Es gibt 460 Antworten in diesem Thema, welches 128.396 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (21. Januar 2020 um 15:16) ist von RenLi.

  • Wieso sollte ich denn aufgeben? Ich will doch sehen, was du mit ihm vorhast! :D

    Es stimmt schon, er ist ein sehr gefühlsbetonter Junge. Das an sich ist nicht schlimm. Schlimm ist, dass er keinen richtigen Halt hat in seinem Leben und von den ihn umgebenden Erwachsenen ihm auch keiner einen bieten kann. Und von daher beutelt ihn dieses Leben ganz schön und er wird hin und her geweht wie ein Blatt im Wind.
    Das ist spannend! Und da ich auch dich für einen sehr gefühlvollen Menschen halte (sonst könntest du nicht so schreiben), nehme ich an, dass diese Spannung dir als Autor noch mehr zusetzt als mir als Leser. Von daher - ich lese weiter. :thumbsup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • :D cool!

    Und hatte gerade eine Einsicht, dank deines Posts! Habe wirklich versucht, Edwin in eine Richtung zu drängen, die nicht für ihn stimmt! Jetzt sehe ich das Ganze klarer :) Armer Edwin, ich wollte ihn so sehr aufrecht halten und konnte nicht einsehen, dass das gar nicht geht. Nun, ich muss den letzten Post wohl umschreiben und meine Ideen über seine nähere Zukunft über den Haufen werfen. So geht das wirklich nicht ;( dabei war er doch so süss!! Was ist nur aus meinem Edwin-Schatz geworden?
    Sorry an alle, die ihn liebten, jetzt nimmt die Geschichte mal wieder eine Wendung... :evil::(:fie::dash: bin ja gespannt, wo das hinführen wird...

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • „Stell dir vor, Gott spielt dieses Spiel nun seit ewiger Zeit“, begann Elvira nach kurzem Nachdenken zu erklären. „Er hat sich verkleidet als alles, was du hier siehst. Als dich und mich, als dieser Stuhl, der Tisch, dein Tee, alles. Und weil Gott ein wahrer Verkleidungskünstler ist, hat er selbst vergessen, dass er mit sich selber ein Spiel spielt. Er weiß nicht mehr, dass er du ist und der Tisch und ebenso alle Pflanzen und Tiere und die gesamte Schöpfung. Deshalb wird für ihn das Spiel plötzlich zur Wirklichkeit. Und genau daraus entsteht all das Leid in der Welt.“
    „Weshalb?“, fragte Edwin. „Weshalb entsteht das Leiden?“ Diese Frage hatte ihn schon seit langer Zeit beschäftigt. All seine Träume, seine Erfahrungen auf den Reisen mit Gilbert hatten ihn immer mehr an den Menschen zweifeln lassen und immer wieder auf diese Frage zurückgeführt.
    „Auch hier kannst du das Leben mit einem Spiel vergleichen. Wenn du mit jemandem Schach spielst und du die Partie zu ernst nimmst, dann wirst du wütend, wenn du verlierst. Du kannst gar in einen Streit mit deinem Mitspieler verfallen, beleidigt oder gekränkt sein, wenn es nicht so verläuft, wie du es dir vorstellst. Dann leidest du. Wenn du aber im Auge behältst, dass es sich nur um ein Spiel handelt und nicht um die Realität, dann kannst du mit Gelassenheit deine Niederlage hinnehmen und voller Freude eine neue Runde beginnen“, fügte Talmud ein und wandte sich mit einem Grinsen an Gilbert. „Ich bin jederzeit für einen Rachefeldzug zu haben.“
    „Ich ruhe mich lieber noch ein wenig auf meinen Lorbeeren aus“, antwortete dieser und lehnte sich genüsslich in seinem Stuhl zurück.
    Elvira überging seinen Kommentar und knüpfte an Talmuds Ausführung an: „Im Leben ist es dasselbe. Weil wir vergessen haben, dass das Leben nicht so ernst ist wie es scheint, erschaffen wir unser Leid selber. Würden wir erkennen, dass die Form nur eine Hülle ist und in Wahrheit alles aus Gott besteht, wir also immer nur uns selbst gegenüberstehen, dann hätten wir viel weniger Probleme. Würden wir erkennen, dass wir alle ein und dasselbe Geschöpf sind, wie könnten wir uns weiterhin streiten? Wie könnten wir uns weiterhin gegenseitig bestehlen, bekämpfen oder hintergehen? Wir würden erkennen, wie sinnlos all dies ist und könnten in Harmonie und Liebe zusammenleben.“

    Schönstes Weltbild, dass ich seit Jahren gelesen habe. Und die beste Erklärung, warum Menschen leiden, obwohl es ein Gott gibt. Ich sehe das Buch jetzt schon an den Schulen, im Philosophie Unterricht. Gefällt mir tausend mal besser, als "Sofies Welt"

    Elvira ergriff das Wort: „Man kann es auch so sehen: Die Finger deiner Hand streiten sich doch auch nicht untereinander, oder? Sie arbeiten zusammen, weil sie wissen, dass alle zu derselben Hand gehören. Und trotzdem, wenn du deinen kleinen Finger abschneidest, dann ist der nun mal weg und die anderen sind noch da.“
    Edwin betrachtete seine Hände. „Dann bist du mein kleiner Finger, Gilbert mein Daumen und Talmud mein Zeigefinger? Und ich bin die Hand?“

    Nein, Edwin! Elvira wäre der Zeigefinger, Gilber der Mittelfinger, Talmud der kleine und du selbst der Daumen. Die Hand wäre in dem Beispiel Gott, bzw das Formlose. Hörst du den nicht zu :D

    (24.04.18: so, das ist die alte Version hier. Bin gerade an einer neuen Version dran. Da gibts eine ziemliche Änderung...)

    Trotzdem les ich es jetzt :P

    Und hatte gerade eine Einsicht, dank deines Posts! Habe wirklich versucht, Edwin in eine Richtung zu drängen, die nicht für ihn stimmt! Jetzt sehe ich das Ganze klarer Armer Edwin, ich wollte ihn so sehr aufrecht halten und konnte nicht einsehen, dass das gar nicht geht. Nun, ich muss den letzten Post wohl umschreiben und meine Ideen über seine nähere Zukunft über den Haufen werfen. So geht das wirklich nicht dabei war er doch so süss!! Was ist nur aus meinem Edwin-Schatz geworden?
    Sorry an alle, die ihn liebten, jetzt nimmt die Geschichte mal wieder eine Wendung... bin ja gespannt, wo das hinführen wird...

    Ok? :S
    Das klingt... beunruhigend xD
    Aber wenn du nur den letzten Post veränderst, bleibt das meiste Wesen von Edwin ja erhalten. Ich mag den jungen wirklich extrem gerne und würde ihm am liebsten auch unter meine fittiche nehmen <3
    Aber ich verstehe auch Tariqs letzen Post sehr gut. Elvira bemuttert ihn zu sehr, sieht ihn nur als "kleines kind". Gil sieht ihn hingegen als zu Erwachsen an. Meistens gehts das ja gut, aber so ab und an sollte ein 12 Jähriger eben doch noch Kind sein. (Trotzdem bevorzuge ich Gilberts Art)
    Und Rachel... ist die Erste, die ihn wirklich verstehen kann. Sie kann das, was er kann. Und gerade versucht nun, ihm von dem abzuhalten, was ihm wichtig ist. Alle drei gehen nie so auf Edwin und seine Sorgen und Wünsche ein, wie er es vielleicht brauchen würde. Und ich mache damit niemanden einen Vorfurf (Außer Elvira, ein kleines bisschen. Mensch, Frau, er ist 12 und keine 5 mehr!)

    Dass Edwin bei dem Ganzem etwas verwirrt ist und sich eingesperrt fühlt, verstehe ich.

    Bin gerade extrem gespannt, zu welcher Erkenntnis du gekommen bist, bzw was du im letzten Post ändern wirst. Apropo... letzter Post... was fang ich denn nun mit meinem Leben an? xD

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Hihi, hi Az

    Nein, Edwin! Elvira wäre der Zeigefinger, Gilber der Mittelfinger, Talmud der kleine und du selbst der Daumen. Die Hand wäre in dem Beispiel Gott, bzw das Formlose. Hörst du den nicht zu

    :D da hast du wohl recht, Aztiluth, er hat das ein bisschen durcheinander gebracht ^^

    Schönstes Weltbild, dass ich seit Jahren gelesen habe. Und die beste Erklärung, warum Menschen leiden, obwohl es ein Gott gibt. I

    Gefällt mir auch total gut. Und hab tatsächlich zum ersten Mal im Philosophie-Unterricht von Pantheismus gehört. :love:

    Bin gerade extrem gespannt, zu welcher Erkenntnis du gekommen bist, bzw was du im letzten Post ändern wirst.

    der wird so ziemlich vernichtet. wage mich aber auf gefährliches Terrain, denn diese Entscheidung bringt eine riesige Änderung im Verlauf der Zukunft. Auch für Richard. Uiuiui, ich muss sehen, dass ich da nichts einfach überstürze. Mein schöner Plan für die beiden wird durcheinandergeworfen. Aber immerhin begegnen sie sich so eher :) Bin ja gespannt, wie sie aufeinander reagieren...

