Diese kleine Geschichte mit diesem unfassbar kreativen Titel entstand im Laufe der letzten Wochen und befindet sich derzeit im ersten Bearbeitungsmodus.
Eigentlich sollte sie in einem größeren Kontext stehen, man sagte mir aber, dass sie so als kleines Geschichtchen auch gut allein stehen könnte. Ich mag mir aber noch andere Meinungen dazu einholen, deswegen bewerfe ich euch jetzt damit.
Anregungen und Kommentare sind wie immer gern gesehen. Korrekturen ebenso, niemand ist schließlich perfekt. Wer will das auch schon ...
Nachtrag:
Da ich gerade selbst merke, dass man mich missverstehen könnte: Dies ist lediglich der Anfang, es wird schon noch ein paar Teilchen geben. ( @Verraeter =] )
~+~
Greta [AT]
Die Dunkelheit des fensterlosen Flurs umschlang mich wie ein Monster seine Beute mit gierigen Klauen. Das Licht meiner Taschenlampe reichte nur drei Schritt weit, bevor es sich auf den dunklen Dielen verlor. Fröstelnd tastete ich mich an der Wand entlang, bis ich das nächste Ziel meiner Suche erreichte.
Tief atmete ich durch, bevor ich die Hand gegen die Tür drückte. Das Holz fühlte sich ungewöhnlich warm unter meiner Haut an. Mit gerunzelter Stirn warf ich einen letzten Blick über die Schulter. Alles war ruhig, der Gang blieb leer. Dennoch fühlte ich mich beobachtet. Vorsichtshalber überprüfte ich den Sitz meines Ohrhörers, der sich immer wieder verschob.
»Alles klar bei euch?«, murmelte ich, während ich die Türklinke drückte. Nichts bewegte sich.
»Klar ist alles klar«, sagte Schmitti, dessen Stimme knarzte und so dumpf klang, als würde er durch Watte zu mir sprechen. Stumm machte ich mir eine geistige Notiz, das bei Gelegenheit von den Technikern anschauen zu lassen, da ich wenig Lust verspürte, bei einem nächsten Auftrag ohne Kommunikation dazustehen.
»Wir sind in einem gruseligen Haus, in dem ein durchgeknallter Hexer lebte und der nun - puff - spurlos verschwunden ist«, fuhr Schmitti fort. Er schnaufte mir aus der Ferne ins Ohr, während ich mich der nächsten Tür zuwendete. Sie war ebenfalls verschlossen.
»Immer mit der Ruhe, Schmitt«, rauschte Klagers dunkle Stimme durch die Leitung. »Die Spürhunde haben alles durchsucht. Jegliche Falle ist beseitigt.«
»Ja, klar«, zischte Schmitti. »Seit der letzten Aktion trau ich den Pappnasen von der Abteilung nicht mehr.«
Ich verdrehte die Augen, auch wenn ich meinem Freund den Groll nicht verübeln konnte. Vor ein paar Monaten hätte es uns beinahe in der Luft zerrissen, weil einer der Spürhunde nicht aufmerksam gewesen war. Er hatte schlicht eine Sprengfalle im Lieblingshaustier des Hausherrn übersehen. Passierte doch jedem Mal an einem schlechten Tag ...
»Wie auch immer, wir sind über keine gestolpert bisher. Leider kann man das Gleiche auch von der Giftkammer sagen«, sprach Klager unberührt weiter.
»Konzentriert euch«, brummte ich, nachdem die nächste Türklinke nicht einmal mehr unter meinem Druck nachgab. Ich trat gegen die Tür.
Inzwischen war ich am Ende des Ganges angelangt. Vor mir erstreckte sich eine letzte Hoffnung, eine letzte Tür, doch ich rechnete mir bereits aus, auf Schmitti und seine Dietriche warten zu müssen. Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe ins Schlüsselloch, doch es war mit irgendetwas verstopft. Mit grimmiger Miene legte ich meine gesamte Kraft hinein, die Klinke nach unten zu drücken. Zu viel, wie ich mit einem leisen Aufschrei feststellte. Mit Schwung stolperte ich in weitere Dunkelheit hinein.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich fing mich, blieb wie erstarrt stehen. Mit geweiteten Augen starrte ich im Schein meiner Lampe auf die Holzdielen unter mir, bis ich sicher war, dass sich der Boden nicht unter mir auftat. Stumm verfluchte ich Schmitti, der mich mit seiner Panik ansteckte, obwohl gar kein Grund dazu bestand.
Ich beruhigte mich durch tiefe Atemzüge, schaffte es, mich umzusehen. Der Lichtkegel der Taschenlampe reichte kaum bis in die Mitte des Zimmers, wo er auf verhangene Möbel traf, die mir etwas zu eckig erschienen. Ich leuchtete zu den Wänden, die ebenfalls mit Laken verhangen schienen. Langsam löste ich die Hand von der Klinke und schob mich Stück für Stück vorwärts.
»Scheiß die Wand an!«, knarzte Schmitti unvermittelt in meinem Ohr. »Der Typ hatte 'nen Weinkeller!« Er lachte keckernd, während im Hintergrund Glas klirrte.
»Reiß dich zusammen«, fauchte ich, eine Hand auf der Brust. »Wir sind im Dienst.«
»Ja, ja«, flötete mein Freund, ließ dabei jedoch weitere Flaschen gluckern.
»Greta hat recht. Und an deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Wer sagt, dass Wein drin ist?«, bemerkte Klager. Augenblicklich wurde es still. Ich dankte ihm wortlos und konzentrierte mich wieder auf den Weg vor mir.
Meine Taschenlampe flackerte, dann erlosch sie und ich schimpfte vor mich hin, während ich sie kräftig schüttelte, doch sie schien ihren Dienst aufgegeben zu haben. Noch so etwas, das nie richtig funktionierte. Ich steckte sie zurück an meinen Gürtel und tastete mich mit ausgestreckter Hand voran. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das schummrige Licht. Ich erreichte das andere Ende des Raumes und fühlte plötzlich etwas Weiches unter meinen Fingerspitzen. Überrascht rief ich auf, packte fester zu und zerrte den schweren Stoff mit einem Ruck beiseite. Kurz darauf blinzelte ich in warmes Sonnenlicht. Staub wirbelte auf, reizte meine Nase und Lungen, worauf ich nicht nur niesen musste, sondern auch mit einem Hustenanfall zu kämpfen hatte.
»Alles klar, Gretchen?«, fragte Schmitti alarmiert. Ich beruhigte ihn, sagte, dass ich mich nur selbst außer Gefecht setzte. Aber immerhin drang nun durch das enthüllte Fenster Tageslicht ins Zimmer.
»Man, jag mir nicht so 'nen Schrecken ein«, jammerte Schmitti gedehnt. Ich hörte ihm schon gar nicht mehr zu, sondern sah hinaus in den Innengarten, in den ich vom ersten Stock aus einen guten Blick hatte. Er war sicher einmal schön gewesen, doch nun spross Unkraut jenseits der einst gepflegten Blumen- und Kräuterbeete, während sich an der Rinde der mächtigen Eiche im Zentrum ein Geflecht aus Moos und Schlingpflanzen ausbreitete. Die Steinplatten des Weges, der sich von einer Seite zur anderen zog, wölbten sich teilweise nach oben, einige von ihnen wirkten zersprungen. Die Bank unter der Eiche zierten dunkle Flecken, die von hier oben so groß wirkten wie meine Hand, während auch hier das Unkraut emporsproß.
Eine Weile bewunderte ich die Rückeroberung der Natur, dann drehte ich mich um.
Der Staub tanzte in der Luft. Ich rieb mir die juckende Nase und musterte nun den Raum, der sich vor mir erstreckte. Die Möbel entpuppten sich als schlecht verhangene Bücherregale. Einige, die das Zentrum des Zimmers in einem U einnahmen, gingen mir gerade bis zur Hüfte, während jene an den drei Innenwänden bis zur Decke reichten und dicht an dicht standen.
Ich zog eines der Laken von dem erstbesten Regal herunter und wirbelte eine neue Woge Staub auf. Mit den Fingerspitzen fuhr ich über die Einbände der Wälzer, die zuhauf auf den massiven Böden zum Vorschein kamen. Das raue Leder fühlte sich gut an meiner Haut an.
Ein wenig neigte ich den Kopf, um die Titel in goldenen Lettern besser lesen zu können. Als ich feststellte, dass ich sie nicht entziffern konnte, bewunderte ich lediglich die verschnörkelte Schrift.
Das gesamte Regal war voller Bände, die ich nicht benennen konnte. Neugierig zog ich ein dünneres Buch heraus, das dennoch schwer auf meiner Handfläche lag, und blätterte darin. Ich schnaufte. Alle Seiten waren handgeschrieben. Die Wörter standen eng beieinander, doch trotz der makellosen Schrift konnte ich es nicht lesen. Ich stellte das Buch zurück, um das nächste anzuschauen, stellte aber dasselbe fest.
Ich kaute auf meinem Daumennagel.
»Ich fass es nicht«, raunte Schmitti durch die Leitung.
»Was ist los?«, erkundigte sich Klager ruhig, während mir das Herz erneut in die Hose gerutscht war.
»Unser Hexenmeister, also known as Giftmischer, hortet alten Schund.« Ich hörte Schmitti schnaufen, vermeinte das Rascheln von Buchseiten zu vernehmen. »Liebesromane aus dem vorigen Jahrhundert, Gedichte, feurige Dramen ...« Es rumpelte, gefolgt von einem wüsten Fluch.
»Kommt davon«, murmelte ich und widmete mich wieder meiner eigenen Entdeckung. Ich zog das Laken des nächsten Regals herunter, doch auch hier waren meine Leseversuche von keinem Erfolg gekrönt. Leise vor mich hin murmelnd wiederholte ich das Spiel, bis ich bei den kleineren Regalen angelangte.
Unterdes ächzte Schmitti in meinem Ohr. »Ich glaub, ich hab was für dich gefunden, Gretchen.«
»Will ich es wissen?«, fragte ich seufzend, entfernte zeitgleich die Laken, um sie grob gefaltet zu Boden zu werfen. »Halt, warte, vergiss die Frage.«
»Erotische Figürchen. Allein, zu zweit, zu dritt ... Die Figuren, die der hier unten gebunkert hat, würden selbst dir die Röte ins Gesicht treiben«, erklärte mein Freund unbeeindruckt.
»Echt?« Ich versuchte nicht einmal, Begeisterung zu heucheln. Vor einem der Regale ging ich in die Knie, doch auch dieses Mal hatte ich kein Glück. Wieso mussten Hexer aber auch immer so geheimniskrämerisch sein? Konnte man nicht einmal einfach Dinge normal aufschreiben wie jeder verfluchte Mensch?
Schmitti riss mich erneut aus den Gedanken. »Gretchen, der Kerl ist widerlich. Oder - war. Keine Ahnung. Ich hoffe gerade ernsthaft, der bleibt verschollen.«
»Weswegen nun schon wieder?« Klang ich genervt? Selbst wenn, mein Freund ignorierte es geflissentlich, besonders dann, wenn er in seinem Element steckte: in den schmutzigen Geheimnissen anderer Leute wühlen.
»Der Kram im Keller ist noch harmlos im Vergleich zu der Kammer, die sich dahinter befindet.«
»Spann uns nicht auf die Folter«, schaltete sich nun auch Klager wieder ins Gespräch ein.
»Ich glaube, das solltet ihr euch selbst ansehen.«
Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich begriff, dass Schmittis Stimme nicht aufgrund der schlechten Leitung zitterte. Hastig richtete ich mich auf, taumelte einen Schritt zurück und fuhr mir über die pochende Stirn.
»Gibt es noch einen anderen Weg ins Kellergeschoss?«, fragte Klager und ich hörte, wie er an etwas rüttelte, das sich verdächtig nach einer verschlossenen Tür anhörte. Klar, weil man als Hexer ja auch alle Türen verriegelte. Oder waren es die Spürhunde gewesen, um uns einen Streich zu spielen?
»Keine Ahnung«, raunte Schmitti. »Leute, das ist nicht mehr lustig hier unten.«
»Wir kommen«, sagte ich, stieß mir beim Vorbeigehen die Hüfte am Regal und zischte, als sich etwas am Bund meiner Hose verfing. Ich blickte hinab. Ein Teil der Seitenwand hatte sich gelöst; ich kniete mich davor, ruckelte an dem losen Brett und setzte mich beinahe auf den Hosenboden, als es nachgab.
Ich stieß ein leises »Huh« aus, als ich mit der Seitenwand in der Hand auf einen Hohlraum starrte, in dem sich gut sichtbar eine Schatulle befand. Ich legte das Brett beiseite und wollte bereits nach ihr greifen, als ich innehielt. Langsam rutschte ich näher, streckte den Kopf vor und schnupperte. Doch alles, was ich wahrnahm, war der Geruch von altem Holz und Staub, der mir wieder in der Nase krabbelte.
Ich zögerte, nahm dann all meinen Mut zusammen und schnappte nach der Schatulle, zog sie mit einem Ruck heraus. Nichts geschah. Weder spickten kleine Nadeln meine Fingern noch floss zäher Schleim über meine Hände. Ich wusste selbst nicht, was ich erwartet hatte.
Schmitti drängte zur Eile, weil er keine Lust hatte, allein in dem finsteren Loch zu bleiben. Unter Klagers Schritten knarzten bereits die Stufen, während er versuchte, unseren Kollegen zu beruhigen.
Stöhnend rappelte ich mich hoch. Schnellen Schrittes huschte ich in den Gang hinaus, der am Ende eine Biegung machte. Ich stolperte die ersten Stufen der Treppe hinab, nahm dann zwei auf einmal, hielt nicht einmal im Erdgeschoss inne, sondern lief direkt weiter, bis vor die Kellertür, durch die Schmitti am Anfang unserer Suche verschwunden war.