Vorwort
Einen magischen Abend, wünsche ich euch. Der NaNoWriMo steht mehr oder weniger vor der Tür ( ... ich könnte schwören, der war doch erst ...) und ich stecke inzwischen all meine Freizeit in mein Großprojekt. Ernsthaft, Leute. Ich benutze sogar einen Kalender und bestech mich mit Sticker selbst. Zu meiner Verteidigung: Es sind Dino- und Kraken-Sticker, okay?
(Mein Gehirn: Wow, zwei Stunden geschrieben? Hier, hast dir einen Sticker verdient! Was, du hast gegen den Drang angekämpft, der Gottheit der Prokrastination zu huldigen? STICKER TIME!)
Mir liegt dieses Projekt am Herzen, daher bitte ich um ehrliche und auch sehr gern harte Kritik. Mein ganzer Kopf ist voll mit dieser Geschichte und ich ahne, bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich den Punkt erreicht habe, wo man für sein Werk komplett blind ist. Daher bin ich um jeden Hinweis, jeden Eindruck und Verbesserungsvorschlag sehr dankbar.
Danke für eure Zeit und Hilfe,
Octo
Klappentext
Romek und Os Ostrowski leben seit knapp drei Jahren bei ihrem Großvater, der hässliche Lampen sammelt und skurrile Geschichten über Welten unter dem Fußboden erzählt, wo all die vergessenen und verlorenen Dinge landen. Münzen, Murmeln und Menschen. Eines Abends müssen die Brüder feststellen, dass die Märchen des alten Spinners mehr sind als nur Unfug. Sie sind Warnungen vor einem Ort, wo man einmal verloren gegangen so schnell nicht wieder zurückfindet ...
Vorspiel
- Ein Junge und eine Kakerlake -
Die Kakerlake war pünktlich. Überpünktlich sogar, wenn man es mit der Zeit genau nahm und der Junge nahm es außerordentlich genau. Er achtete stets auf die Minuten und Sekunden, auf den großen und den kleinen Zeiger. In der Nacht wurde die Einsamkeit messbar und Ungeziefer zu einem willkommenen Gast.
»Guten Abend, Fräulein Kakerlake.«
Die Schabe, welche höflich auf diese Begrüßung gewartet hatte, huschte über den alten Holzboden und verharrte vor dem Bettgestell, die Fühler zum Gegengruß erhoben.
»Ich bin soweit.« Der Junge klopfte sich fest auf die Brust. »Wir können direkt aufbrechen.«
Die Kakerlake dachte nach, endlos erscheinende Sekunden lang, ehe sich ihre Fühler bewegten; ihre Art der Kommunikation. Der Junge, welcher ein selbst ernannter Experte in Sachen Unterhaltungen mit Ungeziefer war, hatte jedes Fühlerzucken verstanden. Er wuchtete sich ächzend vom Bett hoch.
»Ich will aber nicht mehr warten. Ich bin so weit, Hand auf’s Herz.«
Der nächtliche Besucher bewegte erneut die Fühler. Die lautlose Antwort gefiel dem Jungen nicht, ganz und gar nicht. Geduld war nicht gerade seine Stärke, noch nie gewesen und würde sie auch nie sein. Er machte Anstalten aufzustehen, verhedderte sich jedoch mit seinen Beinen in der Bettdecke und fiel der Länge nach hin. Die Kakerlake tanzte vergnügt, ihre Fühler zuckten begeistert. Sie machte sich über den Jungen lustig, doch ihr Amüsement über die gelungene Schaueinlage fand ein jähes Ende, als ein lautes Knacken erklang.
Geräusche jenseits der Tür.
Der Junge setzte sich hektisch auf, wobei sich seine Glieder und Gelenke auf mysteriöse Weise zu vermehren schienen. Tausende Ellbogen und Knie waren sich spektakulär selbst im Weg. Die Bettdecke mischte eifrig mit, plötzlich hundert Meter lang und breit. Schließlich fand der Junge einen Ausweg aus all den Ecken und Winkeln seines eigenen Körpers und dem endlosen Stoff.
»Nimm mich mit, Fräulein Kakerlake.« Sein Blick zuckte zu der geschlossenen Tür, hinter der Dinge lauerten, die niemals und drei Tage hereinkommen durften. »Bitte.«
Aufgeblähte Holzdielen knackten und jammerten, ächzten und schrien, als die Schritte immer näher kamen. Es waren Schritte, die zu Füßen gehörten. Füße, die zu einem Ungeheuer gehörten. Ein Ungeheuer, das einen äußerst leichten Schlaf hatte.
»Bittebittebitte–«
Die Atmung des Jungen rasselte feucht. Er hatte seinen Stolz, sogar jede Menge davon und laut seiner Mutter sogar viel zu viel, aber hier und jetzt bettelte er und flehte. In Nächten wie diesen war sich der Junge nicht sicher, ob es wirklich die Luft war, die ihn krank machte, oder die Angst.
Die Kakerlake zögerte, überlegte. Dreimalverflucht, was gab es da noch nachzudenken? Hörte sie nicht das Schreien vom Holzboden? Das Ungeheuer war fast da, fast bei der Tür und dem Jungen lief die Zeit davon. Die Zeit war ein mieser Feigling, ganz egal, wie sorgsam man sie auch im Auge behielt. Schlussendlich gab sie immer dann Fersengeld, wenn man sie dringend brauchte. Die Holzdielen jenseits der Tür brüllten nun so ohrenbetäubend laut, dass selbst das Ticken und Tacken der Standuhr darin unterging. Die Fühler der Kakerlake zuckten und tanzten wild, dann setzte sie sich endlich in Bewegung. Das Ungeziefer verschwand in einem Riss zwischen zwei von der Feuchtigkeit aufgeblähten Holzdielen.
Der Junge ließ sich nicht zweimal bitten. Er schlang die Bettdecke um sich, als wäre sie ein hässlicher Mantel und sah sich rasch ein letztes Mal in seiner Festung um. Er würde das bunte Fenster und die dort in Glas verewigte Szene vermissen. Ein geflügelter Mann, der entweder in die Freiheit flog, oder aber dabei war jeden Moment abzustürzen und sich den Hals zu brechen. Flug oder Sturz? Auch nach all den Jahren, in denen der Junge in der Nacht wachgelegen und das bunte Glas angestarrt hatte, wusste er es nicht. Was er jedoch wusste, war, dass irgendwann, und zwar irgendwann sehr bald, das Moor auch dieses Kämmerchen verschlingen würde.
Es fressen, wie all die anderen Räume.
Die Tür erzitterte in ihren Angeln und der Junge stolperte zu dem Riss, in dem das Fräulein Kakerlake verschwunden war. Er griff erst zögerlich mit zwei Fingern, einen Herzschlag später mit der ganzen Hand in die Öffnung. Es fühlte sich merkwürdig an. Fremdartig und nackt, wie er so einer unbekannten Tiefe seine Hand darbot. Gänsehaut und das beunruhigende Gefühl, einen furchtbaren Fehler begangen zu haben, breitete sich prickelnd auf der Haut des Jungen aus. Doch dann verschwand das Gefühl des Grauens so jäh, wie es gekommen war. Die Dunkelheit war nicht feucht und kalt, sondern warm und trocken. Ein warmer Wüstenwind schien die Fingerspitzen des Jungen zu kitzeln. Ihn zum Fangenspielen aufzufordern, Barfuß an einer Oase. Der Junge sehnte sich nach Sonne. Wärme. Er wollte leben, ohne Feuchtigkeit in den Wänden und Wasser in seiner Lunge.
Er wollte leben-leben-leben ...
Gierig schob der Junge seinen restlichen Arm durch den Riss, der ihm auf phantastische Weise Platz machte.
Es ging nach unten.
Ganz.
Tief.
Runter.