Es gibt 79 Antworten in diesem Thema, welches 24.734 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (16. Oktober 2017 um 21:20) ist von Xarrot.

  • Ich sehe gerade, der letzte Teil ist ja schon wieder eine Woche her...

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    Diese Nachricht war schockierend. Blue spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief.
    Sie wusste, dass ihr Vater den piekfeinen und intelligenten Elisus Hofken, sowie den immer leicht zerstreut wirkenden, aber überaus gebildeten und redegewandten, Ansakar Bollet vor etwa drei Wochen fortgeschickt hatte. Das Ziel ihrer Reise teilte er hingegen mit niemandem. Und nun brachte man ihnen die Nachricht vom Tod Hofkens? Sie wollte es immer noch nicht glauben. So hochnäsig und arrogant das Gebaren des Mannes mit dem spitzen Kinn und dem fast schon übermäßig gepflegten Äußeren manchmal auf den ersten Blick auch gewirkt haben mag, so höflich und zuvorkommend war er doch stets gegenüber seinen Mitmenschen gewesen.
    Seine Beliebtheit in der Hauptstadt hielt sich dennoch in engen Grenzen. Den einfachen Bürgern Venuris’ war der Mann schlichtweg suspekt. Das konnte man an ihren abfälligen Blicken erkennen, die sie ihm jedes Mal zuwarfen, wenn er sich unter ihnen bewegte oder besser stolzierte.
    Sie erinnerte sich daran, wie Mendo Warigna, der Hauptmann der Stadtwache, Hofken erst kürzlich als aufgeblasenen Kissenbeißer titulierte.
    Blue musste über diese Behauptung lange nachdenken. Tatsächlich war Hofken der Einzige von Vaters Beratern, der alleine lebte. Selbst der unsagbar fette Hellman Benswart, den letztes Jahr, im Zuge seiner Völlerei, der Tod am Mittagstisch ereilte, war mit einer kleinen rundlichen Frau vermählt gewesen. Zwar war auch sie keine Schönheit, doch die Erinnerung an die bitteren Tränen, die die Frau bei der Beisetzung ihres Mannes vergossen hatte, blieb in Blues Kopf präsent. Benswarts Witwe liebte ihren Mann, ungeachtet seines massiven Körpers, was Blue damals sehr berührte. Hofken hingegen hatte sie nie auch nur in Begleitung einer Person des anderen Geschlechts gesehen. Doch wie er stets zu sagen pflegte: „Man kann nicht in die Köpfe oder die Herzen der Menschen sehen.“
    Damit sollte er, wie so oft mit seinen Behauptungen und Ratschlägen, wieder einmal Recht behalten. Auch in seine Gedanken- und Gefühlswelt gab es für Blue keinen Einblick.
    Die einzige Frage, die sie nun noch den ganzen restlichen Weg in die große Eingangshalle beschäftigte, war: Wie war Elisus Hofken ums Leben gekommen?

    Besagte Halle war noch einmal mindestens doppelt so hoch und lang wie der Ratssaal aus dem sie soeben kamen. Aufwändig bemalte, rechteckige Säulen schraubten sich, parallel zueinander angeordnet, in die Höhe und stützten die Decke über ihnen, die von einem großen, aufgemalten Venua-Wappen bedeckt wurde. Zwischen den Säulen verlief eine gut drei Meter breite Gasse, die direkt zu dem Eingang führte, der von einem großen massiven Tor aus dunklem Holz verschlossen wurde. Auf dem, gänzlich weiß-blau gefliesten, Hallenboden war in besagter Gasse ein weinroter, ausgetretener Teppich verlegt, von dem ihre Schritte dumpf widerhallten. Zwischen den Säulen hielt jeweils ein Mann, mit einem Speer bewaffnet, Wache. Vierzehn Mann an der Zahl passierten sie, ehe sie schließlich den Eingangsbereich erreichten. Schon von Weitem konnte Blue vier Männer und einen kleinen Jungen erkennen, die von vier weiteren Wachen am Weitergehen gehindert wurden.

    Einer der Männer war groß und schlank, besaß zerzaustes kastanienfarbenes Haar und machte mit seinem blassen Teint einen überaus ungesunden Eindruck. Ein anderer Mann war ein untersetzter, finster dreinblickender Kerl mit kurzem, dünnem Haupthaar. Der kleine Junge, der an seiner Seite stand, wirkte fast ein wenig apathisch auf Blue. Er hatte ebenso zerzaustes Haar wie der lange ungesunde Kerl, allerdings in tiefschwarzer Farbe. Seine hellblauen Augen starrten unentwegt ins Leere. Eigentlich war der Junge nur unwesentlich kleiner als sie selbst, doch, und das war für Blue offensichtlich, war er einige Jahre jünger als sie.

    Desweiteren hielt sich ein alter Mann mit langem, grauem Bart, der ihm bis knapp unter die Brust reichte, im Hintergrund. Dieser erweckte den Eindruck, als wäre er im Begriff gleich im Stehen einzuschlafen. Direkt daneben schließlich ein breiter, hässlicher Kerl mit kugelrundem, rotem Teiggesicht, der sich an eine der Säulen anlehnte. Mit seinen kleinen wulstigen Fingern zupfte er immer wieder nervös an seinem verschwitzten Wams herum. Ein ziemlich merkwürdiger Haufen, dachte sich Blue. Die Kleidung der Männer war, ebenso wie ihre Gesichter, stark verdreckt. Sie wirkten kraftlos und erschöpft. Blue konnte den Blick nicht mehr von dem kleinen Jungen abwenden, der eine furchtbare Traurigkeit ausstrahlte. Als dieser sich aus seiner Apathie lösen konnte und zu ihr aufschaute, trafen sich ihre Blicke. Er wandte den seinen direkt wieder verstohlen zu Boden.

    Als Tenth Barke seinen Wachen befahl zur Seite zu treten, folgten diese ohne zu Zögern und gaben den Platz für ihren Regenten und dessen Tochter frei.
    Der ungesund aussehende, blasse Mann trat einen Schritt vor, verbeugte sich unterwürfig und richtete das Wort, frei jeglicher Hemmungen, an seinen Regenten: „Mein Herr! Mein Name ist Gekk Bauwer. Ich wurde von dem Händler Kal Brahmen als dessen Beschützer angeheuert und begleitete sowohl ihn, als auch euren Gesandten in die Zweitwelt.“
    Die Zweitwelt? Das kam für Blue überraschend. Wieso in aller Welt sollte Vater Elisus Hofken in die Zweitwelt geschickt haben?
    Gekk Bauwer fuhr fort und stellte nun auch seine Begleiter vor: „Die Herren hinter mir sind Hanz Gorke, ebenfalls von Kal Brahmen zu dessem Schutz angeheuert. Fitz Grün und Donte Draben, die Steuermänner unserer beiden Fuhrwerke und der kleine Mann hier“, er deutete auf den schweigsamen Jungen, „ist Dieke Brahmen, der Sohn unseres Auftraggebers.“
    Moment. Niemand dieser Personen war der Vater des Jungen? Noch bevor Blue den Gedanken zu Ende denken konnte, sprach ihr Vater auch schon die daraus resultierende Frage nach dem Verbleib von Kal Brahmen aus.
    Nun trat der breitschultrige Mann, der den Namen Hanz Gorke trug, vor und antwortete stellvertretend für seinen blassen Kameraden: „Es gab ein Attentat auf den Anführer dieser Wilden. Daraufhin ist ein Aufstand ausgebrochen und diese Kreaturen haben sowohl euren Gesandten, als auch unseren Auftraggeber getötet. Wir hatten Glück und konnten das Getümmel zur Flucht nutzen, mein Herr.“
    Die anderen Männer nickten zustimmend während der Worte des grimmigen Mannes. Blue bemerkte, wie sich ein Anflug von Resignation in die Miene ihres Vaters mischte. Mit einem leisen Zischen, ließ er die Luft zwischen seinen Zähnen entweichen und entgegnete in einem wahrhaft enttäuschten Tonfall: „Es scheint mir, als ob Kal Brahmen auf die falschen Leibwächter gesetzt hat. Barke, informiert meine Bediensteten, sie sollen den Männern eine Unterkunft im Gasthaus ‚Zur schwarzen Katze’ beschaffen. Wir werden die Einzelheiten dieser Tragödie morgen in aller Ruhe, zusammen mit all meinen Beratern, besprechen. Heute habe ich nicht mehr die Kraft hierfür. Informiert zudem Klupingen und Kayuburgh, sowie den Handelsherren Tai Fisi aus Yaznark, dass die Eingangswächter aller Zugänge in die Zweitwelt verdoppelt werden sollen. Ab sofort werden keine Händler mehr hineingelassen.“

    Black wandte sich ab und verlies die Halle schlurfenden Schrittes, das Haupt gesenkt, die Arme lose am Körper baumelnd. Blues Blicke wanderten ihm besorgt hinterher.
    Nach der Überbringung der Nachricht durch Tenth Barke, war sein Blutdruck für einen kurzen Augenblick derart gestiegen, dass er beinahe wieder seine alte Aura ausgestrahlt hätte, doch schon kurz darauf verwandelte sich der winzige Keimling des Zornes in ihm in blanke Enttäuschung. Seine körperliche Erschöpfung ließ ihn wieder zu dem Schatten seiner Selbst zusammenschrumpeln, der er nun eben noch war.
    Weswegen auch immer er diese Torheit begangen hatte, Elisus Hofken, nur von einem Händler und dessen Söldnern begleitet, in die Zweitwelt zu schicken, was auch immer er sich davon erhoffte, war soeben vor seinen Augen zerschlagen worden.

    Und dieser Junge mit den leeren blauen Augen hatte diese Männer begleitet? Welcher Vater würde seinen Sohn einer solchen Gefahr aussetzen? Nun hatte er seinen alten Herren verloren.
    Der blasse Mann mit dem Namen Bauwer unterhielt sich leise mit dem anderen Söldner. Blue konnte ihre Worte nicht verstehen. Die beiden Fuhrmänner hingegen wirkten, als gehören sie nicht dazu. Während der alte Mann wortlos vor sich hindöste, blickte der teigige Hässliche beinahe beunruhigt durch die Gegend und schwitzte dabei heftig.
    Einzig der kleine Junge stand nun etwas abseits der Truppe, den Blick unentwegt zu Boden gerichtet. Die Traurigkeit, die er dabei ausstrahlte, trieb Blue ein Frösteln über den ganzen Körper, welches zu einer Gänsehaut führte. Niemand der Männer schien ihn so recht zu beachten.

    „Sira“, rief sie nach der jungen, blondschöpfigen Bediensteten mit der weißen, mit winzigen Sommersprossen gesprenkelten Haut, die sich gerade zusammen mit einer weiteren Frau, namens Martyka und einem alten Kämmerer namens Buteghor, in Sichtweite befanden. Das Mädchen kam sofort herbeigeeilt. Sie verdeckte ihre schiefen Zähne, die sich bei ihrem Lächeln zeigten, mit der rechten Hand und erkundigte sich nach Blues Wunsch.
    „Richtet bitte das ehemalige Zimmer meines Kindermädchens wieder her, sodass es umgehend bezogen werden kann“, antwortete diese.
    „Sehr gerne, meine Dame. Für wen darf ich es herrichten, wenn ich fragen darf?“ – „Für Dieke Brahmen“, gab Blue umgehend zurück und der kleine Junge, der gerade im Begriff war Buteghor, und Martyka zu folgen, die die restlichen Männer in das noble Gasthaus ‚Zur schwarzen Katze’ zu führen gedachten, hielt wie versteinert inne.

