Das Williams-Adam-Vermächtnis

Es gibt 176 Antworten in diesem Thema, welches 68.012 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. März 2017 um 15:27) ist von Rainbow.

  • Also die Abschnitte aus Sicht des Mörders/Entführers/Bösewichts/********** sind super geschrieben, aber ich lese sie trotzdem nicht gern. Das geht mir einfach so unter die Haut. Trotzdem: Genauso weitermachen. Das ist gut. :thumbup: Auch den letzten Teil fand ich gut. Obwohl mir die Ermittlungen etwas laienhaft vorkommen. Irgendwie sind es nur ein paar Leute, die da ein bisschen schnüffeln. Wo ist die Polizei, wo sind die modernen Methoden?

    • Offizieller Beitrag

    So, Jahre später, geht es auch hier endlich mal weiter. ^^

    Obwohl mir die Ermittlungen etwas laienhaft vorkommen. Irgendwie sind es nur ein paar Leute, die da ein bisschen schnüffeln. Wo ist die Polizei, wo sind die modernen Methoden?

    Miri und ich haben uns beratschlagt. Und zwar hat Miri jetzt im letzten Teil hinzugefügt, dass Tom Sparks und Grace nicht allein an dem Fall arbeiten, wäre ja dumm, aber wir haben da irgendwie gar nicht dran gedacht.
    Grace und Tom haben ein Team hinter sich, die an dem Fall arbeiten. Die beiden sind die einzigen, die an diesem Fall arbeiten und derzeit im Präsidium sitzen und dort suchen, während die anderen Vorort unterwegs sind. (Wird in meinem Teil geklärt - wobei auch gleich das restliche Team vorgestellt wird) Ich hoffe, wir bekommen noch die Kurve, damit wir nicht wieder auf der Stelle treten und die Polizei bildlich gesehen in der Nase bohrt und abwartet, was der Typ als nächstes macht. :D


