Holter die Polter
Oder was passiert, wenn man einem Poltergeist einen Gefallen tut
Eins
Mina war nicht gut drauf.
Eigentlich war sie nie gut drauf. Besonders dann nicht, wenn sie zur Schule musste. Dann begann der Tag schon übel. Immer dieses Ärgernis mit dem Aufstehen, das verfluchte duschen und dann natürlich die Odysee des Ankleidens.
Sie hasste das alles.
Das Mädchen hatte bereits vor einiger Zeit damit begonnen, zwei Stunden früher aufzustehen, damit sie zum Einen ihrem kleinen Nervzwerg von Bruder, und zum Anderen dem allmorgendlichen Geschmachte zwischen ihrer Mutter und deren neuen Freund entging.
Auch den Weg zur Schule im nächsten Ort lief sie mittlerweile zu Fuß, damit sie ihre Mitschüler so wenig wie möglich, am besten gar nicht vor Schulbeginn zu Gesicht bekam, auch wenn sie dafür in Kauf nahm, noch vor verschlossener Tür zu stehen.
Dann vertrieb sie sich meistens die Zeit damit, auf einer Parkbank zu sitzen, die ein oder andere Zigarette zu rauchen und betrübt in die endlose Sinnlosigkeit zu starren.
Ihre Mitschüler und Sie hatten eine stille Übereinkunft getroffen, damit sich beide Seiten nicht allzu derbe ärgern mussten. Die Anderen Versprachen, sie nicht anzusprechen, nicht anzutippen, ihr nicht in die Augen zu sehen, nicht auf den Hintern oder die Oberweite zu starren, sie nicht anzuremplen und ihr keine dämlichen Spitznamen zu geben.
Mina hingegen gelobte, ihnen dafür nicht jedesmal die ewige Verdammnis auf den Hals zu wünschen, und soweit funktionierte das ganz gut, nachdem das Mädchen auf den Fluren eh meistens auf den Fußboden starrte, um vielleicht doch die Verdammnis zu finden, während aus ihren Kopfhörern die wunderbar depressive und lebensverneinende Musik ihrer Lieblingsband Furrydolls Forever hämmerte.
Und nun standen da auf einmal zwei Paar Schuhe. Die einen gehörten Ihr, da war sie sich recht sicher, zumal doch ihre grün-pinken Chucks ihr Statement zu der allgemeinen Highheelpandämie waren, welche seit dem Schulball herrschte. Doch welche Füße in dem ausgelatschten Paar Turnschuhen steckten, wusste sie nicht recht, also sah das Mädchen genervt auf.
Vor ihr stand Jack. Er war, außer ihren Lehrkräften und der langweiligen Banknachbarin Lilly der einzige, von dem sie zumindest einen Teil des Namens kannte und ihn ohne den Drang sich zu übergeben aussprechen konnte.
Äußerlich war er in so mancher Hinsicht das komplette Gegenteil von Mina. Er war rund drei Köpfe größér als das Mädchen, was bei ihrer Größe von nur einem Meter sechzig keine allzu herausragende Leistung war, war muskulöls, jedenfalls wenn sie sich als Standart nahm, mit seinen fünfundsiebzig Kilo rund zwanzig Kilo schwerer und er hatte dichtes, schwarzes Haar bis zum Steißbein, wofür sie ihn innerlich verdammte. Denn sie selbst trug das Damoklesschwert der blondverseuchten DNA ihrer Mutter in sich, was sie dazu zwang, ihren Haaren alle paar Monate einen neuen Farbanstrich zu verpassen.
Aber vor allem war Jack ein Kerl.
Und Mina hasste Kerle. Ihre Arroganz, ihr Gehabe und dieser permanente Zwang zum Schwanzvergleich, und wenn es lediglich um die Länge von Bleistiften ging.