    Dieke Brahmen sprach kein einziges Wort. Er hatte das ehemalige Bedienstetenzimmer Helas bezogen, das sie einst zusammen mit ihrem Mann Ruker bewohnte. Es war spärlich und rustikal eingerichtet und besaß nur ein kleines, rundes Fenster, durch das ein wenig Licht in den Raum fiel. Dadurch wirkte das Zimmer zwar etwas düster, doch das mittlerweile knisternde Feuer im Kamin, strahlte neben Wärme auch Gemütlichkeit aus. Der Junge hatte sich unter mehreren Wolldecken in dem knarrenden Holzbett mit der weichen, wenn auch etwas durchgelegenen, mit Rosshaar befüllten, Matratze verkrochen. Neben einer kleinen Kommode, die sich an der Wand gegenüber dem Bettende befand, stand ein leicht beschlagener Spiegel. Der große hölzerne Schrank daneben hätte Platz für seine Kleider geboten, doch war er nur mit dem, was er am Leibe trug, im Palast von Venuris angekommen.
    Sira hatte ihm die schmutzigen und müffelnden Klamotten zur Reinigung abgenommen und ihm neue Kleidung gebracht, die ihm allerdings etwas zu groß war und deshalb um seine Arme und Beine schlackerte. Das ihm angebotene Bad hatte er nur widerwillig angenommen. Das Wasser, welches Sira danach ausschüttete, war beinahe so schwarz wie die Nacht gewesen.
    Saebyl hatte ihm ein großes Tablett mit warmer Milch, Obst und Gemüse, sowie mehreren Kanten Brot mit Wurst und Käse, welche von Blues Frühstück übrig geblieben waren, auf das Zimmer bringen lassen. Zwar hatte er die Milch bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken, doch das Essen ließ er unberührt.
    „Man sollte ihn erst einmal in Ruhe lassen“, hatte Martyka Blue geraten, als sie gerade Diekes frisch gewaschene Klamotten im Freien zum Trocknen aufhängte. Martyka war bereits jenseits der Fünfzig und hatte durch ihr breites Becken die Form einer menschlichen Birne. Sie selbst war mit acht Kindern gesegnet. Vier Jungen und vier Mädchen. Ihr Mann war bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen, als sie gerade mit ihrem jüngsten Sohn niedergekommen war. Wenn also jemand wusste, wie sich Kinder fühlten, die gerade ein Elternteil verloren hatten, dann sie. Wenn Martyka sagte, der Junge brauche Ruhe, dann würde Blue nicht im Traum einfallen ihre Worte anzuzweifeln.


    Die Stimmung im Palast war bedrückend. Schwermut lag in der Luft. Ihr Vater hatte sich seit der Nachricht von Hofkens Tod auf sein Schlafgemach zurückgezogen und um absolute Ruhe gebeten. Blue musste ständig an ihr Gespräch im Ratssaal denken, als er ihr offenbarte, wie schlecht es um ihn bestellt war und wie verzweifelt er nach einer Lösung suchte, die seine Alpträume beenden würden.

    Einmal editiert, zuletzt von Rika (14. Juni 2017 um 20:08)

  • Teil 3

    So, hat leider doch etwas länger gedauert.

    Puh, eine heftige Szene, die du da beschreibst. Aber ich finde es gut, dass du so ins Detail gehst und auch das mit Realismus füllst. Ich finde du hast Kassos Empfindungen exakt so gestaltet wie man sich das typischer Weise in eienr solchen Situation vorstellt und das auch gut rüber gebracht. Aufgrund der Vögel hätte ich mit einem eher übernatürlicherem Hergang gerechnet, aber der Kontrast ist gut.

    Der tödliche Pfeil traf ihn mitten in die Stelle, an der sein Herz einst schlug.

    ich würde vorschlagen "einst" wegzulassen, da es ja noch schlug als er getroffen wurde.
    Wieso verwendest du Pfeil wenn Kasso doch anscheinend keine Bögen kennt?

    Dreizehn Männer von denen Sieben dünne, bogenförmige Holzinstrumente mit sich führten.

    sieben
    Ich finde es sehr interessant, dass du die Waffen der Angreifer aus der unwissenden Sicht des Charakters beschreibst. Dir ist es auch recht gut gelungen, das nicht allzu schlecht klingen zu lassen :D aber ich würde eher gebogene empfehlen, da es doch etwas seltsam klingt, wenn man einen Bogen mit bogenförmig beschreibt.

    und als er anscheinend davon überzeugt war, dass der, von mehreren Geschossen durchbohrte, Mann sich tatsächlich nicht mehr rühren konnte

    Kommata um "von [...] durchbohrte" weg

  • Wie kam Elisus Hofken ums Leben?

    Da würde ich Vorvergangenheit benutzen (also: "wie war Elisus Hofken ums Leben gekommen?").

    Mir persönlich hat ebenfalls gut gefallen, wie du die Emotionen von Bauwer, Dieke etc rübergebracht hast. Von daher gibt es da eigentlich nichts zu meckern. Wenn ich jetzt doch etwas kritisieren müsste, würde ich lediglich anmerken, dass ich die Anrede von Gekk etwas unangemessen finde. "Mein Herr" könnte jeder sein, der einen höheren Stand inne hat als Gekk. Eventuell wäre "Mein König" passender, aber vielleicht empfinde das ja auch nur ich so.
    Ansonsten ... grandioses Kapitel, bitte weitermachen? ^^

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • ich würde vorschlagen "einst" wegzulassen, da es ja noch schlug als er getroffen wurde.
    Wieso verwendest du Pfeil wenn Kasso doch anscheinend keine Bögen kennt?

    Beides verbessert bzw. umformuliert.
    Die Bezeichnung "Pfeil" kann Kasso natürlich nicht verwenden.

    Und "bogenförmig" klingt in genanntem Kontext tatsächlich nicht sehr passend. :D

    Vielen Dank für diese kleinen, aber feinen Details! :)
    Und es freut mich natürlich sehr, dass es dir gefällt bzw. das ich dich mit der eingeschlagenen Richtung überraschen konnte!

    Da würde ich Vorvergangenheit benutzen (also: "wie war Elisus Hofken ums Leben gekommen?").

    Weißt du was? Genau in der Form stand der Satz auch vorher da.
    Im Nachhinein betrachtet weiß ich auch gar nicht mehr so genau, warum ich ihn unbedingt ändern musste ^^

    Blues Großvater Red hat nach Kriegsende ja nicht nur die hohen Herren der freien Städte und Bezirke entmachtet (der Großteil von ihnen war ja der Meinung, man solle sich der drohenden Annexion kampflos beugen und stattdessen versuchen sich mit den Namunern gut zu stellen), sondern auch bewusst deren "Adels-Attitüde" abgelehnt. Red kam ja aus dem einfachen Volk und wollte sich, trotz seiner neuen Machtposition, nicht von ihm entfernen. Darunter fällt eben unter anderem auch, dass es keine solcherlei Anredeformen, wie "Mein Regent", etc. gibt.
    Natürlich ist es ein wenig scheinheilig, sich dann in diesen großen Palast zu setzen und über den Köpfen der Menschen zu "thronen", allerdings war seine Beliebtheit derart überwältigend, dass man da kurzerhand mal beide Augen zugedrückt hat.

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    So, und nun will ich dann auch Kapitel 2 endlich mal abschließen
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    Blue verließ den Palast mit ihren beiden Wachen Berk und Thom, den mancher Karotte nannte. Zwar begann es schon langsam zu dunkeln, doch musste sie ihn einfach aufsuchen. Sie zogen an den im Vorhof hübsch angelegten Blumenbeeten und den fein säuberlich gestutzten Hecken vorbei, durch das Haupttor hindurch auf die befestigten Straßen der Stadt. Sie kamen an Tavernen vorbei, aus denen der Duft von Wein, Bier und heißem Fett ausgeströmt wurde, welcher in ihre Nasen zog. Auch die ‚Schwarze Katze’ passierten sie. Ein großes Gasthaus, an deren weißen Wänden der Efeu empor kletterte und dort teilweise bis zu den obersten Fenstern reichte, in denen vereinzelt noch Licht brannte. Hier waren die Begleiter von Elisus Hofken untergebracht, die morgen vor Vater und dessen Beratern die Ereignisse in der Zweitwelt in allen Details noch einmal schildern würden.

    Der rothaarige Thom umklammerte entschlossen seinen Speer und hielt sich eng an Blue, die voran marschierte und den Weg vorgab. Vermutlich rechnete er ernsthaft damit sie könnten überfallen werden, doch Blue wusste, dass die Wahrscheinlichkeit dafür verschwindend gering war. Dem war sich auch der alte Berk bewusst, der wahrlich tiefenentspannt wirkte, aber dennoch dem festen, schnellen Schritt Blues mithielt.

    Nicht unweit des Palastes lebte Hennis Krug, ein alter Mann, ehemaliger Berater ihres Vaters, der von den anderen Bürgern der Stadt für seine kruden Behauptungen verlacht wurde.
    So hatte er berichtet, dass er die Menschen auf der Purpurinsel besucht hätte, einem großen Eiland nördlich von Venua, mitten im Meer gelegen, umgeben von großen, scharfkantigen Felsen. Über die Purpurinsel waren viele Geschichten im Umlauf.
    So sollen dort unter anderem vertriebene Hexen und Zauberer leben, die Hand in Hand mit Dämonen gingen und die eigenen Säuglinge ihren grausamen Göttern opferten.
    Andere Erzählungen behaupten, auf der Purpurinsel ernähren sich die Bewohner ausschließlich von Pflanzen und leben im Einklang mit der dortigen Tierwelt. Die Geschichten konnten unterschiedlicher also nicht sein, doch hatten sie eines gemeinsam. Alle waren sie nichts weiter als Mutmaßungen.
    Das Einzige was von der mysteriösen Insel allgemein anerkannt war, war das, was Seefahrer zu berichten wussten, die vor vielen Jahren den dortigen Hafen, der übrigens die einzige Anlegestelle darstellte, betreten hatten. Diese Männer erzählten von Menschen, die sich äußerlich kaum von den Bewohnern des Westkontinents unterschieden. So würden sie zwar einen etwas seltsamen Dialekt sprechen, aber im Großen und Ganzen konnten sie sich anscheinend gut mit den Seefahrern verständigen. Was jenseits des Hafens lag, davon konnte bislang jedoch kein bekannter Mensch berichten. Ohnehin waren diese Erzählungen bereits älter als alle Lebenden gewesen. Seit über hundert Jahren ließen die Bewohner des Eilands niemanden mehr ihren Boden betreten.