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
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    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Edwin, Rachel (566 n. Rh.) - 2. Version
    „Was Gilbert als Licht in den Herzen der Menschen wahrnimmt, wird in Rhamnus‘ Lehre als Erkennung des göttlichen Potentials beschrieben“, erzählte Rachel.
    Sie saßen einander im Turmzimmer gegenüber. Gilbert war bereits nach draußen gegangen, während Edwin sein erstes Treffen mit seiner neuen Lehrerin hatte. Als erstes hatte sie genau hören wollen, welche Erfahrungen er bisher gemacht hatte und wie er aufgewachsen war. Zuletzt hatte er ihr von dem Gespräch am Vorabend erzählt. „In der Geschichte der Gnosis wird nur selten von diesem Phänomen gesprochen. Das liegt wohl daran, dass sie nicht genau wissen, was es tatsächlich damit auf sich hat und dass sie nicht darauf hinarbeiten.“
    „Mutter Elvira hat gesagt, dass du auch einmal diese Erfahrung gemacht hast“, sagte Edwin, neugierig mehr darüber zu erfahren.
    Rachel nickte. „Vielleicht sollte ich dir erst etwas mehr über mich erzählen“, überlegte sie. Edwin setzte sich gerade hin, gerne wollte er mehr über seine Lehrerin erfahren. „Ich bin in einem Dorf im Süden aufgewachsen“, begann sie. „Wir waren neun Geschwister, aber zu meiner Zwillingsschwester hatte ich immer die beste Beziehung, obwohl wir schon früher sehr verschieden waren. Sie wollte schon als kleines Mädchen eine Priesterin werden, ich jedoch hatte wenig mit der Gnosis am Hut. Ich spielte lieber draußen mit meinen Brüdern, während sie Lesen lernen wollte. Wann immer sie Zeit hatte, besuchte sie den Priester in Nachbardorf – bei uns gab es keinen, da unser Dorf nur aus ein paar wenigen Hütten bestand.“ Edwin stellte sich vor, wie Rachel und ihre Schwester als Kind ausgesehen haben mochten. Zwei kraushaarige Mädchen, die sich aufs Haar glichen, eines von oben bis unten mit Dreck beschmiert, das andere ordentlich gekleidet und mit einem Buch unter dem Arm. „Sie hatte Talent, also bildete der Priester sie aus. Oft erzählte sie mir bei der Arbeit oder am Abend im Bett, was sie gelernt hatte. Vieles fand ich interessant, doch es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, mich ihrem Weg anzuschließen. Lieber zog ich mit den Ziegen durch die Gegend oder half meinem Vater Schlingen zu legen. Du kannst das bestimmt nachvollziehen. Die Natur war mir oft näher als die Menschen im Dorf.“ Edwin nickte zustimmend und ein Gefühl von Vertrautheit bildete sich in seiner Brust. Vielleicht waren er und Rachel gar nicht so verschieden. „So wurden wir älter und meine Schwester sollte auf eine richtige Schule geschickt werden. Das hieß, dass sie unsere Heimat verlassen musste. Ich war sehr unglücklich über diese Trennung, doch ich wollte ihrem Traum nicht im Wege stehen. Also ging sie. Über meine Zukunft hatte ich mir nie sonderlich viel Gedanken gemacht. Ich war glücklich so wie ich lebte, worüber sollte ich mir also Gedanken machen? Doch eines Tages, nicht lange, nachdem meine Schwester weggegangen war, sagten meine Eltern, ich solle endlich über eine Heirat nachdenken. Ein Junge aus dem Dorf interessierte sich für mich. Wir waren zusammen aufgewachsen, hatten als Kinder oft im Wald und auf den Feldern gespielt und er war wie ein Bruder für mich. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, ihn zu heiraten, überhaupt irgendjemandes Frau zu werden. Wenn ich meine Eltern ansah und ich daran dachte, so wie sie zu werden, dann wurde mir übel. Ein solches Leben wollte ich nicht. Aber meine Eltern machten zunehmend mehr Druck, bis ich schließlich von zu Hause davonlief.“
    „Weshalb wolltest du nicht so werden wie deine Eltern?“
    „Sie waren ein schreckliches Paar“, sagte Rachel mit einem Lächeln. „Heute weiß ich, dass nicht alle Ehen so sind wie ihre, aber eine Seltenheit ist es nicht. Ich mochte sie beide, sie waren gute Eltern, doch zusammen konnte ich sie nicht ausstehen. Mein Vater verbrachte die meiste Zeit draußen und arbeitete hart. Wenn er dann heimkam, war er oft übel gelaunt. Dann ließ er seinen Frust entweder an meiner Mutter aus oder er ignorierte sie komplett. Meist hatten sie einander nichts zu sagen. Und meine Mutter war nicht besser als er. Ständig nörgelte sie an etwas herum, wenn er nach Hause kam oder beschwerte sich darüber, dass er nicht ordentlich genug war oder sonst etwas. Sich bei ihm zu beklagen schien ihre Lieblingsbeschäftigung zu sein. Kein Wunder, dass Vater es nicht bei ihr ausgehalten hat.“
    Edwin war erstaunt, diese Geschichte zu hören. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Vater und seine Mutter ebenso gewesen waren. „Und was hast du dann gemacht, als du weggelaufen bist?“
    „Ich habe meine Schwester gesucht, und gefunden. Ich wusste, dass die Priester und Priesterinnen der Gnosis nicht heiraten dürfen und damals dachte ich: alles ist besser, als zu heiraten.“ Sie schmunzelte belustigt und schüttelte über sich selbst den Kopf. „Es war meine persönliche Rebellion gegen die Ehe meiner Eltern. Allerdings gab es ein paar Schwierigkeiten mit meiner Aufnahme an der Schule, da ich weder Lesen noch Schreiben konnte, aber da ich viel von meiner Schwester gelernt hatte, waren die Lehrer doch willig, mich aufzunehmen.“
    „Und wie haben deine Eltern reagiert?“
    „Zuerst waren sie außer sich, doch irgendwann haben sie nachgegeben. Meine Schwester hat mir viel geholfen, damit ich nicht von der Schule geflogen bin, nur dank ihr habe ich die Prüfungen dort bestanden. Ich war zwar nicht mit allem einverstanden, was wir lernten und ich sehnte mich nach meinem unbeschwerten Leben mit den Tieren, aber immerhin hatte ich einen Ort, an dem ich bleiben konnte. Da meine Schwester sehr talentiert ist, wurde sie nach Caput versetzt, damit sie im Ducatus weiterlernen konnte, damals waren wir sechzehn Jahre alt. Wieder mussten wir voneinander Abschied nehmen.“
    „Ist sie noch immer im Ducatus?“ Edwin konnte sich nicht vorstellen, dass die Schwester von Rachel in diesem düsteren Bau wohnte.
    „Nein, sie wurde ins Himmelskloster versetzt. Dort leben die Priesterinnen zusammen. Manchmal besuche ich sie, doch die Regeln im Kloster sind sehr strikt. Ihr ist nicht viel Kontakt mit der Außenwelt erlaubt. Aber manchmal, das könnte dich interessieren, sprechen wir auch über diese Distanz miteinander.“
    Edwins Herz schlug höher. „Kannst du sie auch spüren?“, fragte er aufgeregt. „Wie kannst du mit ihr sprechen?“
    Sie grinste. „Hab ich mir doch gedacht, dass du das wissen willst. Wenn wir zur selben Zeit in Versenkung gehen und uns aufeinander konzentrieren, dann verstärkt sich das Band zwischen uns. In diesem Zustand spielt die körperliche Entfernung keine Rolle mehr. Es fühlt sich an, als säße sie neben mir, oder noch näher. Es ist nicht immer einfach die richtige Distanz zu halten, es kann vorkommen, dass sich Teile von uns vermischen und das kann gefährlich sein. Aber inzwischen haben wir Übung darin. So können wir uns austauschen. Sie erfährt mehr über das Geschehen auf der Erde und sie erzählt mir von ihren Erkenntnissen. Manchmal sieht sie nahende Veränderungen sogar schneller als wir, da sie vom Kloster aus den besseren Überblick hat.“
    „Glaubst du, dass ich nicht mit Richard sprechen kann, weil er nicht versucht, sich mit mir in Verbindung zu setzen?“, mutmaßte Edwin.
    „Es sieht ganz danach aus.“
    „Wenn er nur wüsste, dass ich noch am Leben bin. Wahrscheinlich hält er mich für tot. Wie kann ich lernen, ihn besser zu spüren? Ich weiß, dass er lebt, aber ich habe keine Ahnung, wo er ist.“
    „Du wirst es lernen, aber bist du nicht aus einem anderen Grund mein Schüler geworden?“
    „Stimmt“, gestand Edwin. „Ich möchte meine Kräfte kontrollieren lernen. Aber ich möchte auch Richard finden.“ Hoffnungsvoll blickte er zu Rachel auf, doch sie schien nicht weiter auf diese Möglichkeit der Kommunikation eingehen zu wollen.
    „Ich weiß nicht, ob es dein Weg ist, diese Art von Verbindung mit Richard zu teilen“, sagte sie. „Außerdem solltest du dich nicht so sehr von ihm einnehmen lassen. Ich war jahrelang von meiner Schwester abhängig, ich weiß wovon ich spreche“, sagte sie mit einem vielsagenden Blick.
    „Ich gehe doch meinen Weg“, erwiderte er verunsichert.
    Sie musterte ihn durchdringend. „Ist es nicht so, dass die meisten deiner Gedanken um Richard kreisen? Auch wenn er nicht hier ist, bist du vollkommen abhängig von ihm. Glaubst du, dass du ohne ihn nicht glücklich sein kannst?“
    Edwin fühlte sich ertappt bei den Worten Rachels. „Er ist sehr wichtig für mich, was ist schlimm daran?“, fragte er und hörte eine Schärfe in seinen Worten, die ihm fremd war.
    „Es ist nicht wirklich schlimm, aber du bist nicht frei. Auch dein Gefühlsausbruch bei Elvira hatte mit ihm zu tun. Wenn es um deinen Bruder geht, verlierst du die Kontrolle. In den nächsten Wochen werden wir an deiner Beziehung zu ihm arbeiten müssen, damit du dich von ihm loslösen kannst.“
    Rachels Worte verstärkten das drückende Gefühl in seinem Magen. Was wollte sie damit sagen? „Ich will mich nicht von ihm loslösen!“, begehrte Edwin auf. Ein diffuses Gefühl von Angst kroch seinen Körper hoch. „Ich möchte ihn finden, nicht noch weiter verlieren. Wenn die innere Verbindung zu ihm erlischt, dann…“ Er konnte sich nicht ausmalen, was dann wäre, aber bereits der Gedanke daran fühlte sich an, als würde er in eine bodenlose Tiefe stürzen. Ihm wurde leicht schwindlig.
    „Genau das ist, was ich meine“, fuhr Rachel fort. „Ich verlange nicht, dass du aufhörst, ihn zu lieben oder dass deine Verbindung zu ihm abbricht, nur deine Versessenheit. Geh einmal in Gedanken die Zeit zurück, in der du nun ohne ihn bist und sieh dir die Momente an, in denen du am unglücklichsten warst. Und dann schau dir an, wann du dich frei und glücklich gefühlt hast.“
    Das alles hörte sich sehr danach an, als wolle sie, dass er seinen Bruder aufgab. Hatte sie keine Hoffnung, dass er ihn finden konnte? Oder zweifelte sie etwa gar daran, dass er überhaupt noch lebte? Konnte es womöglich sogar sein, dass auch Gilbert und Elvira ihm nicht glaubten? Vielleicht hatten sie ihn deshalb zu Rachel geschickt, damit sie ihn von Richard abbrachte.
    Fassungslos starrte Edwin die Frau vor ihm an. „Siehst du das Muster?“, fragte Rachel nach.
    Er schüttelte den Kopf. „Du willst mich von Richard trennen, ist es so?“, fragte er. So ergab alles einen Sinn. Deshalb hatte Elvira auch nicht mit ihm ins Gefängnis gehen wollen. Sie glaubte nicht, dass Richard noch lebte. Sie wollte ihn nur ablenken mit Unterricht und Schreiben und den Kindern, damit er möglichst nicht mehr an seinen Bruder dachte.
    „Was geht in dir vor?“, fragte Rachel nun und Edwin bemerkte die Anspannung, die sich auf ihren Körper gelegt hatte.
    „Ich gehe zu Gilbert“, antwortete Edwin und stand auf.
    „Moment, wir sind noch nicht fertig, junger Mann“, erinnerte ihn Rachel. Sie erhob sich nun ebenfalls und versperrte ihm den Weg hinunter.
    Ungeduldig versuchte er, um sie herumzugehen, doch sie ließ ihn nicht näher an die Klappe im Boden heran. „Wegzulaufen ist keine Lösung, Edwin.“
    „Ich laufe nicht weg“, beharrte er. „Du glaubst mir nicht, das ist das Problem!“
    „Was glaube ich dir nicht?“, fragte sie weiter, sichtlich um Ruhe bemüht.
    „Richard lebt und ich werde ihn finden! Weder du noch Elvira könnt mich davon abhalten! Ich habe viel zu lange hier herumgesessen und nichts getan. Jetzt gehe ich!“ Bebend vor Wut stand er da und starrte ihr in die Augen.
    „Genau solche Momente wolltest du doch nicht wiedererleben, erinnerst du dich?“, fragte sie und wich gleichzeitig einen Schritt vor ihm zurück.
    Dieser Satz machte Edwin nur noch wütender. Die Antwort darauf blieb ihm im Hals stecken und stattdessen warf er ihr eine Wand von Frust entgegen. Rachel hob die Arme, um sich zu schützen, doch wie schon Elvira wurde sie von den Füßen gerissen und krachte mit dem Rücken gegen die Wand. Edwin verzog das Gesicht vor Schmerz, er fühlte sich, als hätte er sich selbst geschlagen. Doch er ignorierte das Gefühl, riss die Luke auf und rannte die Treppe hinunter. Bleib stehen!, dröhnte eine Stimme durch seinen Kopf und Edwins Körper erstarrte, als hätte ihn jemand auf einen Schlag in Stein verwandelt. Erst wusste er nicht, was vor sich ging, doch dann nahm er die Kraft wahr, die ihn fest in der Zange hielt. Sie hatte ihn eingewickelt wie eine Schlange ihr Opfer und zog sich weiter zusammen. Das Atmen fiel ihm schwer, es gelang ihm kaum noch Luft zu holen. Von Panik gepackt rang er nach Luft. Er hörte Schritte hinter sich, während sein Sichtfeld langsam von schwarzen Schatten überlagert wurde, und auf einmal löste sich der Bann. Er sackte zusammen und schlug auf dem Boden auf. Zuckend schnappte er nach Luft. „Edwin!“, hörte er Rachels panische Stimme. „Es tut mir leid, ich habe komplett überreagiert!“
    Edwin hörte nicht zu, er kroch mühsam von der Frau weg, von der er geglaubt hatte, dass sie ihm helfen konnte. Sie hätte mich beinahe getötet!, schoss es ihm durch den benebelten Kopf.
    „Beruhig dich, es tut mir so leid!“
    Eine Berührung an der Schulter ließ ihn zusammenzucken. Er schlug Rachels Hand beiseite und wich weiter weg von ihr. Diesmal folgte sie ihm nicht. Es schien ihr wirklich leid zu tun und sie sah aus, als wisse sie nicht, wie sie sich ihm nähern sollte, doch er wollte nichts von alledem sehen. Er wollte nur noch weg. Er rappelte sich auf, noch immer schwer atmend. Als sie einen Schritt auf ihn zumachte, hob er die Hand, um sie auf Abstand zu halten. „Komm nicht näher!“, rief er mit krächzender Stimme.
    Sie erstarrte, die Arme hingen schlaff herunter, auf ihrem Gesicht zeigte sich ein seltsamer Ausdruck, voller Gram. „Lass uns zu Elvira gehen“, bat sie, doch Edwin drehte sich um und lief davon.
    Mit schnellen Schritten durchquerte er den Ballsaal, dann begann er zu rennen. Tränen brannten in seinen Augen, als er die Treppe hinunterhastete. Ich gehe weg von hier!
    Beinahe wäre er die Stufen hinuntergestürzt, weil er in seiner Hast über die eigenen Füße stolperte. „Edwin?“, hörte er eine zaghafte Stimme zu seiner Rechten.
    Edwin warf einen flüchtigen Blick über die Schulter und sah Lea, das blinde Mädchen, das sich mit ausgestreckten Armen den Flur entlangtastete und ihn geradewegs ansah. Er würde sie nicht wiedersehen, dachte er, doch schon war sie aus seinem Blickfeld verschwunden und er rannte weiter die Treppe hinunter. Was soll ich tun? In Gedanken ging er seine Möglichkeiten durch. Ich kann ich den Wald gehen, dort schlage ich mich auch alleine durch. Aber mein Bogen liegt oben im Turmzimmer. Jeela ist bestimmt im Garten, vielleicht kommt Fait mit, wenn ich ihn bitte. – Aber nein, erst muss ich ins Gefängnis. Ich muss mich selbst davon überzeugen, dass die Geschichte wahr ist.
    Schon erreichte er den Vorderausgang, stieß die Tür auf. Draußen schien die Sonne in all ihrer Herrlichkeit. Edwin preschte über den Kiesweg zum Tor. Jeela! Fait!
    Die Hündin hatte ihn bereits gewittert und ihren Schlafplatz im Garten verlassen, um ihn zu begrüßen. Von Fait hörte er nichts. Zwei Kinder sprangen von ihrem Wachposten auf, als er auf sie zustürmte. „Aus dem Weg!“, rief Edwin. Ob ich auch sie aus dem Weg stoßen kann? „Lasst mich durch!“
    Doch die Kinder stellten sich vor dem Tor auf. Jeela gesellte sich bellend zu ihm. Angesteckt von seiner Aufregung sprang sie an ihm hoch, was ihn während dem Rennen aus dem Gleichgewicht brachte. „Schhhh, Jeela, ruhig“, sagte er, obwohl er sich selbst alles andere als ruhig fühlte. „Wir müssen gehen, keine Zeit für Diskussionen“, rief Edwin und verlangsamte seinen Schritt.
    „Wir lassen niemanden einfach so durch“, sagte eines der Kinder wichtigtuerisch. „Dich schon gar nicht!“
    Edwin erkannte den Jungen. Arn war sein Name und er gehörte zu denen, welche die anderen absichtlich gegen ihn aufgewiegelt hatten. „Letzte Warnung, geh zur Seite!“, rief Edwin und blieb stehen. Jeela winselte.
    Wut ist der Schlüssel zu dieser Kraft, dachte er und erinnerte sich an all die Zeiten, in denen die anderen Kinder ihn verstoßen hatten – ohne, dass er wirklich verstanden hätte, weshalb sie ihn nicht mochten. Er hob den Arm, streckte ihn vor sich aus und versuchte, die Kinder beiseite zu fegen. Doch nichts geschah.
    Arn, der einen Kopf grösser war als Edwin, packte ihn am Kragen. „Was auch immer du vorhast, daraus wird nichts. Du solltest endlich lernen, wo dein Platz ist. Geh zurück in deinen Turm, Prinzesschen“, sagte er drohend.
    Doch Edwin ließ sich nicht einschüchtern. Wenn es mit Magie nicht funktionierte, dann eben anders. So fest er konnte, biss er den Jungen in die Hand. Fluchend ließ er ihn los und Edwin machte einen Satz zum Tor hinüber.
    „Moment, was soll das? Weshalb schlagt ihr euch und wo willst du hin?“ Edwin hatte sich bereits an den Ketten zu schaffen gemacht, als Gilbert zu ihnen trat.
    „Er hat mich gebissen!“, hörte Edwin den Jungen klagen, doch er drehte sich nicht um, sondern konzentrierte sich darauf, das Tor zu entriegeln. Endlich gelang es ihm und er schob einen Torflügel auf.
    „Nicht so schnell, kleiner Mann“, sagte Gilbert und bekam Edwin am Ärmel zu fassen. „Wohin soll’s denn gehen?“
    Edwin drehte sich um. „Ins Gefängnis!“, schrie er, doch seine Stimme klang nicht halb so wütend und bestimmt wie er es sich ausgemalt hatte, eher kläglich.
    „Was willst du denn im Gefängnis? Willst du dich selbst dort abliefern, weil du Arn in die Hand gebissen hast?“, fragte Gilbert halb schmunzelnd halb ernst.
    „Das bisschen schadet ihm doch nicht“, blaffte Edwin. „Ich gehe, um Richard zu finden.“
    Entgeistert starrte Gilbert ihn an. „Erklär mir das bitte. So außer dir habe ich dich noch nie erlebt.“
    Krampfhaft versuchte Edwin, eine selbstsichere Haltung zu bewahren. „Ich bin es leid, untätig hier zu bleiben und nichts tun zu können“, setzte er an. „Ich mache mich nun selber auf die Suche.“
    „Aber deshalb brauchst du doch nicht gleich durchzudrehen und jemanden zu beißen.“
    Edwin warf einen schnellen Blick hinüber zu Arn, der seine Hand hielt. Edwin hatte einen spöttischen Blick erwartet, doch Arns Gesicht zeigte einen überraschten und erschreckten Ausdruck. Als Edwin ihn ansah, sah er schnell beiseite.
    „Er wollte mich nicht gehen lassen“, erklärte Edwin und mit jeder Sekunde, die verstrich, fühlte er sich elender.
    „Natürlich wollte er das nicht. Es ist gegen die Regeln, dass Kinder einfach so alleine das Anwesen verlassen. Arn hat nichts Falsches getan“, ermahnte ihn Gilbert, noch immer fassungslos.
    „Diese Regeln sind doch absurd!“, rief Edwin. „Weshalb sollte ich nicht alleine rauskönnen? Das ist doch kein Gefängnis und ich bin freiwillig hier! Also kann ich auch gehen, wann immer ich will!“
    „Du benimmst dich wie ein kleines Kind, Edwin. Wo ist der Krieger, den ich ausgebildet habe? Lass uns reingehen, wir müssen das nicht halb auf der Straße klären“, gebot Gilbert und wies Edwin den Weg nach innen.
    Unentschlossen sah Edwin von der Straße hinauf zum Haus. Jeela winselte und sah beunruhigt von Edwin zu Gilbert. Edwin machte einen Schritt auf den Garten zu. „Ich kann nicht bleiben“, sagte er matt. Auf einmal fühlte er sich erschöpft. Wütend zu sein ist anstrengend, dachte er.
    „In ein paar Stunden sieht alles anders aus. Komm erst mal rein. Dann reden wir über die ganze Geschichte“, versprach Gilbert, nun etwas sanfter.
    Edwin nickte. Beschämt trottete er zurück. „Tut mir leid, wegen der Hand“, murmelte er, als er an Arn vorbeiging. Eine Antwort erhielt er nicht.