    Kapitel 32
    Unser Team

    Grace hing in ihrem Stuhl und beobachtete mit halbgeschlossenen Augen ihre Kollegen. Kurz nachdem Tom sie geweckt hatte, war auch der Rest ihres Teams wieder eingetroffen. Sie hatten den ganzen letzten Tag und anscheinend die halbe Nacht damit verbracht, das Haus von Tiffany und ihrem Mann auf den Kopf zu stellen. Dieser und die Tochter waren vorerst in einem Hotelzimmer untergebracht und standen unter Beobachtung. Nicht, dass man glaubte, der Mörder könnte es auf die beiden abgesehen haben, aber Tiffanys Mann hatte mehr als einmal deutlich gemacht, dass er der Polizei nicht mehr über den Weg traute und lieber alles selbst in die Hand nehmen wollte. Sie mussten also darauf achten, dass er nichts Unüberlegtes tat.
    Außerdem gab ihnen die Abwesenheit der restlichen Familie Zeit, das Haus noch einmal gründlich zu prüfen. Die Spurensicherung und jeder freie Ermittler, der nicht gerade an einem anderen Fall beteiligt war, hatte so die Nacht am Tatort verbracht, alles gesichert, was nach einem Beweis aussah und Nachbarn befragt.
    Grace gähnte ausgiebig und nahm den letzten Schluck ihres Tees. Sie war müde und langsam zerrte es an ihrer Kraft, dass sie seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen hatte, aber scheinbar ging es den anderen ähnlich. Die mürben Gesichter ließen ebenfalls darauf schließen, dass sie nicht sonderlich erfolgreich waren. Sie hatten das bisschen mickrige DNA, die unter Tiffanys Fingernägeln war und die sie schon zu diesem Klon geführt hatte, aber mehr hatte der Mörder nicht hinterlassen. Auch die Fahndungsfotos in den Medien bewirkten bisher nichts, obwohl es auch noch zu früh war, darüber zu urteilen. Lediglich zwei Stümper hatten angerufen, die meinten, den Mann gesehen zu haben. Aber die Vorortermittlung ergab schließlich, dass es sich lediglich um eine Witzmeldung von zwei betrunkenen Teenies gehandelt hatte. Und so wirklich glaubte sie auch nicht an den Erfolg der Fahndung. Wenn der Killer so aussah, wie der Klon Bumblebee, mit Narben im Gesicht, dann war er sicherlich nicht so dumm, sich zu zeigen. So etwas prägte sich ein. Er lebte und arbeitete mit Sicherheit im Untergrund und nur dort würden sie ihn finden. Aber die Menschen in den dunklen Winkeln von London waren sicher alles andere als bereit, der Polizei zu helfen.
    Ob sie mehr Erfolg gehabt hätten, wenn sie und Sparks ebenfalls mit dem Team im Haus gearbeitet hätten?
    Grace schüttelte den Kopf. Wohl kaum. Jeder von ihnen war fähig und brauchte niemanden, der jeden Schritt genau kontrollierte. So kamen sie niemals voran.
    Aus diesem Grund hatten Sparks und sie die Nacht im Präsidium verbracht, alte Akten gewühlt und das Archiv nach ähnlichen Fällen durchsucht. Sie selbst hatte sich irgendwann mehr auf Zeitungsartikel spezialisiert, die sich um den Klon Bumblebee drehten. Wenn der Killer wirklich dessen Bruder war, dann fanden sie vielleicht auf diesem Weg Hinweise auf dessen Aufenthalt oder zumindest nach was genau sie suchen mussten. Viel gab es nicht zu ihm, was ihre Euphorie schon wieder dämpfte, aber vielleicht bekam sie bei einem Gespräch mit dem jungen Klon mehr heraus. So langsam krallte sie sich an jeden Strohhalm, den sie finden konnte. Wie einen Mörder fangen, der keine Spuren hinterließ? Er schien ihnen immer einen Schritt voraus.
    „Grace, du solltest auch mal nach Hause gehen und richtig schlafen, du siehst furchtbar aus.“
    Die Polizistin sah auf und betrachtete den Mann mit dem speckigen Mopsgesicht. In einem weißen Hemd stand er vor ihr und sah sie aus seinen hellblauen Augen schelmisch an. Finley McCarthy. Der etwas rundliche Ermittler war Teil ihres Teams und wirkte nicht weniger erschlagen wie jeder andere auch, dennoch schien er Zeit für sein albernes Grinsen zu haben. Er war ein guter Polizist, der mit seiner lockeren Art ein Händchen dafür hatte, Situationen aufzulockern. Aber sie war dennoch froh, dass er die Nacht nicht im Präsidium, sondern bei den anderen im Haus verbracht hatte.
    Und wann war es eigentlich zur Angewohnheit geworden, sie mit Vornamen anzusprechen?
    Seufzend rieb sie sich über das Gesicht.
    „Ich kann nicht nach Hause gehen“, meinte sie. „Nicht, bevor wir keinen Erfolg hatten, bis dahin kann ich sowieso nicht schlafen.“ Sie setzte sich in ihrem Stuhl aufrecht und versuchte so die Müdigkeit abzuschütteln. „Habt ihr im Haus wirklich nichts gefunden?“
    Das Schmunzeln verschwand aus dem Gesicht von McCarthy und stattdessen blies er die Wangen auf, wodurch er nur noch dicker wirkte.
    „Wir haben im Garten niedergetrampeltes Gras hinter dem Schuppen und einen Teilschuhabdruck sichergestellt. Die Spurensicherung und das Labor sitzen jetzt dran.“
    „Das wird wohl nichts bringen“, meinte Grace niedergeschlagen, über diesen nutzlosen Fund. „Der Kerl ist so vorsichtig, der wird nicht plötzlich seltene Markenschuhe mit Seriennummer tragen.“
    Eine Akte landete auf ihrem Tisch und McCarthys Partnerin, Marci Stanley, setzte sich auf die Tischkante.
    „Hoffen wir, dass die Gerichtsmedizin etwas an der Leiche des toten Streifenpolizisten findet“, sprach sie mit bitterem Unterton. „Denn sonst haben wir wieder nichts und können nur auf das nächste Opfer warten.“ Die Dunkelhäutige zupfte das Haargummi von ihrem Handgelenk und band die kleingelockten Strähnen nach hinten. „Habt ihr irgendwas?“
    Grace wollte eben den Mund öffnen, als Sparks hinter sie trat und die Packung mit den Donuts auf den Tisch stellte.
    „Ja, wir haben irgendwo ein Leck“, grummelte er mit seiner üblichen Stinklaune. „Der Bäcker gegenüber wusste von den Journalisten. Und er hat es wohl von anderen erfahren.“
    McCarthy und Stanley sahen sich mit gerunzelter Stirn an.
    „Aber die Einzigen, die davon wussten, sind unser Team, der Chef, naja und die Zeugen“, stellte Stanley fest.
    „Glaubt ihr die beiden Journalisten haben sich selbst verquasselt?“, warf McCarthy ein.
    „Da es keiner von uns war, muss es ja wohl so sein“, schimpfte Sparks. „Damit haben sie sich selbst in Gefahr gebracht.“
    Grace legte ihre Hand ans Kinn und folgte der Diskussion nur noch mit halbem Ohr. Sie konnte nicht so recht glauben, dass die beiden etwas nach außen getragen hatten. Sie waren Journalisten, ja, aber das machte sie noch lange nicht so sensationsbesessen, dass sie alle Vorsicht von der Klippe direkt in die Gischt stießen.
    „Der Klon, Bumblebee, wurde von einem Polizisten aus Bristol begleitet. Er ist mit Kelley und Jones befreundet. Ich glaube also, die beiden wissen, was auf dem Spiel steht und würden nicht leichtgläubig alles an die Öffentlichkeit tragen“, mutmaßte sie. „Wir können sie ja fragen, wenn sie nachher kommen.“
    Von drei Seiten wurde sie teils skeptisch, teils unverständlich und teils zustimmend gemustert, was sie nur die Schultern zucken ließ.
    Sparks seufzte.
    „Das ändert nichts daran, dass Sachen nach außen drangen, die uns noch hätten helfen können. Das nimmt uns auch noch den letzten Trumpf.
    „Sehen wir das Gute“, begann McCarthy mit einem schiefen Grinsen. „Im Notfall können wir die beiden auch noch als Köder für den Täter benutzen.“
    Finster wurde er für die Aussage von Sparks gemustert.
    „Wir werden keine Zivilisten in Gefahr bringen.“
    „Sollten wir nicht, nein“, Stanley zog einen Stuhl heran und setzte sich, Lehne voran, darauf. „Aber denkt mal nach“, setzte sie an, „wir können den Mörder nicht schnappen, indem wir ihm nachjagen. Also wäre es doch eine Überlegung wert, ihn dorthin zu locken, wo wir ihn haben wollen und ihn so zu provozieren, dass er Fehler macht.“
    „Man könnte den Druck mit noch mehr Fahndungsersuchen auf der Straße erhöhen“, schlug McCarthy vor, „auch, wenn er sein Gesicht immer verbirgt und ihn niemand gesehen hat, könnte ihn das in die Ecke treiben.“
    Stanley nickte. „Tiere, die in der Ecke sitzen, neigen zu unbedachten Handlungen.“
    „Glücklicherweise habe ich die Befehlsgewalt über das Team“, meinte Sparks. „Und ich werde sowas nicht zulassen. Das sollte unsere letzte Idee sein.“
    „Also sollen wir warten, bis man Mrs. Morgen tot auffindet?“, fragte Stanley. „Die Idee ist natürlich viel besser.“
    McCarthy legte ihr eine Hand auf den Arm.
    „Polizeistreifen durchkämmen das ganze Gebiet um Mrs. Morgens Wohnhaus. Aber wenn er nicht gefunden werden will, wird man ihn auch nicht finden, dafür ist der Kerl zu schlau. Der einzige Weg ist es, ihn herauszulocken.“
    „Kommt nicht infrage“, wetterte Sparks weiterhin dagegen.
    Grace war unschlüssig, zu wem sie halten sollte. Natürlich hatten Stanley und McCarthy Recht, aber dafür einen Zivilisten in Gefahr bringen? Oder sogar mehrere? Rechtfertigte das die eventuelle Festnahme des Mörders? Und was war, wenn er es wieder schaffte, sie auszutricksen, Miss Jones und Mr. Kelley dabei starben und ihr Killer wieder entkam? Dann war alles umsonst und sie hatten weitere Opfer zu verbuchen. Sie brauchten endlich einen konkreten Hinweis, einen Durchbruch, sonst würde ihr Team auseinanderfallen. Und Vertrauen untereinander war die Voraussetzung für diesen Beruf.
    „Ich werde mal bei Tucker vorbeisehen“, meinte sie. Der alte Greis saß im Keller des Gebäudes und kümmerte sich um die Autopsie der Leichen sowie um psychologische Unterlagen zu den Tätern. Sie hatte ihn beauftragt, die neusten Erkenntnisse zu seinem Gutachten über den Mörder hinzuzufügen. Sie mussten wie ein Serienkiller denken, um diesen zu finden.