    Hennis Krug jedenfalls, behauptete das genaue Gegenteil. Er habe das Eiland nicht nur betreten, sondern gar eine kurze Weile dort gelebt. Und er wusste daher über die unmöglichsten Dinge zu berichten: Von Höhen, die man nicht erklimmen musste um an deren Spitze zu gelangen. Von Wasser, das aus unsichtbaren Gewässern gewonnen wurde, sowie von vielen anderen verrückten Dingen.
    Keiner wusste, ob Krug die Purpurinsel tatsächlich besucht hatte oder ob er nicht einfach nur verrückt geworden war. Angesichts der Tatsachen nahm man eher Zweiteres an.
    Das einzig sichere Wissen über das man im Bezug auf Hennis Krug verfügte, war der Fakt, dass er ein Jahr lang nicht von seiner geplanten Reise in seine Heimatstadt Tjormeer im Norden zurückgekehrt war und als er letztlich wieder auftauchte, nicht mehr der Mann zu sein schien, der Venuris verlassen hatte. Seine wirren Erzählungen und seine Hysterie waren jedenfalls der Grund dafür, weshalb Blues Vater ihn aus seinem Beraterkreis ausschloss um ihn in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken.

    Sein Wohnsitz war ein kleines, aus Backstein errichtetes Haus, nicht viel größer als das, welches Hela ihr Zuhause nannte. Es stand unscheinbar zwischen einer Taverne mit dem Namen „Dampfender Kessel“ und einem scheinbar verlassenen Haus, dessen Fenster und Türen mit Brettern vernagelt waren. Blue klopfte an die, von grünlichem Schimmel befallene, Holztüre die einst rot gestrichen, deren Farbe allerdings zu einem Großteil abgeblättert, war.
    Es dauerte einige Augenblicke, ehe die Tür ruckartig aufgerissen wurde und ihnen jemand ein mies gelauntes „Was wollt ihr“ entgegenschleuderte.
    In der Tür stand, gebeugt und auf einen knorrigen Stock gestützt, ein kleiner buckeliger Mann in einer zerschlissenen und verblassten, grünen Robe und blickte sie aus seinem gesunden rechten Auge misstrauisch aus. Sein anderes Auge war weiß und tot. Krug hatte bereits in früher Kindheit einseitig sein Augenlicht verloren. Über die genauen Umstände sprach er jedoch nie. Sein graues Haupthaar bildete nur noch einen Kranz um seinen ansonsten kahlen, von Leberflecken übersäten Kopf. Sein Bartwuchs war äußerst unbeständig. So hatte er ein dickes Büschel grauer Haare unter seiner Unterlippe, sowie einen in alle Richtungen abstehenden Haarwuchs über der Oberlippe, doch an seinen Wangen war der ansonsten dichte Bart an vielen Stellen löchrig. Rechts und links von seinem fleischigen, vorstehenden Kinn hatte er sein Haar in zwei lange dünne Zöpfe gedreht. Der wohl einzige Teil seines Körpers, dem er so was wie Pflege widmete, dachte sich Blue. Ansonsten ging nämlich ein beißender Geruch von Urin von ihm aus.
    Blue erinnert sich wieder daran, wie Krug früher aussah. Damals, als sein Haar noch voll und blond, sein Gang aufrecht und der Duft, welchen er verströmte, blumig gewesen war.

    Erst nach längerem Starren erkannte er Blue und entschuldigte sich für seine schroffe Begrüßung. Er bat die Tochter seines Regenten und ihre beiden Beschützer herein.
    Sein Haus war dunkel und es roch nach einer Mischung aus Schimmel, Schweiß und anderem undefinierbarem Mief. Die Fenster waren allesamt geschlossen und mit schwarzen und braunen Tüchern abgedeckt. Gelüftet wurde hier wohl schon seit Längerem nicht mehr. Nicht nur Blue, sondern auch Thom und Berk rümpften ihre Nasen. Die Höflichkeit gebot es allerdings den Gastgeber in seinen eigenen vier Wänden nicht zu beleidigen.
    Krug ließ sich auf einem alten Holzschemel nieder und bot Blue den einzigen Stuhl mit noch intakter Lehne an, den sie dankend annahm und sich anschließend setzte.

    „Ihr seid eine hübsche, erwachsene Frau geworden, wenn ich das so offen ansprechen darf“, begann er. Blue lächelte ihn an, wobei ihr in Wahrheit eher nach Flucht zumute war, angesichts des Gestanks, der sie umgab.
    „Wieso hat ein alter Mann, der aus dem Beraterkreis eures Vaters verbannt wurde, die Ehre sich mit dessen wunderhübscher Tochter und der zukünftigen Regentin Venuas unterhalten zu dürfen?“
    Man merkte an der Art wie er sprach, dass hinter der schmutzigen Fassade ein Mann steckte, der die Gepflogenheiten des Palastes nicht verlernt, sondern nur beiseite geschoben hatte. Wieso wählte ein Mann wie er ein solches Leben?
    „Ich suche euch auf, weil ich euren Rat brauche, ehrenwerter Hennis“, antwortete sie ihm wahrheitsgetreu. Krug lächelte sie ebenfalls an, wobei er den Blick auf seine zerbrochenen und fauligen Zähne freigab.
    „Ehrenwert“, wiederholte er und klang dabei überaus belustigt.
    „Dieses Wort habe ich schon lange nicht mehr in Zusammenhang mit meinem Namen gehört. Seitdem ich diese Dinge gesehen und darüber zu sprechen begonnen habe, ging mir mein guter Ruf verloren. Die Menschen verachten die Narren, wenn sie einen nicht zum Lachen bringen.“
    Er seufzte kurz während er sich nachdenklich seinen rechten Bartzopf um den Zeigefinger wickelte und fügte hinzu: „Aber sicherlich habt ihr mich nicht aufgesucht, um meine gänzlich erfundene, verrückte Geschichte zu hören, meine Dame. Bevor aus mir der Mann wurde, der ich heute bin, habe ich eurem Vater in vielen Dingen mit meinem Rat zur Seite gestanden. Ich war, und bin es übrigens noch, ein sehr belesener Mann und kenne unzählige Geschichten aus der Vergangenheit unseres Kontinentes. Darunter mögen wahre Geschichten sein, aber auch alte gesprochene Überlieferungen, die genauso falsch und verrückt klingen, wie meine eigenen Erlebnisse. Doch nahezu jede Geschichte hat einen wahren Kern, eine Moral oder andere winzige Details, die für das Hier und Jetzt wichtig sein können. Selbst aus den Geschichten um die Jungfrau Nara und ihren Sonnengott oder die fliegenden Feuerreiter aus Mezerte können wir lernen. Auch aus meiner eigenen Geschichte habe ich gelernt. Oh, ich habe vieles aus dieser Geschichte gelernt, allerdings zu einem Zeitpunkt, wo mir das Gelernte nichts mehr nützte.“ – „Möglicherweise könnt ihr mir mit eurer Geschichte helfen“, erklärte Blue ihm in angestrengter, aber ruhig klingender Stimme, den Grund ihres Besuches. Sie hatte begonnen durch den Mund zu atmen, um dem Gestank irgendwie zu entkommen, auch wenn sich dieser bereits in ihrer Nase festgesetzt hatte. Krug wurde daraufhin hellhörig und begradigte seine Sitzposition auf dem kleinen Schemel, was angesichts seines krummen Rückens allerdings nicht sonderlich aufrecht wirkte.
    „Ihr habt von wunderlichen Dingen berichtet, die ihr auf der Purpurinsel gesehen habt. Von Karren, die sich wie von Geisterhand bewegen oder Feuer, das aus dem Nichts entfacht werden kann. Aber eines dieser Dinge will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ihr habt berichtet, dass die Menschen auf der Purpurinsel niemals krank seien, dass sie keine Gebrechen, weder körperlicher noch geistiger Natur, kennen. Wollt ihr uns damit sagen, dass die Menschen der Purpurinsel ewig leben?“

    Blue konnte förmlich die Begeisterung in Krugs gesundem Auge sehen, die diese ernsthaft vorgetragene Frage in ihm auslöste. Er strich sich den zuvor aufgewickelten Bartzopf gerade, leckte sich über die spröden Lippen und begann zu erzählen: „Nun, meine Dame, ich wollte damit keineswegs andeuten, dass wir es hier mit Unsterblichen zu tun haben. Außer den Göttern müssen alle sterben, auch die Bewohner der Purpurinsel. Ihre Körper mögen altern, ihr Leben mag vergehen, doch Schmerzen oder andere Gebrechen, die sie auf dem Weg ins Grab begleiten, sind bei ihnen nicht von langer Dauer.“ – „Was meint ihr damit?“, hakte Blue nach.
    „In dieser unwahren Geschichte war ich halb tot an ihrer Küste angespült worden, nachdem unser Schiff, das mich eigentlich in meine Heimat bringen sollte, in einem schrecklichen Sturm gesunken war. Ich hatte Meerwasser getrunken, mein Körper war fast ausgetrocknet. Eine Planke war vier Monde lang mein Zuhause. Es wäre so einfach gewesen loszulassen, doch tief in mir drin sträubte sich etwas gegen den Tod. Ich habe unseren einen Gott angerufen. Als er mich nicht erhört hat, habe ich zu allen Göttern, die ich kannte, gebetet. Zum Sonnengott, zu den Feuergöttern unserer Vorfahren, dem eisernen Gott, den angeblich die Völker des gefrorenen Kontinents verehren. Sogar zu den alten Ahnen im Nebel der Zweitwelt habe ich gebetet. Ich weiß nicht wer von ihnen mich gerettet hat, aber am Ende landete ich völlig entkräftet im nassen Sand der Küste der Purpurinsel. Doch selbst zur Freude reichte meine Kraft nicht mehr. Die Menschen, die mich fanden, erzählten mir dass meine Haut förmlich gebrannt habe, so sehr war ich vom Fieber befallen. Sie haben mich mitgenommen und mich innerhalb nur weniger Tage geheilt. Angesichts meines körperlichen Zustandes war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis mein Herz seinen letzten Schlag getan hätte, doch es kam anders.“
    Krug griff mit seinen dünnen, knochigen Fingern nach einem Becher Wein, der neben ihm auf dem Tisch stand und nahm einen tiefen Schluck. Als er anschließend Blue und den beiden Wachen ebenfalls einen Becher anbot, lehnten diese höflich ab. Die Begeisterung, die das Interesse Blues, in ihm geweckt hatte und die sich insbesondere in seinem gesunden Auge widerspiegelte, war in eben diesem längst erloschen.
    „Noch heute schmecken die süßesten Wasser nach Salz und Fisch. Noch immer höre ich des Nachts die Möwen kreischen. Ich war tot. Das ich noch lebe, ist nicht richtig. Mein Leichnam wurde an diesem Tag an dieser Küste angespült oder zumindest war ich eine Leiche, als sie mich fanden. Und doch sitze ich hier vor euch, ein körperliches Wrack, und ziehe die verpestete Luft dieser stinkenden Stadt in meine Lungen.“