    Sola. Wie findet ihr diese Version? Glaubhafter als die letzte? Edwin tobt. Unschön. Ich bin mir momentan selbst nicht einig, wie er sich genau verhalten soll. Was passt wirklich zu ihm? Er ist schon ein seltsamer Charakter. Ich versuche noch immer, ihn zu retten. Irgendwie scheint er der beiden Wege gehen zu wollen, die ich in ihm sehe... Hmm... Bitte um Rückmeldung...

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    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Hmmm, mir ist noch eine dritte Version von Edwin in den Sinn gekommen.

    Version 1: Edwin bleibt seltsam, Aussenseiter und schlägt sich mit Müh und Not durch, lenkt sich von Richard ab. freundet sich zumindest mit Lea an, sie helfen sich gegenseitig

    Version 2: Edwin dreht total durch, verkriecht sich im Wald, wird halb zum Tier und entdeckt die 'dunkle Seite der Macht', rettet Richard und wird von Samuel geheilt (entlarvt den Dämon in ihm), Edwin geht mit Richard in den Ducatus (bad-ass-Edwin)

    Version 3: Edwin dreht durch, sieht dann ein, dass er etwas ändern muss. er gliedert sich mit Hilfe von Lea und den Kids von Jakob nach und nach ins System ein und merkt, dass es ihm erstaunlich gut gefällt. mit Magie ist erst mal schluss, er will ein 'normaler' Junge werden

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    Rumi

  • Was passt wirklich zu ihm? Er ist schon ein seltsamer Charakter. Ich versuche noch immer, ihn zu retten. Irgendwie scheint er der beiden Wege gehen zu wollen, die ich in ihm sehe... Hmm... Bitte um Rückmeldung...

    Schwer. Du kennst ihn am Besten. Erstmal möchte ich aber nicht direkt auf Edwin eingehen, sondern auf andere Sachen und Edwin dann mit einbeziehen:

    „Stimmt“, gestand Edwin. „Ich möchte meine Kräfte kontrollieren lernen. Aber ich möchte auch Richard finden.“ Hoffnungsvoll blickte er zu Rachel auf, doch sie schien nicht weiter auf diese Möglichkeit der Kommunikation eingehen zu wollen.
    „Ich weiß nicht, ob es dein Weg ist, diese Art von Verbindung mit Richard zu teilen“, sagte sie. „Wir werden uns zu einem späteren Zeitpunkt wieder über dieses Thema unterhalten, ich glaube, nun ist es noch zu früh.“ Edwin wollte bereits widersprechen, doch Rachel fuhr fort: „Bevor wir für heute schlussmachen, zeige ich dir eine Übung, die du anwenden kannst, um deine Gefühle aufzulösen. Wahrscheinlich hast du Ähnliches bereits selbst entdeckt, aber manchmal hilft es, eine klare Anweisung zu erhalten.“

    „Stimmt“, gestand Edwin. „Ich möchte meine Kräfte kontrollieren lernen. Aber ich möchte auch Richard finden.“ Hoffnungsvoll blickte er zu Rachel auf, doch sie schien nicht weiter auf diese Möglichkeit der Kommunikation eingehen zu wollen.
    „Ich weiß nicht, ob es dein Weg ist, diese Art von Verbindung mit Richard zu teilen“, sagte sie. „Außerdem solltest du dich nicht so sehr von ihm einnehmen lassen. Ich war jahrelang von meiner Schwester abhängig, ich weiß wovon ich spreche“, sagte sie mit einem vielsagenden Blick.


    Ich hätte ja erwartet, dass du etwas an Edwin veränderst. Aber du hast Rachel etwas anderes sagen lassen und da sieht man, wie viel ein Satz doch verändern kann. Im Ersten verspricht sie ihm, weiter darüber zu sprechen, nur eben später. Außerdem geht sie im Nebensatz auf ihn ein. In der neuen Version kritisiert sie Edwin, auf eine fast schon arrogante Art. Und das bei einem so sensiblen Thema. Es ist nicht unlogisch, aber ein dummer Satz von ihr. der Erste war deutlich besser- wie man so deutlich an Edwins reaktion in beiden Parts sieht:

    Edwin nickte zögernd. Er wollte viel lieber weiter über Richard sprechen, doch Rachel schien mit diesem Thema bereits abgeschlossen zu haben. Er würde später wieder darauf zurückkommen, bis sie ihm mehr erzählte und bis dahin würde er weiter auf eigene Faust versuchen, mit seinem Bruder in Verbindung zu treten. „Was soll ich tun?“, fragte er schließlich, damit sie ihm die versprochene Übung erklärte.

    [...]

    Edwin fühlte sich ertappt bei den Worten Rachels. „Er ist sehr wichtig für mich, was ist schlimm daran?“, fragte er und hörte eine Schärfe in seinen Worten, die ihm fremd war.
    „Es ist nicht wirklich schlimm, aber du bist nicht frei. Auch dein Gefühlsausbruch bei Elvira hatte mit ihm zu tun. Wenn es um deinen Bruder geht, verlierst du die Kontrolle. In den nächsten Wochen werden wir an deiner Beziehung zu ihm arbeiten müssen, damit du dich von ihm loslösen kannst.“
    Rachels Worte verstärkten das drückende Gefühl in seinem Magen. Was wollte sie damit sagen? „Ich will mich nicht von ihm loslösen!“, begehrte Edwin auf. Ein diffuses Gefühl von Angst kroch seinen Körper hoch. „Ich möchte ihn finden, nicht noch weiter verlieren. Wenn die innere Verbindung zu ihm erlischt, dann…“ Er konnte sich nicht ausmalen, was dann wäre, aber bereits der Gedanke daran fühlte sich an, als würde er in eine bodenlose Tiefe stürzen. Ihm wurde leicht schwindlig.

    Oben ist das Thema dann (erstmal) durch. Sie konzentrieren sich auf die Übungen und haben weiterhin ein angenehmes verhältnis zu einander.
    Die neue Version entwickelt sich schnell anders...
    Grün: Sie erinnert ihn an etwas schlechtes. Seine stimmung sinkt.
    Blau: Wieder ein direkter Vorwurf. Kein verständnis. Sie greift ihn an- sie weiß doch, wie wichtig Richard für Edwin ist. Ist doch klar, dass Edwin sich zurückzieht, wenn er so etwas an dem Kopf geworfen bekommt. Auch, wenn das, was sie sagt, stimmt: Pädagogisch Null Punkte!
    Rot: Sehr schlechte Wortwahl. Edwins Reaktion ist absolut real und verständlich. Ich habe nur hier ein Problem mit ihr. So viel Überheblichkeit auf einmal. Als ob sie alles besser wüsste! (Klar, sie weiß es ja tatsächlich besser, aber ihre Weise, dort heranzugehen ist dumm. Menschlich, aber es wirkt ein klein bisschen erzwungen. Ich würde vorschlagen, dass sie einfühlsamer ist. Der Begriff "loslösen" alleine reicht schon, um Edwins reaktion hervorzubringen. Sie muss nicht davor schon so viel für schlechte Stimmung sorgen)

    Lila: Edwin tut mir so leid. Für seine 12 Jahre hat er schon viel durchlebt. Sein sanftes Gemüt wurde so oft auf die Probe gestellt. er wurde verzogen/verwöhnt und durfte trotzdem nicht so sein, wie er ist. Rein und "Das Leben liebend". Er musste schon so oft etwas an sich verändern. Das Töten, das Leid zulassen, sich Regeln beugen (obwohl er darin nicht so gut ist). Und nun soll er plötzlich Richard "loslassen"? Ja, wollen sie ihn denn komplett zerstören und verändern?

    (( Ich führe eine ähnlich ungesunde Beziehung mit meinem Mann. Wir sind völlig vernarrt in den jeweils anderen und ich hab schon gute Freundschaften deswegen verloren. Aber etwas schlechtes ist es nicht. Ich reagiere auch schnell gereizt, wenn Menschen (Vor allem, wenn sie uns nicht kennen) meinen, uns "trennen" zu wollen. Ich verstehe Edwin absolut ))

    Das alles hörte sich sehr danach an, als wolle sie, dass er seinen Bruder aufgab. Hatte sie keine Hoffnung, dass er ihn finden konnte? Oder zweifelte sie etwa gar daran, dass er überhaupt noch lebte? Konnte es womöglich sogar sein, dass auch Gilbert und Elvira ihm nicht glaubten? Vielleicht hatten sie ihn deshalb zu Rachel geschickt, damit sie ihn von Richard abbrachte.

    Man könnte sagen, dass er sich zu schnell in paranoia stürzt. Er ist 12. Pubertät fäng an und er hat vieles durchlebt. Sie versucht gerade, das letzte bisschen "Edwin" aus ihm herrauszunehmen. Seine unendliche Güte musste schon leiden. Sein Tatendrang wird immer zurückgehalten. Sein Leben in Freiheit wird weggenommen. Und nun soll auch das letzte was ihm ausmacht weg? Seine bedingungslose Liebe zu Richard? In seinem alter sind diese Gedankengänge absolut verständlich.

