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Was ihr heute zu lesen bekommt, ist eine Kurzgeschichte, die schon ein paar Tage alt ist und aufgrund eines Versuchs entstand. Ich stelle sie als eigenes Thema ein, weil ich hoffe, dass sie so etwas mehr Aufmerksamkeit erhält. ^^' Und sie hier vielleicht auch besser aufgehoben ist. Wenn nicht, dann schreit.
Jedenfalls: Kritiken sind gern gesehen! Egal welcher Art. Ich bin für alles offen.
Da sind wir nun. Am Ende, keine Hoffnung in Sicht, kein Rettungsanker. Nur die Nacht ohne Tag.
»Manchmal wünschte ich, ich könnte dich einfach hassen«, höre ich mich selbst sagen. Früher hätte ich diese Worte sofort bereut. Dieses Mal tue ich es nicht. Immerhin ist es das, was ich denke, und du wolltest immer, dass ich endlich einmal ehrlich zu dir sei.
Ich starre auf meine Turnschuhe, während ich mit den Sohlen über den Boden scharre. Eine Staubwolke wirbelt auf und ich beobachte sie einen Moment, bis sie sich legt.
Du sitzt einfach neben mir auf der Bank, die Arme schlaff auf deinem Schoß, dein Blick auf den Teich vor uns gerichtet.
Kein Wort. Seit wir hier sind, hast du kein einziges Wort gesagt. Mein Herz hämmert in den Ohren und in meinen Fingern kribbelt es. Am liebsten würde ich dich packen und schütteln und dich anschreien. Dir sagen, was alles schiefläuft und auf der Kippe steht.
Doch ich tue es nicht. Kann es nicht. Ich wage es nicht, weil ich Angst habe, dass ich damit alle Türen für immer verschließe.
»Weißt du, es wäre einfach, jetzt aufzustehen und zu gehen. Ich könnte gehen und mich nie wieder nach dir umsehen. Es wäre besser. Für mich.« Für dich.
Wieder starre ich auf meine Schuhe und versuche bei deinem Schweigen nicht in die Luft zu gehen. »Ich wünschte wirklich, ich könnte es. Lieber würde ich dich hassen und aus meinem Leben verbannen.« Ich lache rau. »Dann würden wir jetzt nicht hier sitzen.«
Kaum merklich regst du dich neben mir. Du hebst das Kinn ein wenig, legst den Kopf zur Seite, doch du starrst nur weiter auf das stille Wasser mit den Enten darauf. Ich hasse sie. Alles ist für dich spannender als ich. Selbst diese dummen, schnatternden Quälgeister.
Ich starre zu einer am Ufer zusammengerotteten Gruppe. Am liebsten hätte ich einen Stein nach ihnen geworfen, wenn sie nicht innerhalb weniger Sekunden wieder zurückkommen würden. Deine Aufmerksamkeit würde ich damit nicht erhaschen.
Mein Magen verkrampft. Die Bank unter mir wird immer unbequemer, die Versuchung aufzustehen derweil verlockender. Doch ich weiß, wenn ich jetzt aufstünde, würde ich gehen. Gehen und nicht zurückblicken. Zurück zu dir, der du noch immer starr auf der Bank sitzt und zu den Enten stierst.
Ich atme tief durch. Schließe für den Moment die Augen und versuche meine Gedanken zu ordnen.
»Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht mehr mag. Das ist ja das Problem. Aber ich kann vor dir auf den Knien rutschen und sagen, wie tief ich für dich empfinde und du – du würdest nicht einmal mit der Wimper zucken.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Am Ende hocke ich dir noch im Weg und du schiebst mich fort. Und abends kommst du ins Bett und mir dabei so nahe, dass mir die Luft zum Atmen fehlt. Deswegen schlafe ich auf dem Sofa. Ich habe keine Lust, nur in der Nacht genug zu sein. Dir meine Wärme zu geben, ohne zurückzubekommen.«
Du neigst den Kopf von der einen auf die andere Seite. Ich spüre dein Haar auf meiner bloßen Schulter. Ich rieche das frische Gras darin. Vorhin bist du wie ein Kind den Abhang hinter dem Haus heruntergerollt. Gelacht hast du nicht dabei.
Mein Herz rast, macht einen Sprung. Unvermittelt ist mir, als schmecke ich deine spröden Lippen auf meinen, als fühle ich, wie sie beben und sich ein klein wenig zu stark auf meine pressen, wenn auch nur kurz. Unbeholfen. Doch das ist Vergangenheit.
Ich schüttle den Kopf. Genau deswegen komme ich nicht von dir los, weil jeder Geruch, jede noch so winzige Berührung mein Herz zum Bersten bringt. Und du merkst es nicht.
»Was bedeute ich für dich? Das hast du mir nie gesagt.« Meine Mundwinkel zucken schwach in die Höhe, doch sie zittern dabei. »Du wirst es mir nie sagen. Nie mehr. Das war der Deal. Die Abmachung.«
Ich schrecke zusammen, als deine Finger meinen Handrücken streifen. Ich senke den Blick, starre auf deine dunkle Haut, die fast so schwarz wie die Nacht wirkt.
Nur zögernd sehe ich auf und merke, dass du mich ansiehst. Mich direkt. Mit diesen leeren grauen Augen und der tiefen Dunkelheit deiner Pupillen, in denen es golden funkelt.
Deine Fingerspitzen kitzeln über meine Haut und ich stoße zittrig die angehaltene Luft aus meinen Lungen.
»Es wäre besser, dich zu hassen, nach allem, was du getan hast.« Meine Stimme bebt, meine Augen brennen. Du hättest nie gewollt, dass ich weine.
Vorsichtig lehne ich mich vor und küsse deine kalte Stirn. Meine Wut ist wie verflogen. So wie immer, wenn du nachts zu mir ins Bett krabbelst und dich neben mich legst, um meine Wärme zu spüren. Ich weiß nie, ob es der letzte Rest deiner Selbst ist, den du noch nicht verloren hast, den du nicht an diese Hexe gegeben hast. Doch es macht mir Angst. Der Nachklang alter Tage wirkt wie ein Fluch auf mir.
Ein Leben für ein anderes. Eine Seele für eine Seele.
Eine Träne läuft meine Wange hinab; hastig wische ich sie weg, versuche ruhig zu atmen und nicht vor dir zurückzuweichen, als sich deine Arme in meine Richtung ausstrecken. Ich lasse zu, dass du den Abstand zwischen uns verringerst und deinen Kopf auf meine Schulter bettest.
»Du konntest es einfach nicht lassen, oder? Du musstest es ja tun, so eine Dummheit«, flüstere ich an dein taubes Ohr. »Das sieht dir ähnlich.«
Ich lache leise auf und bringe es doch nicht über mich, deine kalte Umarmung zu erwidern. Also sitzen wir da, Knie an Knie, eng umschlungen und doch ein ganzes Leben voneinander entfernt.