    Hatte Blue sich etwa getäuscht? Konnte dieser Mann ihr und ihrem Vater etwa doch nicht helfen? Noch bevor sie vorsichtig nachfragen konnte, erhob sich Krug mühsam, sein ganzes Gewicht auf den Gehstock verlagert, in die Höhe und schlurfte langsam zu seiner Haustüre: „Ich weiß, dass euer Vater leidet und ich weiß, dass ihr ihm helfen wollt. Doch nur unser einer Gott kann ihm helfen. Ich kann es nicht. So Leid es mir tut, meine Dame, ich kann es nicht.“
    Er öffnete die Türe. Die Luft, die dadurch in das Innere der muffigen Wohnung strömte, war eine wahre Wohltat.
    Blue erhob sich von ihrem Stuhl und war gerade im Begriff das Haus zu verlassen, als sie sich inmitten des Türrahmens noch einmal zu Krug umdrehte: „Können die Menschen der Purpurinsel meinem Vater helfen?“, fragte sie ihn und blickte ihm dabei in sein müdes Auge. Krug senkte den Kopf: „Die Purpurinsel bleibt für uns verschlossen, meine Dame. Sollte es dort ein Heilmittel für euren Vater geben, wird es ihm dennoch auf immer verwehrt bleiben. Sie teilen ihre Geheimnisse nicht und ich sehe auch keinen Weg, wie ihr sie davon abbringen könntet. Sie haben den Kontakt zur Außenwelt vor langer Zeit gekappt und lassen keine Schiffe mehr in ihren Hafen einlaufen. Alle Flotten, die seit Anbeginn der Zeiten, das Eiland in kriegerischer Absicht, ansteuerten, liegen auf dem Grund des ewigen Meeres. Selbst diese Option ist daher keine.“

    Ein leises Lebewohl kam ihm noch über die Lippen, als er die Tür hinter seinen drei Gästen schloss.
    Mittlerweile war es dunkel und kalt und der fast vollständig gefüllte Mond stand leuchtend am Himmel und tauchte ihre Welt in ein bleiches, beinahe bläuliches Licht.
    Blue rieb sich fröstelnd die blanken Unterarme und schritt wortlos voran, zurück in den Schwermut verströmenden Palast der Hauptstadt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Rika (15. Juni 2017 um 23:33)

  • Hallo Rika :) .
    Ich muss schon sagen, Du bist ein echter Alptraum - für jeden Lektoren. Denn Du machst ihn arbeitslos :D .
    Lange hab ich nach Rechtschreibfehlern, verunglückten Formulierungen oder auch nur unbemerkten Tippies gesucht. Umsonst, nichts zu beanstanden. Du wählst Deine Worte klug und mit Bedacht, und triffst voll ins Schwarze damit!
    Du bist ein Fan langer Sätze, wie es mir scheint. So wie ich. Manchem werden Deine Satzketten wohl ermüdend erscheinen, doch mir gefallen sie. Das macht Deinen Stil herrlich unaufgeregt und die Schilderungen sehr anschaulich. Da bei Dir ja nicht in jedem Satz das blanke Chaos tobt wüsste ich nicht, warum Du da irgend etwas ändern solltest.
    Also alles in einem: Bravo! Hat meine Stimme :) !

    Nur einen einzigen Stolperstein gab es da doch auf einer ansonsten glatten und gut bedeckten Staße:


    Stuhl mit noch intakter Lehne an, den sie dankend an(-) und Platz nahm.

    Und selbst dann wirkt es auf mich noch recht unglücklich. Vielleicht solltest Du nach dem ersten "an" einen Punkt setzen und etwas folgen lassen wie: Dankend nahm sie Platz.

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • @Ippon
    Vielen, vielen Dank! Da weiß ich ja echt nicht, was ich dazu noch sagen soll :love:

    @Formorian
    Also ich muss ja erwähnen, dass ich nicht der richtige Adressat für dein eingehendes Lob bin.
    Wenn die Texte jetzt fehlerlos sein sollten, dann habe ich das den unzähligen Verbesserungen der aufmerksamen User hier zu verdanken!

    Aber schön in dir einen der seltenen Anhänger der Schachtelsätze zu treffen.
    Ich bin mittlerweile zwar, auch meinen Lesern zuliebe, darum bemüht dies nicht zu sehr ausarten zu lassen, doch manchmal fühlt es sich einfach falsch an, einen Satz auf 2-3 Sätze herunter zu brechen. Du verstehst mich, denke ich :D

    Zu der angesprochenen Formulierung: Jetzt, wo du es sagst, hört es sich wirklich ein wenig seltsam an. Wird anders gelöst - danke! :)

    LG
    Rika

  • Heute hab ich nicht besonders viel zu beanstanden:

    So sollen dort unter anderem vertriebene Hexen und Zauberer leben, die Hand in Hand mit Dämonen gingen und die eigenen Säuglinge ihren grausamen Göttern opferten.
    Andere Erzählungen behaupten, auf der Purpurinsel ernähren sich die Bewohner ausschließlich von Pflanzen und leben im Einklang mit der dortigen Tierwelt.

    Da würde ich statt Präsens lieber ganz normal die Vergangenheitsform verwenden, sonst klingt es ein wenig merkwürdig.

    Hab auch nicht ganz so viel Zeit gerade, von daher gutes Kapitel, wobei mir am Anfang kurz etwas der Grund gefehlt hat, warum sie diesen Krug aufsucht, aber das liegt vielleicht auch nur an mir.
    Ach ja und wegen Schachtelsätzen: Lass gerne alles so wie es ist :thumbsup: . Ich höre selbst ziemlich oft, meine Sätze wären zu verworren, aber wenn ich sie runterbrechen würde, klingen sie für mich einfach nicht mehr gut. Schön zu sehen, dass es noch anderen so geht ^^
    Gruß Xarrot

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • wobei mir am Anfang kurz etwas der Grund gefehlt hat, warum sie diesen Krug aufsucht, aber das liegt vielleicht auch nur an mir.

    Nur Anfangs oder generell?
    Falls Letzteres:
    Es sollte doch eigentlich aus dem Text hervorgehen, dass Blue daran interessiert ist, ihrem Vater zu helfen.
    Und Krug ist da praktisch ja schon so etwas, wie der letzte Strohhalm.
    Klar, sie erwähnt ihre Absicht ihm gegenüber zunächst nicht, aber Krug durchschaut ja ihr Vorhaben recht schnell, was der Satz „Ich weiß, dass euer Vater leidet und ich weiß, dass ihr ihm helfen wollt[...]" ja zeigt.

    ---
    Und falls noch Interesse besteht, gehe ich mal zu Kapitel 3 über :P
    ---

    Der Tränenkönig

    Die sengende Hitze ließ die Luft um ihn herum tanzen. Sie schmeckte nach Sandstaub und kratzte im Hals, wenn man den Fehler machte zu tief einzuatmen. Die schlichte, rote Robe hing schlaff und leicht durchnässt vom Schweiß von den breiten Schultern des alten Mannes. Trotz seines Alters war sein Gang immer noch aufrecht, das Haupt erhoben, die Brust rausgestreckt. Zwar war er nicht mehr so flink zu Fuße, wie in den Zeiten seiner Jugend und sein Körper generell nicht mehr zu großen Leistungen im Stande, doch den täglichen Spaziergang in seiner Stadt empfand er keineswegs als Anstrengung. Die Bewegung tat ihm gut und hielt ihn jung, wie er stets überzeugt betonte.
    Seinen kahlen Kopf schützte er mit einem Turban aus dünnem, rot gefärbtem Stoff vor der gnadenlosen Sonne. Sein Gesicht, mit den harten Wangenknochen und dem kantigen, beinahe rechteckigen, vorstehenden Kinn, war glattrasiert. Die leicht schrumpelige Haut, bis auf wenige altersbedingte Flecken, makellos. Seine dunklen, braunen Augen, von Krähenfüßen umrahmt, stierten entschlossen wie die eines aufmerksamen Raubvogels aus ihren Höhlen.

    Zur Mittagszeit war der Markt nahezu leergefegt. Die Aussteller hatten sich im Schatten ihrer Stoffzelte oder den kühlen Lehmhütten, die die Reicheren unter ihnen, gegen Aufpreis, für den Tag des Marktes erworben hatten, verkrochen.
    Am frühen Morgen, wenn die Sonnenstrahlen noch Gnade kannten, konnte man sich auf dem großen Marktplatz keineswegs so frei bewegen wie es jetzt der Fall war.
    Um diese Zeit war der Platz nämlich voller Menschen. Lärm erfüllte die Luft. Der Klang von Trommeln, das Flöten der Schlangenbeschwörer, das Rufen der Händler und das Lachen der spielenden Kinder.
    Das Gackern, Mähen und Blöken der Tiere, das Klirren von Silbermünzen und das Fußgetrappel der Sandalen und sonstigen Schuhvariationen unter denen der Sand knirschte.
    Die unterschiedlichsten Gerüche stiegen einem dann in die Nase. Süße und scharfe Aromen, die der Wind von den Ständen der Gewürzhändler herwehte. Beißende und stechende Düfte, die von den Duftwassern stammten, mit denen potenzielle Kundinnen und Kunden eingenebelt wurden, sowie natürlich auch der übliche Gestank, den die drängelnden, schwitzenden Menschenmassen von Natur aus verströmten. Um diese Zeit, hätte man den großen Krieg und das Leid, welches er mit sich brachte, glatt verleugnen und einem Außenstehenden für bare Münze verkaufen können. Doch gerade außerhalb von Emorhors Mauern waren die tiefen Narben noch immer nicht verheilt.

    Neben den Händlern drängten sich selbstredend auch die üblichen Schausteller, die mit ihren Darbietungen um die ihnen zugewandten, staunenden Gesichter der Marktbesucher und natürlich deren anerkennenden Münzen, stritten.
    Feuerspucker, Jongleure, besagte Schlangenbeschwörer, Zauberer und Wahrsager, sowie, das Highlight des Marktes, die Monsterschau, in dem die Zuschauer, natürlich wieder gegen Bezahlung, die schrecklichsten Ungetüme der Welt bestaunen durften.
    Der Kopf hinter der Monsterschau war ein gewisser Nkemayu, dessen Familienname eine wahre Herausforderung für jede menschliche Zunge darstellte und der so lang gewesen war, dass man ihn sich ohnehin nicht behalten konnte. Übersetzt bedeutete er allerdings in etwa: Nkemayu, der schwarze Prinz von den schwarzen Inseln, Auserkorener der Götter, Liebhaber der Frauen und Schlächter seiner Feinde.
    Nkemayu, dessen Haut die Farbe verbrannten Holzes besaß, stammte von einer der erwähnten schwarzen Inseln nördlich ihres Kontinents. Nach dem sogenannten Götterheulen vor vielen Generationen hatten die schwarzen Inseln sogar noch einmal Zuwachs erhalten. Nachdem die nördlichste Spitze Namuns in viele kleine Inseln zerschmettert wurde, besiedelten anschließend die schwarzen Männer und Frauen die Bruchstücke. Die Krysari bezeichneten ihre Nordspitze seither als die zerbrochene Krone Namuns.
    Viele der schwarzen Inseln waren klein und unbewohnt, andere wiederum hatten die Größe von Städten. Ihre Zahl schätzte man auf weit über eintausend, die von weiteren über hundert verschiedenen Stämmen bewohnt waren, welche bevorzugt unter sich blieben und das Festland meideten. Wie und warum Nkemayu nach Namun kam, blieb sein Geheimnis.
    Nun war er jedenfalls zum reichsten und bekanntesten Händler des Kontinents aufgestiegen. In nahezu jeder großen Stadt, so erzählte man es sich zumindest, besaß er eine eigene Villa, in der er residierte, bevor er mit seiner achtundzwanzig Mann umfassenden Stammgefolgschaft zur nächsten Ausstellung weiter zog. Auch in Emorhor gehörte ihm ein großes zweistöckiges Wohnhaus mit eigenem Vorgarten, in dem unter anderem mehrere Dattelpalmen, Sträucher mit kleinen, kaum genießbaren Beeren und Dornenbüsche wuchsen. Zudem hatte er hinter seinem Haus einen eigenen Teich anlegen lassen, in dem er baden konnte, wenn es ihm nach Erfrischung oder Entspannung gelüstete.
    Damit die Villen während seiner Abwesenheit nicht leer standen, wohnten darin immer jeweils dreizehn seiner Konkubinen. Die Liebhaberinnen Nkemayus waren allesamt junge Dinger von den verschiedensten dunklen Hautfarben, mit breiten Hüften und großen Brüsten gesegnet. Sie hielten nicht nur Gebäude und Garten instand, sondern verdienten sich, zumindest hier in Emorhor, auch zusätzliches Geld mit gewissen Diensten, die sie den Männern der Stadt anboten. Ob Nkemayu vom Treiben seiner Frauen wusste oder ob er ahnungslos war und die gelegentlichen Bastarde, die so manches Mal aus den Vereinigungen hervorgingen, für seine eigenen hielt, entzog sich dem Wissen der Außenstehenden.

    Terek jedenfalls interessierte es auch nicht weiter. Nkemayu war ein friedfertiger Mann. Er mochte zwar der Schlächter seiner Feinde sein, doch er war nicht Tereks Feind, keineswegs. Er war sogar so etwas wie ein Freund. Jemand, der dem Volk ein Stück Lebensfreude züruckbrachte.
    Zwar verachtete Terek seine makabere Schau und hatte Mitleid mit den armen, bloßgestellten, Geschöpfen, doch wusste er, dass Nkemayu sie nicht schlecht behandelte. Er gab ihnen gut zu Essen und zu Trinken und bot ihnen im Grunde keinen Anlass zur Klage. Letztendlich hatten diese armen Kreaturen unter Nkemayus Fittichen ein weitaus besseres Leben, als sie es sich normalerweise auch nur erträumen durften.

    Er ging weiter seines Weges und erspähte ein provisorisch aufgebautes Zelt, welches aus dünnen, ungleichmäßig langen Ästen und einer bereits mehrfach geflickten Stoffplane bestand. Dort hatte heute Morgen ein Händler aus Haasmehor eine schmuddelige Decke auf dem Boden ausgebreitet. Auf dieser bot er etliche verschiedene Tierfelle, Schmuck aus Tierknochen oder glückbringende Talismane aus Stein zum Verkauf an.
    Er gehörte nicht zu den Reichen, auch wenn die Frauen Emorhors seine Waren liebten. Er teilte sich mit seinem alten Esel einen Eimer Wasser, hatte jetzt zur Mittagszeit seine Sachen in der schmutzigen Decke eingerollt und benutzte diese als sein Kopfkissen, während er auf dem sandigen, warmen Boden sein Mittagsschläfchen hielt. Er war ein dünner, ergrauter alter Mann mit dem typischen kupferfarbenen Teint, dessen Rippen sich unter seiner gespannten Haut abzeichneten und der nur einen grauen Lendenschurz als Bekleidung trug. Die Fliegen, die während seines Schlafes auf ihm herumkrabbelten, schien er gar nicht zu bemerken. Sein Esel hingegen wedelte wild mit seinem Schweif und den langen Ohren hin und her um die lästigen Biester zu verscheuchen. Seine wallende Mähne hatte sich der Händler mit einem Stück Stoff hinter dem Kopf zu einem großen Zopf zusammengebunden, damit wenigstens sein Haar etwas ordentlich wirkte.
    Und genau das war es letztlich auch, das ihn rein äußerlich von den verlorenen Seelen des lokalen Armenhauses unterschied, welches Terek wieder einmal zu besuchen gedachte.

    Hohepriester Terek Nam’Gorsenzy war nicht nur von seiner Körpergröße her ein großer Mann. Nein, er war zugleich noch der mächtigste und angesehenste Mann des Kontinents Namun.
    Zumindest wäre Letzteres auch heute noch zutreffend gewesen, wenn sein Vorvorgänger, Hohepriester Nobossop Sek’Modun, seinen einst so stolzen Kontinent nicht in das Verderben gestürzt hätte. Von der Idee eines einzigen großen Reiches und einem einzig wahren Glauben besessen, hatte er die komplette Streitmacht in einen Krieg gegen den Nachbarkontinent geführt – und verloren.
    Von Beginn an ein törichtes Unterfangen, welches nicht nur an der mangelhaften Truppenlogistik gescheitert war. Den eigenen Kontinent zu einen, die eigentlich wichtigste Mission, fand damals allerdings keinen Platz auf der Agenda Nobossops.
    Die Bevölkerung des einst unabhängigen Nordens, dem Königreich Krysa, hatte der große Hohepriester Tasmanuk vor über einem Jahrhundert mit Tod und Zerstörung überzogen. Den Norden Namuns hatten sie somit zwar zurückerobert, aber dessen Bevölkerung endgültig verloren. Auch der sogenannte Götterkonflikt, unter Hohepriester Nobossops Vorgängern entfacht und ausgefochten, von Letzterem blutig beendet, hatte insbesondere die Bewohner des besiegten Osten Namuns zusehends dezimiert, wie demoralisiert und das Ansehen der obersten Glaubensvertreter weiter geschwächt.
    Grund für den Krieg waren die Anhänger des einen Gottes, die, den Erzählungen nach, aus dem Nichts aufgetaucht waren und ihren Glauben im Osten des Kontinents verbreitet hatten. Der eine Gott wurde speziell auf dem westlichen Nachbarkontinent verehrt und war seinen Vorgängern ein Dorn im Auge. Hier auf Namun betete man zur Mutter, die einst zum ersten Hohepriester Tasmanuk gesprochen und ihm das Geheimnis der Herkunft der Menschen offenbart hatte.
    Trunken vom süßen Nektar des Sieges und der Vernichtung oder Bekehrung der Anhänger des einen Gottes, glaubte Nobossop das die Westmenschen die falschen Prediger schickten, um sein Volk mit ihrem Glauben zu unterwandern. Somit war es für ihn nun an der Zeit sich auch die restliche Anhängerschaft des falschen Gottes vorzuknöpfen.
    Nach der Niederlage gegen den Westkontinent hatten sich viele Bewohner Namuns vom Glauben abgewandt. Für Terek war das nur verständlich. In den Augen des Volkes hatte die Mutter ihnen nur Leid und Tod gebracht. Nach dem Krieg blieben verlassene Dörfer zurück, die nun in der Sonne verrotteten. Fast vollständig verlassene Städte, die niemals mehr zu ihrem alten Glanz zurückfinden würden. Unzählige Kinder wuchsen als Halb- oder gar Vollwaisen auf. Plünderer zogen umher, da niemand mehr für Recht und Ordnung sorgen konnte, und hinterließen noch mehr Elend.
    Die Plünderer und Vergewaltiger kamen zahlreich aus dem alten Königreich, wusste Terek, und waren lose Verbrecherbanden, die sich selbst untereinander bekriegten.
    Doch seit Neuestem folgten die Krysari (eigentlich ein Unding, dass man sie nach all den Jahren immer noch so nannte) wieder einem König. Unterhalb der toten Steppe verschwanden immer wieder junge Männer und Frauen, was man auf besagten Anführer zurückführte.
    Die einen erzählten, dass er sich die Menschen holte um sie zu ermorden, zu opfern, zu essen oder zu seiner Belustigung zu Tode zu foltern. Doch andere wiederum behaupteten, dass der König auch jenseits der alten Grenzen für seine ständig wachsende Armee rekrutierte.

    Terek ahnte bereits, wohin dies zwangsläufig führen musste, doch das namunsche Heer bestand größtenteils nur noch aus alten Männern, Halbverkrüppelten und wenigen jungen, starken Burschen, da die meisten von ihnen nicht gewillt waren, wie ihre Väter und Großväter, für eine aussichtslose Sache zu sterben. Als Wahnsinn wäre es zu bezeichnen, jetzt eine Streitmacht in den Norden zu führen, auch da dieser König den riesigen Regenwald zu seinem großen Vorteil besaß. Dort wären die armseeligen Truppen Tereks nichts weiter als Wild für dessen Gefolgschaft. Zudem würde er mit einem neuerlichen Feldzug das ramponierte Ansehen der Mutter noch weiter verschlimmern. Die Mutter war gut, gerecht und barmherzig. Sie stand nicht für Krieg und dem damit verbundenen Leid. Das mögen seine verblendeten Vorgänger gedacht haben, doch Terek wusste, dass die Mutter den Frieden für ihre Kinder gewählt hatte. Er war ihr höchster Stellvertreter am Boden und so war es an ihm eine, im Sinne der Mutter, friedliche Lösung dieses sich anbahnenden Konfliktes zu finden.

    Der krysarische König war seit Wochen das vorherrschende Thema im Rat der Fünf und verfolgte Terek stets auf Schritt und Tritt.
    Selbst bei seinem regelmäßigen Besuch im Armenhaus, für den es wieder einmal an der Zeit war, drehten sich seine Gedanken unweigerlich um die Bedrohung aus dem Norden.
    Die Männer und Frauen, die er zu besuchen gedachte, kämpften hingegen mit ganz anderen Problemen. Krankheit, Seelenpein, fehlendes Obdach. Das waren aus deren Sicht größere Sorgen, als das Säbelrasseln eines unsichtbaren Feindes, doch auch weitaus weniger kompliziert, dachte sich Terek.
    Er durfte diesen Menschen allerdings nicht mit zweifelnder Miene gegenübertreten. Diese armen Seelen blickten zu ihm auf. Sie hatten dem Glauben an die Mutter noch nicht abgeschworen. Sie waren überzeugt davon, dass sie nach dem Leiden im Diesseits, einen Platz im Schoße ihrer Schöpferin erhalten würden, wo auf sie der ewige Frieden wartete.
    Diesen Frieden erwarteten sie in dem riesigen, kargen Gebäude, welches aus, mittlerweile bröckelndem, Sandstein errichtet, fernab des lebendigen Marktplatzes, in Nähe der hohen Stadtmauern stand. Es lag in einer wenig belebten Seitenstraße inmitten der Stadt, besaß ein flaches Dach und mehrere ungleichmäßig große Öffnungen in den Wänden, die als Fenster fungierten. Es existierten keinerlei Verzierungen oder sonstiger Prunk, weder an Fassade, noch im Inneren. Das Armenhaus wirkte trotz seiner Größe und eben wegen seiner schlichten Aufmachung genauso arm, wie seine Bewohner. Einige Sandlerchen flatterten um das Gebäude herum, hüpften auf den Fensterbänken auf und ab und suchten, laut zwitschernd, nach Nahrung.

