Aus meiner Mottenkiste

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 4.858 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (9. September 2017 um 09:57) ist von Cory Thain.

  • Hallo Leute!
    Hier möchte ich gern ältere Geschichten von mir den geneigten Lesern unter Euch vorstellen. Warum?
    Weil Geschichten eben nur leben, wenn sie gelesen werden.
    Die meisten dieser Teile entstanden völlig spontan, ohne Plot oder so. Sie entwickelten sich, während ich sie schrieb.
    Meist als angewandter Exorzismus, um irgendeinen inneren Dämon aus mir auszutreiben, oder als Eisbrecher gegen eine fiese Schreibblockade.
    Kommentare sind nicht unbedingt nötig, aber natürlich höchst willkommen :)

    Den Anfang macht ein netter kleiner Shortie, von dem eine gute Bekannte von mir sagte, er hinterließe ein Gefühl wie von einem völlig unerwarteten Fausthieb in die Magengrube.
    Sensiblen Naturen mag ich nicht raten, unten stehenden Spoiler zu öffnen.
    Den anderen sag ich: greift zu, solange es heiß ist :evil:

    Spoiler anzeigen


    Horror in Grau


    Florian Feldner war bereit, den Ritterschlag entgegenzunehmen.
    Er wusste, heute war der erste Tag seines neuen Lebens. Wie seinerzeit Rowling aus dem Nichts kommend, würde er das Fantasygenre revolutionieren. Schluss mit dem süßlichen Feenkram und Gut-Böse-Nonsens, er würde die Fantasy aus dem Kindergartenalter herausführen und sie zu anspruchsvoller Erwachsenenliteratur erheben. Erwachsene Themen, die trotzdem die Phantasie anregten und zum Träumen einluden. Er besaß die Innovation, die Vision und den Willen!
    Und nun war es endlich geschehen...Das Fanal, das er ausgesandt hatte, in Fanpuplikationen, Internetforen, seinem Blog; es war gesehen worden! Und bei keinem geringeren Verlag als Anger&Villerheim war es gewesen, wo sein Potential erkannt wurde. Sie baten ihn, das Manuskript an sehr wenigen Stellen umzuarbeiten, er hatte es getan, und dann kam der Anruf: "Kommen Sie doch bitte am folgenden Mittwoch persönlich vorbei, wir werden dann alle weiteren Modalitäten besprechen..."
    Ab heute spielte er in der Ersten Liga!
    Mit dem unbestimmten Gefühl zu fliegen betrat er die Lobby des großen Verlagshauses und stellte sich dem netten Fräulein hinter dem großen blauen Pult vor. Es war ihm, als betrachtete das Mädchen ihn mit sonderbarem Ausdruck, als es den Knopf der Gegensprechanlage drückte.
    "Herr Hillenstrupp? Hier ist ein Herr Feldner...der Feldner!"
    "Was, schon wieder der?" krächzte es aus dem Lautsprecher zurück. "Ich habe jetzt wirklich weder Zeit noch Lust für diesen Quatsch! Schicken Sie ihn zum Teufel! Pissen Sie auf ihn! Verbrennen Sie ihn!"
    Florian stand da wie vom Donner gerührt. Es war ihm, als wäre er in eisiges Wasser getaucht. Das konnte doch nur ein Alptraum sein!
    Dann fiel sein Blick zufällig über die Schulter des Mädchens auf den Kalender an der Wand.
    2063
    Die Praktikantin drückte einen anderen Knopf. "Sicherheit? Bitte sofort in die Lobby...Herr Feldner...ja, wieder einmal. Nein, nicht gewalttätig. Amnesie, wie neulich. Nein, nicht senile Dementia, nur Amnesie. Aber diesmal ist es schlimmer. Fünfzig Jahre zurück - seine Erinnerung hat ausgesetzt, bis auf die Zeit ehe er seinen ersten Roman abgeliefert hatte..."
    Plötzlich alt, in fünfzig Sekunden um fünfzig Jahre gealtert, weinte er lautlos...


    Und noch etwas eher Verträumtes, zum Chillen:

    Höllenfahrt


    Fassungslos starrte Linandor auf das Ergebnis seiner Tat. Wie hatte es nur geschehen können?
    Stumm und reglos lag vor ihm das, was bis gerade eben noch Ethiel beherbergt hatte. Nur der laue Wind spielte mit ihrem spinnenseidenfeinen Haar, sonst regte sich nichts mehr an ihr. Ihre Augen, wie altersstumpfe Perlen nun, erwiderten stumm seinen entsetzten Blick. Er erkannte die verständnislose Frage, die in ihnen eingesperrt lag wie ein zarter kleiner Vogel in seinem gläsernen Käfig, doch der Vogel war erstickt …
    Ein Schubser. Ein schwacher Schubser nur, nichts weiter. Ungesehen, ungezielt, als wie man ein lästiges Insekt fortjagt. Es war nur ein Schubser gewesen …
    Noch immer lag ihm Ethiels Lachen in den Ohren. Zum Zentralplatz hatte sie ihn ziehen wollen; Hiralon gab dort sein neuestes Poem zum Besten, doch er kannte es bereits. Schließlich hatte er seinem Freund selbst dabei geholfen, es zu vervollständigen, doch Ethiel wusste es natürlich nicht. Er hatte nicht vor, Hiralons Anerkennung durch die Anderen zu schmälern und sagte ihr, er finge lieber diesen grandiosen Sonnenaufgang in zartem Pastell ein, um ihn für die Ewigkeit zu erhalten. Da begann sie ihn zu necken und zum Zentralplatz zu schubsen. Und er schubste zurück, ebenfalls lachend …
    Und da war diese Steinplatte gewesen.
    Diese Steinplatte, deren Oberkante die Platten um sie herum überragte, um einen Fingerbreit nur. Vielleicht war sie einfach dicker gewesen als die anderen, oder der Boden unter ihr war vom Winterfrost aufgequollen und hatte sie nach oben gedrückt, oder irgend etwas anderes im Universum hatte sich einen bösen Scherz erlaubt. Nur eine winzige Unebenheit, doch es genügte, Ethiels Fuß zum Straucheln zu bringen.
    Und nun lag ihre Hülle vor ihm. Weil irgend jemand … irgendwo … einen Fehler gemacht hatte. Doch dieser Jemand war es nicht gewesen, der Ethiel schubste.
    “Damit hast du dich selbst zur Hölle verdammt”, unterbrach einer der Umstehenden endlich das bleierne Schweigen um ihn herum.
    Linandors Herz gefror zu Eis, als er sich der letzten Konsequenz seiner Tat bewusst wurde. Ja, das hatte er wirklich verdient. Seiner Unbedachtheit war es zu verdanken, dass eine Existenz, die in alle Ewigkeit fortbestehen sollte, nun hier auf diesen kalten Platten zerschmettert lag. An dem Ort des ewigen Lebens hatte er dem Tod die Tür geöffnet. Sein Platz konnte nicht länger hier sein.
    Der Überlieferer stieß das stumpfe Ende seines Stabes auf den Boden, um weitere Unmutsäußerungen von vornherein zu unterbinden und sah ihm mit eisernem Blick in die Augen. “Linandor der Sonnenmaler, bist du bereit, den Weg zur Hölle anzutreten?” Es war eine Phrase, und es konnte nur eine zulässige Antwort darauf geben. Linandor entrang sich gegen seinen Willen ein Seufzer. Immerhin bot man ihm die Möglichkeit, mit Anstand zu gehen.
    “Ja, ich bin es.”
    Ein milchigblaues Leuchten erschien in jedermanns Augen ringsum, und dies war das Letzte was Linandor auf dieser Welt sah. Absolute Schwärze umgab ihn, löschte alles um ihn herum mit einem Schlage aus. Verloren taumelte er als ein winziges Nichts im Zentrum eines allumfassenden Unlicht - Universums. Doch der Eindruck unausmessbarer Weite verlor sich rasch, als diese Schwärze begann, plötzlich zu greifbarer Massivität werdend, von allen Seiten zugleich gegen ihn zu drücken. Er spürte, wie sein Leib zusammengestaucht wurde und schrumpfte. Als Panik in ihm hochstieg, vernahm er von irgendwo jenseits des tintenfarbenen Nichts die Stimme des Überlieferers.