  • Jetzt gefällt es mir besser. Es klingt nun, als würde der Aufwand betrieben, den eine solche Tat rechtfertigt. :thumbsup: Diesen Plan mit dem herauslocken hab ich noch nicht verstanden, aber der ist bei den Polizisten wohl auch noch nicht ganz ausgereift. Bin gespannt, was sie sich ausdenken werden. :popcorn:

  • Was diese ganze Ermittlungssache angeht, kann ich wenig zu sagen. Vermutlich müsste man da als Autor mal bei echten Polizisten nachhaken, und fragen, was in einer solchen Situation unternommen wird, also Recherche betreiben, von daher weiß ich nicht, ob ihr das glaubwürdig schildert oder nicht.
    Bei mir läuft das Kopfkino jedenfalls mit und ich finde nichts, was mir irgendwie unlogisch erscheint, also ist von meiner Seite alles in Ordnung - aber ich lese und schaue ja auch nie Krimis x)

  • Hey :) Sorry das ich erst jetzt meinen Senf dazu gebe, bin vorher einfach nicht so wirklich dazu gekommen.
    Ich muss sagen, dass dieser Teil trotz der Ruhe, den er in die Geschichte bringt mir sehr gut gefallen hat. Du hast die ganze Szene sehr schön beschrieben und dargestellt. Mein Kopfkino lief problemlos mit und abgesehen von zwei Anmerkungen im Spoiler habe ich nichts zu meckern und bin mal richtig gespannt wie es weiter geht, was die Gerichtsmedizin zu sagen hat und wer das Leck innerhalb der Polizei ist. Ich hoffe mal, dass ihr beide uns nicht allzu lange auf einen neuen Teil warten lasst :stick:

    Spoiler anzeigen

    Sie hatten das bisschen mickrige DNA, die unter Tiffanys Fingernägeln war und die sie schon zu diesem Klon geführt hatte, aber mehr hatte der Mörder nicht hinterlassen. Auch die Fahndungsfotos in den Medien hatten nichts bewirkt, wohl(obwohl) es dafür auch noch zu früh war. Lediglich zwei Stümper hatten angerufen, die meinten, den Mann gesehen zu haben. Aber die Vorortermittlung hatte schließlich ergeben, dass es sich lediglich um eine Witzmeldung von zwei betrunkenen Teenies gehandelt hatte.

    Sie setzte sich in ihrem Stuhl aufrecht(aufrechter hin) und versuchte so die Müdigkeit abzuschütteln.

  • Noch immer ruhiger Teil.. noch immer weiß ich nicht, was mit Tiffy ist.. ich bin genaugenommen kurz davor meine Unterlippe zu zerbeissen, weil mich diese Anspannung einfach zerfrisst. Ihr haltet den Cliffhanger immernoch offen... ARrrrrg... XD Ihr macht mich fertig^^ Ich hatte eigentlich gehofft, dass die Szene springt. Aber ihr habt recht, wir brauchen zuerst einen Einblick in die Polizeiarbeit. Insofern die Story bleibt super, ich hab nichts zu beanstanden außer,dass mir meine Lippe wehtut.. :(