    „Die einzigen, sorgenlosen Geschöpfe hier“, dachte sich Terek.

    Einmal editiert, zuletzt von Rika (26. Juli 2017 um 19:34)

  • Nur Anfangs oder generell?

    Vermutlich war es auch nur wegen der Trennung der beiden Posts, dass ich etwas raus war, aber zu Anfang des Kapitels (bis es dann eben direkt erwähnt wird) hab ich mich ein wenig gewundert, warum sie den Palast verlässt :hmm:
    Aber ist wahrscheinlich eher meiner eigenen Idiotie zu verdanken :doofy:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Vermutlich war es auch nur wegen der Trennung der beiden Posts, dass ich etwas raus war, aber zu Anfang des Kapitels (bis es dann eben direkt erwähnt wird) hab ich mich ein wenig gewundert, warum sie den Palast verlässt :hmm: Aber ist wahrscheinlich eher meiner eigenen Idiotie zu verdanken :doofy:

    Naja, wenn du nur anfangs raus warst, ist es durchaus verständlich und hat rein gar nichts mit Idiotie zu tun ;)
    Meine Kapitel sind ja so schon ziemlich umfangreich und wenn man diese dann noch häppchenweise präsentiert bekommt, verliert man natürlich irgendwann den Faden. :S
    Manchmal wünsche ich mir die Gabe mich kurz fassen zu können...

    LG
    Rika

  • Hallo @Rika!

    Einer Empfehlung folgend, habe ich mich auf deine Geschichte gestürzt, wenngleich der Titel mich schon früher hätte aufmerksam machen sollen ... sei es drum. Die erste Thread-Seite ist gelesen (klein Di hat endlich wieder seine geliebte Suki in die Arme geschlossen) und ich würde dir gerne ein erstes Feedback hinterlassen, wenn's genehm ist.

    Erst einmal: du kannst schön schreiben. Nein, anders: mitunter schreibst du wundervoll. Einige Formulierungen haben mich als Leser geradezu entzückt und als Autor grün vor Neid werden lassen. Deine Texte lesen sich im Großen und Ganzen sehr flüssig, es ist angenehm, deinen Worten zu folgen und ehe man sich's versieht, ist wieder ein Absatz zu ende gegangen.

    Leider ist das nicht immer so. Auf deine zahlreichen Schachtelsätze, die teils absurde Formen annehmen (bis zu fünf Zeilen - ja, bist du noch zu retten?!), wurdest du ja bereits angesprochen. Auch habe ich gelesen, du hättest deine Texte diesbezüglich überarbeitet, was nicht stimmen kann, denn da sind ja immer noch unfassbar viele, viel zu lange Sätze. Zu Einem führen die dazu, dass so unschöne Konstellationen mit den kleinen Wörtchen "diese", "dieser" und "dies", in hoher Zahl auftreten und das Lesevergnügen mMn unnötig trüben.
    Zu Anderen lässt du deinem Leser kaum "zu Atem" kommen, denn anstatt das Gelesene reflektieren zu können, steckt man noch mitten im Satz, wünscht sich den Punkt zum Verschnaufen herbei und versucht gleichzeitig alle eingeschoben Informationen zu verarbeiten. Als Leser fühlte ich mich regelrecht erschlagen.

    Apropos erschlagen: die schiere Informationsflut zu Beginn ist in deinem Falle wahrlich eine Untertreibung.

    Die zerbrochene Krone wurde dieser Teil des Ostkontinents genannt, nachdem sich die Nordspitze Namuns während des sogenannten Götterheulens in mehrere kleine Inseln aufgesplittert hatte. Das alte Adelsgeschlecht der Krysa hatte einst das komplette Land nördlich der toten Steppe für ihr Königreich erklärt, was insbesondere den mächtigen, uralten Regenwald mit einschloss, der sich ganz im Norden des Kontinents und westlich von hier befand. Damals gehörte Quad, Kassos Heimat und östlichster Teil besagten Nordens, was in der alten Sprache soviel wie „Land der Felsenmenschen“ bedeutete, noch zu besagtem Königreich Krysa. Der Handel mit der Hauptstadt Xemen sowie mit den blassen Westmenschen, vom Kontinent über dem Wasser, die mit ihren Schiffen vor Quads Küste ankerten, florierte.

    So ein kleiner Absatz und so viele Informationen. Statt den Leser sanft an deine Welt heranzuführen, wirfst du mit Namen um dich, als wären sie Konfetti. Ich frage dich: ist das wirklich nötig? Nie kann ich mir all diese Namen jetzt merken, was zu Frust führt und letztlich auch dazu, dass ich derartige Textzeilen (von denen leider noch weitere folgen) schlicht überfliege. Und das kann unmöglich in deinem Interesse sein. Also warum dieses Stakkato an Informationen und Namen?
    Ich stelle es mir so vor, dass dein Kopf voll ist mit allerlei Wissenswertem über deine Welt und du möchtest dieses Wissen teilen - MUSST es teilen, sonst platzt dir die Birne. Lass dir gesagt sein, das ist normal, aber lange kein Grund, den Leser mit allem, was dir gerade einfällt vollzustopfen. Getreu dem Motto: friss oder stirb!
    Füge die Informationen Stück für Stück ein, wenn sie gerade relevant sind. Lass sie organisch in die Handlung einfließen.

    Das kannst du.

    Damit komme ich auch gleich zum nächsten Punkt: den Charakterbeschreibungen.
    Auch hier setzt die Handlung für jeden neuen Charakter kurz aus, tritt zurück, und lässt eine Art Erzähler vor, der einen kurzen Steckbrief abarbeitet: Größe, Haarwuchs und -farbe, natürlich Geschlecht, Augenfarbe und sonstige Besonderheit. Alle verstanden? Dann kann es ja weitergehen.
    Unschön.
    Was interessieren mich denn die Haar- und Augenfarbe (nahezu) jedes Charakters? Ist das wirklich wichtig? Brauch ich das?
    An anderer Stelle schaffst du es wiederum exzellent, solche Äußerlichkeiten mit dem Text zu verweben, dass ich mich frage, ob das zwei Rikas dran schreiben.
    Es ist wirklich nicht vonnöten jeden Charakter en Detail zu beschreiben. Ganz anders ist das natürlich bei so Leuten, wie Spitzkinn, dem einige Besonderheiten anhaften. Da ergibt eine nähere Beschreibung durchaus Sinn.

    Zum Abschluss möchte ich noch auf den Inhalt eingehen:

    ich habe das Gefühl, dass du eine sehr genaue Vorstellung von so ziemlich allem hast, das du hier beschreibst. Vom großen Königreich über dessen Einwohner, ja bis hin zu jedem einzelnen Baum fühlt es sich an, als würde eine Geschichte dahinter stecken. Diese Tiefe transportierst du auf sehr faszinierende Weise. Chapeau! :hi1:
    Einzig das Konzept von Ober- und Unterwelt ist mir noch nicht ganz klar ... funktioniert das wirklich vertikal? Die einen über und die anderen unter der Erde?


    Also ... viel Geschwafel, aber ich hoffe mein Punkt wurde deutlich und ich konnte etwas helfen. ^^


    Gruß!

  • Hallo @Maxwell

    ich frage mich, wer wohl diese Empfehlung ausgesprochen hat? ;)
    Erst einmal Danke natürlich für die lieben Worte. Wenn die Geschichte bisher zu deiner Unterhaltung beigetragen hat, freut mich das sehr! :)

    Nun, die "Schachtelsätze" und die "Informationsflut" sind ja nun keine Kritikpunkte, die mir unbekannt wären.
    Ich habe tatsächlich schon so einige der riesigen Konstrukte aus dem Prolog entschärft, ob du das nun glauben magst oder nicht :D
    Da ich gerade ohnehin dabei bin meinen kompletten Text zu überarbeiten, kann ich aber gerne auch noch einmal explizit auf die Anfänge drauf schauen. Im späteren Verlauf sehe ich das eigentlich nicht mehr als ein Problem.

    Die Informationsflut...
    Natürlich lasse ich generell viele Hintergrundinformationen in den Text einfließen. Das rührt aber auch von meinen eigenen Lesegewohnheiten bzw. -vorlieben her. Ich habe ja schon mal erwähnt, dass ich mich da immer erst mal an mir selbst orientiere und mich frage: Würde ich das selbst so lesen wollen? Hat es Relevanz? Vielleicht ist ja genau das mein Fehler :S

    Aber kann man denn bzgl. dieses Abschnitts jetzt wirklich von einer Flut an Details sprechen? Möglicherweise fehlt mir ja auch die nötige Objektivität um das zu sehen? Welche Informationen sind denn deiner Meinung nach obsolet bzw. hättest du zu einem späteren Zeitpunkt oder erst gar nicht eingebaut?
    Ich stehe hier jetzt leider wirklich da, wie der sprichwörtliche "Ochse vorm Berg" ^^

    Und zu guter letzt noch die Charakterbeschreibungen:
    Ist mir ehrlich gesagt erst jetzt so richtig aufgefallen, nachdem du es erwähnt hast. Das Muster behalte ich so oder so ähnlich auch später bei. Du hast recht, gerade bei den weniger wichtigen Charakteren könnte bzw. sollte ich das etwas zurückfahren. Was aber dringend vonnöten ist, ist das ich aus diesem offensichtlichen Erzählmuster herausfinde, denn das ist, wie du bereits sagtest unschön.

    Danke für deine Kritikpunkte, aber gerade im Hinblick auf die Informationsflut, musst du mir leider nochmal auf die Sprünge helfen :/

    LG
    Rika

  • @Rika Hallöchen :hi2:

    Sein Gesicht, mit den harten Wangenknochen und dem kantigen, beinahe rechteckigen, vorstehenden Kinn, war glattrasiert, die leicht schrumpelige Haut, bis auf wenige altersbedingte Flecken, makellos.

    Bei dem Satz musst du nochmal kurz drüber glaub ich. Vor allem das "war glattrasiert" konnte ich nur schlecht seinem Bezugswort zuordnen. :whistling:

    Allgemein muss ich sagen, dass ich diesen Teil etwas verwirrend fand, allerdings weder wegen irgendwelcher Schachtelsätze noch wegen zu viel Information, es war sogar eher zu wenig. Hier mal ein Beispiel:

    Nach dem sogenannten Götterheulen vor vielen Generationen hatten die schwarzen Inseln sogar noch einmal Zuwachs erhalten, nachdem die nördlichste Spitze Namuns zerschmettert wurde und man seither von der zerbrochenen Krone sprach. Viele der Inseln waren klein und unbewohnt, andere wiederum hatten die Größe von Städten.

    Hier stellt sich mir zunächst die Frage, was der Zuwachs nun mit dem ganzen zu tun hat und wieso es dadurch überhaupt einen Zuwachs gab. Zudem würde eine etwas bildlichere Beschreibung ganz nützlich sein (die gerne auch mal etwas länger ausfallen darf), wie genau ich mir das Zerschmettern der nördlichen Spitze Namuns vorstellen darf.
    Allgemein würde ich dir den Rat geben, die Informationsbatzen nicht einfach abzuschwächen oder gar komplett rauszustreichen, sondern sie lieber noch detaillierter auszuführen. Ich selbst erzähle in meinen Geschichten auch sehr gerne nochmal kleinere Geschichten zu Orten und weiß deswegen, dass es wohl doch recht schwer sein kann, da ein gutes Maß zu finden, wie es stimmig und passend wirkt.
    Das Problem ist dabei wohl weniger die Anzahl der Namen (ich kenne das von anderen Büchern: Dort kann man sich einige Namen auch nicht auswendig merken, aber wenn sie dann wieder vorkommen, weiß man sogleich den Zusammenhang), sondern eher die Dichte. Wenn du anfängst den Hintergrund von irgendwelchen Details, Orten etc. herauszunehmen, dann bekommt man als Leser wirklich ein Problem, da man schlichtweg nichts damit anfangen kann.
    Ein Beispiel dafür ist auch das Götterheulen: Es klingt wirklich sehr interessant, aber man kann sich leider rein gar nichts darunter vorstellen. Natürlich sollst du jetzt nicht haargenau erklären, was es ist, das würde ja auch irgendwie die Spannung herausnehmen. Aber zumindest einige der Auswirkungen könntest du beschreiben und die gerne auch etwas übertrieben mit vielen Adjektiven. Die sind bei sowas allgemein immer nützlich. :D

    Ich hoffe du kannst damit etwas anfangen, wenn nicht sag Bescheid, dann versuch ich nochmal besser zu erklären, was ich denn mein. :)

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Hi @Xarrot,

    das Götterheulen wurde unter Kasso kurz einmal angerissen.

    "Die zerbrochene Krone wurde dieser Teil des Ostkontinents Namun genannt, nachdem sich die Nordspitze während des sogenannten Götterheulens in mehrere kleine Inseln aufgesplittert hatte."

    Die Völker der schwarzen Inseln, die nördlich des Ostkontinents liegen, haben die Bruchstücke zwischendurch besiedelt, aber größtenteils wieder verlassen. Weitere Details hierzu sind (bislang) nicht bekannt, also auch nicht, was damals genau passiert sein soll.

    Jetzt gefällt mir aber der zitierte Abschnitt auch nicht mehr so ganz. Da pinsele ich noch mal drüber. :P

    Ich bin heute leider ein wenig neben der Spur, also verzeih' mir, wenn die Antwort hier etwas kurz ausfällt. :S
    Ich kann da gerne die Tage auch nochmal etwas ausführlicher dazu schreiben, wenn du magst.

    LG
    Rika

  • Jajaja...

    ===

    Er kannte die Männer und Frauen, die sich im Dienste der Mutter um die Hilfsbedürftigen unter ihnen kümmerten. M’Kelya, eine alte Dame, deren Schönheit von einst bereits verwelkt war, hatte hier das Sagen. Sie kümmerte sich zusammen mit Bekersir, einem jungen, freudlosen Mann mit harter Miene, im Erdgeschoss um die Kranken und Sterbenden, die in harten, mit Fellen und Stoffen ausgelegten, voneinander abgetrennten Nischen untergebracht waren.
    Schmerzerfülltes Stöhnen und Keuchen, wirres Gemurmel, Husten und Schniefen waren hier im Erdgeschoss an der Tagesordnung. Kein Ort an dem Terek arbeiten könnte, wenn er sich das Elend hier ansah. Er bewunderte im Speziellen M’Kelya dafür, dass sie, obwohl sie hier schon seit Jahren diente, noch immer zu ihrem bezaubernden Lächeln imstande war. Schon vor vielen, vielen Jahren, hatte sie Terek stets angelächelt, als dieser noch ein einfacher Mann und sie beide weder so alt, noch derart von den Spuren des Lebens überzogen waren, wie heutzutage.
    Oftmals verbrachten sie damals die Nächte zusammen, sich eng umschlungen liebend und tiefe Blicke austauschend. Die Erinnerungen holten ihn wieder ein. Jene an ihren makellosen Körper, welcher sich so wunderbar warm und dessen Haut sich so unvergleichlich zart angefühlt hatte. Selbst ihr Geruch, so schien es, stieg ihm plötzlich wieder in die Nase. Und dann waren da ja noch ihre Augen gewesen. Diese unschuldigen Augen. Ein tiefes Braun in dem er sich zu verlieren drohte, welches ihm jede Sünde wert gewesen wäre.
    Doch bald darauf erwählte er die Mutter und ließ sein sündhaftes Leben hinter sich um sich, als ihr ergebenster Diener, in ihre Dienste zu stellen. Zwei Herzen weinten an jenem Tag, doch die Wunden schienen verheilt. Lag doch die Vergangenheit in schier unendlicher Ferne.

    Sein Blick traf den ihren, als er das Gebäude betrat, und beide schenkten sich ein Lächeln. Einen kurzen Augenblick waren sie wieder jung. Zumindest war dies Terek so vorgekommen.
    Es folgte jedoch kein Innehalten. M’Kelya kümmerte sich kurz darauf um einen apathisch an die Decke seiner Nische starrenden Mann, dem sie ein nasses Tuch auf die glühende Stirn legte, aus der sie zuvor wirre, graue Haarsträhnen gestrichen hatte, während Terek an ihr vorbei schritt, langsam auf das Ende der langen Halle zusteuernd und rechts wie links zu den daliegenden Insassen blickend.
    Jede Woche aufs Neue fehlten einige der Gesichter, die Terek zuvor noch angelächelt und denen er gut zugeredet hatte. Die Meisten unter ihnen waren alte Menschen, die krank und schwach waren und die sich in ihren letzten Tagen oder Stunden nach dem Mutterschoß, dem ewigen Frieden, sehnten.
    Immer wieder kam es vor, dass Terek gefragt wurde, ob er die Mutter um Verzeihung bitten könne, da die Sterbenden ihren Glauben vernachlässigt oder im Laufe ihres Lebens gänzlich verloren hatten. Jedes Mal nahm Terek die Hand des jeweiligen Bittstellers in die seine und flüsterte ihm mit leiser Stimme zu, dass die Mutter barmherzig sei und ihre Kinder nie aufgebe.
    „Die Liebe einer Mutter ist unsterblich. Sie wird dir ewigen Frieden schenken. Bete zu ihr und sie wird dir den Platz in ihrem Schoß zuteil werden lassen“, erzählte er immer wieder aufs Neue.
    Er verbrachte einige Zeit hier und unterhielt sich mit einigen Männern und Frauen, die kräftig genug waren eine Konversation zu führen. Viele von ihnen sehnten sich nach Worten, sie lechzten nach Anhörung und Aufmerksamkeit. Und durch Terek erfüllte ihnen die Mutter diesen Wunsch.

    Im zweiten Stock waren die Waisen untergebracht. Mädchen und Knaben aller Altersklassen. Waberte noch Schwermut durch die Luft des Erdgeschosses, schlug einem hier fast so etwas wie Fröhlichkeit und Unbekümmertheit entgegen. Vom Säugling bis zu den fast schon Erwachsenen waren sie alle vertreten und konnten dabei auf die Betreuung von gleich sechs Männern und Frauen zählen. Zwei der vier Frauen waren stets junge Ammen, die imstande waren, den Säuglingen die Brust zu geben. Die beiden anderen Frauen widmeten sich der Erziehung der Mädchen und der kleinen Jungen, die beiden Männer kümmerten sich um die größeren Knaben, denen sie auch oftmals Arbeit außerhalb des Armenhauses verschaffen konnten und ihnen somit den Weg in ein eigenständiges Leben wiesen. So hatte beispielsweise der schwarze Nkemayu einen starken Burschen in seine Truppe aufgenommen, der nun für die Instandhaltung seiner Karren zuständig war.
    Viele Mädchen und Jungen entschieden sich allerdings irgendwann dazu, des Nachts dem Armenhaus und dem gefühlten Elend zu entfliehen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Meisten von ihnen, so vermutete Terek, würden allerdings bei dem Versuch es auf eigene Faust schaffen zu wollen, scheitern. Viele der Mädchen würden ihr Überleben wohl nur dadurch sichern können, indem sie ihre Körper verkauften und die meisten Jungen würden irgendwann tot auf der Straße oder lebendig in einem Kerker enden. Auch über ihre Seelen, so betete er, solle die Mutter ihre schützende Hand halten.

    Im dritten und vierten Stock letztlich waren die Alten, die Armen, die Mittellosen, die Vertriebenen, die Menschen ohne Obdach und alle anderen armen Seelen untergebracht. Roch es speziell im Erdgeschoss noch vorwiegend nach Krankheit und Tod, kamen hier oben alle sonstigen schlechten Gerüche, die man mit einem Menschen in Verbindung bringen würde, zusammen. Doch Terek war nicht hier um zu urteilen. Während er für jeden von denen, die sich erhoben und ihn um den Segen der Mutter baten, ein Gebet und ermunternde Worte übrig hatte, steuerte er ganz bewusst auf einen abgedunkelten Raum in der hintersten Ecke des obersten Stockwerkes zu. In der kleinen, aufgeheizten und muffigen Kammer, die nur durch einen zerrissenen Lumpen von einem Vorhang abgeschottet war, saß sein alter Freund, Zetamyanku Mors’Daneku, von Freunden schlicht Zet genannt, auf seiner kleinen, schmutzigen, mit Stroh gestopften Matratze. Eine eigene Kammer war der größte Luxus, den einem das Armenhaus bieten konnte und zugleich ein Privileg, dass nur den ehemaligen Dienern der Mutter vorbehalten war. Das Fenster war mit einem weiteren Stück Stoff abgehängt, sodass die, um diese Zeit, unbarmherzigen Sonnenstrahlen nicht herein fallen konnten. Zet war ein kleiner, vollständig ergrauter Mann mit eingefallenen Wangen und trüben, weil blinden, Augen. Seinen zahnlosen Mund umrahmten spröde, aufgeplatzte Lippen. Seine Zehnägel leuchteten gelb und entzündet, seine Finger waren krumm und beinahe unbeweglich. Die noch wenigen, dünnen Haare hingen wie Spinnenweben von seinem Kopf. Seine Augenbrauen und sein Bart wucherten hingegen wie ein wildes Gestrüpp in seinem Gesicht.
    Wahrlich, Zet hatte nichts mehr an sich, was darauf hingedeutet hätte, dass er einst die rechte Hand des Hohepriesters Sande Hoers’Mosmumtu, Tereks Vorgänger, gewesen war. Die prunkvollen Gewänder, die er einst trug, waren durch ein schmutziges Hemd ersetzt worden, dass die gleiche trostlose Farbe, wie der alles dominierende Sandstein besaß und ihm bis über die Knie reichte. Zet hatte nach dem Tod Sandes seinen Posten niedergelegt, was Terek damals sehr bedauerte.

