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Obwohl sonnenbeschienene Gebirgspässe ihn in der Regel mit ihrer atemberaubenden Aussicht durchaus verlocken konnten, wünschte sich der junge Held gerade nichts lieber als Nacht, Nebel und dichten Fichtenwald. Im Gegensatz zu schutzbietenden Bäumen gab es hier jedoch nur hüfthohe Sträucher und geradezu gehässig-flaches Geröll. Für die ihn beidseitig flankierenden Greifenreiterinnen kam die Verfolgung einer Schießübung gleich.
„Ich weiß immer noch nicht, was die von mir wollen!“, fluchte er zum wiederholten Mal und versuchte, sich möglichst unvorhersehbar zu bewegen.
Tipps für eine glatte Rasur?, mutmaßte das Schwert.
„Das sind allesamt –“
Ich weiß, unterbrach die Stimme vielsagend.
Ein weiterer Pfeil bohrte sich dem jungen Helden in den Umhang und streifte seine Hüfte.
Ich glaube, die wollen dich nicht tot oder lebendig, raunte die Stimme geheimniskrämerisch.
Hätten seine Überlebenschancen für die naheste Zukunft nicht derart linear mit dem Führen einer Waffe korreliert, hätte er sie vom Pass geworfen.
Hey!, beschwerte sich die Stimme. Ich will nicht zu den Silberreiterinnen. Die benutzen fast nur ihre dämlichen Bögen.
„Wer sind denn diese Silberreiterinnen?“, fragte der junge Held in der Hoffnung auf hilfreiche Informationen, während er weiter im Zickzack über den Pass hopste.
Maaan, du kennst dich wirklich nicht aus, seufzte das Schwert mitleidig. Die Silbergarde von Rieltal? Die einzige Bergbaunation, auf die Zwerge neidisch sind? Die –
„Hilf mir endlich!“, schrie er, als ein Pfeilschaft im Vorbeiflug sein linkes Ohr kitzelte.
Jaja, sagte das Schwert gelassen. Hm... also hier oben bist du zu ungeschützt.
„ACH?!“
Lass dich den Hang da links runterrollen.
Der junge Held widerstand dem Drang fassungslos stehen zu bleiben. „Da brech ich mir alle Knochen!“
Wenn du die Baumgrenze erreichst, endest du vielleicht nicht als faulender Fleischspieß, entgegnete die Stimme ungerührt.
Obwohl ihn die Aussicht auf Prellungen und Knochenbrüche ängstigte, gab er dem sicheren Tod den Laufpass und sprang den spärlich bewachsenen Abhang hinunter. Erwartungsgemäß verlor er sofort den Halt, überschlug sich und mimte eine ächzende Lawine. Als der junge Held versuchte irgendwo Halt zu finden, schlugen seine Hände schmerzhaft gegen harte, glatte Felsen.
Mach dich klein, Bursche!, drang die Stimme zu ihm durch. Wenn du jetzt anhältst, hättest du dich auch gleich oben auf den Pfad legen können.
Leider durfte er der einladend wirkenden Ohnmacht nicht nachgeben. Stattdessen konzentrierte sich der junge Held mit aller Macht auf seine rasante Talfahrt und insbesondere auf das sich rasch nähernde Wipfelmeer unter ihm. Nun jedoch verschwanden die Baumkronen hinter einer Klippe –
HALT AN!, plärrte die magische Waffe in seinem Kopf.
Auf weitere Schmerzen gefasst, machte er sich so breit wie möglich, erkannte jedoch, dass es nicht ausreichen würde. Er drehte sich auf den Bauch und krallte die Finger in den teils erdigen Untergrund. Er fokussierte all sein Denken darauf, sein Abrutschen zu verlangsamen, sodass er die kleine Felskante, welche ihm eine Rippe brach, fast nicht bemerkte. Der Hang flachte plötzlich ab, die Reibung schwand mit einem Mal und seine Sohlen fanden sich freischwebend wieder, während er sich keuchend gerade noch so mit seinem linken Arm am hervorstehenden Fels festklammern konnte. Über ihm kreisten vier Greifen, welche rasch zu ihm herab sanken.
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Jaja, es ist 53 a.