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Kapitel 33
    Kreuzfeuer

    Grace strich sich ihre langen, roten Haare aus der Stirn. Mittlerweile saß sie im Verhörraum des Präsidiums. Die Gerichtsmedizin hatte nichts neues ergeben. Die DNA-Reste und Tiffanys Nägeln waren schon analysiert worden. Die Spurensicherung hatte anhand des Teilabdrucks die Schuhgröße bestimmen können, mehr auch nicht. Sie suchten nach einem Mann mit besonders kleinen Füßen - wenig hilfreich. Tucker hatte ihr leid getan. Er war der Beste auf seinem Gebiet, den sie kannte, eine wahre Koryphäe, aber der Fall schien selbst ihn an seine Grenzen zubringen. Nach einigen tröstenden Worten war sie wieder nach oben gekommen, gerade rechtzeitig, um Tom mit dem Klon und dem Polizisten in den Verhörraum verschwinden zu sehen.
    Deshalb war sie überrascht, dass Tom ihrer Bitte tatsächlich gefolgt war und den Raum verlassen hatte.
    Der Kleine schien sich unwohl in seiner Nähe gefühlt zu haben. Statt zu antworten hatte er ihm nur immer wieder nervöse Blicke zugeworfen und ihren Fragen nur halbherzig zugehört. Dass sein Freund Nick bei ihm saß, hatte ihn auch nicht beruhigen können. Wahrscheinlich fehlte dem Kleinen Carl. So ein absurdes Pärchen die beiden abgaben, so sehr brauchten sie sich doch als Ausgleich. Aber Mrs. Jones hatte darauf bestanden ihn aus der Befragung rauszuhalten. Zu schlimm wären die Erinnerungen an die Zeit bei den irren Wissenschaftlern gewesen und sie wollte nicht, dass er erneut ein Trauma erlitt, auch wenn er es ziemlich bald wieder vergessen würde. Grace konnte aber durchaus verstehen, warum Bumblebee sich in Toms Gegenwart unwohl gefühlt hatte. Die meisten normalgroßen Menschen reichten Tom bis gerade an die Brust, Bumblebee ging ihm bis zum Bauchnabel. Dazu verlieh Toms bärige Statur ihm etwas Bedrohliches - besonders wenn er schlecht gelaunt war und weiß Gott, nach 60 Stunden ohne nennenswerten Schlaf mit schlechtem Kaffee und ohne den Durchbruch in dem Fall, hatte der Kommissar jedes Recht schlechte Laune zu haben. Und seine Augenringe ließen seinen aufmerksamen Blick wie den einer lauernden Hyäne erscheinen.
    Sie seufzte leise, rückte das Mikrophon zurecht und begann ihre Fragerunde von vorn: "Wie viele Klone wart ihr?"
    Bumblebee betrachtete das Gerät, das nun auf seinen Mund gerichtet war, argwöhnisch und schaute dann verunsichert zu Nick. Als dieser ihm aufmunternd zunickte, drehte er sich zurück zu Grace. Er versuchte sich auf sie zu konzentrieren und sagte langsam: "Fünf."
    "Wie viele sind gestorben und wie?"
    "Einer den Nick erschossen hat." Wieder warf der Klon dem Polizisten einen Blick zu, diesmal um zu fragen, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Aber Nick lächelte nur und bedeutete ihm abermals weiterzusprechen.
    "Einer, den Anna in den Katakomben ... getötet hat. Einer auf dem OP-Tisch."
    "OP-Tisch?", unterbrach Grace ihn. Das war ihr neu. Der Klon nickte und verzog das Gesicht, als er sich daran erinnerte. Unbeholfen deutete er auf seine vielen Narben und seine immer noch nicht zu hundert Prozent an den richtigen Stellen sitzenden Gelenke.
    "Wir waren nicht ganz", er suchte nach einem passenden Wort, "perfekt. Sie wollten unsere Fehlstellungen durch Körperteile eines Tieres verbessern." Grace stieg die Galle den Hals hinauf. Das war pervers! Wie krank mussten die beiden Frauen gewesen sein?! Kein Wunder, dass etwas wie Mr. Hoodie dabei herauskam. Sie atmete tief durch und stellte ihre nächste Frage. "Und der Vierte?"
    BB zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Ich habe ihn nicht wieder gesehen."
    "Das heißt, er könnte durchaus überlebt haben?"
    Bumblebee zuckte mit den Schultern.
    "Die Katakomben unter Mias Villa sind riesig. Er könnte sich verlaufen haben und verhungert sein", warf Nick von hinten ein. Diesmal war der Blick, den der Klon seinem Freund zuwarf, beinahe verächtlich. "Kann nicht sein."
    "Was macht dich so sicher?", fragte die Polizistin. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie künstliche Intelligenz funktionieren sollte. BB war für sie ein unlösbares Rätsel. Er schien so normal, beinahe zerbrechlich und dann sollten er und seine Brüder Orientierungslosigkeit und dem Hungerstod trotzen können?
    "Es ... ist einfach so. Kann nicht erklären."
    Grace verstand, dass der Klon selber nicht genau wusste, wie er oder seine Brüder funktionierten. Sie musste sich damit abfinden seinen Behauptungen Glauben zu schenken, denn es war offensichtlich, dass der Vierte Klon einen Weg gefunden hatte, um zu überleben.
    "Wie", Grace zögerte und musste sich überwinden die nächste Frage zu stellen, weil sie nicht wusste, ob sie es wirklich hören wollte, "Wie wurdet ihr ... hergestellt?"
    Bumblebee und Nick zuckten bei ihrer Wortwahl zusammen und augenblicklich tat es ihr leid. Hergestellt ... Plastikfiguren stellte man her, aber Bumblebee war ein denkendes und fühlendes Wesen, wie sie alle. "Entschuldigung."
    BB überging ihre Entschuldigung und wiederholte: "Ich weiß es nicht."
    "Weißt du, warum sie euch geschaffen haben?"
    "Für eine bessere Welt." Der Klon wirkte mit einem Mal sehr traurig. "Er ... macht alles falsch, oder?"
    "Was meinst du?" Grace war von der Gegenfrage völlig überrumpelt.
    "Er macht keine bessere Welt, oder?" Sie konnte BBs Blick kaum standhalten als sie ein "Nein" hauchte. Er nickte nur und senkte den Blick, um seine Fingerspitzen zu betrachten. Sie verstand wie aus verrückten, kranken Gedanken ein Serienkiller werden konnte, aber es war ebenso faszinierend, wie daraus ein so ehrliches und mitfühlendes Wesen wachsen konnte.
    "Wie solltet ihr eine bessere Welt schaffen?", wechselte sie das Thema. Ein schwacher Versuch ihn aufzumuntern.
    "Keine Ahnung. Wir waren doch nur zu fünft. Wir konnten besondere Sachen, aber ... wir gegen die ganze Welt?" Der Klon bekam große Augen und schien erst jetzt die Dimensionen, in denen die beiden Wissenschaftlerinnen gedacht hatten, zu begreifen.
    "Besondere Sachen?"
    Der Klon zuckte die Schultern. "Sie haben ab und zu davon gesprochen. Wir konnten sprechen, lesen, schreiben und rechnen, vom ersten Augenblick an. Ich kann gut Schlösser knacken und irgendwo einbrechen, Diebstähle begehen. Kaufhäuser sind ein Klacks, selbst eure Sicherheitsmaßnahmen wären für mich nicht schwer zu umgehen. Was die anderen konnten weiß ich nicht so genau. Wir waren alle unterschiedlich." Bumblebee machte eine Pause und schien zu grübeln. Grace warf Nick einen fragenden Blick zu. So klar und deutlich und vor allem so lange Sätze, hatte sie den Klon noch nie sprechen gehört. Dem Blick des Polizisten nach, schien auch er überrascht. Bumblebee fuhr fort: "Ich glaube er konnte das Wetter beeinflussen."
    "Das Wetter beeinflussen?" Grace zog eine Augenbraue nach oben und ihre Überraschung verwandelte sich in Enttäuschung. Vielleicht konnte man dem Klon doch nicht alles glauben.
    Bumblebee nickte eifrig. "Aber er konnte es nicht kontrollieren."
    "Nicht kontrollieren?" Grace Stimme triefte mittlerweile vor Skepsis. Verunsichert warf BB wieder einen Blick zu Nick, der sich interessiert vor gelehnt und die Ellbogen auf seine Knie gestützt hatte.
    "Kannst du das genauer erklären?", fragte er. Schenkte er dem Gebabbel wirklich Achtung?
    Bumblebee wandte sich von ihr ab und Nick zu. Sein Blick hellte sich auf und er schien erleichtert, dass ihn jemand ernst nahm. Sofort spürte Grace, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg, aber die Behauptung war doch wirklich absurd ... oder?
    "Sie wollten, dass er Stürme erzeugen kann, Schiffe unter riesen, großen Wellen begraben, Flugzeuge mit Wirbelstürmen vom Himmel fegen kann, aber er konnte es eben nicht kontrollieren. Sie sagten, er würde es noch lernen."
    "Was meinst du mit "konnte es nicht kontrollieren"?" Grace sah, wie Nicks Kiefermuskeln mahlten und sie ließ sich von seiner Anspannnung anstecken.
    "Es geschah einfach. Seine Stimmung .... ich weiß nicht genau." Verwirrt brach der Klon ab und schien nicht in Worte fassen zu können, was er wusste.
    "Die Wetterphänomene ...", setzte Nick an und jetzt fiel auch bei Grace der Groschen. Sie konnte förmlich hören, wie er mit einem lauten Krachen auf den Boden fiel und plötzlich ergab das zusammenhanglose Gerede dieser verrückten Wissenschaftlerin auch einen Sinn. Mit zitternder Stimme beendete sie seinen Satz: " ... beschränken sich auf den Raum London! ... Tom!"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Grace strich sich ihre langen, roten Haare aus der Stirn. Mittlerweile saß im Verhörraum des Präsidiums.