Es hatte zwar ein bisschen gedauert, aber Mina hatte schnell gemerkt, dass sie sich, die anatomischen Differenzen außer Acht lassend, in vielen Dingen ähnelten. Dummerweise hatte das dazu geführt, dass man sie seit dem Schulball vor zwei Wochen für ein Paar hielt. Denn obwohl Beide absolut keine Lust auf so eine lebensbejahende, schillernde und konforme Veranstalltung hatten, wurden sie durch das oberstudienrätliche Edikt der Pflichtveranstaltung dazu genötigt. Und besser die Gesellschaft gemeinsam verfluchen als alleine. Misanthropie macht in der Gruppe einfach mehr Spaß.
Und weil ihnen auf diesem Fest nichts besseres einfiel, hatten sie im Nebenraum der Garderobe -hauptsächlich als Protest gegen das System und den Systemzombies, aber auch ein bisschen aus Langeweile- miteinander geschlafen. Und natürlich, so verlangt es die Etikette der verbotenen Handlungen bei Schulveranstaltungen, waren sie erwischt und kurzerhand zwei Wochen vom Unterricht suspendiert worden, auch wenn Beide darauf beharrten, dass es ihnen zu keinem Zeitpunkt Spaß gemacht hätte. Die Bürokratie war einfach ein Rektum Justus (= ein rechtes Arschloch, nicht zu verwechseln mit dem Rektor Justus, dem gerechten Herrscher/ Lehrer, Anm. d. Autors)
"Was geht," sagte Jack in seiner gelangweilten Art, ohne eine Miene zu verziehen. Mina schob, wie sooft genervt, eine ihrer Hörmuscheln hinters Ohr.
"Hm? Ach, Du..." antwortete sie und blickte wieder zu Boden, um den leichten Roséton, der sich da gerade auf ihre Wangen schlich, zu verbergen. Sie sah ihn immerhin seit der Sache in der Garderobe das erste Mal, und so übel fand sie ihn jetzt auch nicht mehr wirklich. Man konnte sogar fast, mit ein bisschen Wohlwollen, sagen, dass sie ihn mochte.
"Also, ich hab mich gefragt," fing Jack an, "ob du vielleicht Lust hättest, heute Abend abzuhängen oder so.."
Für eine Sekunde blieb ihr die Luft weg. Verdammte Axt, ob sie Lust hatte? Natürlich hatte sie Lust! Sie war achtzehn sieben zwölftel Jahre alt, damit volljährig, die Ausgangssperre seit dem "Vorfall" seitens ihrer Vormundschaft war vorbei und sie verstand, wahrscheinlich, Abhängen als ganz genau das Abhängen, was Männlein und Weiblein in diesem Alter so tun, wenn sie vom Abhängen reden. Doch, und dafür verdammte sie sich ein bisschen, sprach das gegen den Berufsethos einer semiprofessionellen Menschenhasserin.
"Ne keine Zeit, muss für Morgen auf Bio lernen" gab sie stammelnd zurück, während sie sich nicht entscheiden konnte, lieber im Boden oder in der Wand neben ihr die ewige Verdammnis zu suchen.
"Ach so, na dann." gab der ihr Gegenüber mit einem Kopfnicken zurück. "Dachte nur. Hab heute Sturmfrei und das neue Album von Corpses of the Eternal Damned is draußen und dachte du hättest Lust gemeinsam die Nachbarn zu verstören"
Ja, diese Version von Abhängen hätte ihr auch gefallen.
"Aber wenn du nicht kannst, kein Thema." Er klopfte ihr auf die Schulter und schlurfte den Schulgang von Hinnen.
Mist verfluchter, konnte der Tag denn noch schlimmer werden? Die Antwort folgte stehenden Fußes. Nämlich mit der Aushändigung der letzten Englisharbeit, bei der auf Minas Exemplar eine gar nicht so unüble "Fünf" gemalt war, sieben Mal, je jach Auslegug, zornig umrandet und mit einem Ausrufezeichen versehen. Nach dem Unterricht machte sie sich auf den Heimweg und hoffte, dass sie zumindest dort, in ihrem Refugium, ihrem Rückzugsort und Zimmer, ein bisschen ruhe hatte.