    • Sie wird "Handgreiflich", was Edwin nur noch mehr bestärkt. Zieht ihr noch mehr Punkte ab, sie verhält sich plötzlich wircklich bescheuert. Wie immer: ein Mensch kann durchaus so sein. Ihr kann es ausversehen passieren, mein Problem ist eher der Anfang. Sie wechselt mir zu plötzlich von "lieb und verständnisvoll" zu "ich muss dich verändern, hab das aber nicht unter kontrolle". Wie ich schon oben gesagt habe, lass sie in den ersten (neuen) Sätzen empatischer sein. Dann kommt alles logischer rüber.

    Edwin flieht, absolut verständlich. Er hat genug, natürlich.

    „Natürlich wollte er das nicht. Es ist gegen die Regeln, dass Kinder einfach so alleine das Anwesen verlassen. Arn hat nichts Falsches getan“, ermahnte ihn Gilbert, noch immer fassungslos.
    „Diese Regeln sind doch absurd!“, rief Edwin. „Weshalb sollte ich nicht alleine rauskönnen? Das ist doch kein Gefängnis und ich bin freiwillig hier! Also kann ich auch gehen, wann immer ich will!“
    „Du benimmst dich wie ein kleines Kind, Edwin. Wo ist der Krieger, den ich ausgebildet habe? Lass uns reingehen, wir müssen das nicht halb auf der Straße klären“, gebot Gilbert und wies Edwin den Weg nach innen.

    WTF
    Gil, vielleicht solltest du echt nicht unter Menschen sein. Seit wann bist du so? Natürlich bist du die "Mutter" deiner Figuren, aber für mich ist Gil hier extrem "Out of Character".

    • Seit wann kümmern dich die Regeln, Gil?!?! Edwin ist fix und fertig. Warum nimmst du Partei für Arn?
    • Warum ist er so fassungslos? Weil Edwin gebissen hat? Weil Edwin so außer sich ist? Ist Gil nun einfach überfordert? Ein kleiner Nebenatz, der Gils Gefühlswelt beschreibt könnte hilfreich sein.
    • EDWIN IST SUPER. Er ist in seinem Charakter, überfordert, fühlt sich verraten. Er versteht diese Sinnlosen Regel nicht, die ihm ja auch noch nie so wirklich erklärt worden sind. Da haben wir es wieder, dass alle sich extrem um ihn kümmern, aber keiner auf ihn eingeht.
    • Boah Gil. Seit wann interessierst du dich n dreck dafür, was andere Denken? Hast du Angst, dass Edwin wegläuft und das ist dein kläglicher Versuch, ihn ins Haus zu bringen. Alter, knieh dich hin, nimm den Jungen in den Arm. Frag ihn, was denn überhaupt passiert ist. Sei für ihn da und hör auf, dir Gedanken darum zu machen, WO ihr gerade seid. Edwin ist so aßer sich, also muss es doch etwas wichtiges sein. Spiel das nicht runter wie ein blöder Großstadt-Erwachsener. Nerviger Idiot. Argh. (Sorry xD)

    Fazit: Ich für meinen Teil kann Edwin SO gut verstehen. Mein Schatz, mein kleiner, missverstandener Junge.
    Rachel und Gil benehmen sich hier aber zu seltsam. Man merkt bei ihnen, dass du "eben schnell" etwas ändern wolltest. Bzw kommt es auf mich so rüber, dewegen fand ich den Teil sehr schwer zu lesen. Ich wünschte mir, dass die beiden etwas mehr sie beide wären. Damit das Gesammtbild wieder passt. Dann kannst du es auch gerne so lassen, nur komm ich gerade auf Rachel und Gilbert nicht klar. Argh, Erwachsene. ||

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Sorry, wegen eventueller Doppelpost xD

    Version 1: Edwin bleibt seltsam, Aussenseiter und schlägt sich mit Müh und Not durch, lenkt sich von Richard ab. freundet sich zumindest mit Lea an, sie helfen sich gegenseitig

    Version 2: Edwin dreht total durch, verkriecht sich im Wald, wird halb zum Tier und entdeckt die 'dunkle Seite der Macht', rettet Richard und wird von Samuel geheilt (entlarvt den Dämon in ihm), Edwin geht mit Richard in den Ducatus (bad-ass-Edwin)

    Version 3: Edwin dreht durch, sieht dann ein, dass er etwas ändern muss. er gliedert sich mit Hilfe von Lea und den Kids von Jakob nach und nach ins System ein und merkt, dass es ihm erstaunlich gut gefällt. mit Magie ist erst mal schluss, er will ein 'normaler' Junge werden

    Version 2 mit Badass Edwinn hört sich echt genial an :thumbsup:
    Verion 3: BITTE NICHT :rofl: Nimm ihm nicht seine Geistwesen, seine Flüge mit Faith und seine, teils naive Reinheit. Außer, er kommt in späteren Jahren wieder dort hin zurück.
    Version 1: :hmm: Ist glaube ich, die realistischte Zur Zeit? Er könnte lernen, wie er mit seinem "Anders da sein" seinen Platz in der Gesellschaft findet, ohne sich selbst aufzugeben. Er mag die Stadt und die Menschen nicht. Nicht so, wie sie zur Zeit sind. Aber im Wald kann er auch niemanden helfen. Also passt er sich so weit an, dass er anderen Helfen kann. Eventuell mit gelegentlichen Ausflügen in die Natur, um wieder Kraft zu tanken. Ich seh ihn als zweiten Markus vor mir. Immer bemüht, die komplizierten Menschen zu verstehen und ihnen zu helfen, weil sie es selbst scheinbar nicht können.

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  • Hi Az

    Wow, du hast dich echt reingehängt!! Danke!!!
    Deine Kommentare helfen mir, das Ganze etwas zu ordnen. Muss aber trozdem etwas Distanz zwischen mich und Edwin bringen und seine Gefühlswelt wieder von vorne aufwickeln. Er hat echt viel durchgemacht und vielleicht hab ich ihn mit den ganzen Rückblenden zu sehr überfordert. So Mühe hatte ich mit einem Charakter/Situation bisher noch nicht. Liegt wohl auch daran, dass ich momentan viel zu viel arbeite und mich gar nicht so ganz auf Edwin einlassen kann... und darunter sollte er und die Geschichte aber nicht leiden. Deshalb lass ich die Stelle wohl fürs erste etwas setzen. Lieber nichts überstüzten, da es den weiteren Verlauf der Geschichte massgeblich verändern könnte.

    Aber du hast Rachel etwas anderes sagen lassen und da sieht man, wie viel ein Satz doch verändern kann.

    Das find ich schon recht krass. Eine klein wenig andere Reaktion von Rachel und das ganze fliegt in die Luft. Hier hab ich sie lediglich sagen lassen, was sie sich in der ersten Version bereits dachte. Da hat sie sich aber zurückgehalten, da sie wusste, dass Edwin extrem sensibel auf das Thema reagiert.

    Edwin tut mir so leid. Für seine 12 Jahre hat er schon viel durchlebt.

    Total!! Armer Edwin :( Gut möglich, dass ich die letzte Rückblende (Szene am Waldsee) erst später bringe, damit er eine Chance hat, sich besser einzuleben und sich mit Lea anzufreunden. Bevor ich ihn so sehr in ein Gefühlswirrwarr stürze. War nur selbst gerade so erpicht darauf, diese Szene loszuwerden, dass ich Edwins Gefühle zu wenig berücksichtigt habe (haha, das höre sich einer an, ich red schon, als ob er tatsächlich da wäre :D )

    Man könnte sagen, dass er sich zu schnell in paranoia stürzt. Er ist 12. Pubertät fäng an und er hat vieles durchlebt. Sie versucht gerade, das letzte bisschen "Edwin" aus ihm herrauszunehmen. Seine unendliche Güte musste schon leiden. Sein Tatendrang wird immer zurückgehalten. Sein Leben in Freiheit wird weggenommen.

    Hab das vielleicht auch ein bisschen erzwingen. Hab sie so übritrieben reagieren lassen, weil ich wollte, dass er abhaut. Naja, man kann eben nichts erzwingen. Sorry, diese zweite Version ging schon etwas daneben. Ich übereile...

    Gil, vielleicht solltest du echt nicht unter Menschen sein. Seit wann bist du so? Natürlich bist du die "Mutter" deiner Figuren, aber für mich ist Gil hier extrem "Out of Character".

    Hmmm, er war wohl überfordert. Aber vielleicht hab ich ihn wirklich nicht ganz getroffen.

    Aber im Wald kann er auch niemanden helfen. Also passt er sich so weit an, dass er anderen Helfen kann.

    klingt nach Edwin. Das sollte er sich mal überlegen ^^

    Danke nochmals Aztiluth!! Du bist im richtigen Augenblick erschienen. Hoffe mal, dass ich euch nicht allzulange wartenlasse, bis ich das Chaos geordnet habe und den nächsten Post bringe :) hihi, was das Leben so bringt... So viel Drama :)

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • War nur selbst gerade so erpicht darauf, diese Szene loszuwerden, dass ich Edwins Gefühle zu wenig berücksichtigt habe (haha, das höre sich einer an, ich red schon, als ob er tatsächlich da wäre )

    Ich sehe es gerne so, als ob die Figuren wirklich da wären. Manchmal reden sie sogar mit mir, als leise Stimmen in meinem Kopf ^^
    Es ist schön, wenn sie so viel eigenleben haben. Wenn wir als Autoren sie dann in andere Bahnen drängen, können sie schnell überfordert sein. Und zwingen wir sie trotzdem weiter, werden sie früher oder später brechen. Ich kenn das von meinen auch. Wenn sich eine Geschichte nicht weiter entwickeln möchte, weil irgendwas nicht passt- und man dann merkt, dass eine Figur zu taten gezwungen wurde, die sie nie gemacht hätte. Oder wenn wir ihnen doch mehr zumuten, als sie tragen können.

    Ich lass meine Figuren gerne leiden, weil sie das gut abkönnen. Aber auch meine sind im rpg dann zusammengebrochen, obwohl es geschichtlich garnicht gut war, weil es ihnen einfach zu viel wurde.

    Wenn wir sie lebendig machen wollen, sollten wir sie auch behandeln, als ob sie leben würden :D

    Hab das vielleicht auch ein bisschen erzwingen. Hab sie so übritrieben reagieren lassen, weil ich wollte, dass er abhaut. Naja, man kann eben nichts erzwingen. Sorry, diese zweite Version ging schon etwas daneben. Ich übereile...

    Ich glaube halt, dass Edwin fertig genug ist, dass sie garnicht so übertreiben muss. Später, wenn sie bemekert, dass er abhauen will und alles falsch versteht, kann sie ja in "panik" geraten und so weitermachen. Nur eben am Anfang der neuen Version würde ich persönlich sie noch etwas emphatischer rüberkommen lassen.

    Und wenn Gil auch nur überfordert ist. wären ein, oder zwei Sätze dazu hilfreich. Man kann es sich zwar denken, aber Gil wirklte eher wie seine Schwester und weniger wie er selbst.

    Nimm dir daher alle Zeit die du brauchst, veränder so viel, wie nötig ist. Ich freu mich schon jetzt auf das ergebnis :D

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  • Okay, bin noch immer meine Gedanken am ordnen, was Edwin betrifft. Aber so allmählich ergibt sich ein volleres Bild. Habe ein bisschen zu schnell drauflosgeschrieben und ein paar Dinge ausser Acht gelassen. Werde das nun richtig angehen. Bis ich so weit bin, mache ich erst mal weiter miiiiiittt::: JAKOB! :) Auf den Burschen hab ich mich nun schon lange gefreut. Er musste bis jetzt immer etwas hinter den anderen beiden nachstehen. Aber nun werde ich mich mehr ihm widmen, eigentlich eine tolle Gelegenheit.


    Seit dem letzten Post von Jakob ist ein Weilchen vergangen. Deshalb hier noch eine kleine Zusammenfassung über die Kapitel zu seiner Figur:

    Im Jahr 560 trifft er Richard, der seinen Vater bei einer Sumpfüberquerung begleitet. Sie sprechen über den Sinn des Lebens und Richard würde Jakob gerne auf seiner Suche begleiten. Jakob geht weiter in die Hauptstadt Caput. Dort lebt Jakob auf der Straße. Er schlägt sich mit Stehlen und Betteln durch. Er versucht mehr über den Sinn des Lebens bei der Gnosis herauszufinden, doch diese werfen ihn in hohem Bogen raus, was ihn in seinem negativen Bild von ihnen bestätigt. Den Winter verbringt er in Elvira Kornells Waisenhaus. Da ihm die Struktur und die Regeln jedoch zu eng sind und er das Gefühlsgelaber nicht ertragen kann, geht er zurück auf die Straße, sobald es wieder wärmer geworden ist.
    Im Jahr 561 rettet er Mar vor dem Knast, als er versucht, einen Fleischspieß zu stehlen. Von da an machen sie Caput gemeinsam unsicher, obwohl Jakob eigentlich alleine unterwegs sein will und keine Verantwortung übernehmen möchte. Trotzdem genießt er Mars Anwesenheit, denn dieser bewundert ihn. Sie lernen Emilie, die reiche Tochter eines Richters kennen. Zusammen mit den drei elternlosen Kindern Seraphina, Will und Hagar besetzen sie ein leerstehendes Haus. Eine Zeit lang leben sie dort ziemlich glücklich, bis Emilie plötzlich nicht mehr auftaucht. Jakob, der ein bisschen verliebt in sie ist, denkt, sie komme nicht mehr, weil sie sich oft gestritten hatten. Er macht sich auf, sie in ihrem Haus zu besuchen und klettert auf ihren Balkon. Doch sie wirft ihn hinaus, scheint jedoch nicht in sonderlich guter Verfassung zu sein. Ihr Zustand erinnert ihn an seine ältere Schwester Rosalie.
    Im Winter (562) wird das Haus von Stadtwachen gestürmt, die Wind von ihrem Aufenthalt darin bekommen haben. Deshalb verlassen sie ihr Heim fluchtartig und Jakob kehrt mit den Kindern zurück ins Waisenhaus der Familie Kornell.
    (nicht vergessen: Richard und Edwin sind zu diesem Zeitpunkt noch immer glücklich und zufrieden zu Hause bei ihrem Vater und Onkel am Körbchen flechten, Garten wässern und so weiter :) )


    Jakob, Ankunft (562 n. Rh.)
    Sie warteten. Die Kleinen versuchten tapfer zu sein, doch Jakob sah ihr Unbehagen. Es war zwar einigermaßen warm hier, aber es war noch immer niemand gekommen, der ihnen sagen konnte, was nun mit ihnen passieren würde. Jakob hatte erwartet, von Fräulein Kornell empfangen zu werden, doch sie sei gerade abwesend. Auch ihre drei Begleiter waren außer Haus und die Kinder wussten anscheinend nicht recht, wie sie mit diesen nächtlichen Besuchern umgehen sollten. Beunruhigt musterte Jakob seine kleine Bande, die noch immer zitternd auf der langen Holzbank aneinandergedrängt saßen. Die Erschöpfung war ihnen nur zu gut anzusehen, sie konnten kaum noch die Augen offenhalten. Hier im hellen Schein der Lichtkugeln, die unter der Decke schwebten, sah er, wie ausgezehrt ihre Gesichter waren. Er musste sich eingestehen, dass er sie viel früher hätte herbringen sollen. Doch er hatte gehofft, Emilie würde zu ihnen zurückkommen und sein Stolz hatte es nicht zulassen wollen, Fräulein Kornell um Hilfe zu bitten. Er biss die Zähne zusammen. Verfluchter Stolz. Auch jetzt merkte er, dass er eigentlich nicht hier sein wollte. Die riesige Eingangshalle war viel zu prunkvoll, zu sauber. Sie roch geradezu nach Regeln und Zwang, darüber konnte auch ihre Größe nicht hinwegtäuschen. Er wollte frei sein. Dahin gehen, wo seine Füße ihn trugen. Doch immer drängte das Leben ihn in neue Käfige. Gebaut aus Verantwortung, seinem eigenen Dickkopf, dem Bedürfnis nach Nahrung.
    Aufgeregte Stimmen näherten sich der Eingangshalle, in der sie noch immer saßen. Die Kinder blickten ängstlich oder erwartungsvoll auf, als die junge Frau, gefolgt von einigen Kindern, den Raum betrat. Jakob erinnerte sich an sie, eine von Fräulein Kornells ältesten Schülerinnen. Jakob stand auf und ging ihr entgegen. „Ja, ich kenne ihn“, sagte die junge Frau an das Mädchen gewandt, welches sie eingelassen hatte. Sie blieben einander gegenüber stehen. „Den Namen habe ich vergessen, aber an das Gesicht erinnere ich mich. Du bist der kleine Streuner, der sich nicht an den Tagesablauf halten wollte.“ Ihr Blick war streng. Jakob schluckte hart. Wenn das ihr Urteil über ihn war, dann konnte die Sache komplizierter werden als geplant.
    „Mein Name ist Jakob. Fräulein Kornell hat gesagt, ich könne jeder Zeit wiederkommen, wenn ich Lust habe“, sagte er, um einen mutigen Tonfall bemüht, aber es klang eher trotzig.
    „Das mag so sein. Wir werden es wissen, wenn sie zurück ist. Dann wird sich zeigen, was mit euch geschehen wird.“ Sie wandte sich den Kindern zu, die noch immer schlotternd auf der Bank saßen und sich so klein wie möglich machten. Die Strenge in ihrem Gesicht schmolz dahin. „Kommt Kinder. Ihr braucht keine Angst zu haben. Fräulein Kornell hat in diesem Haus noch nie jemanden verhungern oder erfrieren lassen.“ Sie trat auf die Bande zu und kniete sich hin. „Wie heißt ihr?“
    Jakob beobachtete misstrauisch wie sie nacheinander ihre Namen nannten.
    Die Frau lächelte müde, aber freundlich. „Freut mich, euch kennen zu lernen. Ihr könnt mich Mina nennen. Ich würde ja zu gerne eure Geschichte erfahren, aber das muss warten. Wir müssen euch erst einmal aufwärmen.“ Sie wandte sich an einen älteren Jungen in ihrer Begleitung. „Lotar, könntest du den Ofen in der Küche anfeuern und etwas Gemüse mit Maisbrei vom Mittagessen aufwärmen?“
    Der ältere Junge nickte, nahm ein Mädchen aus der Gruppe bei der Hand und verließ den Raum. Jakob vermutete, dass sie das jüngere „Geschwister“ von diesem Lotar war. Denn in Fräulein Kornells Haus bekam jeder Neuankömmling einen älteren „Bruder“ oder eine ältere „Schwester“, welche dann auf den Kleinen aufpassen mussten, bis er sich eingelebt hatte. Jakob war unwohl bei dem Gedanken, seinem älteren „Bruder“ wieder zu begegnen. Er war ihm auch damals so oft wie möglich aus dem Weg gegangen.
    Mina schickte die anderen Kinder wieder zu Bett, beziehungsweise ans Tor zurück. Dann nahm sie eine Fackel aus einer Halterung an der Wand und führte Jakobs kleine Bande in einen Raum, der gleich an die Empfangshalle angrenzte. Wie überall bedeckte auch hier ein dicker, roter Teppich den Boden. Viel zu weich schmiegte er sich an Jakobs nackte Füße. Das flackernde Licht von Minas Fackel fiel auf mehrere bequeme Sessel und Sofas, die in Gruppierungen zusammen um niedere Tischchen standen. Die Möbel waren aus dunklem Holz gefertigt und sahen furchtbar teuer aus. Wie viel er wohl für die schmucke Messingfigur auf dem Kaminsims bekommen würde?
    Mina kniete sich vor die Feuerstelle und nach kurzer Zeit züngelten Flammen am Holz empor, die Fackel steckte sie in eine Halterung daneben. „Zieht eure Schuhe aus und macht es euch gemütlich“, sagte Mina und die Kinder schauten auf das, was sie als Schuhe bezeichnet hatte. Eigentlich waren ihre Füße mit mehreren Lagen Stoff umwickelt, Schuhe wären etwas anderes gewesen. „Setzt euch am besten gleich vors Feuer“, sagte sie mit einem Blick auf die Füße der Kinder. Sie schob Seraphina näher zum Ofen hin und betrachtete ihre Füße genauer. „Das sieht schlimm aus.“ Sie warf Jakob einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wir sprechen morgen über alles.“
    In diesem Moment öffnete sich die Tür und zwei Gestalten betraten den Raum. Jakob konnte nicht erkennen, ob es sich um Jungen oder Mädchen handelte, denn sie waren voll beladen mit dicken Wolldecken und Kleidern. „Reicht das, Mina?“, japste der eine, es war eine Jungenstimme, die hinter den Decken hervortönte. Er trat auf den Zipfel einer Decke und geriet ins Stolpern. Wie tollpatschig, dachte Jakob. Der Junge warf die Decken von sich und stützte sich auf einem der Sessel ab. „Zu viele Decken“, murmelte er verlegen und bückte sich, um seine fallengelassene Ware auf einen Sessel aufzutürmen.
    „Danke, ihr zwei. Jetzt geht schlafen“, kommandierte Mina. „Und seid leise, wenn ihr in den Schlafsaal kommt.“
    Hinter der zweiten Beige tauchte nun ebenfalls ein Jungengesicht auf. Neugierig lugte er hinter dem Stapel hervor und ließ sich Zeit damit, die Kleider und Decken auf einem Sofa niederzulegen. Er beäugte die fünf Neuankömmlinge unverhohlen, bis Mina die zwei Jungen erneut aufforderte, zu gehen. Herzhaft gähnend machten sie sich aus dem Staub.
    Mina half den Kindern aus den nassen Kleidern zu kommen. Jakob hatte schon die Überreste seines Hemds ausgezogen, da bemerkte er einen wütenden Seitenblick Minas und machte sich sogleich daran, Will zu helfen. Die Kleidungsstücke, welche die zwei Jungen gebracht hatten, passten nicht perfekt und waren bereits abgetragen, aber sie waren um einiges besser als die Lumpen, die sie nun zum Trocknen rund um den Ofen aufgehängt hatten. Schon öffnete sich die Tür ein weiteres Mal und der Junge, Lotar, kam herein, wieder in Begleitung seiner kleinen Schwester. Er trug ein Tablett mit einer dampfenden Schüssel und verschiedenen Essensschalen. Das Mädchen folgte ihm mit einem Krug und Gläsern. Jakob sah, dass dem Mädchen schon beinahe die Augen vor Müdigkeit zufielen. Doch er konnte sich nicht auf sie konzentrieren, denn der Geruch des Essens war bereits in seine Nase gestiegen und sein Magen knurrte erbärmlich. Er konnte kaum die Augen von der dampfenden Schüssel abwenden. Lotar stellte das Tablar auf ein niedriges Tischchen und nahm dem Mädchen dankend den Krug und die Gläser ab, um sie ebenfalls hinzustellen. Sofort wanderten fünf Augenpaare zu dem Tischchen hinüber. Jakob nahm kaum noch wahr, wie Lotar und sein Schäfchen den Raum wieder verließen. Auch Mina ließ sie für eine Weile allein.
    „Dürfen wir?“, fragte Seraphina mit gequältem Gesichtsausdruck, als sie sich um den Tisch versammelt hatten.
    Jakob nickte, er konnte es kaum ertragen, den Mais und das Gemüse zuerst in die Schalen abzufüllen. Der Drang, sich gleich einen Löffel voll in den Mund zu stecken war groß, aber die ausgezehrten Gesichter seiner Familie ließen ihn noch einen Moment lang Geduld haben. Seine Hand zitterte, als er eine Schale nach der anderen füllte und verteilte. Sehr zu seinem Erstaunen bedeutete Mar den Kindern zu warten, bis auch er, Jakob, eine Schale vor sich stehen hatte. Erst dann machten sie sich mit Heißhunger über ihr Essen her. Jakob verbrannte sich glatt die Zunge, neben ihm hustete Hagar und griff schnell nach dem Krug mit Wasser. Sie schlangen das Essen hinunter, als hätten sie seit Jahren nichts mehr in den Magen bekommen. Es war tatsächlich auch viel zu lange her, seit sie das letzte Mal wirklich satt geworden waren. Die Schüssel war leer geputzt, als sie zu essen aufhörten. Nun spannte sich der Magen unangenehm, aber das war Jakob egal. Lieber ein Magen, der wegen Überfüllung schmerzte als wegen Leere.

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
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    Rumi

  • So, @RenLi, bevor ich mit dem 2. Teil Rachel und dann mit Jakob weiterlese, noch ein kurzes Feedback zu den Posts 291 und 294

    Da hab ich mich bisschen schwergetan. Es war so viel Theorie. Puh, ich musste meine Gedanken immer wieder zurückholen von irgendwelchen Spaziergängen, zu denen sie ausgebüxt sind, und manchmal sogar einen Part noch einmal lesen, weil ich gar nicht erfasst habe, was ich da eben gelesen habe. Gerade der Post mit dem Schachspiel. Ich habe ja begriffen, dass Edwin ein eher introvertierter Junge ist, der sich gern mit Gedanken beschäftigt, die selbst manchem Erwachsenen zu hoch sind, aber das Ganze war fast ein wenig zuuuuu tiefgründig für mich.
    Auch der Post 294, das war ähnlich. Rachel gibt sich sehr viel Mühe, Edwin alles zu erklären. Aber es ist schon ziemlich ausschweifend geschildert.
    Ich merke - und das macht mich ein bisschen traurig - dass ich nicht mehr so begeistert lese wie vorher. Aber ich denke, dass sich das wieder ändert, wenn wir erst wieder bei Jakob sind.
    Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel, RenLi. Ich bleibe - wie gesagt - auf jeden Fall dabei. Deine Charaktere sind alle ganz wundervoll und auf ihre Art sehr eingänglich und auch liebenswert, und ich mag sie. Besonders Talmud und Gilbert. Die sind zwei Felsen in der Brandung. ^^
    LG Tariq

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Hi @Tariq

    Danke für deinen Post! Es ist immer gut, auch mal eine Kritik zu bekommen! Das nehme ich natürlich ernst.
    Jakobs Parts werden dir wahrscheinlich besser gefallen. Er ist kein Theoretiker, sondern ein Praktiker. Immer voll rein ins Geschehen :)
    Schön, dass du weiterliest! Dass dir Talmud gefällt, überrascht mich, da er ja eher eine Randfigur ist. Cool, dass er sich einen Platz bei dir erobern konnte :)

    Lg, RenLi

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    • Offizieller Beitrag

    Puh, ich muss sagen... Ich kann Jakobs trotz schon nachvollziehen... Ich selbst wäre wahrscheinlich aus sturheit eher verhungert als zurückzukehren.

    Puh, ich musste meine Gedanken immer wieder zurückholen von irgendwelchen Spaziergängen, zu denen sie ausgebüxt sind, und manchmal sogar einen Part noch einmal lesen, weil ich gar nicht erfasst habe, was ich da eben gelesen habe. Gerade der Post mit dem Schachspiel. Ich habe ja begriffen, dass Edwin ein eher introvertierter Junge ist, der sich gern mit Gedanken beschäftigt, die selbst manchem Erwachsenen zu hoch sind, aber das Ganze war fast ein wenig zuuuuu tiefgründig für mich.

    Echt? O.O
    Ich hab den Part voll gefeiert. Aber da sieht man mal wieder das Geschmäcker unterschiedlich sind. Nichts desto trotz freu ich mich nun auch auf die Parts des "Praktikers"^^

  • Jakob, weg von hier (562 n. Rh.)
    Jakob und die Kinder verbrachten die nächsten Tage damit, das Anwesen zu erkunden. Da noch nicht klar war, wie man weiter mit ihnen verfahren würde, ließ Mina ihnen zu Jakobs Erleichterung die Freiheit, ihre Zeit selbst zu gestalten. Nur zur Essenszeit fanden sie sich wie alle übrigen Kinder im Speisesaal ein. Jakob beobachtete seine Schützlinge. Während Hagar, der Jüngste, die anderen Waisenkinder mit scheuer Neugierde betrachtete, beäugten Will und Seraphina sie mit Argwohn. Wenn sie ihr Essen geholt hatten, zogen sie sich in eine mehr oder weniger ruhige Ecke des riesigen Saales zurück und schlangen so schnell es ging herunter, als fürchteten sie, man könne es ihnen wieder wegnehmen. Auch Jakob fühlte sich nicht wirklich wohl. Ständig ließ er seinen Blick über die Köpfe der Essenden wandern. Die meisten Gesichter kamen ihm vage vertraut vor, aber zu den wenigsten kannte er den Namen. Seinem ‚älteren Bruder‘ war er bislang erst einmal begegnet, doch es war ihm gelungen, ihm auszuweichen. Ansonsten sah er ihn nur von weitem. Was für eine seltsame Welt, dachte Jakob, während er mitverfolgte, wie ein Junge dem anderen unter dem Tisch durch einen Tritt versetzte, woraufhin der andere aufschrie und sein Gegenüber mit einem Stück Gemüse bewarf. Wie können sich die hier so wohlfühlen?, fragte er sich gereizt.
    Er leerte seine Schale und erhob sich. „Seid ihr fertig?“
    Schnell schaufelte sich Will den Rest seines Essens in den Mund und nickte. Hagar, der sich gerade mit Grütze besudelt hatte, sah erschrocken hoch. Sofort wischte Mar das Verschüttete weg und strich dem Kleinen beruhigend über den Rücken. „Ihr wollt doch nicht länger als nötig hier bleiben, oder?“, fragte Jakob etwas barsch. Er konnte die Blicke der anderen nicht ertragen. Ich wäre auch gar nicht hier, wenn es euch nicht gäbe, dachte er verstimmt, als er Mars vorwurfsvolle Mine bemerkte.
    „Ich bin fertig“, sagte Seraphina und zeigte ihre leere Schale vor.
    Mar bliess scheinbar entnervt Luft aus der Nase. „Dann gehen wir“, bestimmte Jakob und sah Mar herausfordernd an. Dessen Wangen röteten sich leicht. Er half Seraphina aufzustehen und Will half ihr auf Mars Rücken zu steigen. Da ihre Fußsohlen noch immer sehr in Mitleidenschaft gezogen waren, konnte sie noch nicht alleine gehen. Mindestens zweimal am Tag wechselte Mar behutsam ihre Bandagen. Wie eine sorgenvolle Mutter, dachte Jakob.
    Da spürte er eine Berührung an der Hüfte. Hagar sah zu ihm hoch. Jakob verkniff sich einen Seufzer und hielt dem Kleinen die Hand hin. Ein strahlendes Lachen breitete sich auf dessen Gesicht aus, als er danach griff. „Ist ja nur eine Hand“, murmelte Jakob und beeilte sich, die Schalen zum Abwasch zu bringen.
    Froh, aus dem lärmigen Speisesaal heraus zu sein, verzogen sie sich in ihr kleines Zimmer, das sie für sich alleine hatten. Erst hatte Mina sie in nach Mädchen und Jungen unterteilte Schlafkammern aufteilen wollen, doch nachdem Seraphina beinahe zu weinen angefangen hätte und Hagar sich an sie geklammert hatte, als würde er ohne sie in einem unsichtbaren Fluss ertrinken, hatte sie die Bande in ein eigenes Zimmer eingewiesen.
    Mar hatte eine Wachsplatte und einen Kratzer gefunden, mit welchem er nun Will ein paar Schriftzeichen zeigte. „Woher weißt du, wie sowas geht?“, fragte Jakob, als Mar ein neues Zeichen in das Wachs ritzte.
    Mar schaute ihn etwas hilflos an. Anscheinend fiel ihm nichts ein, womit er erklären konnte, woher. Er machte eine Geste mit der Hand, als wolle er etwas über seine Schultern werfen. Jakob sah ihn fragend an. Mar widerholte die Geste etwas zaghaft, dann plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er nahm den Kratzer und die Tafel zur Hand und begann mehrere Zeichen einzuritzen. „Ich kann nicht lesen“, murrte Jakob, der keine Geduld für solche Spiele hatte.
    „Vielleicht kann ich es lesen“, meinte Seraphina und rückte näher zu Mar heran. Sie hatte auch schon von Emilie ein bisschen schreiben gelernt. „Früher“, las sie vor. „Eltern.“
    „Du hattest Eltern?“, fragte Jakob skeptisch. „Und die hatten so eine Tafel?“
    „Wo sind deine Eltern jetzt?“, wollte Seraphina wissen.
    Wieder schob Mar den Stab über das Wachs. „Tot“, flüsterte Seraphina.
    War ja klar, dachte Jakob. Wären sie noch am Leben, wäre er wohl gar nicht hier gelandet. Obwohl… Er dachte an seine eigenen Eltern. Ob sie noch lebten, wusste er nicht. Sie hatten ihn zusammen mit Rosalie weggeschickt. Verkauft!, berichtigte er sich. Sie haben uns verkauft, als wären wir zwei Ochsen. Es ist ihre Schuld, dass Rosalie nicht mehr lebt! Und seine!
    Wie so oft rief er das Bild des Gutsherrn aus seiner Erinnerung und ertränkte seine Angst und den Kummer im Hass auf den Mann, der ihm seine Schwester genommen hatte. Er hat irgendetwas gemacht, er hat Rosalie in den Wahnsinn getrieben. Bis sie es nicht mehr ausgehalten hat. Und irgendwann, werde ich es ihm heimzahlen, schwor er sich grimmig. Aber dazu muss ich stärker werden. Ich sollte Krieger werden und nicht auf kleine Kinder aufpassen müssen. Dieser Gedanke brachte ihn in die Realität zurück. Hier wird das schwierig werden.
    Mar und Will hatten sich inzwischen wieder ihrer Schreibübung zugewandt und Seraphina begutachtete ihre bandagierten Füße, Hagar schlief friedlich neben ihr. Sie sind in Sicherheit, was könnte besser sein? Ich sollte gehen, bevor Fräulein Kornell zurückkommt.
    Seit sie im Waisenhaus angekommen waren, war Jakob von Tag zu Tag unruhiger geworden. Er hatte sich schon viel zu lange mit den Kleinen aufgehalten und sogar seine Pläne zeitweilig vergessen. Nicht vergessen, Jakob, ermahnte er sich. Es gibt zwei Aufgaben zu bewältigen: den Sinn dieses vermaledeiten Lebens finden und diesem Dreckskerl zurückzahlen, was er angerichtet hat. Der Rest ist unwichtig.
    Er ließ sich zurück auf die Matratze sinken und streckte sich auf dem Rücken aus. „Besser früher als später“, murmelte er. Wenn Fräulein Kornell zurückkam, dann würde er sich ihren Gesetzen beugen müssen. Und diesmal würde er nicht so einfach wegkommen, wenn er Stunden schwänzte. Er musste sich entscheiden. Entweder blieb er und fügte sich, oder er ging. Und zwar bald. Oder sollte er noch bis Ende Winter warten? Wenigstens, bis der Schnee geschmolzen war? Unentschlossen starrte er ins Leere, während sich die Gedanken drehten in seinem Kopf drehten. Hin und her entschied er sich, wog ab, wollte bleiben, wollte gehen.
    Was mache ich mir vor?, dachte er. Eigentlich weiß ich schon lange, was ich tun muss. Ein grimmiger Ausdruck zeigte sich auf seinem Gesicht. Heute Nacht.

    Jakob träumte, dass er flog. In der Ferne sah er eine lange Bergkette. Dort drüber wollte er fliegen und dann das Meer erreichen. Doch dann sah er unter sich Hagar und Will. Sie wurden von wilden Wölfen eingekreist. Jakob ließ sich fallen und angelte sich die beiden Jungen. Sobald er sie festhielt, schoss er wieder in die Höhe, doch mit den zwei Jungen in den Armen war es bedeutend anstrengender zu fliegen. Sie sanken tiefer. Die Wölfe folgten ihnen mit gierigen Fratzen. Sie warteten nur darauf, dass sie abstürzten. Wenn ich sie mitnehmen will, dann sterben wir alle, dachte Jakob. Aber ich kann sie doch nicht fallen lassen!
    Mit Schrecken erwachte er. Um ihn hörte er das gleichmäßige Atmen seiner Schützlinge. Seraphina hatte sich im Schlaf an ihn geschmiegt, ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Er hatte die Kleinen schon lange nicht mehr so zufrieden gesehen. Er seufzte leise. Sie sind mir mehr ans Herz gewachsen, als es gut für mich ist, gab er zu und schob ihren Arm behutsam zur Seite.
    Vorsichtig setzte er sich auf. Nun, da er sich entschieden hatte, war sein Kopf angenehm klar. Die Unruhe, die ihn geplagt hatte, war verschwunden und die erste Euphorie eines kommenden Abenteuers nahm Besitz von ihm. Jakob kroch unter der Decke hervor, die sie beide bedeckt hatte. Im Schein des Mondes betrachtete er die Kinder, die ihm in den letzten Monaten zur Familie geworden waren. Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Ich wusste von Anfang an, dass ich sie irgendwann verlassen würde und jetzt fällt es mir viel schwer. Nicht noch länger Zögern. Er drehte sich um und schlich hinaus. Wie ein Dieb in der Nacht, dachte er und konnte den bitteren Nachgeschmack dieser Worte nicht ganz ignorieren. Doch er lenkte sich mit den Gedanken an die nächsten Schritte ab. Erst musste er sich Proviant besorgen. Wie gut, dass ihr provisorisches Nachtlager so nahe der Küche lag. Seit sie hier waren, hatte er sich oft überlegt, was er alles mitnehmen sollte, falls er sich entschied zu gehen. Aus der Küche holte er so viel Wegzehrung, wie er tragen konnte. Diese wickelte er in eine Decke, die er an den Ecken zusammenband und sich über die Schultern hängte. Ein Messer steckte er sich auch noch ein. Aus der Waschküche klaute er sich eine zusätzliche Schicht Kleider, die er über seine alten zog. Je mehr, desto besser. Aus einem Zimmer ließ er eine der schwebenden Leuchtkugeln mitgehen. Die würde er sicherlich gut gebrauchen können. Er steckte sie unter sein Hemd, damit sie ihn nicht verriet, wenn er nach draußen ging. Jakob gelangte zur Eingangshalle. Er warf einen prüfenden Blick hinein, leer. Leise huschte er durch die Schatten und erreichte die Tür. In diesem Moment sah er eine Bewegung aus den Augenwinkeln und eine dunkle Gestalt schob sich zwischen ihn und den Ausgang. Sie können mich nicht einsperren!, dachte er zornig. Dann erkannte er, wer vor ihm stand. Es war Mar. „Was tust du hier?“, zischte Jakob wütend. „Geh zurück ins Bett.“
    Natürlich antwortete Mar ihm nicht. Jakob zog die Leuchtkugel hervor, damit er Mars Gesicht sehen konnte. Trauer lag darin. Er weiß es. Natürlich, Mar ist nicht dumm. „Mach es nicht noch schwerer, als es so schon ist.“
    Mar blickte ihn an. Warum?, schienen seine Augen zu fragen.
    „Du weiß, warum ich gehen muss. Du kennst mich besser als die anderen. Ich wünschte zwar, ich hätte Emilie noch einmal gesehen, bevor ich gehe.“ Jakob legte Mar eine Hand auf die Schulter. „Ich lass unsere Truppe in deinen Händen. Bei dir sind sie viel besser aufgehoben als bei mir. Ihr kommt schon ohne mich klar.“ Er steckte die Kugel wieder ein. Sanft, aber bestimmt, schob Jakob Mar beiseite und öffnete die Tür. Ohne sich noch einmal umzublicken, schritt er in die Kälte hinaus.
    Nun galt es, über die Mauer und in die Freiheit zu kommen. Schon während seines ersten Aufenthaltes hier hatte er einen Baum gefunden, von dem aus man auf die Mauer klettern konnte. Ein Seil fand er im Geräteschuppen, damit konnte er sich auf die andere Seite absetzen. Während er den Baum erklomm, dachte er an die Zeit mit den Kindern zurück. Ob sie ihn schnell vergessen würden? Wie würden sie reagieren, wenn er nicht mehr da war? Er setzte sich auf einen der unteren Äste und schaute zum Haus zurück. Seine Hände schmerzten noch immer an den wunden Stellen, die der Stick bei ihrer letzten Flucht hinterlassen hatte. Nun floh er alleine. Geschickt verknotete er das Seil am Baumstamm und kletterte über den Ast in Richtung Mauer. Seraphina würde sicher am meisten traurig sein, dachte er. Aber sie ist tapfer! Stolz erfüllte ihn bei dem Gedanken daran, wie sie allen vorangegangen war, ihn sogar gezogen hatte, als er schon beinahe aufgegeben hatte. „Sie werden darüber hinwegkommen“, murmelte er, zog die Ärmel über seine wunden Handflächen und ließ sich am Seil die Mauer hinuntergleiten. Und nun ist Schluss mit dem sentimentalen Getue!, gebot er sich. Entweder gehen oder bleiben, etwas anderes gibt es nicht.
    Er kehrte dem Anwesen den Rücken. Sollten sie das Seil und die Spuren ruhig sehen. Von nun an musste es ihn nicht mehr kümmern. Er schüttelte sich, als wolle er die Erinnerungen an diesen Ort loswerden, atmete tief durch und stapfte dann davon, in Richtung Nordtor. Auf seinem Weg überquerte er den Platz vor dem fetten, schwarzen Kugelhaus. „Auf nimmer Wiedersehen“, flüsterte er dem dunklen Riesen zu und ging weiter durch die ihm inzwischen so vertrauten Straßen. Irgendwie war es ja schon auch schön hier, dachte er bei sich und fühlte sich doch etwas nostalgisch, als er durch die verlassene Marktgasse schlenderte. Aber nun geht es weg von hier!, jubelte er. Weit, weit weg! Erleichterung erfüllte ihn. Es passt einfach nicht zu mir, lange an einem Ort zu bleiben.
    Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass er ja noch auf die andere Seite der Stadtmauern gelangen musste, was gar nicht so einfach sein würde, da in der Nacht die Tore verschlossen waren. „Ach, Mist.“ Er verlangsamte seine Schritte. Vielleicht musste er doch irgendwo in der Stadt übernachten. Unmöglich, er wollte keine Sekunde länger bleiben. Da kam ihm Emilies Haus in den Sinn. Das wäre eine Möglichkeit. Er könnte sie ein letztes Mal besuchen. Aber sie hatte ihn ganz klar und deutlich rausgeschmissen. Weshalb war sie nur so? Einmal zeigte sie ihm die kalte Schulter, einmal schien sie überglücklich, ihn zu sehen. Er dachte daran, wie sie auf das Geländer des Balkons geklettert war. Was sollte das? Hatte sie sich wirklich umbringen wollen? Jakob blieb stehen und sah in die Richtung, in der ihr Anwesen lag. Unmöglich. Weshalb sollte ein reiches, verzogenes Mädchen sich umringen wollen? Außerdem hat sie mir gedroht, mich vom Balkon zu stoßen. Wer weiß, was passiert, wenn ich einfach bei ihr auftauche.
    Was ihn aber noch mehr stutzig machte, war die Tatsache, dass sie die Kinder zurückgelassen hatte. Trotz ihrer manchmal unausstehlich hochnäsigen, besserwisserischen Art, hatte er immer den Eindruck gehabt, dass sie die Kinder ernsthaft mochte. Oder war das alles nur ein Spiel für sie gewesen? Vielleicht war ihr das Leben auf der Straße doch zu anstrengend geworden. Die Heldin zu spielen, war vielleicht doch lediglich eine romantische Vorstellung gewesen und im Grunde war sie wie ihr Vater. Selbst anzupacken kann eben hart sein, dachte Jakob und verwarf den Gedanken, Emilie noch einmal wiederzusehen.
    Unweit vom Tor schlich sich Jakob in einen Stall für Reittiere und wartete auf den Morgen.