    Wer ? Sie? :)

    Tolle Hintergrundinformationen zu den Klonen. Für mich alles neu, weil ich ja Part 1 nicht kenne. Der arme Bumblebee tut mir richtig leid im Verhör, er wirkt so unsicher und verletzlich :(
    Was mich nachdenklich macht, ist die Tatsache dass Klon Nr. 5 ja noch fehlt, oder kann ich nicht mehr zählen?
    Der Hoodieman beherrscht also das Wetter? Ich glaube ihr habt ein paar Mal das Wetter erwähnt, aber ich habe das eher als Umgebungsbeschreibung wahrgenommen und daher nicht ernst genommen. Fieses kleines Detail, gut gemacht ;)

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • @Rael
    1 der Klon, den Nick erschossen hat
    2 der klon, den Anna umgebracht hat
    3 der Klon, der auf dem OPTISCH starb
    4 Mr. Hoodie
    5 Bumblebee

    Puh ich dachte schon, ich hätte mich iwo verzählt xD

    Und danke ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • @Rael
    1 der Klon, den Nick erschossen hat
    2 der klon, den Anna umgebracht hat
    3 der Klon, der auf dem OPTISCH starb
    4 Mr. Hoodie
    5 Bumblebee

    Puh ich dachte schon, ich hätte mich iwo verzählt xD

    Ok, dann bin ich zu blöd :) Ist auch ok. Danke für die kleine Übersicht, irgendwie habe ich das anders verstanden :D

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • "Sie wollten, dass er Stürme erzeugen kann, Schiffe unter riesen, großen Wellen begraben, Flugzeuge mit Wirbelstürmen vom Himmel fegen kann, aber er konnte es eben nicht kontrollieren.

    riesengroßen

    Oha, da hat Mr. Hoodie aber ein paar abgefahrene Kräfte bekommen. Meiner Meinung nach schon ein wenig zu abgefahren, aber gut ^^
    Jedenfalls könnte das die Spur sein, die die Polizisten brauchen. Wenn Sie das Wetter zu lesen lernen, lernen sie die Stimmung von Mr Hoodie zu lesen. Nur wird ihnen das womöglich immer noch nicht seinen Aufenthaltsort verraten ... oder doch? :hmm:

    • Offizieller Beitrag

    So, nur ein winziger kurzer Teil, aber es geht immerhin erstmal weiter. Und mehr hätte ich da auch nicht schreiben können, bin jetzt schon gegen Ende immer mehr abgedriftet. xD



    London

    Aus neugierigen Kinderaugen beobachtete er wie die rote Flüssigkeit aus der frischen Wunde quoll, in kleinen Rinnsalen über die zarte Haut der Frau lief und schließlich zu Boden tropfte. Es hatte etwas Beruhigendes, wie dabei nicht ein Geräusch verursacht wurde. Ausschließlich sein Atmen war zu vernehmen.
    Er ließ sich zurückfallen und kreuzte seine Beine zum Schneidersitz. Das Messer in seiner Hand fand neben ihm einen Platz auf dem Boden. Die letzten Stunden waren ein Auf und Ab gewesen und langsam spürte er die Folgen der vielen schlaflosen Nächte. Aber das würde sich ab heute ändern. Nun konnte er wieder ruhig schlafen und seine Träume genießen.
    Ein Blick auf das leblose Fleisch vor ihm, brachte den Klon erneut zum Schmunzeln. Sie hatte gekämpft, sich gegen ihn gewehrt und bis zum Schluss hatte sie leben wollten. Aber letztendlich war er stärker gewesen. Wie immer. Niemand konnte ihn übertreffen, am Ende gewann er.
    Er sah auf seine Hände. Blut klebte an ihnen. Rot leuchteten sie und zeugten von seiner Tat. Plötzlich kehrten ihre Schreie in seinen Verstand zurück. Wie sie um Hilfe kreischte und um Gnade winselte. Ja, von all seinen Opfern war Tiffany diejenige gewesen, die sich am meisten gegen ihn aufgebäumt hatte, aber nur, weil er es ihr erlaubte. Er hatte ihren Überlebenswillen sehen wollen und wie er aus ihren Augen verschwand. Es war ein schöner Moment gewesen.
    Ein amüsiertes Lachen überkam ihn. Es schallte an den Wänden wider und vertrieb Tiffanys Stimme aus seinem Kopf. Immer lauter und immer hysterischer wurde es, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen. Die Bauchmuskeln brannten und die Luft wurde ihm knapp, doch er lachte weiter, befreite ihn der Schmerz von all seinen Zweifeln, die bis zum letzten Schnitt in ihm gekeimt hatten.
    Erst als sich seine dunklen Augen auf Tiffany fixierten, beruhigte er sich wieder.
    Wie ein Kunstwerk lag sie vor ihm, schlief auf ewig in purpurner Farbe. Er war der Künstler, der aus etwas Schlichtem etwas Atemraubendes geformt hatte. Als Geschenk an seine Brüder und als Warnung an all diejenigen, die ihm in den Weg treten wollten.
    Sein Blick verfinsterte sich und das Grinsen verschwand gänzlich aus seinem entstellten Gesicht. Diese Frau und der Mann, die ihm Tiffany hatten wegnehmen wollen, auch sie mussten noch bestraft werden. Jeder, der ein Monster schützte, musste dafür bezahlen.
    Das Lächeln kehrte zurück, noch böswilliger als zuvor und ein mörderischer Glanz glimmte in seinen Augen auf. Er würde sie ausfindig machen und auf seinen Moment warten. Niemand trat ihm in den Weg und kam ungeschoren davon. Niemand. Auch, wenn er für sie sein Schema ändern musste.
    Der Klon erhob sich und warf noch einen letzten Blick auf Tiffany. Von der einstigen Schönheit war nichts übrig geblieben; die Kleidung zerrissen, die reine Haut mit seinen Zeichnungen übersät und das Gesicht unter frischem und bereits vertrockneten Blut verborgen. Zu gern wäre er dabei, wenn ihr Mann sie so sah. Neu und nicht mehr wieder zu erkennen. Sie hatte ihm gehört, und mit jedem Mahl, das er ihr zugefügt hatte, war sie mehr zu einem Teil von ihm geworden. Ob ihr Mann ihn dafür beneiden würde, dass er bis zum letzten Atemzug bei ihr war, er ihr geholfen hatte, ihrer schrecklichen Erscheinung zu entkommen?
    Das Messer wieder an seinem Gürtel verstauend entfernte er sich langsam von seiner Spielwiese. Es wurde Zeit, dass er Schlaf nachholte und sich anschließend einen neuen Spielkameraden suchte.
    Er griff in die Tasche seines Hoodies und umgriff die beiden feuchten Objekte im Inneren. Langsam zog er sie heraus, wollte er sie auf keinen Fall zerstören. Zu viel Arbeit hatte es gekostet, sie zu bekommen.
    Aus glänzendem Rotrosa schimmerte ihm das helle Blau des Himmels entgegen.
    Ja, Tiffanys Mann wäre neidisch auf ihn, denn das Beste behielt er für sich. Die Augen einer Bestie in der Gestalt eines Engels.

  • 8| Ich wollte gerade ins Bett gehen, da füttert ihr mich mit sowas? <X:dwarf:
    Schlimm, dass Tiffany tot ist. Und schlimm, aus der Perspektive dieses Monsters lesen zu müssen. Das macht echt keinen Spaß und trotzdem muss ich sagen: Sehr, sehr gut geschrieben. Jeder Satz scheint Gewicht zu haben - ein kleines Kunstwerk zu sein. Das Kopfkino schnurrt eindeutig zu gut :blush: . Weiter so :thumbsup:
    Aber schenkt uns doch einen Part mit einem etwas sonnigeren Gemüt.

  • Gruselig und verdammt gut geschrieben.
    Ich finde es interessant, dass du dich teilweise so gut in den Mörder hineinversetzen kannst. Das ist echt gruselig wenn du mich fragst, aber zum Schreiben einfach optimal :D
    Ich habe absolut nichts an diesem Teil auszusetzen und freue mich schon darauf mehr zu lesen.

    xoxo
    Kisa

  • Auch wenn mit jeden Kapitel, das ihr veröffentlich habt, Tiffys Überlebenschancen irgendwie sanken, habe ich sie dennoch nie ganz aufgegeben. Puh. Tja, brutal aber realistisch und unglaublich gut geschrieben. Krank seine Gedanken und sehr genial rübergebracht. Wahnsinn. Bin bissl geflasht ehrlich gesagt. Ich hoffe sie finden den Kerl und ballern den weg. Bei dem ist Hopfen und Malz verloren..

