Zuerst wollte ich den Text nur nacheinander reinstellen, aber ich glaube, dass man dann den Sinn des Textes nicht richtig verstehen würde. Darum habe ich die Kurzgeschichte komplett reingestellt. Zwar ist es nun recht viel zu lesen, aber mir geht es auch nicht unbedingt um die Korrektur, sondern vielmehr um die Message an sich. Ich hoffe, ihr verzeiht mir dies und genießt meine Kurzgeschichte.
~Purpur~
25.8. 2017
Wie einstudiert wanderte meine linke Hand samt Kopfhörer zu den Ohren und steckte sie ein, während ich mit meiner rechten Hand auf dem Handy die Playlist aufrief. Kaum ertönten die ersten Klänge, fühlte ich mich viel entspannter. Der ganze Ballast fiel von mir. Der Stress, die Arbeit und das Leben fühlten sich angenehmer an.
Wiedermal war Freitag Nachmittag. Wiedermal wusste ich nicht, was ich am Wochenende tun wollte. Vermutlich doch wieder nur die Zeit am Computer totschlagen, mit hirnabtötenden Onlinespielen, während ich mir das komplette Sortiment an Fastfood hineinstopfe. Das größte, das ich mir gönne.
Und am besten konnte man dies mit ordentlicher Musik einläuten. Um all den Großstadtstress zu vergessen. Die mit Feinstaub verpestete Stadtluft der vielen Autos, die an mir vorbeifuhren. Die Passanten, die stur und scheu auf dem Bürgersteig flanierten. Der ohrenbetäubende Lärm.
Wie jeder andere Freitag.
Bis auf eine junge Frau, die etwas unbeholfen ihren Weg durch die Menschenmassen suchte.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich sie. Viel erkennen konnte ich von ihr nicht. Dafür war es hier zu überfüllt.
Sie kam immer näher und schaute in meine Richtung. Wollte sie etwas von mir?
Ich ließ mich erstmal nicht beirren und konzentrierte mich wieder auf meine Musik.
Aber sie kam immer weiter auf mich zu und ließ den Blick nicht von mir ab.
Ich drehte mich um, niemand war zu sehen. Sie wollte tatsächlich zu mir.
Bereits geahnt, stellte ich die Musik leiser und nahm die Kopfhörer ab. Hässlich war sie keineswegs. Optisch schon ansprechend. Anfang zwanzig schätzte ich sie. Schwer zu sagen, was mir an ihr am besten gefiel. Ob die lässigen Klamotten oder die flippige Frisur. Jedenfalls fühlte ich mich überrumpelt.
„Entschuldigung, kennst du rein zufällig den Weg zur Post in Southwest-Stanville?“ Sie blickte auf ihre Uhr am Handgelenk. „Ich habe nur noch knapp eine halbe Stunde Zeit und weiß absolut nicht, wie ich dort hinkomme.“
Ich war immer noch leicht irritiert von ihrer Aufmachung in Kombination mit der teuren Uhr und der recht ungezwungenen Anrede. Natürlich wusste ich den Weg, fuhr schließlich jeden Tag mein Bus diese Route.
„Zwanzig Minuten braucht der Bus ungefähr bis dort hin. Er kommt in zwölf Minuten. Also wären Sie in einer guten halben Stunde dort.“
„Das ist leider zu spät“, bedauerte sie und schaute wieder auf ihre Uhr. Nach ein paar Sekunden peinlichen Schweigens blickte sie wieder auf und mir direkt in die Augen. „Kannst du mir den Weg erklären? Ich bin mit dem Auto hier und fände es etwas umständlich, mir noch ein Ticket für den Bus zu kaufen.“
„Ja, gern...“ Irgendwie kam ich mir leicht veralbert vor. Keine Ahnung, warum. Aber irgendwas sagte mir, dass es vielleicht sogar besser wäre, wenn sie es nicht rechtzeitig schaffen würde. Aber was gingen mich anderer Leute Probleme an?
