Habe beim stöbern in meinem alten Rechner, folgende Geschichte gefunden. Sie ist von Heiligabend 2010.
Der Spaziergang und die örtlichen Gegebenheiten sind wahr.
Das Wetter spielte damals schon verrückt.
Bieber, Reiher und Gänse gibt es in den Donauauen mehr als genug zu sehen.
Und da dachte ich mir, Weihnachten steht vor der Tür....
Vielleicht gefällt sie ja jemanden. Über Kritik jeder Art, würde ich mich freuen.
Teil eins:
Der Weihnachtstraum ?
Guter Stimmung folgte er dem Feldweg, froh endlich dem ganzen Weihnachtstrubel entflohen zu sein.
Er liebte seine Familie über alles, aber an Weihnachten stellte sie ihn jedes Jahr auf eine harte Probe.
Dieser ganze Wirbel, diese Hektik und Unruhe, die sich im ganzen Haus breitmachte, konnte er beim
besten Willen nicht nachvollziehen. Es war doch eigentlich die Stadezeit. Zeit der Ruhe, Einkehr und
Besinnung. Aber nein, seine Familie Schafte es jedes Jahr aufs Neue das Ganze in einen wahren
Hexenkessel zu verwandeln. Und das schlimmste kommt ja noch. Die lieben Verwandten.
Er blieb stehen und schaute sich um. Vor ihm murmelte der Bach sanft dahin, nichts war mehr vom
Hochwasser der letzten Tage zu sehen. Wie eine Decke hatte sich gestern der Schnee über das
matschige Braun der Fluten gelegt. Nur hier und da waren Spuren des hohen Wasserstandes zu sehen.
Er nahm den rechten Weg, dieser würde ihn zum Fluss führen.
„Ah, die Zuckerrüben haben sie auch schon abgeholt“, murmelte er gedankenlos daher. Das letzte Mal,
als er diesen, seinen Weg ging, lagen hier noch Berge von Zuckerrüben. Sauber mit Folie und Stroh
abgedeckt. Jetzt zeugten nur noch tiefe Fahrrinnen und verstreutes Stroh von dem Zwischenlager des
Bauern.
Er blickte auf zum Damm, der hier anfing, um das Ackerland vor dem Hochwasser zu schützen. Nein,
heute nicht, dachte er sich und folgte den Spuren der Traktoren. Die Beschaffenheit des Weges
wechselte laufend zwischen Eisplatten, tiefen Fahrspuren und Morast ab. Beim dahin gehen, sinnierte
er über das Wetter. Es hatte in den letzten vierzehn Tagen ganz schöne Kapriolen geschlagen. Zuerst
war es frühlingswarm gewesen, zwei Tage später fiel des Nachts ohne jede Vorwarnung 20 Zentimeter
Schnee und blieb auch liegen. Es folgte tagelanger Schneefall, der sämtliche Winterdienste in große
Schwierigkeiten brachte. Dann setzte plötzlich Tauwetter mit Regen ein und lies Bäche und Flüsse zu
bedrohlicher Größe anschwellen. Darauf wurde es bitterlich kalt, minus 20 Grad hatten sie an
manchen Orten gemessen. Über Nacht wurde es wider warm. Hatte es noch beim Heimfahren von der
Weihnachtsfeier minus 15 Grad angezeigt, so waren es am Morgen schon plus 2 Grad. Und gestern
wurde es wieder kalt und es hatte sich zehn Zentimeter Neuschnee über alles gelegt. Ob das schon
Vorboten der Klimaerwärmung sind oder einfach nur ganz normale Wetterkapriolen?
Er erreichte den Dammeinschnitt, durchschritt diesen und folgte dem Weg zur Brücke. An dieser hatte
sich jede Menge Holz und anderes Treibgut fest eingekeilt. Manche Äste waren an den Enden
zugespitzt, andere wiederum vollkommen von der Rinde befreit.
Diese blöden Biber, dachte er sich, welcher Trottel ist eigentlich auf diese glorreiche Idee gekommen,
hier diese Viecher wieder anzusiedeln? Früher hatte es hier nie so viel Treibholz gegeben.
Er atmete einmal tief durch und folgte dem Weg zum Fluss.
Er war überrascht, hier waren keine Spuren eines Hochwassers zu sehen.
Leider waren heute keine Gänse da. Es freute ihn jedes Mal, wenn er hier im Winter spazieren ging
und die ganze Wiese voller Wildgänse war. In manchen Jahren hatte er schon über vierhundert gezählt.
Mit einem tiefen Grollen dachte er, an diese dummen Hundehalter, die hier unten ihre Vierbeiner frei
laufen ließen und diese die Gänse aufscheuchten.
Der Fluss füllte fast sein ganzes Bett aus. Keine der sonst üblichen Kiesbänke war zu sehen. Die
Strömung war reißend.
Plötzlich glitt ihm ein Bein weg. Er versuchte noch sein Gleichgewicht, zu,
Halten aber es war zu spät. Unsanft landete er auf seinem Hinterteil. „Scheiße verfluchte“, entkam es
ihm laut. Schnell wollte er sich erheben, aber sein Fuß steckte fest. Er war in eine Spurrinne gerutscht
und bis über den Knöcheln im aufgewühlten Schlamm versunken. Eiskaltes Wasser suchte sich seinen
Weg in den Schuh. Hektisch versuchte er, seinen Fuß heraus zu ziehen. Aber je mehr er strampelte,
desto tiefer sank sein Fuß ein. Bis zu den Waden steckte er schon fest. Scheinbar wollte ihn dieses
nasse, glitschige, kalte Loch langsam aber sicher verschlingen. Jetzt stemmte er sich mit aller Kraft
dagegen. Zentimeter um Zentimeter kam sein Bein frei, nur der Fuß steckte noch drin. Er jubelte
innerlich auf. Strengte sich noch mehr an, bis ihm die Kraft ausging. Erschöpft gönnte er sich eine
Pause. Sofort versank sein Bein wieder im Schlamm. Wurde unaufhaltsam in die Tiefe gezogen.
Panikartig versuchte er, diesem Einhalt zu gebieten. Er konnte es aber nicht verhindern bis zum Knie
im Morast zu versinken. Jetzt bekam er es mit der Angst zu tun. Eiskalt bemächtigte sie sich seines
Körpers.
„Hilfe“, drängte sich ein kläglicher Laut über seine Lippen.
„Verflucht noch einmal, helft mir doch einer“? , krähte er schwach.
„Hilfe“, schrie er laut auf, „Hilft mir doch jemand. Hiiiilfe“.
Weit gellte sein Rufen über den Fluss.
„Warum müsst ihr Menschen eigentlich immer so laut Rumschreien“? , drang eine ruhige Stimme an
sein Ohr.
„Wer ist da“? , rief er verwirrt.
Hektisch schaute er sich um, entdeckte aber niemand.
„Wo bist du“? , flehte er, „hilf mir doch“.
„Na hier, direkt vor dir. Und schrei bitte nicht so, ich kann dich ganz gut verstehen“.
Er blickte nach vorne. Wenige Meter vor ihm begann der Auenwald. Bäume, dichtes Gestrüpp und
angeschwemmtes Gras versperrten ihm mehr oder weniger die Sicht. Verzweifelt suchten seine Augen
nach einer menschlichen Seele. Erst als sich im Unterholz etwas bewegte, keimte Hoffnung in ihm
auf. Ein Biber tauchte auf, stellte sich auf die Hinterbeine und fing an, seine Pfoten zu lecken.
Mist dachte er sich, erst rutsche in dieses blöde Loch und jetzt fallen auch noch wilde Tiere über dich
her.
„Zeig dich doch endlich“, brüllte er wütend, „ wo bist du“?
„Laut, dumm und blind“, bekam er zur Antwort.
Das kann nicht sein? Oder? Verwirrt starrte er auf den Biber.
„Du siehst mich und doch erkennst du mich nicht“.
Das ist jetzt nicht war. Die Lippen des Bibers hatten sich bewegt.
„Zeig dich endlich“, rief er in den Wald hinein, „und hilf mir endlich aus diesem Schlamm heraus“.
„Also wenn du meine Hilfe nicht willst, dann werde ich jetzt wieder gehen“.
Ungläubig schaute er den Biber an. Der hatte jetzt angefangen mit den Pfoten sein Fell zu pflegen.
„Bin ich schon so verrückt, das ich glaube, ein Biber redet mit mir“? , sagte er halblaut mehr zu sich
selbst.
„Verrückt würde ich nicht sagen“, sprach der Biber und kam näher.
„Ihr Menschen seid schon eine komische Art“.
Ausgiebig musterte das Tier ihn. Ihre Blicke trafen sich.
„Willst du nun meine Hilfe oder nicht“?
„Ich bin verrückt geworden“, lachte er auf, „ ich hab nicht mehr alle Steine auf der Schleuder. Ich bin
im Schlamm eingesunken und rede gerade mit einem Biber“.
Höhnisch lachte er. Der Biber schüttelte kurz den Kopf.
„Dann eben nicht“, sagte er enttäuscht und wandte sich ab.
„Halt warte“, rief er ihm nach.
Der Biber drehte sich wieder um.
„Ok“, begann er, „ ich stecke hier fest und rede mit einem Biber. Mal angenommen das ist wirklich
so“, er machte eine Pause und holte tief Luft. „Kannst du mir helfen“?
Der Biber kam dicht an ihn heran und betrachte seine Lage ausgiebig.
„Nun, das sollte nicht weiter schwierig sein. Aber was habe ich davon, wenn ich dir helfe“?
Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie groß doch so ein Biber ist. Der hat bestimmt über einen Meter
Länge, dabei diesen mächtigen, breiten Schwanz nicht eingerechnet.
„Ich weiß nicht“, begann er ratlos, „ ich glaube kaum, dass dir ein paar Euro etwas bringen würden,
und sonst habe ich nichts von Wert bei mir“.
„Ts, tse“, schüttelte der Biber sich, „das ihr Menschen immer glaubt, alles kaufen zu können. Ich kann
nichts damit anfangen aber du“.
„Äh… , wie meinst du das“?
„Nun sehe dich doch einmal um“.
Der Biber machte eine ausladende Bewegung mit der Pfote.
„Meine Art ist es, Bäume zu fällen. Damit baue ich Dämme, um Wasser zu stauen, und von der Rinde
ernähre ich mich. Aber die Bäume werden immer weniger. Niemand pflanzt heute noch Bäume“.
Er schaute sich um. Ja, überall lagen gefällte Bäume, andere waren angenagt und viele Äste waren von
der Rinde befreit.
„Ich helfe dir, wenn du mir versprichst, für jeden Baum, den ich fälle fünf neue zu pflanzen“.
„Fünf“, rief er aus und zog hörbar die Luft ein, „Nein das ist zu viel“.
Sie begannen zu feilschen. Schließlich einigte man sich auf drei Bäume. Der Biber schien zu grinsen.
Erst jetzt vielen ihm die großen Schneidezähne auf. Panik machte sich wieder in ihm breit. Worauf
hatte er sich da eingelassen. Er wird mir helfen, keine Frage aber nur wie? Er wird mir mein Bein
abnagen. Aber noch eher er diesen Gedanken zu Ende bringen konnte, hatte der Biber ein tiefes Loch
gegraben. Mit einem Ruck kam er frei.
„Denke an dein Versprechen. Drei Bäume für jeden den ich fälle“, erinnerte ihn der Biber und
verschwand im Fluss.
Wie ein Irrer lachte er auf. Schnell erhob er sich und machte sich hastig davon. Das Bein machte ihm
Schwierigkeiten, den Fuß spürte er fast nicht mehr und bei jedem Schritt pflatschte es in seinem
Schuh. Erst als er dass alte Stauwehr am Bach erreichte, machte er eine Pause. Schwer atmend rutschte
er an dessen Ufer. Er beugte sich vor, tauchte mit der Hand ins Wasser und versuchte, seine Hose und
Schuh vom groben Schmutz zu befreien.
„Ja, ja ich habe gerade mit einem Biber um mein Leben gefeilscht“, sprach er halblaut vor sich her.
„Ich muss Fieber haben oder einen Kälteschock“, er stockte, „ oder ich bin einfach nur bekloppt“.
Plötzlich hörte er ein Rauschen. Er hob den Kopf in die Richtung. Ein Fischreiher schwebte über die
alte halb verfallene Scheune, machte einen Bogen und landete keine fünf Schritte von ihm entfernt am
Ufer. Er verharrte und betrachtete erstaunt den Reiher. So nahe hatte er noch nie einen gesehen. Ja, es
gab hier viele davon, aber meistens kam man keine fünfzig Meter an ihnen heran. So bald sie einen
bemerkten, flogen sie auf und davon. Fasziniert bestaunte er das schöne Tier. Silbergrau war sein
Gefieder, schlank der Körperbau und schlangenartig der Hals, der in einem spitzen Schnabel endete.
„Ja, so seit ihr Menschen“, klapperte der Fischreiher mit dem Schnabel, „ erst fängt ihr mir alle Fische
weg und dann verdreckt ihr auch noch das ganze Wasser“.
Erstaunt blickte er den Reiher an. Nein, ich bin verrückt. Ich bin absolut verrückt, dachte er sich. Erst
der Biber und jetzt redet ein Vogel mit mir. Ich muss verrückt sein. Er folgte mit den Augen den Blick
des Reihers. Dort wo er sich wusch, hatte sich das Wasser in eine trübe, schlammige, faulige und übel
riechende Brühe verwandelt.
„Wie willst du das wieder gut machen“? , fragte ihn der Reiher.
„Vielleicht sollte ich dich anstatt der Fische fressen“, sprach´s und hieb mit dem Schnabel nach ihm.
Er zuckte zurück und wich dem Hieb aus. Der Reiher stach weiter nach ihm. Verzweifelt versuchte er
rücklings, die Böschung zu erklimmen. Immer wieder rutschte er ab. Schmerzhaft traf ihn die
Schnabelspitze ins Bein. Blut quoll aus seiner Hose.
„Halt warte“, rief er flehentlich, „ ich tue alles, was du willst. Nur höre auf, nach mir zu stechen“.
Der Reiher hielt inne, misstrauisch beäugte er ihn. „Alles“?
„Ja alles, nur lass mich bitte in Frieden“, bettelte er.
„Gut, sorge dafür dass ich immer genügend Fische für mich und meine Familie habe“.
„Ich verspreche es dir“, sprach er hastig, „ ich werde jedes Jahr neue Fische hier einsetzen und dafür
sorgen das keine Angler mehr herkommen“.
„Wenn dem nicht so ist, komme ich wieder und du wirst mein Festmahl sein“.
Mit diesen Worten erhob sich der Reiher flügelschlagend in die Lüfte.
Erschöpft ließ er sich in den Schnee sinken. Sein Atem ging heftig.
„Du bist vollkommen irre“, flüsterte er vor sich hin, „vollkommen irre“.
Er kramte in seiner Hosentasche und zog ein altmodisches Stofftaschentuch heraus.
„Gott wie habe ich dich für diese Geschenke verflucht“, lachte er leise, „jetzt bin ich dir dafür
dankbar“.
Hastig band er sich die blutende Wunde mit Mutters Taschentuch ab. Mühsam erklomm er die
Böschung und humpelte kopfschüttelnd Richtung Heimat. Es reicht für heute, mehr von diesem
Schwachsinn konnte er nicht ertragen. Wie lieb und warm ihm auf einmal seine hektische Familie
vorkam. Er hatte schon fast die Zivilisation erreicht, da brach er mit dem Fuß ein und schlug der
Länge nach hin. Benommen blinzelte er mit den Augen, schob seine Hände vor und versuchte sich auf
zu richten.
„Was fällt dir ein meinen Wintervorrat zu zerstören“, keifte ihn eine schrille Stimme an.
Noch einmal blinzelte er, dann entdeckte er sie. Eine kleine Maus stand vor seiner Nase, die
Vorderpfoten in die Hüfte gestemmt, während der Schwanz unablässig auf den Boden klopfte.
Nein nicht schon wieder. Nicht noch einmal. Kein Vieh wird mich mehr zu etwas zwingen, dachte er.
„Und schon gar keine Maus“, schrie er auf.
Kräftig schlug die Maus ihre Nagezähne in seine Nase. Rasender Schmerz machte sich in seinem Kopf
breit. Verzweifelt suchte er den lästigen Nager abzuschütteln. Plötzlich kam er frei und schreckte auf.
„Was, wo, wie?“ , hechelte er.
Aber schon legten sich zwei unbarmherzige Tentakeln um seinen Hals und drückten ihm die Luft ab.
„Papile, aufstehen“, schrie es an seinem Ohr, das er glaubte, taub zu werden. Seine Hände ergriffen die
Tentakeln.