    R.I.P Tiffy... ;(;(

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

    • Offizieller Beitrag

    Ich versuche mal den Spoiler über mir zu ignorieren :rofl:
    Also, ich bin bis 22 gekommen und bin bisher begeistert. Alle Figuren haben so ihren Charakter und bleiben dem treu - leider auch der Psychokiller. Oo

    Spoiler anzeigen

    Insgeheim lacht sich Jenna ´en Ast, weil immer Blondinnen mit blauen Augen dran sind - gnahahahaha (passt nicht ins Muster - sorry, aber isso

    Evie und Joey sind super. Er ist so der verknallte Gockel und sie ignoriert im Eifer ALLES. Workaholic - :rofl: Während der andere so hinter ihr herstiefelt und in sich rein heult. Und dann das mit dem Hotelzimmer.

    Mia hingegen ist - wahnsinn - flacher Witz, ich weiß. Aber man sollte doch mehr auf ihre hellen Momente vertrauen. Wenn sie sagt, es waren DREI KLONE und nicht ZWEI, dann könnte man auch mehr drauf eingehen. Ich glaube, das wird Ben noch bereuen.

    Nick, der Arme. Still in love - mit einem Stein. Naja, die Trauer kann man verstehen. Er ist nicht nur über Annas Tod betrübt, sondern auch über ihre Tat.

    Ich freue mich noch die letzten 3 Threadseiten aufzuholen, gefällt mir wahnsinnig gut! ^^

  • Irgendwie hab ich das Gefühl, du hast Spaß daran, solche Szenen zu schreiben 8| Wirkt einfach alles stimmig in diesem Part, da ist nichts überflüssig und du beschreibst sehr kreativ.
    Kann da Kisa nur zustimmen, die Darstellung des Innenlebens des Mörders gelingt dir echt super :thumbup:

    Tja, als nächstes hat er eure beiden Protas auf der Abschussliste, das haben sie nun von ihrer Übereifrigkeit x)

  • Kapitel 34
    Im Auge des Sturms

    „Nein! Nein! Nein!“, brüllte Tom in den Hörer.
    Grace schreckte von ihrer Recherchearbeit mit dem Professor für Meteorologie der University of London auf.
    „Was ist?“, fragte sie alarmiert.
    Tom konnte ihr kaum in die Augen schauen, sondern hieb nur wütend mit der Hand auf seinen Schreibtisch ein.
    „Wir haben eine Leiche“, brachte er schließlich mühsam über die Lippen.
    Graces Augen weiteten sich und ihr wurde schlecht. Sie waren doch so nah dran gewesen! Der Professor und sie hätten es schaffen können.
    „Bist du sicher?“ Grace weigerte sich einfach es zu glauben. Wütend starrte Tom sie an. Sie wusste, dass sein Zorn nicht ihr galt, dennoch hielt sie lieber den Mund. Als ihr Partner Anstalten machte seine Jacke von der Lehne des Stuhls zu nehmen, wollte auch sie aufstehen.
    „Du bleibst!“, befahl Tom harsch. Grace verharrte mitten in der Bewegung, überrascht von der Härte in seiner Stimme. „Ich will, dass du und Professor Morington“, er warf dem Professor einen Blick zu, als hinge die Rettung der Welt von ihm ab, „diesen Kerl findet. Ich will, dass wir ihn finden und dann gnade ihm Gott!“
    Tom riss seine Jacke endgültig nach oben, zog sie aber nicht an, ehe er wutentbrannt und frustriert aus dem Raum schoss. Grace ließ sich zurück in ihren Stuhl sinken und warf dem überraschend jungen Professor einen Blick zu. Morington war vielleicht Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig. Er hatte volles blondes Haar und einen attraktiven Vollbart. Seine Augen waren von dunklem Braun und sein trainierter Körper passte so gar nicht in das Bild des verstaubten Uni-Professors. Erschüttert erwiderte er ihren Blick.
    „Verzeihen Sie“, krächzte Grace. Sie schluckte trocken in dem missglückten Versuch ihre Kehle zu befeuchten. Tom nahm sie sonst immer mit – außer er wollte sie vor etwas beschützen. Diesmal musste es wirklich übel sein. Übelkeit flammte in ihr auf und sie konnte einen kurzen Würgereiz nicht unterdrücken.
    „Alles in Ordnung?“ Professor Morington saß neben ihr auf einem Bürostuhl, hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt und musterte sie besorgt. „Möchten Sie einen Tee?“
    Soweit kam es noch, dass IHR jemand Tee anbieten musste, weil sie den Tod eines Menschen nicht verkraftete.
    Reiß dich zusammen!, mahnte sie sich selbst und zwang sich eine aufrechte Haltung einzunehmen und die Schultern entspannt sinken zu lassen.
    „Danke“, sagte sie und machte eine ablehnende Handbewegung. „Ich denke wir haben Besseres zu tun.“ Morington nickte und ließ sich von ihrer neuerlichen Entschlossenheit anstecken.
    „Also wir können den Klon anhand von Satellitenbildern aufspüren?“, nahm Grace den Faden des Gespräches wieder auf.
    „Es ist nur eine Theorie.“ Der Professor stütze sich nachdenklich auf den Schreibtisch und betrachtete London aus dem Weltraum auf ihrem Bildschirm. „Grundsätzlich muss er überall dort sein, wo die lokalen Wetterveränderungen auftreten. Aber die Gebiete sind immer noch ziemlich groß.“ Er umkreiste ein Gebiet, das vor einigen Tagen im Nebel verschwunden war. Auf der Aufnahme waren lediglich die Spitzen der Hochhäuser zu erkennen. Grace nickte. „Es umfasst mehrere Blocks. Viel zu viele Fluchtmöglichkeiten, egal wie viele Männer wir hinschicken...“
    Morington streichelte mit einer Hand seinen Bart. So eine Geste hatte Grace wirklich noch nie bei jemandem gesehen, aber lächeln konnte sie nicht. Es wäre zu unpassend gewesen.
    „Die Phänomene treten außerdem zu plötzlich auf und verflüchtigen sich zu schnell“, philosophierte sie weiter. „Selbst wenn wir London mit Hilfe der Satelliten überwachen, bis wir am Ort des Geschehens sind, ist er schon über alle Berge.“
    „Es ist nur eine Idee …“, setzte der Professor an, versank dann aber wieder in Schweigen.
    „Ja?“, fragte Grace ungeduldig.
    Morington klickte das Nebelbild weg und forstete sich durch diverse Ordner, die auf seiner externen Festplatte lagen. Schließlich öffnete er ein anderes Bild. Es war von 2005 und Grace zog die Augenbraue in die Höhe. Was hatte eine so alte Aufnahme mit ihrem Fall zu tun? Der Rechner lud die Daten ratternd und nach einer Weile zeichnete sich ein Tornado vor der Golfküste der USA ab.
    „Wir sehen hier den Hurrikan Katrina“, begann er mit seinen Erläuterungen. „Er verwüstete 2005 die Golfküste der USA, besonders New Orleans hat es schwer erwischt. Erinnern Sie sich?“
    „Jaja, worauf wollen Sie hinaus?“ Langsam wurde Grace ungeduldig.
    „So ein Hurrikan ist langfristig und man kann ziemlich genau sein Zentrum bestimmen. Der Klon ist aller Wahrscheinlichkeit nach im Zentrum der Wetterphänomene zu finden. Bei einem Hurrikan wäre es das Auge.“ Er deutete auf den dunklen Punkt in Mitten von sich zwirbelnden Wolken. Grace schaute den Mann ungläubig an. War er wahnsinnig?!
    „Heißt das, wir sollen ihn so wütend machen, dass er einen Hurrikan vom Zaun bricht?“
    Morington lachte leise und kurz. „Nein. Das diente nur dem Verständnis. Vor allem geht es mir darum, dass ein Sturm länger anhaltend als Regen oder einfacher Nebel ist. Wir können anhand der Satellitenbilder auch das Zentrum der anderen Phänomene ausfindig machen. Es ist nur ein wenig schwieriger, weil es nicht so offensichtlich ist. Anhand der Wolkenbildung und der Windrichtung zum Beispiel. Auffällig ist, dass die Gewitterwolken der letzten Gewitter nicht heran gezogen sind, sondern sich einfach aus dem Nichts gebildet haben. Das wäre zum Beispiel ein Anhaltspunkt.“
    „Und weil der Sturm länger dauert, haben Sie genügend Zeit den wahrscheinlichen Standort den Klones zu bestimmen und wir genügend Zeit mit genug Männern rechtzeitig einzutreffen …“ Endlich ergab das Gerede einen Sinn.
    „Aber wir können doch nicht einfach einen Orkan provozieren. Es wird viele Verletzte geben.“ Der Gedanke versetzte Graces Euphorie einen Dämpfer.
    „Das ließe sich regeln. Wir haben doch Frühwarnsysteme. Wir könnten diese vorschieben und ein Unwetter ankündigen, sodass Vorkehrungen getroffen werden können, ohne dass der Klon Verdacht schöpft“, wandte ihr Gegenüber ein. Grace grübelte. So würde es vielleicht keine Verletzten und Tote geben, aber der Sachschaden wäre beträchtlich. Grace seufzte. „Ich danke Ihnen für ihre Hilfe“, sagte sie schließlich und reichte Morington die Hand. „Ich werde mich bei Ihnen melden, sobald eine Entscheidung getroffen wurde. Das liegt nicht mehr innerhalb meines Bereiches.“
    Morington nickte. „Natürlich. Sie können mich rund um die Uhr erreichen.“
    Als der Professor den Raum verlassen hatte, ließ sie sich im Stuhl zurück sinken. Sie spürte, wie sich Stresskopfschmerzen anbahnten. Sie musste dringend mit ihrem Vorgesetzten und dem Bürgermeister sprechen. Sie griff nach dem Hörer ihres Telefons, doch ehe ihre Finger ihn erreichten, klingelte es. Verwirrt nahm sie ab.
    „Territorial Police Forces London, Sie sprechen mit Grace Hemmingdale.“
    „London Highlights, Peterson am Apparat. Stimmt es, dass die entführte Frau nun auch Opfer des Serienmörders wurde? Wie stehen Sie zu dem quasi nicht vorhandenen Fortschritt der Polizei? Und kommen Sie nicht mit Mangel an Beweisen. Wissen Mrs. Morgens Mann und ihre kleine Tochter schon …“ Grace verdrehte die Augen und blendete den Rest der Fragen einfach aus. Irgendwann würde die Olle schon Luft holen. Am liebsten hätte sie einfach aufgelegt oder Mrs. Peterson gesagt, dass sie die Polizei behinderte, indem sie ihr Telefon blockierte, aber das wäre nur gefundenes Fressen für das Boulevardblatt. Nach einer schieren Ewigkeit wie es Grace vorkam, musste Mrs. Peterson tatsächlich Luft holen und Grace lenkte sofort ein. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch keine Stellung beziehen. Bitte wenden Sie sich an unseren Pressesprecher Miller. Seine Durchwahl ist die 2754.“ Routiniert leiherte sie ihren Text herunter und legte dann einfach auf.
    Stöhnend vergrub sie den Kopf in ihren Händen, ihre rote Mähne fiel ihr wirr ins Gesicht. Sie wollte gar nicht wissen, was Mrs. Morgens Ehemann gerade durchmachen musste.
    Ihre Kopfschmerzen hatten sich im Laufe des Telefonats manifestiert und sie konnte sich kaum mehr konzentrieren. Trotzdem blickte sie durch den Vorhang ihrer Haare und wählte die Nummer ihres Vorgesetzten. Tom würde sie später informieren. Der hatte sicherlich gerade Besseres zu tun.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Oha der Plan könnte tatsächlich klappen. Ich bin gespannt, ob sie den durchziehen.
    Besonders gut gefallen hat mir am Ende der Anruf von dieser Reporterin. Scheint belanglos, aber bindet sich super in die Szene ein und kommt realistisch rüber.

    Achja.. und findet den Sack bevor er noch mehr erwischt :(

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!: