Diese Geschichte habe ich vor einiger Zeit für einen Kurzgeschichten-Wettbewerb des Orkenspalter-Forums verfasst. Es spielt in Aventurien, genauer auf den Zyklopeninseln.
DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN, DERE, MYRANOR, THARUN, UTHURIA und RIESLAND sind eingetragene Marken der Significant Fantasy Medienrechte GbR. Ich hoffe, ihr habt Spaß damit! Und ich hoffe, ihr könnt der Geschichte folgen... Im zweifelsfall zu unklaren Begriffen einfach fragen.
„Die meisten Leute glauben, das Volk der Orks bestünde nur aus tumben Totschlägern. Damit tut man ihnen aber Unrecht, sie haben auch skrupellose Rauschkrauthändler, Giftmischer, Intriganten und Götzenpriester“
-Der Hesindegeweihte Hesindian Babek, 1024 BF
„Was soll das heißen, du hast in deiner Sippe einen Schamanenschüler, der ständig versucht Überlieferungen zu seinen Gunsten zu ändern, einen Gravesh-Priester, der Waffen sabotiert um verhasste Krieger loszuwerden, einen Rikaii-Priester, der einen Krieger unter Rauschmittel setzt um ihn zu bespringen als wäre er ein Tier-das-Orks-gebärt und der Krieger will dir auch noch den Häuptlingsstand streitig machen? Schlag doch einfach alle tot! Oder warte. Schick sie zu mir… Für so kluge Gesellen habe ich eine bessere Verwendung…“
-Der Aikar Brazoragh zu einem verzweifelten Häuptling, 1033 BF
„Niemandem, das erzählst du niemandem, hast du verstanden? Das war eine einmalige Sache!“, brüllte Khaidach, selbsternannter Häuptling ihrer Gruppe, was bei Shardur, dem Rikai-Priester nur ein müdes Augenrollen hervorrief.
„Das sagst du jedes Mal. Und würdest du nicht jedes Mal so rumschreien, hättest du sogar eine Chance, dass die anderen es überhören würden.“
Der Rikaii-Priester betrachtete seinen Geliebten. Der war ein stattlicher Krieger, aber nicht der Hellste. Ein Hüne von einem Ork, muskelbepackt, glänzendes schwarzes Fell, kräftige weiße Hauer… Mutig im Kampf, aber nicht in der Liebe. Aber ein paar Pilze und Kräuter versetzten ihn meist in die richtige Stimmung.
„Wo ist das Problem? Wenn mich eure Sprache nicht täuscht, nennt ihr eure Weibchen „Tiere-die-Orks-gebären, ist ein Mann da nicht ein viel geeigneter Umgang für einen Angehörigen der höchsten Kaste? Ich meine…“, ertönte die Stimme des Menschen von der anderen Seite des Feuers.
Erneut verdrehte Shardur die Augen. Er hatte es also geschafft, die anderen zu wecken. Schon brüllte Khaidach los: „Schnauze, Ergoch! Sonst reiß ich dir die Zunge raus und stopfe sie in deinen Rachen, damit du daran erstickst!“
Ein Jammer! dachte sich der Rikaii-Priester und begann, in seinem Rucksack zu wühlen. Wenn er jemals nach Hause zurück kommen wollte, musste sich die Lage schnell beruhigen. Er fror etwas in seinem schweißnassen Pelz, aber das war ein geringer Preis für diese Nacht.
„Wie willst du dann finden, weshalb ihr gekommen seid?“
Wäre der Ergoch doch nur nicht so frech! Der war wohl Priester eines Gottes der Menschen namens Hesinde gewesen, ehe er in orkische Sklaverei geriet. Und auch jetzt schrieb er ständig mit Kohle auf Birkenrinde und ließ sich davon durch nichts abbringen, das diesen kostbaren Sklaven nicht schwer beschädigen würde.
Khaidach ging schon mit entschlossenen Schritten auf den Ergoch zu. „Jetzt reicht es! Wir finden schon eine andere Glatthaut, die lesen kann!“
Aber eben das würden sie nicht. Shardur wusste das, der Krieger, bedauerlicherweise Anführer, oder, wie er es lieber hörte, Häuptling ihrer Gruppe leider nicht.
„Aureliani, Zyklopäisch, Bosparano, dazu Imperiale Zeichen und die Kusliker? Das will ich sehen!“, meinte die Glatthaut weiterhin frech und machte sich ein paar Notizen.
„Khaidach!“, rief der Diener Rikais, „Meinst du nicht, du hättest viel mehr Spaß, wenn du vorher ein paar von denen essen würdest?“ und hielt dem Okwach einige getrocknete Pilze aus seinem schwindenden Vorrat hin.
„Gute Idee, her damit!“, knurrte der und kam zu Shardur herüber. Die Dosis war großzügig gewählt, sehr großzügig und bald schnarchte der Hüne zufrieden in den Armen des Priesters.
„Den hast du gut im Griff!“, grinste die freche Glatthaut ihm zu. Langsam bekam auch Shardur Lust, der die Zunge herauszureißen.
„Hör endlich mir diesem Schreiben auf!“, rief ein weiterer Ork, Burchai, ihr Schamane und entriss dem Ergoch die Rinde.
Das war zwecklos, wie Shardur wusste. Sie würde sich einfach neue suchen. Er verstand ja, dass alle von diesem frechen Sklaven zur Weißglut getrieben wurden, die sich vor drei Priestern und einem Okwach der verdorbenen Schrift bediente, aber er und Girkush, der Gravesh-Priester, ließen sich doch auch nicht so leicht aus der Fassung bringen! Sie brauchten die Glatthaut, bis sie gefunden hatten, weswegen der Aikar Brazoragh selbst sie auf diese Inseln geschickt hatte, eben weil kein Ork von Ehre die verdammte Schrift erlernen würde. Oder sogar mehrere. Und bedauerlicherweise wusste auch der Sklave das nur zu genau.
„Kann man hier nicht einmal eine Nacht durchschlafen, ohne von Liebesgegrunze und dem Schwachsinn des Ergoch geweckt zu werden? Nur ein Mal?“, stöhnte nun auch Girkush. Shardur beschloss, nicht darauf zu antworten und genoss es, den Krieger in den Armen zu halten und sich von diesem und dem Feuer wärmen zu lassen. Er schloss die Augen. Der Ergoch hatte in einem Punkt Recht. Was wollte man schon mit einem Tier-das-Orks-gebärt?
Viel zu schnell war die Nacht vorbei und nach Khaidachs obligatorischen Drohungen gegen die anderen Orks, niemandem etwas von ihr zu erzählen und einer Aufzählung von Verstümmelungen, die jeden erwartete, der es doch tat, setzten sie den Weg fort. Shardur hatteHunger. Auf diesen Inseln hier gab es nur Schafe, Fische und Felsen, dazu die allgegenwärtigen Glatthäute, die selbst aber noch nie Orks gesehen haben schienen. Es erforderter sein ganzes Geschick hier ein paar essbare Pflanzen zu finden, doch um seinen Gott zu ehren, oder vielmehr um von Brazoragh, dem Gott der tierischen Fruchtbarkeit unabhängig zu sein, aß der Rikaii-Priester niemals Fleisch.
„Wie weit ist es noch bis zu dieser verdammten Höhle?“, murmelte der Krieger, dem der Tairachi sogleich antwortete: „Wir hätten vor zwei Tagen ankommen sollen. Und wir wären angekommen, wenn du mich den Weg hättest suchen lassen. Ich kann mich an jede Kleinigkeit der Karte erinnern, die uns der Aikar gezeigt hat!“
„Schnauze, ich bin der Häuptling hier, ich führe uns an!“
„Und ich bin der Schamane, ich bin unser Gedächtnis! Würdest du auf mich hören, dann wären wir schon auf dem Weg nach Hause“. Die beiden Orks stellten sich einander gegenüber, dass ihre Nasen sich fast berührten, ihre Stimmen waren gefährlich ruhig.
Während Shardur noch überlegte, wie er die Situation entschärfen könnte gelang das ausgerechnet dem Ergoch.
„Fragen wir doch einfach den Hirten da nach dem Weg, er kennt die Gegend sicher gut“ Erst jetzt fiel den vier Orks die Glatthaut auf einem nahen Hügel auf, die über einige Schafe wachte.
„Findet nicht unser weiser Schamane den Weg?“, fragte Khaidach ironisch.
„Dafür müsste ich wissen, wo wir sind!“, zischte der Angesprochene wütend.
Der Krieger grinste: „Mal sehen, ob die Glatthaut uns nicht nützlicher ist!“ Und stapfte auf diese zu. Shardur zuckte innerlich zusammen. Diese Beleidigung würde Burchai nicht ungesühnt lassen. Wieder wäre es an ihm, Frieden zu stiften. Der Aikar hatte gut daran getan, ihn mitzuschicken, das musste sich der Priester eingestehen. Nur die Kräuter und Pilze und das Bier seines Gottes konnten verhindern, dass die Schwarzpelze sich einander an die Gurgel gingen statt den Glatthäuten.
Geistesgegenwärtig schob er den Ergoch vor sich her. Der trug mit Abstand die größte Last ihrer Gruppe, obwohl er der schmächtigste war, darum musste man ihn bisweilen etwas antreiben, damit er Schritt hielt. Der Hirte wartete nervös auf die Orks und ihren Sklaven. Er hatte einen Stab und eine Steinschleuder, wie ein Goblin. Keine Bedrohung für Khaidach mit seiner Byakka, einer zweischneidigen Axt, und dem Kettenhemd mit Helm. Burchai sprach sie an und verwendete das Garethi, die vermeintliche Sprache dieser schwächlichen Kreaturen: „Sag uns, wo es hier zur Kulthöhle des Brazoragh, den deine Vorfahren Ras´Ragh nannten!“
Die Glatthaut schaute bloß dumm, als hätte sie sich gewundert, dass diese bewaffneten Pelzwesen sprechen konnten.
„Wirst du wohl antworten, du verdammter…!“, fuhr Khaidach sie auf Ologhaijan an, außer Acht lassend, dass sie diese Sprache wohl kaum beherrschte.
Doch der freche Ergoch redete ihm einfach dazwischen: „Lasst es mich auf Zyklopäisch, der Sprache dieser Gegend, versuchen“
Den finsteren Blick des Kriegers ignorierend, begann er mit seinem Artgenossen zu sprechen. „er weiß, wo so eine Höhle ist, aber er will wissen, was wir da wollen“, übersetzte der Ergoch in die Sprache der Orks.
„Sag ihm, wir wollen den Schriften seiner Ahnen entreißen, wie sie sich unserem höchsten Gott Brazoragh weihten, damit unserer Häuptling der Häuptlinge, der Aikar Brazoragh es schaffen kann, andere Orks mit der Kraft dieses Gottes zu erfüllen!“
Der Ergoch grinste nur: „Du bist der Anführer!“ und begann der anderen Glatthaut zu übersetzten. Viel zu breitwillig und fröhlich! Shardur hatte ein böses Gefühl. Gleich würde wieder etwas schief laufen! Der Hirte begann aufgeregt, ja zornig zu reden. Der Sklave meinte: „Frei übersetzt: Ihr könnt ihn mal am Arsch lecken.“
„Ach ja? Der soll mal aufpassen!“, brüllte Khaidach zornig und holte mit der Axt aus. „Nicht!“, riefen der Rikaii-Priester und der Schamane wie aus einem Mund, doch es war zu spät. Der Hirtenstab, eilig zum Schutz gehoben, zerbrach und die Byakka fuhr in die Schulter des Mannes, der schreiend zu Boden fiel.
„Aber ihr braucht ihn doch…“, murmelte ihre Glatthaut schuldbewusst und erschrocken. Was aber im Zorngebrüll Burchais unterging. „Du elender Sohn eines Greifen und eines Einhorns! Die Glatthäute hier wissen noch nicht, dass wir ihre Feinde sind und wenn sie es erfahren, wird alles noch schwieriger! Und wer soll uns den Weg beschreiben, wenn er tot ist? Du weißt, wie empfindlich Glatthäute sind! Shardur, versuch sie wieder zusammenzuflicken!“ Das Gebrüll wurde prompt mit noch Lauterem beantwortet: „Wie hast du mich gerade genannt? Außerdem gebe ich hier die Befehle, verstanden?“ Wieder starrten sich selbsternannter Häuptling und Schamane in die Augen.
„Ich sage dir, irgendwann wird es nur auf uns beide hinauslaufen, aber bei mir brauchst du nichts zu versuchen. Ich paare mich nur mit Tieren-die-Orks-gebären“, raunte Girkush Shardur zu. Die Anspielung war deutlich. Khaidach nahm nie eine der Tiere-die-Orks-gebären, die er als Okwach vom Häuptling verliehen bekam, er ließ sie nur Arbeiten verrichten, wie Ergoch. Für Shardur galt das natürlich auch, aber er war Rikaii-Priester. Schon als Kind hatte er einiges an Begeisterung für Pflanzen und Heilkunst aufgebracht, war schwächlich und klein gewesen. Es war selbst für einen Ork eine harte Kindheit gewesen. Als er als Priester in die Kaste der Okwach aufgestiegen war, hatte er fortan kein Fleisch mehr gegessen. Bei einem Rikai-Priester wunderten sich die meisten Orks über gar nichts. Bei einem Krieger jedoch standen die Dinge anders.
Nach einiger bedrohlicher Stille, befahl endlich der selbsternannte Häuptling: „Shardur, flick ihn wieder zusammen!“
Und erst jetzt setzte er sich resignierend in Bewegung. Hätte er sofort dem Schamanen gehorcht, wäre alles nur noch schlimmer geworden.
Die Wunde blutete stark, war aber weniger schwer, als sie aussah. Er hütete sich aber davor, das auch zu sagen. Aus seinem Rucksack holte er Wirselsalbe und Nähzeug hervor, dazu einen Verband und machte sich an die Arbeit. „Ergoch, sag dem Schwachkopf, dass er stillhalten soll!“, schnauzte er den Sklaven an. Der war an diesem Elend schuld und sollte dafür büßen! Noch immer betroffen übersetzte der die Worte. Und das ohne freche Bemerkung oder Besserwisserei! Sie sollten öfter Glatthäute gerben. Shardur grinste zufrieden. Dann murmelte er: „Mal sehen: Knochen eingekerbt und angebrochen, Fleisch durchschnitten, aber… nein, keine wichtige Ader verletzt. Hm, ein paar Fussel, die müssen raus!“
Das leise Sprechen, wenn er sich konzentrieren musste, war eine alte Angewohnheit und half auch etwas dabei. Er griff zu einer Pinzette und begann für einen Ork behutsam, die Fusseln aus der Wunde zu fischen. Die Glatthaut zitterte, jammerte und zuckte. Selbst in Shardurs Augen war es eine schwache, erbärmliche Rasse. Wie sollte das erst werden, wenn er zum nähen kam? Es wurde schlimmer, der Hirte zappelte und wimmerte nun.
„Kann ihn jemand festhalten?“, fragte er ungehalten und der Sklave kam ging neben ihm auf die Knie.
„Nicht du, verdammt, du könntest kein Vögelchen mit gebrochenem Flügeln festhalten, Ergoch! Was ist, ich denke, er soll leben?“
Als Antwort gab Khaidach nur ein „Pfff“, von sich. Natürlich, welcher Krieger würde sich schon dazu herablassen, bei der Verarztung einer Glatthaut zu helfen? Burchai meinte nur böse grinsend: „Glatthäute fasse ich nur zum opfern an!“
Nur Girkush kam schulterzuckend herüber. „Handwerk ist Handwerk“, erklärte er und presste den Hirten auf den Boden, damit der Rikai-Priester ihn behandeln konnte. Der Schamane erhob die Stimme: „Wie sieht es aus?“ und er antwortete ihm: „Er wird durchkommen, der Stab hat den mächtigen Schlag unseres Häuptlings so weit verlangsamt, dass er keine tödliche Verletzung erhielt“
Am Ende strich er etwas von seiner kostbaren Salbe auf den Verband und wickelte den um die Schulter des Verwundeten. So eine Verschwendung für eine Glatthaut! Aber er musste ein paar Tage durchhalten, um sie zu dieser Kulthöhle zu führen.
Ein lautes Blöken, gefolgt vom Geräusch aufprallenden Fleischs ließ ihn zusammenzucken. Er erblickte eines der Schafe des Hirten, durchbohrt von einem Wurfspeer. „Mittagessen!“, verkündete Khaidach grinsend und ließ die rechte Hand wieder sinken. Gutes Stichwort! Shardur durchwühlte das Gepäck der Glatthaut und fand neben Schleudersteinen und einem Schlafsack etwas altes Fladenbrot und weiße Würfel von bröckelig-weicher Konsistenz. „Was ist das, Ergoch?“
„Schafskäse. Er wird aus der Milch der Schafe gemacht“, erklärte dieser. Milch, die Nahrung der Säuglinge, das passte zu den Glatthäuten! Andererseits war es kein Fleisch… Aber es kam von Tieren. Missmutig warf Shardur den Käse davon. Zumindest würde er vom Brot heute mal satt werden.