    „Ich kann euch riechen, eure Erhabenheit“, quäkte er dem Hohepriester mit seiner hellen, aber dennoch heiser klingenden, Stimme entgegen.
    „Für gewöhnlich steigt mir hier nur der Geruch von Elend und Scheisse in die Nase. Wenn man ein blinder, nutzloser, alter Narr ist, wie ich, dessen Gehör ebenfalls mehr und mehr unbrauchbar wird, muss man sich auf Nase und Zunge verlassen. Oh ja, die Zunge. Wisst ihr, dass man Elend und Scheisse sogar schmecken kann? Aber nicht nur das - ich kann auch Angst schmecken. Oh, die Angst ist allgegenwärtig. Eure treuen Diener der Mutter tragen die Neuigkeiten der Welt herein und sie verbreiten sich wie die Lauffeuer und aus den Erzählungen rieche und schmecke ich heraus, wie die aktuelle Gefühlslage ist. Momentan schmeckt alles nach Angst, Hohepriester. Nach Angst und Scheisse. Habt ihr eben solche Angst vor dem was da draußen passiert, großer Terek?“
    Terek war an die leichte Verbitterung und den Zynismus, die jedes Mal in die Worte Zets gemischt waren, bereits gewohnt. Er setzte sich auf einen kleinen Schemel, den er von draußen mitgebracht und nun neben die Matratze Zets gestellt hatte und setzte sich nieder.
    „Was hast du denn gehört, was mir solche Angst einjagen sollte, mein alter Freund?“
    Zet offenbarte bei seinem folgenden Lachen sein entzündetes Zahnfleisch und jagte Terek damit einen kleinen Schauer über den Rücken.
    „Tu nicht so überrascht, als würdest du das erste Mal davon hören! Das alte Königreich erhebt sich wieder. Was Tasmanuk gesät hat, werden wir nun ernten müssen. Aber da hat die große Mutter sicherlich auch wieder eine Rechtfertigung für. Mit Lösungen war sie ja immer sehr geizig gewesen.“ – „Die Mutter zeigt uns stets nur die Wege auf, die wir beschreiten können“, konterte Terek, „doch die Lösungen müssen wir selbst finden.“
    Erneut brach Zet in Gelächter aus und klopfte sich dabei mit seiner steifen Hand auf den mageren, knochigen, rechten Oberschenkel: „Ich frage mich manchmal, ob ein derart intelligenter Mann wie du, tatsächlich diesen Mist glaubt. Glaubst du ernsthaft, was du da aussprichst? Glaubst du, dass die Mutter dir einen Weg aufzeigen wird um den krysarischen König und seine stetig wachsende Armee aufzuhalten? Oder schenkt dir die Mutter vielleicht genügend Schwerter und Speere und genug mutige Männer, die sie tragen können? Das wäre doch mal ein göttliches Wunder, meinst du nicht?“ – „Wir haben einen Gesandten zu ihnen geschickt, der sie um Frieden bitten und sich ihre Forderungen anhören wird“, erwiderte Terek, der von dem alten Mann wohl keine Antwort zu erwarten hatte, die ihm gefiel.
    „Und wohin habt ihr euren Gesandten geschickt?“, gab Zet, erneut mit diesem unsäglich sarkastischen Ton unterlegt, zurück.
    „Nach Xemen, in ihre einstige Hauptstadt“, antwortete der Hohepriester wahrheitsgetreu. Er sah wie sich Zets Mundwinkel zu einem höhnischen Lächeln verzogen: „In das Herz des Regenwaldes. Nun, wenn ihr eurem Gesandten eine gute Garde mitgegeben habt, dann stehen die Chancen wohl sehr gut, dass er nicht von den wilden Geschöpfen des Waldes zerfleischt wird. Und sollte er es tatsächlich in die Hauptstadt schaffen, so wird er vermutlich nur Ruinen vorfinden. Sollte er richtig Pech haben, werden sich dort sogar einige dieser krysarischen Hundesöhne aufhalten, die ihm die Kehle aufschlitzen werden. Was macht eigentlich deine rechte Hand, Terek? Ist dieser kleine Gossenköter denn auch zu irgendetwas zu Nutze? Jeder gute Ratgeber hätte dir sagen können, dass sich der König um keinen Preis in der Hauptstadt aufhalten wird, wo ihn jeder finden kann. Scheue Naturen wie er meiden den Präsentierteller. Selbst wenn er so dumm wäre in Xemen zu residieren, was ich nicht glaube, so würde er eure Friedensdelegation in dünne Scheibchen schneiden und sie wieder zu euch zurücksenden. Oh nein, für einen Frieden sind wir Jahrzehnte zu spät dran. Ich sage euch, es gibt nur den einen Weg diese Wilden aufzuhalten!“ Terek erhob sich ruckartig von seinem Schemel, als hätte er ein Monster gesehen.
    „Was du im Sinn hast ist unaussprechlich“, schleuderte er dem alten Zet mit erhobener Stimme entgegen. Terek wusste genau, was er im Sinn hatte. Nur die Hohepriester und ihre rechten Hände wussten davon, doch niemand, nicht einmal der wahnsinnige Nobossop, war so dumm gewesen den Zorn der Mutter auf sich ziehen zu wollen.
    „Tasmanuk hat sie benutzt um Krysa beim ersten Mal zu besiegen. Du solltest sie benutzen um es ein zweites Mal zu tun“, sagte der alte Zet und klang dabei ebenfalls so ernst, wie sein Gegenüber.
    Terek schüttelte vehement den Kopf. Auch wenn der blinde Mann dies nicht sehen konnte, so schien er es zu spüren und fügte daraufhin an: „Du hast es doch selbst gesagt. Die Mutter zeigt uns die Wege, die wir beschreiten können. Du ganz alleine hast es in der Hand.“ – „Der König mag ein zorniger König sein, aber er ist nicht das gute Kind. Ihn müssen wir nicht fürchten. Du kennst die Worte, Zet. Er ist nicht das gute Kind.“
    Terek spürte den Zorn der in Zet aufstieg. Er wusste das ihm dies ebenfalls nicht schmecken würde: „Dann geht nach Hause, großer Hohepriester“, murmelte er hingegen beherrscht, auch wenn er innerlich zu kochen schien: „Geht nach Hause und versteckt euch unter dem Rock der Mutter. Wir warten seit Tasmanuk auf das gute Kind, aber es kommt nicht, denn er hat sich geirrt. Das Blutvergießen wird dafür über euch kommen, denn der König aus dem Norden wird nicht so lange warten und dann rollt er über euch hinweg und vernichtet euch alle. Bis dahin bin ich immerhin längst tot und verrotte zusammen mit Tasmanuk und Nobossop in der Hölle des Vaters.“
    Terek, der gerade im Begriff war zu gehen, hielt kurz inne und blickte den blinden Zet noch einmal an, der seinen Blick wieder zu spüren schien, da er den Kopf in seine Richtung drehte und ihn aus den toten Augen anstarrte.
    „Die Mutter ist einzig“, sagte Terek, „Es gibt keinen Vater, der dich in das Feuer holt.“
    Zet hatte wieder sein hässliches Lächeln aufgesetzt: „Wir sind doch die Kinder der Mutter nicht wahr? Hast du schon einmal eine Frau erlebt, die Kinder gebären konnte, ohne vorher einen Schwanz in sich gehabt zu haben? Der Vater steht für die Verderbtheit, für das Rohe. Deshalb kommen die schlechten Menschen in seine Hölle. Womöglich ist dies sogar dieser eine Gott, den sie im Westen verehren, denn dann wäre alles so einfach.“ – „Was wäre so einfach?“, hakte Terek nach.
    „Was wir erleben ist der Zorn des Vaters. Mit Nobossops Krieg haben wir seinen ganzen Zorn auf uns gelenkt und jetzt hilft uns ohnehin niemand mehr. Wenn du auf dein gutes Kind warten willst, bitte. Die Mutter hat sich längst von uns abgewandt. Der Vater schickt uns den Krysa-König und dieser wird uns alle vernichten, weil du an den, im Wahn verfassten, Worten eines sterbenden Mannes festhältst. Du kennst die Antwort, du kanntest die Antwort die ganze Zeit und von mir wolltest du deine Bestätigung. Warum sonst bist du gekommen, Terek?“

  • Da ich leider eine Woche mit wandern durch Schweden beschäftigt war, hab ich wohl verpennt, dass es hier weiterging :whistling: sry dafür :pardon:

    Doch bald darauf erwählte er die Mutter und ließ sein sündhaftes Leben hinter sich um sich,

    Oha, wenn man sich wie ich nach so einer Pause nicht einliest klingt die Stelle echt seltsam xD
    Sonst ist sie allerdings völlig in Ordnung und bedarf eigentlich keiner weiteren Überarbeitung :)

    „Tasmanuk hat sie benutzt um Krysa beim ersten Mal zu besiegen. Du solltest sie benutzen um es ein zweites Mal zu tun

    Das gefällt mir gut! Die "Guten" werden zu etwas scheinbar verderblichen Gedrängt, um die "Bösen" zu besiegen! Freue mich schon darauf zu erfahren, wie das ausgeht ...

    Sonst hätte ich nur noch eine Frage, ob es für die Einteilung der Stockwerke irgendwelche logischen Gründe gibt? Wäre zwar nicht wirklich schlimm, dennoch erscheint mir die Ordnung da recht willkürlich. :hmm:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Hallo Rika

    Die Geschichte gefällt mir bis jetzt sehr gut :thumbsup:
    Mir gefällt sehr, wie du dein Bild von der Geschichte beschreibst, um so dem Leser dieses Bild ebenfalls mitzuteilen.
    Die Namenswahl ist spitze!

    Ich freue mich auf die kommenden Teile.

    lg Iskossa

    Einmal editiert, zuletzt von Iskossa (10. August 2017 um 12:00)

  • Das gefällt mir gut! Die "Guten" werden zu etwas scheinbar verderblichen Gedrängt, um die "Bösen" zu besiegen!

    Man will seine Figuren ja schließlich nicht vor allzu einfache Entscheidungen stellen ;)
    Freut mich natürlich, dass dir der Abschnitt gefällt! <3

    Die Ordnung der Stockwerke im Armenhaus ist tatsächlich willkürlich entstanden. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern damals von irgendwoher Inspiration gehabt zu haben - ist aber auch schon etwas länger her. :crazy:

    @Iskossa
    Schön, dass dir mein Geschreibsel bis hierher gut gefällt :)
    Hoffe das hält an :D

    Nur frage ich mich, was ihr immer mit meinen Namen habt... :rolleyes:

    LG
    Rika

  • Hey,

    Thematisch gefällt mir Neuling deine Geschichte schonmal ziemlich gut. Hast du schonmal dran gedacht etwas bildlicher zu schreiben? Du könntest deinen Geschichten viel mehr Farbe und Tiefe verleihen, wenn du mit Adjektiven und metaphorischen Umschreibungen bestimmter Wörter oder Bildern spielst. Besonders in Beschreibungen von Personen, Gebäuden oder Landschaften kannst du hervorragend aus einer einfachen Formulierung ein anschauliches Bild erschaffen, welches vor unseren Augen beim Lesen erscheint. Probiers einfach mal...

    LG Lehaidin

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -