Charaktere und ihr Alter

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.888 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. April 2016 um 15:27) ist von Vrooktar.

  • Was mir schon länger immer mal wieder aufgefallen ist, dass es im Fantasy-Gerne eigentlich nur zwei Altersgruppen gibt.

    Zum einen den blutjungen Helden, der noch ganz grün hinter den Ohren ist und deren Geschichte mit Beginn ihrer Reise startet. Da hätten wir beispielsweise verschiedene “Upps, ich bin auf einmal in einer anderen Welt gelandet“-Jünglinge wie in Chroniken von Narnia. Dem 15-jähringen Eragon oder jungen Mädchen wie Katniss aus die Tribute von Panem oder Meggie aus Tintenherz. Selbst am Ende ihrer Bücher sind die Protagonisten nicht älter als 20, allerhöchstens jedoch 25 Jahre.

    Auf der anderen Seite stehen die erfahreneren und reiferen Protagonisten, wie zum Beispiel der Hexer Geralt aus der Hexer Saga… sowie andere Helden…

    Ich merke in letzter Zeit immer öfter, wie ich einem halben Kind keinen Schwert- oder Magiermeister mehr abkaufe. Selbst wenn er von Kindesbein an trainiert hätte, würde ihm die nötige Kraft und Erfahrung fehlen. Ich anfange an, ältere Protagonisten vorzuziehen. Es fängt mit dem an, was ich ihm zutraue und hört nicht mit dem auf, was er bis dahin schon alles erlebt hat, seiner Einstellung, seinem Hintergrund, den Motiven .Allerdings muss ich feststellen, dass es im Fantasybereich zuhauf junger Hüpfer gibt, aber kaum reifere Helden.

    Jetzt frage ich mich: Sind ältere Helden wirklich so uninteressant, dass kaum einer über die lesen will? Wie alt sind eure Protagonisten? Was zieht ihr vor?

    Bücher sind Schokolade für die Seele. Sie machen nicht dick. Man muss sich nach dem Lesen nicht die Zähne putzen. Sie sind leise. Man kann sie überall mitnehmen, und das ohne Reisepass. Bücher haben aber auch einen Nachteil: Selbst das dickste Buch hat eine letzte Seite, und man braucht wieder ein neues.
    Richard Atwater

  • Als Kind habe ich häufiger Hohlbein Bücher in die Finger bekomme. Lag daran, dass die Bücherei halt viele von denen hatte. Da waren die Protagonisten so 12-14. Was sich einigermaßen mit der primären Zielgruppe deckte, obgleich dafür die Bücher vielleicht etwas düster waren.
    Hier waren es m.E. durchweg überzeugene Darstellungen.

    Ich selber nutze eher Protagonisten zwischen 22-32. Noch jung, aber auch erfahren. Meine Nebencharaktere decken aber so ziemlich jede Altersgruppe ab.

  • Dass viele Helden sehr jung sind, liegt daran, dass man sie im Verlauf der Geschichte besser formen kann, dass man ihnen noch abnimmt, dass sich ihr Charakter wandelt und dass es einfacher ist einen solchen Prota aus seinem Umfeld zu reißen und somit die Geschichte überhaupt erst in Gang zu bringen. Bei älteren Helden gibt es nicht mehr so viel Potenzial was die Entwicklung ihrer Fertigkeiten angeht, das heißt sie werden am Anfang gegen genau die selben Gegner bestehen können wie am Ende der Geschichte, auch das macht sie für manche Geschichtenschreiber uninteressant. Und vermutlich gerade hier bei uns ein wichtiger Punkt: viele (Hobby-)Schreiber sind selbst noch nicht all zu alt und können sich besser in Personen hineinversetzen, deren Entwicklungsstadien sie selbst schon erlebt haben.
    Aber ich verstehe was du meinst und stimme zu. Es ist schwierig dei Entwicklung eines jungen Unschuldslamms in einen mächtigen Krieger gelungen umzusetzen und häufig geht sie einfach viel zu schnell, weil man davor zurückschreckt eine zu große Zeitspanne mit seiner Geschichte abzudecken. Andererseits, wenn man wirklich von Kindesbeinen an ausgebildet wurde, kann man bereits mit ca. 16 bereit für vieles sein (im jeweiligen Aspekt). Was einem dann fehlt ist natürlich die Erfahrung und vielleicht vertiefte Kenntnis. Aber gerade mit Blick darauf, dass die meisten jungen Hauptpersonen ein ruhiges Leben hatten bevor die Geschichte beginnt, sind die Gegner denen sie sich in relativ kurzer Zeit stellen können fragwürdig. Andererseits kann natürlich ein bis dato ruhig lebender Erwachsener sich noch weniger schnell verbessern. Also liegt es einfach am Autor eine glaubhafte Entwicklung zu beschreiben, unabhängig, aber natürlich daran angepasst, vom Alter der Protas.

  • Kelas Erklärung dafür klingt einleuchtend ^^
    Was noch dazu kommt wäre vielleicht die mega Hintergrund-Geschichte ... Je älter der Prota, desto mehr muss man sich ausdenken XD

    Ich habe früher super gerne Hohlbein gelesen, aber aus vielen seiner Bücher bin ich echt rausgewachsen, eben weil die Helden immer nur 12-15 Jahre sind. Mir geht es da wie Morgy: ich kaufe es einfach nicht mehr ab und vieles von den Verhaltensweisen, die Jugendliche eben so an den Tag legen geht mir im Verlauf einer Geschichte oft ziemlich auf die Nerven XD

    Die Charas in meinen Geschichten wachsen eigentlich mit mir mit, seitdem ich mit Schreiben begonnen habe. Früher waren sie 10, dann 17 und jetzt eben 22 oder 23 :)
    Ich denke das wird bei mir auch so weiter gehen.
    Ich glaube, das liegt daran, dass ich jetzt in diesem Augenblick weiß was Menschen (oder auch einfach nur mich) in diesem Alter bewegt und kann es besser umsetzen, als wenn ich mich in ein anderes Alter hineinversetzen müsste. Jünger wäre in diesem Fall wahrscheinlich einfacher als älter ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Ich fürchte, viel ist eigentlich gar nicht mehr zu sagen. Die Vorredner waren schon so erschreckend weise :D
    Da mir aber grad erst selber vorgeworfen wurde, meine Charaktere wären zu jung (ca. 18), sag ich doch was dazu :P

    Also 1) ist die der Anteil an zurückliegendem Leben und vorausliegendem Leben von Bedeutung. Je jünger, desto kleiner die Lebensgeschichte und desto größer die Möglichkeiten. Ein Char, der schon 60 ist, reist eben keine 20 Jahre mehr durch die Welt...

    2) ist das Alter der Autoren und gewollten Leserschaft sicher auch ganz wichtig. Ohne die putzigen Hobbits (Die ja aber auch schon Ü30 sind eigentlich), würde kaum ein Jugendlicher HdR lesen - meine Einschätzung.

    3) muss man das Alter in Fantasie-Mittelalter-Welten anders berechnen, als bei uns. Ein Krieger ist mit spätestens 12 in die Lehre gegangen. Wenn er also mit 18 in die Geschichte stolpert hat er schon mindestens 6 Jahre Waffentraining hinter sich und stand kurz vor dem Ritterschlag. Bei allen anderen Professionen sieht es ganz ähnlich aus. Und abgesehen davon gibt es auch immer noch den Faktor "Talent". Als Beispiel: Ich habe nie Schwerttraining gehabt, im LARP stellte sich aber heraus, dass ich damit recht gut umgehen kann und manchen Kriegern, die das seit vielen Jahren schon machten, ebenbürtig bin. Ich hätte also auch als Jungspund zu Beginn der Geschichte einen Krieger töten können.

  • Hmmm
    Also mir fällt gerade auf, dass bei mir teilweise auch die Charaktere mitwachsen. Teilweise.

    1. "Geschichte"/Geschichtensammlung
    Alter: 6 (geschrieben von meiner 8 Jährigen besten Freundin, diktiert von mir :D)
    Es ging um einen Hasen (mein Stofftier), der Abenteuer erlebt hat. Alter ... naja auch so knapp 6 Jahre. Also kein Jungspund mehr für nen Hasen. [Edit: Schlechtes Wortspiel gelöscht]

    2. Geschichte / Fantasy-Roman
    Alter: 10-12 Jahre
    Die Protagonisten (eine Kriegertruppe, die eine verlorene Schlacht gegen die Orks überlebt hat) waren zwischen anfang 20 und 30, glaube ich.
    Damaliger Glaubenssatz: Sobald ich so groß bin wie die anderen, werde ich vor nichts mehr Angst haben!

    3. Geschichte / Fantasy Roman
    Alter 12 - 16
    Protagonisten waren zum Teil 14, zum Teil Mitte dreißig

    4. Geschichte / Fantasy-Roman
    Alter: 16-19
    Protagonisten waren zum Teil 16, zum Teil Mitte dreißig

    5. Aktuelle Geschichte
    meine Protagonistin ist 21, lernt kämpfen seitdem sie 3 ist.

    Ich mache selbst seit meinem 5. Lebensjahr Kampfsport. Habe zwischenzeitlich 3-4x die Woche trainiert, war in der Jugend zeitweise bei Wolfsburg (Bundesliga). Mit 16 kämpfte ich dann in einer Herrenmannschaft in der Niedersachsenliga und bekam nur auf die Schnauze. Ich habe höher gekämpft als alle anderen im Verein und trotzdem fast immer verloren. Warum? Selbst mit 16 war ich noch nicht stark genug, meine Gewichtsverteilung war anders. Allerdings ist es bei anderen Sportarten oft anders.

    Ich sage auch nicht, dass man bei dem richtigen Trainer nicht viel aufholen kann und Talent spielt sicher auch eine Rolle. ABER auch andere trainieren. Auch andere haben gute Meister und auch andere haben Talent.
    Andererseits merkt man es ja auch beim Profisport, da ist spätestens Ende 30 Ende mit der Profikarriere. Es ist schwer da einen Mittelweg zu finden. Ich habe mit vielen guten Kämpfern trainiert, habe gegen Männer Ende 60 kein Land gesehen, obwohl ich nen Kopf größer und gleichschwer war. Es ist schwierig einen guten Kämpfer einzuholen. Dass man aber mit richtigem Training so einen Möchtegernhaudegen recht schnell überholt ist aber gut vorstellbar. Nur oft ist das seeeehr überzogen. Reflexe entwickeln sich nicht in 2 Wochen ...
    Das Auge muss mitkämpfen, Bewegungsabläufe analysiert werden, Taktiken müssen im Hintergrund erdacht werden, während das Bewusstsein voll auf den Kampf eingestellt ist. Das ist schwieriger, als ein paar Techniken zu lernen.

    Sooo ...
    Ich muss dazu sagen, dass ich heute nicht mehr so gut die Gedanken und Gefühle eines 14-jährigen treffen könnte, wie ich es damals getan habe. Deswegen lese ich eig jedes Jahr einmal die 470 Seiten, die ich damals über die "aktuellen Geweihten" geschrieben habe. Hach :D


    Der Leser muss sich mit dem Charakter identifizieren und es lesen glaube ich mehr junge Leute Fantasy, als Rentner.
    Hier wurde ja auch schon viel gesagt, klar ist die Charakterentwicklung bei nem jungen Prota schneller und was man auch nicht vergessen darf: Es gibt viele Dinge, die er das erste Mal sieht, tut oder erlebt. Eine Liebesgeschichte bei nem 60-Jährigen Schwertmeister wirkt schnell aufgesetzt und fad. Natürlich kann sie auch gut sein, aber dann würde sie bei jungen Leuten noch besser sein ;) Meistens.

    Außerdem sehnen wir uns doch alle danach jung und schön zu sein. Ich habe noch nie gedacht: "Oh, dieser alte Ork mit den verfaulten Zähnen, der seiner 3-Zehntner-Frau jeden Morgen bevor er zur Arbeit Menschen schnetzeln geht ein Neugeborenes opfert, Mensch mit dem kann ich mich richtig gut identifizieren."
    Viele leser wollen sich in die Lage des Protas hineinversetzen - oder ihm beistehen oder ... ganz andere Dinge mit ihm oder ihr machen. [Anm.d.Aut.: Das habe ich niemals gesagt!]
    Ich mag es auch, wenn Charaktere Vorbilder und Lehrer haben, von denen sie geprägt werden. Also ein 50-Jähriger Geweihter ... den Schockt nichts mehr wirklich, glaube ich.

    Manchmal flüstert der Wind eine Legende,
    bevor die Geschichte sie zu schreiben vermag.

    Hört das Flüstern:

    Der Orden der Geweihten

  • Ich denke, da hat Geweihter noch einen guten Punkt angesprochen. Der Leser möchte sich mit einer Figur identifizieren. Es muss sich hierbei jedoch nicht zwangsläufig um den Protagonisten handeln. Je nachdem wie die Geschichte/Buch geschrieben ist, reicht da auch einer der anderen Charaktere.
    Das Alter, würde ich behaupten, ist da irgendwie nicht zwangsläufig der Identifizierungshauptgrund. Wenn ich hier wieder auf Hohlbein zurückkomme: Zumeist sind die Kinder (die auch die Zielgruppe sind) dort mit irgendeiner übermächtigen Magie ausgestattet, dennoch versemmeln sie es fast. Sie benehmen sich irrational, dass sogar ein junger Leser mit den Kopf schüttelt. Ergo: Keine Identifizierung möglich.
    Also möchte ich behaupten, dass das Alter nicht direkt was damit zu tun haben muss.

    Ich habe wenig Probleme, mich in einer anderen Person (egal ob älter oder jünger) hineinzuversetzen. Ich bekomme das auch einigermaßen glaubhaft hin zu charakteriesieren. Warum auch nicht? Warum sollte ich irgendwelche Altersgruppen nicht beschreiben? Warum mich selbst einschränken?
    Das wäre doch so, als wenn ich jetzt als Mann keine weiblichen Prota haben sollte, oder umgekehrt. ^^

    Ich habe schon Bücher in der Hand gehabt, da werden Männer ausgezeichnet charakteriesiert und man konnte sich mühelos mit ihnen identifizieren. Und die waren von einer Frau geschrieben und zwar ohne männliche Hilfe.
    Natürlich hatte ich auch Werke in der Hand, da waren die Männer Testosterongesteuerte Idioten und Frauen die strahlenden Überhelden, die als einziges rational und gutherzig agieren konnten. Okay, gibt auch Autorinnen, die so etwas kolossal versemmeln.

    Aber beim Alter ist es doch im Prinzip genauso. Ich schreibe auch nebenbei an einem Krimi, wo die Protagonisten alle etwas älter sind. Welterfahren und abgehärtet. 40-55 Jahre alte Polizisten, die von ihrer Arbeit richtig abgeschliffen sind, geradezu ausgebrannt sind, aber dennoch weiterarbeiten und am Ende den Fall lösen (selbstredend).
    Und sozusagen als Kontrast eine junge Frau, die verträumt, verwöhnt und extrem jung ist. Dennoch eine wichtige Rolle spielt, nur halt aus der zweiten Reihe, wie es dem Alter auch entsprechend wäre. ;)

  • Ich halte ein durchwachsenes Feld für optimal. Das funktioniert aber nur, wenn man den Fokus nicht so arg auf eine Figur lenkt. Eine Geschichte die zu stark von nur einer Figur getragen wird ist für mich persönlich aber ohnehin nicht besonders interessant, da es die wenigen Möglichkeiten im dramaturgischen Fortgang damit irgendwie vorhersehbar machen.


    Zitat von Morgy

    Ich merke in letzter Zeit immer öfter, wie ich einem halben Kind keinen Schwert- oder Magiermeister mehr abkaufe. Selbst wenn er von Kindesbein an trainiert hätte, würde ihm die nötige Kraft und Erfahrung fehlen.


    Kann ich prinzipiell verstehen hängt aber am Ende von der Umsetzung ab.
    Es gibt grundlegend schon Gründe dafür, warum die Gewinner von Kampfsportturnieren im Normalfall nicht zwischen 40-Jährigen ausgekungelt werden.
    Ein Charakter der ordentlich Biss hat kann im richtigen Kontext auch mit 16 schon allerhand bewegen (Man denke nur an Musashi der in dem Alter schon seinen ersten Samurai auf dem Gewissen hatte).
    Aber ich verstehe was du meinst.

    "Wer alle Rauheiten des Lebens meidet, bekommt nie genug Schliff, um zu glänzen."