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Hallo zusammen
    Habe nun mit der Bearbeitung von Edwins Parts begonnen. 285 hab ich mal reingestellt. Grosse Veränderungen gab es nicht, nur kleine Details, wie zum Beispiel die Erwähnung von Leas Freundin Deborah. Der grösste Unterschied ist die Kürzung des zweiten Traumabschnitts, in welchem Anastasia und Diligo sich am Waldsee treffen. Diesen Teil werde ich erst später bringen, um Edwin nicht so sehr aus der Fassung zu bringen.

    Ich wünsche weiterhin allen viel Spass beim Lesen!
    Lg, RenLi

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    Rumi

  • Ich freu mich so auf Jakob. Er war eigentlich immer mein Liebling, Edwin kam an zweiter Stelle. Nachdem ich nun so viel über den kleinen gelesen habe, sind sie gleich auf. Bin gespannt, ob Jakob wieder alleine mein Platz eins bekommen kann :D
    Wie immer sind die Parts super geschrieben. man versteht alles und kann direkt eintauchen. Ich finde auch, dass man Jakob sehr gut verstehen kann.

    Er versucht mehr über den Sinn des Lebens bei der Gnosis herauszufinden, doch diese werfen ihn in hohem Bogen raus, was ihn in seinem negativen Bild von ihnen bestätigt.

    Wurde das schonmal in der Geschichte erwähnt? Kann mich da garnicht daran erinnern.

    Wie viel er wohl für die schmucke Messingfigur auf dem Kaminsims bekommen würde?

    Hach Jakob. Ich mag dich xD

    Sie hatten ihn zusammen mit Rosalie weggeschickt. Verkauft!, berichtigte er sich. Sie haben uns verkauft, als wären wir zwei Ochsen. Es ist ihre Schuld, dass Rosalie nicht mehr lebt! Und seine!

    OMG.
    Ich dachte, die Geschichte, die er damals den Pater erzählt hätte, wäre erfunden gewesen. Aber es ist die Wahrheit gewesen? Aaah. Jakob... und Rosalie... wie grausam X/ Kein Wunder, dass er so verbittert ist!

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Hey du,

    Überraschung...heute kommt meine Antwort mal wieder über das Forum. :) Habe jetzt erst mal nur Post 311 geschafft.
    Nun trifft Jakob also auch auf Lotar und Mina... das muss dann jetzt aber von der zeitlichen Abfolge weit vor Edwins Aufeinandertreffen mit den beiden stattgefunden haben, oder? Ca. 4 Jahre oder irre ich mich jetzt? Mist, wahrscheinlich werfe ich gerade wieder alles durcheinander.
    Ich finde, du beschreibst sehr schön, wie Jakob sich für seine kleinen Schützlinge verantwortlich fühlt und andererseits sein Dilemma, weil er überhaupt nicht an diesem Ort sein möchte. Gut gelungen ist dir außerdem die Abschluss-Szene, wie sie sich das Essen aufteilen...

    Was ich sonst so gefunden habe, packe ich mal in den Spoiler.

    Spoiler anzeigen

    Jakob hatte erwartet, von Fräulein Kornell empfangen zu werden, doch sie sei gerade abwesend.

    Müsste es vielleicht heißen:...."doch hieß es, sie sei gerade abwesend." (?) klingt sonst irgendwie komisch.

    Die Kinder blickten ängstlich oder erwartungsvoll auf,

    ich bin hier über das "oder" gestolpert. Warum nicht..."ängstlich und gleichzeitig erwartungsvoll"...oder "ängstlich, aber erwartungsvoll zugleich"....wahrscheinlich willst du damit sagen, dass die einen ängstlich und die anderen erwartungsvoll aufschauen. Das klingt nur hier in diesem satz für meine Ohren seltsam.


    Freut mich, euch kennen zu lernen.

    das wird, soweit ich weiß, zusammengeschrieben. also : kennenzulernen


    Dann nahm sie eine Fackel aus einer Halterung an der Wand und führte Jakobs kleine Bande in einen Raum, der gleich an die Empfangshalle angrenzte ... Beunruhigt musterte Jakob seine kleine Bande ... Sie trat auf die Bande zu und kniete sich hin. „Wie heißt ihr?“....

    in dem kurzen Abschnitt habe ich es gleich 3 x gefunden...

    Dann nahm sie eine Fackel aus einer Halterung an der Wand und führte Jakobs kleine Bande in einen Raum, der gleich an die Empfangshalle angrenzte. Wie überall bedeckte auch hier ein dicker, roter Teppich den Boden. Viel zu weich schmiegte er sich an Jakobs nackte Füße. Das flackernde Licht von Minas Fackel fiel auf mehrere bequeme Sessel und Sofas, die in Gruppierungen zusammen um niedere Tischchen standen. Die Möbel waren aus dunklem Holz gefertigt und sahen furchtbar teuer aus. Wie viel er wohl für die schmucke Messingfigur auf dem Kaminsims bekommen würde?
    Mina kniete sich vor die Feuerstelle und nach kurzer Zeit züngelten Flammen am Holz empor, die Fackel steckte sie in eine Halterung daneben.


    statt Halterung vielleicht "Vorrichtung", um die Dopplung zu vermeiden?


    Eigentlich waren ihre Füße mit mehreren Lagen Stoff umwickelt, Schuhe wären etwas anderes gewesen. „Setzt euch am besten gleich vors Feuer“, sagte sie mit einem Blick auf die Füße der Kinder. Sie schob Seraphina näher zum Ofen hin und betrachtete ihre Füße genauer.

    Wortwiederholung... vielleicht könnte man schreiben: "...sagte sie mit einem Blick auf das improvisierte Schuhwerk."...oder so. (?)


    Der Junge warf die Decken von sich und stützte sich auf einem der Sessel ab. „Zu viele Decken“, murmelte er verlegen und bückte sich, um seine fallengelassene Ware auf einen Sessel aufzutürmen.


    ...um seine fallengelassene Ware darauf aufzutürmen..."(?) dann könntest du 1x Sessel sparen.


    Hinter der zweiten Beige tauchte nun ebenfalls ein Jungengesicht auf.

    schweizerischer Spezialbgriff? Was ist eine Beige? :)


    dass dem Mädchen schon beinahe die Augen vor Müdigkeit zufielen. Doch er konnte sich nicht auf sie konzentrieren, denn der Geruch des Essens war bereits in seine Nase gestiegen und sein Magen knurrte erbärmlich. Er konnte kaum die Augen von der dampfenden Schüssel abwenden. Lotar stellte das Tablar auf ein niedriges Tischchen und nahm dem Mädchen dankend den Krug und die Gläser ab, um sie ebenfalls hinzustellen. Sofort wanderten fünf Augenpaare zu dem Tischchen hinüber.

    Vielleicht ist das Geschmacksache oder eine Frage des persönlichen Stils...aber du weißt, dass ich über Wortdopplungen immer wieder gerne stolpere. :D Vielleicht könnte man in der Mitte schreiben: "...Er konnte sich kaum von der dampfenden schüssel abwenden..."(?)

    LG,
    Rainbow

  • Hallo zusammen

    Schön, mal wieder vom Forum aus mit dir zu kommunizieren, @Rainbow!! :D Willkommen zurück in der guten, alten Stube :)
    Und gleich ein Dankeschön, für's Ausmerzen von weiteren schweizerischen Kuriositäten. Eine Beige ist ein Stapel oder sowas. Wir sagen vor allem: eine Holzbeige :)

    Wurde das schonmal in der Geschichte erwähnt? Kann mich da garnicht daran erinnern.

    Es wird nur kurz erwähnt, dass Jakob schon länger in der Stadt ist und dass er versucht hat, mit der Gnosis in Kontakt zu treten, die ihn aber rausgeschmissen haben. Kein Wunder, dass du dich nicht daran erinnerst. Nebensatzmässig...

    OMG.
    Ich dachte, die Geschichte, die er damals den Pater erzählt hätte, wäre erfunden gewesen. Aber es ist die Wahrheit gewesen? Aaah. Jakob... und Rosalie... wie grausam Kein Wunder, dass er so verbittert ist!

    Total! Er hat eigentlich nur gelogen, als er beauptet hat, er und Mar seien Brüder. Der Rest hat so ziemlich der Wahrheit entsprochen :D hihi, merkt man aber erst jetzt :)

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
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    Doch wo es keine Mauer gibt,
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    Rumi

  • Jakob, auf der Reise (562 n. Rh.)
    Er war unterwegs. Er fühlte die Straße unter seinen Füßen und den Wind auf der Haut. Jakobs Blick war auf die fernen Bergen gerichtet. Nicht zurückblicken, mahnte er sich. Das bringt nichts. Die Zukunft liegt vor mir!
    Seine Reiselust weckte seine Lebensgeister von neuem und weder die Kälte noch die Anstrengung der langen Fußmärsche konnten seine Stimmung trüben. Wenn er in ein Dorf kam, dann bettelte oder stahl er was er brauchte. Manchmal schlief er in einem Stall zwischen den Tieren, oder er fand draußen ein vom Wind geschütztes Plätzchen. Das bisschen Schnee der letzten Tage schmolz schnell dahin. Er war froh darum, obwohl es nun manchmal regnete. Aber wenigstens war es nicht zu arg kalt. Ein Glück, dass er schon recht weit oben im Norden war, je weiter, desto wärmer. Er ging weiter in nordöstlicher Richtung mit dem Ziel, das Meer zu erreichen. Was er dort wollte, wusste er nicht. Wer konnte schon wissen, was die Zukunft brachte?
    Nach mehreren Wochen gelangte er in ein Dorf, das nahe der Bergkette lag. Er hatte vor, sich einem Händlertrupp anzuschließen. Es gab sicher welche, die Waren über die Pässe zum Meer brachten. Doch damit lag er falsch. Alle, die er fragte, sagten ihm, er könne die Berge im Winter nicht überqueren. Das sei Wahnsinn, Selbstmord. Mehrere Tage lang blieb er in der kleinen Siedlung und wollte sich nicht geschlagen geben. „Nimm es hin, Junge. Manchmal läuft das Leben nicht so, wie man es geplant hat. Vergiss das Meer und hör auf die Worte eines alten Mannes“, riet ihm der zahnlückige Alte, den er gerade zum hundertsten Mal wegen dem Weg durch die Berge befragte hatte. „Wenn man etwas erzwingen will, dann geht es meistens schief. Glaub mir, ich rede aus Erfahrung. – Weshalb willst du das Meer überhaupt sehen? Willst du Fischer werden?“
    „Bestimmt nicht“, gab Jakob zur Antwort. „Ich weiß selbst nicht, weshalb ich da hinwill. Es klingt einfach unglaublich beeindruckend, finden Sie nicht?“
    Der Alte lachte heiser auf. „In jungen Jahren töricht und in alten eingerostet. Lass es fahren, Junge. Es hält dich nur auf.“
    Noch ein paar Tage länger blieb Jakob in dem Dorf. Er schlief in der Hütte des Alten und vertrieb sich die Zeit damit, mit ihm eine Partie Klatsch-den-Hahn nach der anderen zu spielen. Meistens verlor er, denn der Alte war ein wahrer Meister. Als die ersten Schneeglöckchen durch die Erde stießen, schickte der Alte ihn fort. „Der Frühling kommt, Junge. Das ist dein Zeichen. Nicht zum Meer, würde ich meinen. Ab mit dir“, sagte er und ließ sein raues Lachen hören. Zum Abschied schenkte Jakob ihm die Leuchtkugel, die er aus dem Anwesen der Kornells mitgenommen hatte und machte sich wieder auf den Weg.
    Tatsächlich befolgte er den Rat des Zahnlückigen und schlug einen Weg in Richtung Norden ein. Wenn nicht ans Meer, dann wenigstens in die Wärme. Immer weiter gen Norden. Durch Wälder und Dörfer, über weite Wiesen. Er hatte keine Ahnung, ob er sein Heimatland vielleicht schon verlassen hatte. Wo lagen die Grenzen? Keine Ahnung. Was lag im Norden? Er wusste es nicht. Er schritt einer völlig unbekannten Welt entgegen. Mit welchem Ziel?
    Wieder war er lange Zeit unterwegs. Es wurde wärmer, oft schlief er nun draußen, in seine Decke gewickelt. Bevor er einschlief schickte er wie jeden Abend sein immergleiches Gebet zum Himmel hinauf. „Lass das Leben meiner Schwester nicht umsonst gewesen sein.“
    Zu wem er betete, wusste er nicht. Er hatte nur eine vage Vorstellung von etwas ungeheuer Mächtigem. So mächtig wie das Himmelszelt, das sich über ihm spannte, die Sterne erglimmen ließ und den Wind über die Erde schickte. Was auch immer dahinter steckt, meine Reise führt mich zu ihm. Und wenn nicht, dann wenigstens zu dem Scheusal von Mann, der meine Schwester auf dem Gewissen hat!
    Mit diesen Gedanken schlief er ein und mit denselben erhob er sich jeweils am nächsten Morgen, mit steifen Gliedern von seinem Nachtlager. Diese Mischung aus Hoffnung, grimmigem Zorn und seiner unglaublichen Sturheit ließen ihn Schritt um Schritt seine Reise fortsetzen. Manchmal vermisste er seine kleine Bande, die er in Caput zurückgelassen hatte. Die Wärme der Leiber, die sich an ihn drängten, ihr Lachen, einfach ihre vertraute Gegenwart. Doch er hielt sich aufrecht, zweifelte nie an seinem Entschluss und spornte sich immer von Neuem an, seinen Weg fortzusetzen. „Das Abenteuer kommt noch“, sagte er sich, wenn er wieder einmal auf dem Feld eines Bauern beim Pflügen half. Nun, da die Tage wärmer wurden, fand er überall Arbeit. So blieb Jakob manchmal ein paar Tage an einem Ort und arbeitete auf verschiedenen Höfen, wofür er ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit bekam. Doch die Arbeit war hart und erinnerte ihn zu sehr an seine Zeit auf dem Gutshof von früher und so blieb er nie lange. Kirchen mied er. In allen größeren Dörfern gab es eine, auch in manchen der kleineren. Auch sie waren ein Mahnmal seiner Kindheit, damals, als Rosalie noch am Leben gewesen war.
    Mit dem Fortschreiten des Jahres wurde es zunehmend wärmer und wieder einmal erreichte Jakob, von Hunger geplagt, einen Bauernhof. Während er näherkam, hielt er nach einem Knecht oder dem Besitzer Ausschau. Ein magerer Köter mit verfilztem Fell kam wild bellend auf ihn zu gerannt. Jakob setzte zu lautem Geheule an, welches dem des Tieres in nichts nachstand und schwang seinen Wanderstock durch die Luft. Der Hund blieb knurrend stehen. „Vor dir habe ich keine Angst!“, rief Jakob. „Ich bin ein Krieger!“ Wagemutig machte er einen Schritt auf seinen vierbeinigen Gegner zu.
    Blitzschnell schnappte der Hund nach dem Stock und Jakob machte einen Satz zurück.
    „He! Was soll das?! Scher dich weg!“, rief eine aufgebrachte Stimme und Jakob erkannte einen breitschultrigen Mann, der schnellen Schrittes auf ihn zukam.
    „Ich möchte hier arbeiten!“, rief er zurück, während er den Hund mit seinem Stock in Schach hielt.
    „Arbeiten?“, der Mann hatte die beiden Streitenden erreicht und rief seinen Hund zurück.
    Misstrauisch beäugte Jakob das räudige Vieh. „Ihr bracht doch sicher ein bisschen Hilfe. Ich wandere hinauf in den Norden. Wenn ich mir zwischen durch etwas zu Essen verdienen kann, kommt mir das gelegen“, erklärte Jakob.
    Der Bauer musterte ihn abschätzig. „Du siehst brauchbar aus“, meinte er schließlich. „Und Arbeit gibt es immer. Du kannst gleich mitkommen.“
    Er drehte sich um und stapfte davon. Gerne hätte Jakob erst um etwas zu Essen gebeten, doch der Mann schien nicht zu der zuvorkommenden Sorte zu gehören. Er würde sich sein Essen wohl erst verdienen müssen. Sie erreichten die Scheune. „Der Wagen muss ausgebessert werden. Ich habe keine Zeit dafür. Wenn du fertig bist, kannst du ins Haus kommen.“ Mit diesen Worten verließ er Jakob, wenigstens nahm er den Hund mit.
    Staub wirbelte auf, als Jakob die Scheune betrat. Einen Wagen reparieren, dachte er und seufzte. Er hätte mir wenigstens zeigen können, wo ich das Werkzeug finde.
    Das besagte Fahrzeug sah erbärmlich aus. Es handelte sich um einen normalen Ladewagen, wie ihn die meisten Bauern der Umgebung benutzten. Eine einfache Holzkonstruktion mit vier Rädern und einer Zugvorrichtung, um einen Ochsen davor spannen zu können. Die Holzplanken waren abgenutzt und an manchen Stellen gebrochen. Jakob besah sich die Leisten näher. Sie waren mit groben Nägeln miteinander verbunden, manche auch provisorisch mit Stricken versehen. „Die müssen wohl ausgewechselt werden“, murmelte er und begutachtete die gebrochenen Stücke.
    Als er sich nach Holz umsah, fand er tatsächlich ein paar Leisten, die in der Nähe des Wagens aufgeschichtet lagen. Auch auf ihnen befand sich bereits eine Staubschicht. Anscheinend hatte der Bauer bereits seit längerer Zeit vorgehabt, diese Arbeit zu verrichten, ohne Zeit dafür zu finden. „Dann packen wir’s an!“, sagte Jakob und pustete sich eine Strähne seines blonden Haares aus dem Gesicht.
    Wie wild arbeitete er, trotz seines knurrenden Magens. Erst löste er die beschädigten Holzplanken, dann machte er sich daran, die neuen einzubauen. Dabei zog er sich so manche Spiesse zu und schlug sich mit dem Hammer öfter auf die Finger als er zählen konnte. Gerade, als er die Stabilität seines Werkes testete, trat jemand vor das offene Scheunentor. Schnell blickte er auf, in der Erwartung, den Bauern zu sehen, doch im Gegenlicht erblickte er eine junge Frau. „Du bist ja tatsächlich am Arbeiten“, sagte sie verblüfft und trat näher.
    „Natürlich“, erwiderte Jakob. „Ich bin gleich fertig.“ Er sprang vom Wagen hinunter und wischte sich den Schweiß von der schmutzigen Stirn. „Mein Name ist Jakob. Und wie heißt du?“
    „Kathi“, antwortete sie. „Grüß dich, Jakob.“
    Sie sieht nett aus, dachte Jakob. Viel netter als ihr Mann.
    „Du hast bestimmt Hunger. Komm, du kannst bei uns am Tisch essen.“
    Erleichtert folgte er Kathi ins Haus. Eigentlich war es nicht viel mehr als eine Hütte, die ziemlich baufällig war. Durch die vielen Ritzen zog der Wind und Jakob fragte sich, ob das Dach bei einem kräftigen Regenschauer wohl dichthalten würde. Der Bauer saß bereits am Tisch, zusammen mit vier mageren Kindern. Eine alte Frau hockte am Feuer und hantierte mit einem Kessel. „Du bist noch da“, brummte der Mann. „Dann setz dich.“
    Sie aßen schweigend ihr karges Mahl. Jakob war froh um jeden Bissen, doch wirklich satt wurde er nicht. Wenigstens gelang es ihm, unauffällig ein paar Brocken für später in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Man kann nie wissen, dachte er sich.
    „Du kannst bei den Kindern schlafen“, sagte Kathi nach dem Essen.
    „Es hat zu wenig Platz“, maulte einer der Jungen.
    „Es wird schon gehen“, versuchte die junge Mutter ihn zu beschwichtigen.
    „Erst schau ich mir den Wagen an“, knurrte der Bauer und winkte Jakob mit sich nach draußen. „Und danach kannst du mir mit den Tieren helfen.“
    Noch mehr Arbeit, hätte ich mir denken können. Besser, ich mache mich morgen nach dem Frühstück wieder aus dem Staub, dachte Jakob müde und unterdrückte ein Gähnen.
    Wenigstens war der Bauer einigermaßen mit der Reparatur zufrieden. Als Jakob sich an diesem Abend zu den Kindern niederlegte, schmerzte ihm der Rücken von den Säcken, die er hatte tragen müssen. Nachdem er sein Gebet zum Himmel gesandt hatte, schlief er erschöpft ein.

    Ein unterdrückter Schrei weckte ihn auf. Mit klopfendem Herzen lag er da und lauschte. Zwei der Kinder drängten sich aneinander, das eine hielt sich die Ohren zu, das andere schluchzte leise. Die beiden jüngeren schienen zu schlafen. Erst dachte Jakob, das Mädchen hätte geschrien, doch dann hörte er ein schmerzerfülltes Keuchen, das ganz bestimmt nicht aus ihrem Zimmer kam. Wie erstarrt lag er auf der Matte und horchte auf weitere Geräusche. Verhaltenes Gemurmel, ein Zischen, gefolgt von einem weiteren, halberstickten Schrei, der das Grauen in seinen Gliedern kriechen ließ.
    Vor seinem inneren Auge sah er Rosalie, wie sie wimmernd unter den Schlägen des Gutsherrn zusammensackte. Was soll ich tun?, dachte Jakob und biss die Zähne zusammen. Was soll ich tun?!
    Er stellte sich vor, wie er aufstand, seinen Stock fest in beide Hände nahm, ins Nebenzimmer ging. Wieder ein Schrei und Jakob zuckte zusammen. In seiner Vorstellung zog er den Stock mit aller Kraft über den Schädel des Bauern. Doch in Wirklichkeit lag er da, unfähig sich zu bewegen.
    „Mama“, wimmerte eines der Kinder.
    Beweg dich!, gebot Jakob sich selbst. Wie damals, als Emilie springen wollte, da habe ich es auch geschafft. Mit purer Willensanstrengung öffnete und schloss er seine klammen Hände. Dann, so leise wie möglich, richtete er seinen Oberkörper auf. Die Geräusche aus dem Nebenraum ließen das Blut in seinen Adern gefrieren, wollten ihn wieder in seine Starre zwingen, doch er gab nicht nach und kam auf alle Viere. Mit Angst geweiteten Augen starrte eines der Kinder ihn an. Jakob kroch vorwärts, zur Tür. Er hatte sich bereits halb erhoben, als das älteste Mädchen ihn zurückhielt. Sie schüttelte stumm den Kopf. In ihren Augen las er dasselbe Grauen, das auch ihn gefangen hielt. Er versuchte sie abzuschütteln, doch sie hielt ihn mit mehr Kraft fest, als er ihr zugetraut hätte. Weshalb wollte sie nicht, dass er eingriff? „Bitte, es macht es nur noch schlimmer“, flüsterte sie mit bebender Stimme.
    Hilflos presste Jakob seine Stirn gegen den Türrahmen, den er umklammert hielt. Regungslos blieben sie sitzen und es kam ihm vor wie Stunden. Oft war er versucht, doch aufzustehen, aber er rührte sich nicht. Mit starrem Blick und vor Wut und Entsetzen verkrampftem Körper harrte er aus, bis die Geräusche verstummten und das Haus in finsterer Stille zurückließen.
    Kurz darauf schlich Jakob davon und suchte Zuflucht in der Schwärze der Nacht.


    Frage: Wie sagt man einer Spiesse auf Deutsch? Ist ein kleiner Holzspiess, den man sich einfängt, wenn man mit Holz arbeitet.

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi