So, waehrend wir die DVD von Teil 4 unseres Filmprojekts zusammenstellen und die Dreharbeiten von Teil 5 noch mitten im Gange sind, kann ich schon als erster einen Blick auf die Folge 6 werfen und die Geschichte dazu schreiben.
Wie das letzte Mal auch ist der Hauptsinn der Uebung, eine Basis fuer das Drehbuch zu haben - wir wollen festhalten was die Protagonisten denken, was sie treibt - und uns dann ueberlegen, wie man das filmisch umsetzen kann. Trotzdem schauen wir natuerlich schon auf Verfilmbarkeit, daher gehen halt nicht alle Plot-Twists die man sich auch ausdenken kann.
Wer Spass dran hat das hier erst mal zu lesen und dann nachher den Film dazu zu sehen, oder wer einfach so seine Meinung dazu sagen mag ist herzlich eingeladen.
Die Folge 6 wird sehr 'hexisch' - es geht viel um Ritual und Brauchtum im Dorf, und als Kontrapunkt zu der Krankheit, die das Dorf im Winter heimgesucht hat gibt's jetzt auch eine Hochzeit (Ronja, die fuer uns schon zweimal gestorben ist - einmal in der Phantasie der Kinder und einmal ohne dass ihr Gesicht zu sehen waehre - darf diesmal heiraten um das ein bisschen auszugleichen...)
"Rórdán wirklich, man könnte meinen du wirst der Göttin geopfert statt dieses Jahr ihr Gefährte zu werden. Halt' doch mal still!"
Caoimhe tastete kurz über die Haare des Mannes der vor ihr auf einer Bank saß und rückte dann den Kranz aus Eichenlaub zurecht der seinen Kopf zierte. Helles Sonnenlicht fiel durch die Blätter der Obstbäume und malte verspielte Muster auf dem Frühlingsgras, glänzte auf der verzierten Fibel die neben Rórdán bereit lag und ließ die Farbe des gefalteten Umhangs darunter hell aufleuchten. Doch nichts davon konnte die Frau sehen - sie war von Geburt an blind. Statt dessen lauschte sie auf das leise Rauschen des Windes in den Blättern, das Summen der Bienen und roch den Duft des Grases.
Rórdán seufzte.
"Es ist... " Er schüttelte den Kopf und setzte erneut an. "Es ist nicht so daß ich nicht sehen würde daß die Feste wichtig sind. Aber die Rituale des Jahreskreises - das ist nicht so meine Welt. Nicht so wie für dich - ich weiss das es dir wichtig ist. Aber Magie... und Gefährte der Göttin? Ich bin ein Schmiedegehilfe - was soll ich bei solchen Ritualen?"
Caoimhe lachte leise. "Ich hatte nicht den Eindruck, daß du dem Beltainefest und seinen Ritualen bisher so abgeneigt warst.", stellte sie fest. Rórdán versteifte sich für einen Moment und war plötzlich froh, daß die Frau hinter ihm die aufsteigende Röte in seinem Gesicht nicht sehen konnte. Auch wenn er die Ahnung nicht loswurde, daß sie sie trotzdem irgendwie spürte.
"Ist es wegen Clíodhna?", fragte Caoimhe weiter, während sie seine Haare um den Eichenlaubkranz mit geschickten Fingern zu einer Art Krone flocht. "Ich dachte, ihr kommt dieser Tage ganz gut miteinander aus?"
Rórdán zuckte die Schultern. "Nein... ja.", begann er schließlich. "Es ist nicht wegen Clíodhna selber. Ja, manchmal macht sie mich nervös mit ihrer Art, aber das ist es nicht. Es ist, sie als Hexe in einem Ritual zu treffen... Mir ist das alles fremd, Caoimhe. Ein Trankopfer vergießen, ein paar Worte sagen, das ist das eine. Aber in einem Ritual das ich noch nie gesehen habe der Gefährte der Göttin zu sein... Ich meine, was ist wenn sie irgendwas von mir erwartet, etwas das ich tun oder sagen muß? Ich soll irgendwie den Geist des Beltainekönigs in mir tragen und der Göttin begegnen - aber was ist wenn ich ihn gar nicht spüren kann? Wenn ich die Göttin nicht sehe? Und dann stehe ich da, mitten im Ritual, und ich bin einfach nur ich. Was dann?"
"Armer Rórdán.", meinte Caoimhe, halb spöttisch und halb tröstend. "Es erwartet doch niemand von dir, Magie zu wirken - das ist Clíodhnas Aufgabe - und sie wird dich auch durch das Ritual leiten. Ich hab' es dir doch schon erzählt - es ist alles symbolisch. Die Hexe wird irgendwann die Invokation sprechen
Hilf, den Altar in alter Weise zu errichten,
im Mittelpunkt des magischen Zirkels,
dem Mittelpunkt aller Dinge,
dem Ursprung aller Dinge,
dort, wo Schwert und Kelch sich vereinen!
Und in diesem Moment hält sie dir einen Kelch mit Wein entgegen, du ziehst deinen Dolch, hältst ihn einen Moment nach oben und tauchst ihn dann kurz in den Kelch ein. Und danach trinkt ihr beide davon. Das ist alles was von dir erwartet wird. Meinst du, du bekommst das hin? Oder ist das zu schwer?"
Gegen seinen Willen mußte Rórdán lachen. "Nein, das bekomme ich schon hin." - "Dann hör jetzt auf, so zu tun als würdest du zur Schlachtbank geführt. So, ich denke wir sind fertig - deine Herrschaft als Beltainekönig kann beginnen!"
***
Mit Umhang und Fibel angetan, die Krone aus Eichenlaub auf dem Kopf machte Rórdán sich auf dem Weg aus dem Dorf zur Festwiese hin. Der Geruch von frischem Gras und dem Grün der jungen Fichtentriebe im Wald lag in der Luft und vermischte sich mit dem Aroma von Gebratenem und Gewürzen. Drei Tage hatten die Vorbereitungen gedauert - die Tische auf der Festwiese waren voll mit Köstlichkeiten, die Dorfältesten hatten ihre Keller geöffnet und Krüge von Wein aus dem Süden hervorgeholt, wer letzten Herbst Apfelwein gepreßt hatte hatte davon noch gegeben, und fast jeder Haushalt im Dorf wetteiferte mit schaumigem dunklen Bier darum, wer die Geheimnisse der Braukunst am tiefsten durchdrungen hatte. Jeder aus dem Dorf hatte seine besten Gewänder hervorgeholt, die Mädchen hatten sich mit bunten Bändern geschmückt, die Jungen trugen stolz ihre Lederwesten, Dolche oder Äxte, die Kinder tollten dazwischen herum, die Alten standen, in Gespräche vertieft - die ganze Wiese war ein Meer aus Farben, überragt vom großen Holzstoß des Beltainefeuers. Es war, als würde das Dorf nach dem langen, dunklen Winter plötzlich nach draußen drängen, als würde sich die Sehnsucht nach Licht und Farbe auf einmal Bahn brechen, als müßte das Leben selbst mit einem einzigen rauschhaften Fest begangen werden.
Was schließlich irgendwie der Sinn an Beltaine war.
In einiger Entfernung zu den Tischen standen Líadan und Bregon, umringt von kichernden Brautjungfern, die junge Frau reich mit Wiesenblumen geschmückt. Das erste Handfasting seit zwei Jahren - und ein Zeichen für alle, daß das Leben nach den vielen Toten des Winters weitergehen würde. Wenn überhaupt, dann sah Bregon noch nervöser aus, als Rórdán selbst sich fühlte. Und die beiden sahen so jung aus - eigentlich viel zu jung, um zusammen einen Haushalt zu führen. Ailbhe und Tighearnán standen ebenfalls abseits der Wiese, beide funkelten sich ärgerlich an - offenbar wurden harte Worte gewechselt. Er seufzte. Nicht einmal an einem solchen Tag konnten die Dorfältesten aus ihrer Haut.
"Rórdán!" Lautes Rufen und Klatschen begrüßten sein Kommen, Becher wurden zum Gruß emporgereckt, und er hob seine Hand zur Antwort.
"Heil dem Beltainekönig!", schallte der Ruf über die Wiese.
Ein Lächeln das er nicht spürte auf seine Lippen zwingend, nickte er Freunden und Bekannten zu und schüttelte Hände und nahm die Hochrufe entgegen. Dann sah er Ailbhe, die sich zielstrebig einen Pfad durch die Menge bahnte, einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf den Lippen. Innerlich seufzte er. Es würde wohl ein langer Tag als König des Dorfes werden...