„Sie folgen der Hauptstraße, den Park entlang, bis zur zweiten Kreuzung und biegen dann links ab in die Jefferson. Dieser folgen Sie dann bis zum Supermarkt und biegen dann halb rechts ab. Wenn Sie es bis Vierunddreißig dorthin schaffen, fahren Sie durch, bis zur Carson-Efron Bank und dann über die Brücke. Wenn Sie es nicht bis Vierunddreißig schaffen, fahren Sie schon die Einbahnstraße vor der Bank links rein. Aber falls dort schon von Anfang an alles zugeparkt ist, fahren Sie gleich an der nächsten Kreuzung rechts in das Wohngebiet. Dann immer rechts abbiegen, bis Sie wieder bei der Brücke rauskommen. Das klingt zwar nach einem Umweg. Aber wenn man bedenkt, dass Dreißig die Geschäftsleute Pause haben und etwa fünf Minuten brauchen, um die Gebäude zu verlassen, und somit die ganze Kreuzung blockieren, ist meine Alternative doch sinnvoller. Jedenfalls, wenn Sie die Brücke überquert haben, wechseln Sie in die zweite Spur von links und folgen dieser bis zum Kreisverkehr. Da dann die zweite Ausfahrt nehmen, durch die Unterführung und schon sind Sie da. Außer Sie haben eine Kreuzung vor dem Supermarkt länger als fünf Sekunden rot. Dann biegen Sie nicht ab, sondern fahren weiter, bis sie links die große AnRaMexx-Reklame sehen. Das ist die Werbung mit der hübschen Rothaarigen mit den großen Ballons. Dahinter biegen Sie dann links in die B. Franklin ab und fahren die Serpentinen entlang. Anschließend durch die zwei Unterführungen und an der T-Kreuzung rechts. Dann die vierte Einbahnstraße links und am Ende wieder rechts. Der Straße folgen, bis Sie dann dort zum Kreisverkehr kommen. Dort auch wieder die zweite Ausfahrt und geradeaus. Dann kommen Sie auch hin.“
Ganz verwirrt blickte sie drein, mit imaginären Fragezeichen über dem Kopf. „Es tut mir leid, aber ich habe absolut nichts verstanden.“
Wieder schaute sie auf die Uhr und wurde langsam immer unruhiger. Und gleichsam fragte ich mich immer mehr, was so dringend abgeholt werden musste.
Aber was sie dann sagte, kam zu überraschend. „Hättest du etwas dagegen, mich zu begleiten und mir auf der Fahrt den Weg direkt zu zeigen? Ich würde dich auch dafür entschädigen und auch nach Hause fahren.“
Sie tickte echt nicht richtig. „Ich weiß nicht so recht. Wir kennen uns nicht und es würde sich falsch anfühlen, zu einer fremden Person mit ins Auto zu steigen. Vor allem weil Sie eine Frau sind.“
Schiefen Blickes musterte sie mich und schüttelte leicht den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du so einer bist.“
Ich stutzte über diese freche Bemerkung und konterte, wenn auch zurückhaltend: „Ich meinte auch nicht mich...“
Sie schmunzelte nur und warf mir einen zweideutigen Blick zu.
Nun schaute ich nach, wie spät es war. Es war reiner Instinkt, ohne wirkliche Bedeutung. Zumal ich wenige Sekunden später schon wieder vergessen hatte, wie spät es war.
Sie, völlig unruhig und hektisch wippend. „Zeigst du mir nun den Weg? Deine Freundin wird auch nichts davon erfahren.“
„Ich... Äh, okay..?“ Schweigen war das einzige, das ich über die Lippen brachte.
„War das jetzt ein 'Ja'?“, fragte sie skeptisch nach, ihren Autoschlüssel schon aus der winzigen Hosentasche holend.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich denke schon.“
Verlegen schmunzelte sie und reichte mir die Hand. „Lass uns einander duzen. Amelia.“
„David.“
Ich folgte ihr den Gehweg entlang, zu ein paar Autos, die am Straßenrand parkten. Etwas mulmig war mir ja schon bei der Sache. Aber nun hatte ich zugestimmt und wollte mich nicht schon wieder anders entscheiden. Am Ende sollte ich es wirklich bereuen und sie vielleicht doch einen sehr wichtigen Termin verpassen.
Und andererseits war sie sehr attraktiv.
Wir passierten ein paar Autos und ich rätselte nebenher, welches ihres sein könnte.
Irgendwann blieb sie dann stehen und ging zur Tür eines dunkelvioletten Chevrolet Camaro. Selbstsicher entriegelte sie ihn, während sie zur Straßenseite ging, um einzusteigen.
Ich blieb erstaunt davor stehen und versuchte, die Situation immer mehr zu begreifen. Sicherlich erschien es nicht abwegig, dass sie so ein Geschoss fuhr, aber überraschend war es schon.
„Los, steig ein“, meinte sie und zwinkerte mir keck zu. Dann tat sie jenes.
Ich zögerte noch, linste durch die Scheibe und betrachtete sie einen Moment.
Dann blickte sie rüber und ließ die Scheibe runter. „Steig ein.“
Dann sollte es wohl so sein...