Doch auch Dort endete Ihre Höllenfahrt nicht. Denn bereits in der Diele erwartete sie ihre ziemlich angesäuerte Mutter mit verschränkten Armen und dem missbilligstenden Blick, den sie seit zwei Wochen erhalten hatte.
"Wirklich? Schon wieder?" fauchte sie enttäuscht. "Evelyn, wenn du dich nicht bald zusammen reißt, kommst du nie auf einen Grünen Zweig, wirst keinen Abschluss haben und auch keinen guten Job! Das liegt doch alles nur an diesem Jack-Typen!"
Mina platze der Kragen. Sie wurde rot vor Zorn, noch ehe sie sich die Schuhe ausgezogen hatte. Sie bebte nicht nur innerlich, ihr ganzer Körper vibrierte. Nicht nur, dass es eh schon ein vollkommen abgeranzter Tag in der Schule war, kaum als sie die Tür aufgeschlossen und eingetreten war, konfrontierte sie ihre Mutter auch noch mit dem Versagen in der Englischarbeit, ohne ihr auch nur ein paar Minuten Verschnaufpause zu gewährleisten. Und sie nannte Mina bei ihrem Namen. Bei ihrem richtigen Vornamen. Den Namen, den Mina seit dem Beginn ihrers Lebens verabscheut und dagegen lauthals protestiert hatte. Ihre Eltern hatten das vor Verwandschaft und Freunden immer mit den Worten "Ach ja, sie ist halt ein Schreibaby" abgetan, aber Seit ihrer Geburt war sie einfach nicht einverstanden mit dem Sklavennamen, den ihr ihre Eltern gaben und ihr keine Chancen ließen, sich selbst was feines auszusuchen.
So zumindest kam ihr es bei ihrem dreizehnten Geburtstag vor, als sie mit ihr damals BFF, (Best Friend Forever) Kathy, so einen alten Vampirschinken aus den Siebzigern ansah und beschloss, sich fürdahin nur noch Mina zu nennen.
Sie rauschte auf ihre Mutter zu.
"Weißt du was? Ja klar, du hast Recht!" sie konnte ihren Furor kaum bremsen und gestikulierte wild mit den Armen. "Es liegt nicht einfach nur daran dass ich eine Niete in Englisch oder irgend ´nem anderen Fach bin. Ist doch egal ob mich die Schule einen Scheiß interessiert. Nein, ich bin einfach schlecht, weil ich was mit ´nem Typen hatte!" wutentbrannt sah sie zu ihrer Mutter auf, in ihren Augen sammelten sich langsam aber sicher Tränen. "Genauso bist du!" Schrie sie weiter. Ihre Stimme überschlug sich fast. "Schieb´ alle Schuld nur den anderen zu und ignorier´ das Befinden deiner eigenen Tochter! Und wenn´s das für dich besser macht, dann bleib einfach bei deiner verschrobenen Weltansicht wenn dir das gefällt!" sie musste kurz Luft holen, "und wenn wir schon dabei sind, Jack und ich haben nicht aufgepasst!"
Und damit rauschte sie vorbei an ihrer vollkommen perplexen Mutter in ihr Zimmer unter dem Dachboden.
*Natürlich haben Mina und Jack aufgepasst. Ich als Autor kann doch nicht zulassen, dass meinen Helden etwas passiert. Anm. d. Autors*
In ihrem Domizil angekommen, feuerte Mina die Tür mit all ihrer Wut ins Schloss, schmiss die Umhängetasche in eine Ecke, warf sich aufs Bett und boxte mit all ihrer Wut auf das Kissen ein. Sie verachtete ihre Mutter, sie hasste sie aus tiefster Seele, nicht nur wegen der Sache, die sie ihrem Vater und ihr angetan hatte. Sie wünschte ihrer Mutter nicht die Verdammnis an den Hals. Nein, auch Krebs war nicht genug. Mina wünschte ihrer Mutter den Tod.
Das Kissen indess nahm die Prügel in stoischer Gelassenheit hin und dachte sich: Naja, wenns Ihr hilft.
Und so dauerte es nicht lange, bis das Mädchen, erschöpft von dem Tag, dem Gespräch mit Jack, der schlechten Note und dem Streitgespräch mit ihrer Mutter, unter Tränen in ihrem Bett einschlief.
RUMMS!
Sie erwachte.
RUMMS! WUMM!
Sie blickte sich panisch um, doch nichts war zu sehen. Draußen war es mittlerweile finstere Nacht und sie blickte von einem dunklen Ort ihres Zimmers zum nächsten.
RUMMS! WUMM! SCHEPPER!
Mina rollte aus ihrem Bett, tastete sich wie ein Blinder zum Lichtschalter und sah... Nichts. Alles beim Alten, sie konnte keinen Unterschied ausmachen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.
RUMMS! WUMM! SCHEPPER! KLIRR!
Nichts hielt sie mehr in ihrem Zimmer, sie riss panisch die Türe auf, lief die Treppe nach unten, verknackste sich hierbei auch noch den Knöchel. Sie fand das ganze Haus in völliger Finsternis vor.
Mina tastete sich ihren Weg zum nächsten Lichtschalter. Die Energiesparlampen flackerten missmutig auf und warfen ihr wild tanzendes, hämisches Ebenbild an die Wände. Was war hier nur los?
Und ihr Bruder?
Wieso schrie er nicht? Normalerweise hielt er doch schon beim leisesten Geräusch, das seinen Schlaf störte, nicht mehr inne und quäckte los wie eine Feuerwehrsirene.
Im Wohnzimmer angekommen fand Mina eine kurze, dahingekritzelte Notiz:
"Sind ausgegangen, kümmer dich um deinen Bruder."
Kein Bitte, kein Danke. Na herzlichen Glückwunsch. So hats die kleine Miss Missverstanden gerne. Alleingelassen mit einem Kleinkind und mit absolut keiner Idee, was in diesem Haus gerade vor sich geht.
RUMMS! WUMM! SCHEPPER! KLIRR! HEHEHIHEHII!
Entsetzt riss das Mädchen ihren Kopf zur Decke. Vor ihren vom Weinen immer noch leicht verquollenen Augen verblassten die letzten Fragmente der Botschaft ihrer Mutter. Panik umschlang sie
Was war dort?
Es rumpelte, da bewegte sich etwas. Doch nicht bei ihr, ebenerdig. Es kam von... ja... von weiter Oben. Und hatte da nicht irgendjemand gelacht?
Mina riss sich so weit es ging zusammen, ließ ihren Blick noch einmal durch das spärlich beleuchtete Wohnzimmer schweifen, bevor sie sich den Schürhaken vom falschen Kamin griff und langsam, den Blick immer Richtung obere Etage gerichtet, nach oben pirschte.
Auf dem ersten Absatz hielt sie Inne. Da, zu ihrer Rechten, lag das Zimmer ihres nervtötenden Buders Jonas.
Sie horchte an der Tür.
Nichts.
Sie öffnete die Tür einen Spalt breit, um einen Blick auf das ganz und gar unminahafte Himmelbett zu erhaschen.
Doch darin rührte sich nichts.
Sie stieß die Tür vorsichtig, wohlbedacht aller lauten Geräusche, auf, machte Licht und sah, das die Schlafstätte ganz und gar leer war.
Sie durchfuhr erst ein Schock, dann lähmende Kälte. Was zum Teufel war hier los?
Just in diesem Moment juckte dem Teufel in der Hölle die Nase. Er nieste, putzte sich eben jenes satanisches Schnaufgerät, und machte sich dann wieder über seine Akten her.
Das Mädchen verstand die Welt nicht mehr. Zitternd wie Espenlaub wich sie aus dem Zimmer des Säuglings zurück, stieß rücklinks am Treppengeländer an und erstarrte vor Furcht. Doch da war absolut nichts, vor dem sie sich hätte fürchten müssen.
Mina atmete zweimal tief durch, ehe sie den weiteren Aufstieg began. Es rumpelte und pumpelte immer noch, doch war dort kein Lärm mehr an sich zu hören.
Sie schlich an ihrem Zimmer vorbei, ihr Atem wurde schneller und schneller.
RUMMS! WUMM! SCHEPPER! KLIRR! WATZ! PENG! HEHEHI!!
Sie schreckte zurück. Ihre eiskalte und vor Angst verkrampfende Hand war nur noch einen fingerbreit von der Klinke der Tür zum Dachboden entfernt.
Was zum Finsteren Fürsten tat sie da eigentlich? Was kümmerte sie ihre sogenannte Familie? Sie wurde allein gelassen, ihr wurde ohne Fragen sämtliche Verantwortung übertragen und dann passiert so ein Scheiß? Was genau hinderte sie daran, einfach in ihr Zimmer zu gehen, sich unter ihren Decken zu verkriechen und die The Furrygraveyard - EP von den Furrydolls Forever bis auf Anschlag aufzudrehen?
Mina konnte es nicht genau definieren. Vielleicht weil sie doch nicht so schief war. Vielleicht, weil ihre Eltern sie trotz ihres extravaganten Stils liebten und sie sich, so sehr sie das Geschrei am Abend doch verabscheute, doch um ihren kleinen Bruder sorgte?
Wie dem auch sei, sie wollte nicht, dass dieser Abend mit dem Heimkommen ihrer Mutter und deren Lover in einer Eskapade endete, aus welchen Gründen auch immer, und so ergriff sie entschlossen die Klinke zum Speicher.
Sie stand - einmal mehr - in Dunkelheit. Und das gefiel ihr überhaupt nicht. Sie hatte in den letzten fünf Minuten gefühlt mehr Kalorien verbrannt und geschwitzt, als beim heimlichen intermezzo mit dem Laufband ihrer Mutter. (Hey, sie ist achtzehn sieben zwölftel Jahre alt. Da darf man mal auf seine Figur gucken!)
Sie setzte einen Fuß in das Gewölbe. Der Geruch von Staub, nassem Gestein und alten Büchern stieg ihr in die Nase. Sie betätigte den Lichtschalter zu ihrer Linken und stieg die knarrende Eichenholztreppe langsam nach oben. Das Werk ächzte unheilvoll und mahnend unter den Füßen des Mädchens, doch sie ließ sich davon nicht beirren.
Sie legte sich flach auf die Treppe und spähte über den Absatz in den Speicher. Ein Holzsplitter bohrte sich in ihre linke Brust, doch sie unterdrückte den Schmerz so gut sie konnte, biss sich auf die Lippe und blinzelte ihre Tränen weg.
Als sie auch Minuten später nichts verdächtiges bemerkte, raffte sie sich langsam auf, griff sich ins Dekolleté und entfernte mit einem unterdrückten Quiecken den Holzsplitter. Mit leicht feuchten Augen sah sie sich im Schein der einzigen Lampe um, nahm aber außer den wabernden Staubwellen nichts wahr.
Sie war nur sehr selten hier oben gewesen, alles machte auf sie den Eindruck einer fremden Welt. Bei ihrem nächsten Schritt war ihr, als würde sie durch eine unsichtbare Wand treten.
Links von ihr nahm sie ein kurzes, schleifendes Geräusch war und dann... ZACK! mit dem Donnerknall von tausend Kanonen rumpelte die Kiste mit der Weihnachtsdekoration zu boden.
Mina konnte nicht genau sagen, ob es wirklich so laut war, oder ob es bloss an der Stille im Haus lag, aber ihr klingelten die Ohren wie nach einem Livekonzert.
Entsetzt starrte sie zu dem Ort, an dem sich die Weihnachtskugeln und Lametta gerade zu Boden gelegt hatten.
Dann ging das Licht aus.
Mina atmete schwer. In den Unwirren der Finsternis konnte sie nicht einmal sagen, ob das vor ihr ihr Atem oder der aufgewirbelte Staub des Speichers war.
Sie tastete zitternd um sich. Hier war nichts. Kein Laut, kein Ton, kein Wort. und doch war hier etwas. Etwas nicht ersichtliches, das spürte das Mädchen. Sie ertastete das Geländer und umklammerte es so fest, als wäre es ihr lebensrettendes Seil in die Wirklichkeit. Das einzige, das sie in dieser Düsternis wahrnahm, war ihr eigener Puls, der wie ein reissender Fluß durch ihre Ohren rauschte.
Es machte leise, fast unhörbar "Plop!"
Inmitten des ergiebigen Speichers war auf einmal eine helle Gaswolke erschienen. War es Gas? Es konnte genauso gut Nebel oder Trockeneis sein. Aber, egal was es war, es war da. Und Mina sah es.
Verängstigt wie ein neugieriges Rehkitz kroch das Mädchen vorsichtig auf die Substanz zu, bis es nur noch eine Hand breit davon entfernt war. Nichts rührte sich. Alles war still bis auf ein tiefes, monotones Brummen. Eigentlich hätte sie es besser wissen müssen, doch die Schülerin hob ihre rechte Hand. Zitternd, ganz langsam ließ sie sie auf das komische, wabernde Konstrukt zugleiteten.
Bis...
"Ey, spinnst du, hast du zu viel Indiana Jones gesehen oder was???"
Minas Hirn rotierte. Was zum Geier war das? Es schien von allen Wänden gleichzeitig wiederzuhallen. Sie zog ihre Hand zurück, rutschte ungeschickt nach hinten, ehe sie mit dem Rücken auf einen alten Wandschrank prallte. Ihre Hände und Füße schlitterten über den Boden, als würden sie noch weiter zurückweichen wollen, doch der Schrank stand stabil und gab den Weg nicht Preis.
Doch die Gliedmaßen des Mädchens gaben nicht auf, sie ruderten weiter rückwärts, endlos in dem Glauben doch noch einen Pfad weg von diesem.. Ding zu finden. Bis sich die Scherbe einer zerborstenen Weihnachtskugel den Weg tief in den Daumenballen ihrer Hand bahnte, und dank der Bewegung bis weit in den Unteram hinfort schnitt.
Ungläubig hob Mina den Arm an. Warmes Blut quoll aus der langen Wunde hervor, fand seinen Pfad zum tiefer gelegenen Ellenbogen, von dem es wie der Tautropfen auf einem Blütenblatt zu Boden troff.
Der Schülerin war absolut nicht gut zu Mute. Sie spürte noch, wie erst ihre Zehen, dann ihre Finger, und zu guter letzt ihr Körper erkaltete, ehe sie in die süße Ahnungslosigkeit der Ohnmacht entfiel.
Das wabernde Gedöns manifestierte sich als eine Art Gesicht und besah sich die Bescherung. Es legte den Kopf mal auf die eine, dann auf die andere Seite.
Letzten Endes kam es dann auf das Ergebnis.
"Scheiße. Bei Gott, das hätte wirklich besser laufen können." Just in diesem Moment juckte es Gott in der Nase. Er nieste, putze sich eben jenes himmlische Atemorgan und machte sich wieder daran, die Pharmafabrik mit Steinen zu bewerfen.
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