sich in Geröllhalden verwandelt, die zum Teil in den toten See gestürzt waren. Hier und da klammerte sich ein toter Baum verzweifelt an den Hängen fest, als wäre die saure Erde die bessere Alternative zum giftigen Wasser. Die Bug oben war ausgebrannt und geschleift. Einzig der Grundriss war noch zu erahnen. Ein einzelner Turm stand noch zur Hälfte, doch es würde nicht lange dauern bis auch er dem Zahn der Zeit nachgeben würde.
    „Warum tust du das?“, fragte sie resigniert.
    „Du sollst nicht träumen, du sollt bauen“, antwortete er wie immer das Selbe auf ihre immer gleiche Frage.
    Wieder entglitt ein Seufzen ihrem Mund.
    „Du musst vertrauen“, versuchte der Wolf ihr zum gefühlt hundertsten Mal zu erklären.
    „Das, was du hier siehst, ist aus Vertrauen entstanden.“
    „Falsch. Es ist aus Enttäuschung entstanden“, wehrte das große Tier ihre Mutlosigkeit ab.
    Wieder schaute sie ihm in die Augen und versuchte zu verstehen, warum der Wolf ihr immer wieder in die Quere kam. In ihrem Traum lebte es sich einfach. Der Wolf zog sein Lefzen zurück, als würde er ein Lächeln andeuten wollen. „Irgendwann wirst du etwas finden, dem du das hier zeigen möchtest und dann wirst du dich nicht trauen.“
    Etwas Kaltes und Hartes berührte ihre Fingerspitzen, sie zuckte zurück und betrachtete es. Der Wolf hatte ihr mit seiner Pranke einen Stein weiß strahlendes Marmor zugeschoben. Verwundert hob sie es auf und beäugte es. Die schwarzen Streifen im Marmor verliehen dem Stein Eleganz, die silbernen Unschuld und das Weiß Reinheit. Mit großen Augen wandte sie sich an den Wolf.
    „Woher hast du das?“, fragte sie verwundert und ehrfürchtig. Ihr Blick schweifte über die trostlose Ebene, in der nichts weiter als Tod und Verderben zu finden war.
    „In deiner Seele gibt es noch unentdeckte Orte“, flüsterte er sanft und deutete mit seiner Schnauze hinauf zum Schloss. „Du musst endlich vertrauen. Leg den Grundstein.“
    Sie starrte den Stein noch ein Weile an, dann nickte sie gedankenverloren, stand auf und machte sich auf den Weg zur Burg.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

    • Offizieller Beitrag

    Ganz schön tiefgründig, wie, wenn jemand in seinen Gedanken, weil sie schöner sind, gefangen ist und die "Realität" denjenigen iwann einholt.
    Es ist eben manchmal alles kacke, aber man muss sich dem stellen und sich das Gute, in dem Falle der Stein, bewahren.

    Man darf sich eben zwar ab und an in schönere Gefilde flüchten, darf aber die Finsternis nicht dahinter verstecken, sondern es umgestalten. Aus Traum Wahrheit machen.

    Wenn sowas in der Art gemeint war, dann hast du das sehr schön umgesetzt.
    Bin begeistert :super:

    Auf in den Kampf, was ...
    :thumbsup:

    Solche Kurzgeschichten sind was schönes, weil sie trotz der wenigen Zeilen, eine direkte oder indirekte Message haben.

    "Habent sua fata libelli."

    ("Bücher haben ihre Schicksale.")

    - Terentianus Maurus

  • :golly: nicht schlecht, das könnte durchaus von einem größeren Namen stammen. Erinnert mich irgendwie an Deutschunterricht X/
    Der Text vermittelt eine durchaus wahre Botschaft, wenngleich natürlich eine, die nicht leicht umzusetzen ist.
    Ich weiß nicht, was dich dazu bewogen hat die Stimme der Vernunft durch einen Wolf zu verkörpern, aber es erscheint mir relativ passend.

  • Hm ich werte das mit dem Deutschunterricht mal als Kompliment :rofl:
    Vielen Dank auf jeden Fall für euer Lob.

    Was den Wolf angeht: Ich habe zwischen Wolf und Pferd geschwankt (in meinem Kopf kommen irgendwie immer überall Wölfe oder Pferde vor xD) also zum einen mag ich Wölfe total gerne, zum anderen sollte die Stimme tief und voll und beruhigend klingen und das passte eher zum Wolf, als zum Pferd xD ich hoffe das enttäuscht dich jetzt nicht @Kelamith... ^^°

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Sry voll verpennt, also ja, der Wolf passt gut, sehr gut sogar wenn man darüber nachdenkt. Mich hatte nur interessiert, was dich dazu bewogen hatte, immerhin ist der Wolf in Europa ja häufig doch eher als großes böses großmutternfressendes Untier zu finden. Wobei sich das nach der Fast-Ausrottung vielleicht auch wieder geändert hat und romantischer wurde.

  • Zitat von Miri

    Die Burg

    Da ist ein "r" verloren gegangen ;)

    An sich kann ich den anderen nur zustimmen: wahnsinnig tiefgründig und stimmig. Was mich aber vor allem am Anfang im Lesefluss gestört hat, ist der sich wiederholende Adjektiv - Substantiv - Aufbau:

    Zitat von Miri

    Sie saß an einem riesigen See.
    Seine Oberfläche schlug leichte Wellen im lauen Sommerwind und spiegelte verschwommen den silbernen Mond und das klare Licht der Sterne.

    riesige See, leichte Wellen, lauer Sommerwind, silberne Mond, klares Licht, .... Das wirkt mit der Zeit etwas eintönig. Hier kannst du vielleicht ab und zu variieren, mit einem kleinen Nebensatz statt dem einzelnen Adjektiv z.B.

    Aber bis auf diese Kleinigkeit, die im späteren Text nicht mehr vorkommt, wirklich wunderschön.

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • habe ich tatsächlich ein Thema von Miri gefunden :D Sehr schön geschrieben, leider nur so wenig :( Und schade, dass du lieber Geschichten liest und deinen Senf dazu gibst, als etwas zu Papier bzw PC zu bringen ..

  • @Duschvorhang

    Versuche es mal mit Keas Federn (Link findest du im Lexikon)
    Laut Klim meine beste Geschichte bis jetzt :)

    ich schreibe leider immer nur Kurzgeschichten ... für eine große Geschichte fehlt mir die Geduld ...
    Und ich leide an einer fetten Schreibblockade, deswegen wirst du nicht viel aktuelles von mir finden :(

    Aber freut mich, dass es dir gefallen hat!

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Huuu...Gänsehaut O.o
    Eine tolle Kurzgeschichte, die alles hat und doch alles offen lässt.
    Ich bin begeistert :D

  • Eine schöne Kurzgeschichte, bei der ich echt gerne dabei sein möchte, wie sie Vertrauen aufbaut :3
    Wirklich leider schade, dass sie so kurz ist, die Geschichte. Aber wirklich sehr schön