    “Erlaube mir, dich zu geleiten. Dein unsterblicher Leib wird nun umgeformt, denn in deiner ursprünglichen Gestalt kannst du das Tor zur Hölle nicht durchqueren. Wehre dich nicht dagegen, es ist zu deinem eigenen Besten unerlässlich, ebenso das Vergessen.”
    “Vergessen?” echote Linandor.
    “Es ist nichts weiter als Ballast, den du ablegen musst. Du wirst ihn an dem anderen Ort nicht benötigen. Woran du dich nicht erinnerst, das wirst du auch nicht vermissen.”
    “Aber alles was ich nun habe, das sind meine Erinnerungen!” stieß Linandor aus.
    “Glaubst du wahrhaftig, Ethiels letzter, starrer Blick wäre dir dort ein Trost? Aber wir wollen jetzt schon vereinbaren, dass du stets meine Stimme hören wirst, bis du dort angekommen bist. Bist du einverstanden?”
    Linandor stutzte. Was war ein Ethiel?
    “Ja, das bin ich allerdings. Was soll ich jetzt tun?”
    “Stemme dich gegen die Schwärze um dich herum. Bewege dich voran.”
    “Wohin? In welche Richtung?”
    “Egal in welche. Bewege dich vorwärts.”
    “Ich kann nicht! Die Finsternis hat mich völlig eingeklemmt. Ich kann mich nicht rühren!”
    “Doch, das kannst du. Vertrau mir. Ich habe schon viele hinübergeleitet, und keiner hat sich hinterher beschwert. Ohne Kampf gibt es kein neues Leben an dem schrecklichen Ort, der dich erwartet. Bewege dich, sonst bleibst du auf immer an diesem Nicht - Ort gefangen!”
    “Dir soll ich vertrauen?”
    “Musst du ja wohl. Fühle um dich. Irgendwo gibt es eine Öffnung.”
    Linandor tastete so gut es seinen nun kurzen Armen möglich war in der beengenden, warmen Dunkelheit umher. Tatsächlich, da war etwas wie eine Falte. Nach langem Hin- und Herversuchen gelang es ihm, den Kopf hinein zu stecken. Sein Gesicht wurde völlig von dem schwarzen Nichts bedeckt, und dennoch gab es da irgendetwas, das ihn weiteratmen ließ.
    “Ja, ich habe sie gefunden!”, rief er hoffnungsvoll. “Aber es ist so schwer! Ich komme nicht recht voran.” Im gleichen Moment spürte er, dass die Schwärze sich um seine Beine herum zusammendrückte
    und ihn hilfreich nach vorn schob.
    “Gib nun nicht auf!”, mahnte der Überlieferer. “Press dich einfach hindurch, hörst du? Du musst dich da durchpressen.”
    “Versuch ich ja!”
    “Nicht reden! Pressen! PRESSEN!”
    Die Finsternis um ihn herum schien zu erbeben, immer und immer wieder. Bald hatte er herausgefunden, wie er den Druck um seine Beine herum für sein Vorankommen ausnutzen konnte. Bald verschwand sein ganzer Kopf in der warmen Falte, dann die Schultern …
    Die Stimme jenseits der Dunkelheit hatte sich verändert, lauter war sie nun, atemloser:
    “Ja, so ist es wunderbar! Und wieder entspannen, weiteratmen, ruhig. Ruhig. Ok, und wieder pressen, pressen! Oh, ich seh es schon!”
    Nun spürte er den Druck auf seinem gesamten Leib, und er fühlte die rasche Bewegung nach vorn.
    “… wenn ich die Ohren noch nicht sehe, kann ich auch nicht dran ziehen.” Lachen. “Gut, und noch einmal! Pressen! Oha, da ist es!”
    Plötzliche Helligkeit empfing ihn, und Kälte. Verständnislos bemerkte er, dass Riesenhände ihn ergriffen, empor hielten, auf etwas Kaltem legten. Irgend etwas stimmte nicht mit seinen Augen. Etwas war darüber geschmiert, als hätte er sich jahrelang nicht gewaschen. “Was macht ihr mit mir, und wo bin ich überhaupt?” wollte er schreien, doch was seinen Mund verließ hatte keine Ähnlichkeit mit irgend etwas, das er jemals gesagt hatte. Dafür war es laut …
    Er hörte die Stimme erneut. “Also … jaja, Größe … mhm … Gewicht … prima … Kopfumfang … alles perfekt! So, du süßer kleiner Schreihals, jetzt geht’s aber gleich zur Mama.” Wieder die gewaltigen Hände. Endlich gelang es ihm, die Augen zu öffnen, und er gewahrte schemenhaft die riesige Gestalt über sich.
    “Na da haben wir aber wieder ein echtes Sonnenscheinchen. Willkommen auf der Erde, kleiner Reisender.”
    Sie lachte.

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Hallo @Formorian, wow, "Horror in Grau" finde ich schon mal super! Der Verlagsname "Anger&Villerheim" ist cool. Laut google-Suche gibt's den nur bei dir(?). Ich mag die traurige Überraschung am Ende!

    "Höllenfahrt" zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Auch eine schöne Geschichte. Eigentlich müsste Linandor aber auch das Verständnis der Sprache vergessen / verlernen, nur dann würde die Geschichte nicht mehr so richtig funktioniern :hmm:

    Jedenfalls: Daumen hoch und weiter so!

    Grüße,
    Asni

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Hut ab! :hi:
    Die erste Geschichte, "Horror in Grau" hinterlässt wirklich das gefühl, einen Schlag in die Magengrube bekommen zu haben. Das schaffen nicht viele Geschichten! Wenn man selber den Traum hat, ein Buch zu veröffentlichen ist diese Story wirklich mies.
    Hat mir echt gut gefallen.

    Die zweite hab ich nicht verstanden, das liegt aber nicht an der Geschichte, sondern daran, dass es bei mir gerade zu laut ist xD
    Ich lese sie zuhause nochmal.

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Danke für das nette Lob :) !
    Mit "Horror in Grau" hab ich mal versucht, ein altes Märchenthema aufzuarbeiten: Das des Menschen, der eine Nacht im Feenreich verbringt und nach seiner Rückkehr Freunde und Familie tot und das Haus zerfallen vorfindet. Der Schrecken ist derselbe, zeitlos eben, aber in dieser Form für uns heute wohl leichter nachzuvollziehen.
    Bin mir ziemlich sicher, dass diese Krankheit der Ursprung solcher Märchen ist.
    Wünsche Dir noch viel Spaß mit "Höllenfahrt"

    Apropos Märchen:

    Liebe und Salz


    Kenam begegnete seiner Seejungfrau das erste Mal am frühen Abend an seinem Lieblingsplatz am Felsenufer. Er hatte am Nachmittag etwas hier verloren (was dies war, spielt für diese Geschichte wirklich keine Rolle, noch wer es schließlich fand und warum eine so große Sache daraus werden konnte, die beinahe zwei Welten an den Rand des Untergangs bringen sollte, doch dies ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden, oder auch nicht...) und hatte sich nun zur späten Stunde noch auf die Suche danach gemacht, doch statt dessen fand er sie.
    Beide empfanden anfangs große Scheu voreinander, doch da war auch noch etwas anderes, das sie beide verspürten; eine Art Hunger nach etwas, von dem sie zuvor nicht ahnten, dass es dieses Etwas gab. Nenn es Neugier, wenn du möchtest, den Reiz des Unbekannten, nicht Alltäglichen, der sie beide augenblicklich gefangen nahm, und als sie sagte, dass dies auch ihr Lieblingsplatz sei, weil die Langusten an diesem Ort von besonders delikater Art waren, setzte er sich zu ihr und begann von sich und seinen belanglosen Leben an Land zu erzählen. Sie erzählte ihm von ihrer Welt und ihren Nöten und Hoffnungen ( welche er zum größten Teil nicht begreifen konnte), doch in diesem Moment begann sich das Band zwischen ihnen zu knüpfen.
    Es war bereits dunkle Nacht, als sie sagte, nun müsse sie wieder zurück in ihre nasse Welt, sich von ihm verabschiedete und mit einem leisen Platschen unter der Wasseroberfläche abtauchte. Er machte sich auf den Weg nach Haus, doch noch immer sah er ihr Bild vor sich: das lange blaue Haar mit dem grünen Schimmer darin, als die ersterbenden Strahlen der versinkenden Sonne es zum Leuchten brachte, die tiefgrünen schräggestellten Augen, so unergründlich tief wie ihre Heimat, die schlanken alabasterfarbenen Arme, die zarte Wölbung unter ihren herabbaumelnden Locken...
    Er war noch nicht zuhaus angekommen, als ihm klar wurde, dass er Feuer gefangen hatte.
    Von nun an kam Kenam jeden Abend zu "ihrem" Platz, und auch sie war jeden Abend dort. Es war wirklich schön, doch schon bald bemerkte er, dass da noch etwas fehlte, und dass er ohne dieses nicht wirklich glücklich werden konnte. Wie die meisten jungen Leute in seinem Alter meinte er, wirklich verliebt zu sein, doch es fühlte sich noch nicht perfekt an. Er beschloss, dies zu ändern.
    Eines Abends nahm er all seinen Mut zusammen und gestand ihr seine Liebe, und wie sehr es ihn dazu dränge, dass sich diese Liebe erfülle. Bestürzt stellte er fest, dass sein Reden sie tiefunglücklich machte.
    "Ja, Kenam," sagte sie. "Ich liebe dich ebenfalls, schon seit kurzen nach unserer allerersten Begegnung. Doch diese Liebe hat keine Zukunft. Du kannst in meiner Welt nicht leben, und ich nur kurze Zeit in der deinen und bin obendrein dort ein fast unbeweglicher Krüppel. In meinem Volk jedoch gehen wir nur Bindungen ein, um den Fortbestand unserer Art zu sichern. Keine Kinder, keine Bindung! Aber warum sollte es nicht einfach so wie nun weitergehen mit uns, als gute Freunde...?"
    Gute Freunde! Wie für alle in Flammen stehenden jungen Männer war dies natürlich das Letzte, was Kenam hören wollte. Verzweifelt machte er eine Menge Vorschläge, wie sie denn trotzdem zusammen leben könnten, doch alle waren sie unbrauchbar und von schierem Nicht-wahr-haben-wollen diktiert. Dann sagte sie: "Eine Möglichkeit gäbe es wohl, doch sie wird dir nicht gefallen..."
    "Sage sie mir!" drängte er."Für dich nehme ich alles auf mich!" Und er meinte es absolut ehrlich.
    "Ein Triton könnte uns helfen. Das ist ein großer Meeresdämon, der sich auf allerlei Zauber versteht. Er könnte bewirken, dass du in meiner Welt leben kannst, doch du könntest dann nie wieder an Land zurück."
    "Dann soll es so sein," sagte er entschlossen. "Lass den Triton tun, was getan werden muss, denn ein unerfülltes Leben ohne dich ist für mich kein Leben mehr!"
    "Und du willst viele Kinder mit mir machen? Das ist dann deine Pflicht."
    "Und ob ich das will!" sagte er, wieder die Aufrichtigkeit in Person.
    Sie kamen überein, es gleich am nächsten Abend zu tun. Als Kenam erschien, wurde er aufs Freudigste von seiner Liebe begrüßt, und auch der Triton war dort. Riesig, kalt, scharf, mörderisch. Zögernd nahm Kenam ihre Hände in die seinen, wie ihm gesagt wurde, und der Triton breitete die krallenbewehrten Schwimmhände über sie aus und sprach eine Menge Worte in einer kehligen, seltsam blubbrigen Sprache. Plötzlich verlor Kenam den festen Stand und fiel lang hin auf die Steine. Lachend zog sie ihn vollends ins Wasser, und verblüfft stellte er fest, dass sich dort, wo gerade eben noch seine Beine gewesen waren, nun ein kalt schimmernder Fischschwanz befand.
    Mit blasigem Lachen wandte sich der Triton ab und verschwand im tiefen Wasser, ohne sich ihre überschwenglichen Dankesworte anzuhören. "Und nun lass uns gleich unsere Kinder machen!" gurrte sie.
    Kenam meinte, im Paradies angekommen zu sein und schlang seine Arme um sie, wurde jedoch sanft aber bestimmt von ihr fortgeschoben. "Doch nicht so. Schau unter Wasser, ich habe bereits angefangen."
    Verwirrt schaute er unter die Wasseroberfläche und sah auf dem Felsen die Eier, glänzenden Perlen gleich. Sie lachte voll Erwartungsfreude. "Gib du nun das deine darüber, und unsere Kinder werden gedeihen."
    Still und leise brach seine Welt in sich zusammen. "Ihr macht es...so...?"
    "Natürlich. Und ist es so nicht viel zivilisierter als der rohe, barbarische und unhygienische Akt, den ihr an Land vollbringt?"
    Da begann er endlich zu schreien, und seine Seele schrie mit ihm. Fort! war sein einziger Gedanke. Nur fort von hier! Sein Fischteil schien seinen eigenen Verstand zu besitzen und brachte ihn rasch in tieferes Wasser. Er verschloss seine Ohren vor ihrem Rufen und wusste nicht zu sagen, ob seine brennenden Augen im Wasser weinten. Irgendwann stellte er fest, dass er allein war.
    Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was im Namen aller Götter hatte er nur getan?
    Ergeben hob er die Arme und beschloss, im immer smaragdener werdenden tiefen Wasser hinabzusinken und zu ertrinken. Da ihm jedoch Kiemen gewachsen waren, wollte es ihm nicht so recht gelingen...

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Kommentare sind nicht unbedingt nötig, aber natürlich höchst willkommen

    Vorne weg: Bist du bereit deine Geschichten zu überarbeiten? Ansonsten würde ich mir grammatikalische Korrekturen sparen :)
    (Sind ja nicht viele ^^ ). Falls du sie überarbeitest zu "Horror in Grau" einige Anmerkungen :)

    Florian Feldner war bereit, (Komma weg) den Ritterschlag entgegenzunehmen.

    Schluss mit dem süßlichen Feenkram und Gut-Böse-Nonsens, (Punkt) er würde die Fantasy aus dem Kindergartenalter herausführen und sie zu anspruchsvoller Erwachsenenliteratur erheben.

    Hier würde ich gefühlsmäßig einen Punkt machen. Ab er ist der Satz eigentlich eigenständig.
    Zumal er dadurch kürzer wäre und leichter zu lesen. Innerlich habe ich an der Stelle tief Luft geholt XD
    Ist aber Geschmackssache denke ich :)

    zum Inhalt: :super:
    Ich habe zwar schon am Anfang erwartet, dass der arme Autor wieder eine Klatsche bekommt, aber mit dieser Wendung habe ich nicht gerechnet. Super Idee mit der Amnesie. Der arme Kerl tut mir furchtbar leid und der Typ am Telefon ist ja wohl mal echt unsensibel ^^°
    Gut gelungen :D
    Übrigens finde ich den Titel auch klug gewählt!
    Grau verbindet man mit alt und er altert innert weniger Sekunden um 50 Jahre --> Horror.
    Zudem ist grau eine eher trostlose Farbe und ich so empfinde ich das Ende auch.
    Saubere Arbeit! :D

    Zur zweiten Geschichte:
    Diese finde ich deutlich weniger gelungen als die letzte und ehrlich gesagt habe ich sie auch nur bis zur Hälfte gelesen.
    ich möchte dir sagen warum: Immer wenn du in Fantasywelten schreibst, also nicht in der Jetztzeit und in der RL-Welt, dann fängst du an unglaublich schwulstig und theatralisch zu werden ^^°
    Mir fällt es dann schwer deinen Text zu lesen, weil die Sätze immer länger werden, damit alles noch dramatischer wird.
    Beispiel:

    Diese Steinplatte, deren Oberkante die Platten um sie herum überragte, um einen Fingerbreit nur. Vielleicht war sie einfach dicker gewesen als die anderen, oder der Boden unter ihr war vom Winterfrost aufgequollen und hatte sie nach oben gedrückt, oder irgend etwas anderes im Universum hatte sich einen bösen Scherz erlaubt. Nur eine winzige Unebenheit, doch es genügte, Ethiels Fuß zum Straucheln zu bringen.

    Den teil würde ich kürzen oder ganz streichen. Es ist egal warum die Platte hochsteht. Sie tut es und es reicht sie zu Fall zu bringen.
    Ich kann dir nicht 100%ig genau sagen, warum mich das stört, dass es da steht. Wenn ich jemanden aus Versehen umbringe, dann würde ich zumindest nicht über das wie und Warum und das Universum philosophieren (das käme später irgendwann, wenn ich dann in der Hölle schmore), sondern nur denken: Scheiße, scheiße, scheiße. So viel Blut, was mache ich jetzt?! Zur Hölle kann mir nicht irgendwer helfen?
    Mehr Panik, und weniger Theatralik und Drama eben XD

    Was ich sagen möchte: Deine erste Geschichte liest sich richtig gut. Der Stil ist klasse und ich kann prima folgen - von der Pointe ganz zu schweigen ^^
    In der zweiten wandelt sich dein Stil komplett. Du verlierst dich in Details, um Drama zu erzeugen, was in der Fülle der Sätze und Adjektive (die natürlich alle theatralisch sind (zerschmettert, ewiges Leben etc.)) aber (meiner Meinung nach) völlig verloren geht.
    Manchmal ist weniger mehr XD
    (Das ist mir bei einer deiner anderen Geschichten schon aufgefallen :) )


    Und nun zu dritten Geschichte :)

    Still und leise brach seine Welt in sich zusammen. "Ihr macht es...so...?"
    "Natürlich. Und ist es so nicht viel zivilisierter als der rohe, barbarische und unhygienische Akt, den ihr an Land vollbringt?"
    Da begann er endlich zu schreien, und seine Seele schrie mit ihm. Fort! war sein einziger Gedanke. Nur fort von hier! Sein Fischteil schien seinen eigenen Verstand zu besitzen und brachte ihn rasch in tieferes Wasser. Er verschloss seine Ohren vor ihrem Rufen und wusste nicht zu sagen, ob seine brennenden Augen im Wasser weinten. Irgendwann stellte er fest, dass er allein war.
    Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was im Namen aller Götter hatte er nur getan?
    Ergeben hob er die Arme und beschloss, im immer smaragdener werdenden tiefen Wasser hinabzusinken und zu ertrinken. Da ihm jedoch Kiemen gewachsen waren, wollte es ihm nicht so recht gelingen...

    Das Ende finde ich äh ... dämlich. Er liebt sie und lässt sich extra in einen Meerjungmann verwandeln und nur weil er nicht vögeln darf will er sich umbringen? Sorry ... aber das ist so ... typisch Mann (wenn man nach den Klischees geht XD).
    Vielleicht habe ich eine andere Botschaft aber nicht verstanden, dann bitte ich darum, dass du mir erklärst worauf du eigentlich hinaus wolltest XD

    Nenn es Neugier, wenn du möchtest, den Reiz des Unbekannten, nicht Alltäglichen, der sie beide augenblicklich gefangen nahm, und als sie sagte, dass dies auch ihr Lieblingsplatz sei, weil die Langusten an diesem Ort von besonders delikater Art waren, setzte er sich zu ihr und begann von sich und seinen belanglosen Leben an Land zu erzählen.


    hier in Anlehnung an meinen Kommentar zu zweiten Geschichte: Wieder der komplizierte Stil sobald du "richtige" Fantasy schreibst. Die Sätze sind furchtbar lang. Elendig viele Kommata und sogar Semikolons ...
    Ich weiß nicht, ob ich durch meinen Job geschädigt bin, weil eigentlich neige ich selbst dazu meine Sätze zu strecken, aber ... vielleicht hilft dir das: Der blau markierte Teil, hat mit dem ersten Teil des Satzes überhaupt nichts mehr zu tun. Erst geht um den Reiz und das Unbekannte und dann reden sie über Gott und die Welt. Verstehst du was ich meine? :)

    Er machte sich auf den Weg nach Haus, doch noch immer sah er ihr Bild vor sich: das lange blaue Haar mit dem grünen Schimmer darin, als die ersterbenden Strahlen der versinkenden Sonne es zum Leuchten brachte(n), die tiefgrünen schräggestellten Augen, so unergründlich tief wie ihre Heimat, die schlanken alabasterfarbenen Arme, die zarte Wölbung unter ihren herabbaumelnden Locken...

    An dem Satz würden zum Beispiel nur ein paar kleine Änderungen reichen, um ihn für mich attraktiver zu gestalten :)

    Nimm meine Anmerkungen bitte nicht persönlich. Es handelt sich um mein Empfinden und wenn du der Meinung bist, dass deine Geschichten perfekt sind, wie du sie geschrieben hast, dann ist das so :)
    Ich setze auch nicht alle Ratschläge um, die ich bekomme ^^
    Mit dir ist es wie mit Musikinterpreten XD ich kann einige Lieder richtig, richtig gut finden und in Dauerschleife hören und bei manchen Liedern vom selben Interpreten wechsle ich den Radiosender XD

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Vielen Dank, Miri, für Dein Interesse und die liebe Müh mit meinem Kram :) !
    Ja, wahrscheinlich werde ich einmal all diese alten Gurken überarbeiten und sogar versuchen, sie gesammelt herauszubringen. Deine genauen Hinweise sind also nicht für die Tonne und ich nehme sie wirklich dankbar entgegen (ein Freiexemplar ist Dir dann schon mal sicher ;) ).
    Die endlosen Sätze ... hab eben Angst, dass es bei Fantasy mit kurzen zu hektisch, geradezu atemlos wirken könnte, aber manchmal ist es sicher einfach zu viel. Da sollt ich wohl wirklich zusammenstreichen oder ggf umbauen, eh mir meine Leser wegschnarchen (woanders hat man mich deshalb schon mit Thomas Mann verglichen, war sicher nicht als Kompliment gemeint).
    Das Ende von Nr. 3: nun, schwanzgesteuerte junge Bengels sind dumm und machen dumme Dinge, gerade beim ersten Mal :D . Dass ich hier mit dem ganz dicken Hammer aushole ist natürlich der Satire geschuldet, aber im RL passieren noch ganz andere Dinge ...
    Nochmals vielen lieben Dank für Dein Interesse und die Zeit, die Du mir geopfert hast :)

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Ich finde das immer sehr interessant und lustig, wie die Meinungen auseinandergehen können :D

    Die erste Geschichte "Horror in Grau" fand ich ganz nett. Die Wendung am Schluss kam natürlich überraschend, aber ist für mich nicht sauber eingearbeitet. Würde die Praktikantin das wirklich lang und breit per Gegensprechanlage an den Sicherheitsmann erörtern? Es passiert ja anscheinend öfter, da würde ein "wieder mal der Feldner" reichen. Dem Leser wird dadurch natürlich nichts erklärt, aber da würde ich lieber eine andere Lösung suchen. Dass die Praktikantin neu ist z.B., ihren Chef unwissend informiert und dieser ihr dann erklärt, was es mit dem Herren auf sich hat.
    Zur Form nur kurz: Nach einem "..." kommt ein Leerzeichen :)

    "Höllenfahrt" hingegen hat mir ausgesprochen gut gefallen. Zwar muss ich Miri Recht geben, dass du ein bisschen schwulstig geworden bist (vor allem am Anfang), gegen Ende wurde es aber wirklich super. Mir gefällt der Gedanke, dass die Typen vom Anfang entweder die Erde als Hölle empfinden oder aber gar nicht wissen, was denen passiert, die sie in die "Hölle" schicken. Die Geschichte hab ich sehr gerne gelesen.

    "Liebe und Salz" hat mich nicht umgehauen. Das Ende fand ich ebenfalls doof und nicht nachvollziehbar. Männer-Geilheit schön und gut, aber deswegen sein Leben aufgeben, sich in einen Fisch verwandeln lassen (und er hätte ruhig bis drei zählen können, Meermänner haben ja gar keinen Schniedelwutz) und danach sich dann umbringen? Öh, nö, gefällt mir nicht.
    Kleine Anmerkung auch hier: mich hat es gestört, dass die Nixe "Krüppel" sagt und im selben Satz sowas wie "in meinem Volk jedoch gehen wir Bindungen ein". Gossensprache vs. Frau-von-und-zu-Nixe? xD

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • Danke auch Dir, @Phi, für Dein Interesse und die interessanten Anmerkungen :) !
    Ja, was dem einen seine Eule ... :D . Ist doch ganz gut so, alles nur keine Geschmacksdiktatur.
    Sicher sind diese Dinger noch weit entfernt davon, perfekt zu sein, und eigentlich sollte ich sie auch gar nicht hier präsentieren.
    Es sind Schnellschüsse, mehr nicht. Höllenfahrt etwa war von der ersten vagen Idee bis zum Schlusspunkt in einer knappen Stunde runtergeschrieben.
    Ich zieh meinen Hut vor Eurem wohlwollenden Interesse :hi1:

    LG
    Formorian

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Ich finde die Idee der dritten Geschichte eigentlich nicht schlecht. Ein paar Anmerkungen dazu:

    Plötzlich verlor Kenam den festen Stand und fiel lang hin auf die Steine. Lachend zog sie ihn vollends ins Wasser, und verblüfft stellte er fest, dass sich dort, wo gerade eben noch seine Beine gewesen waren, nun ein kalt schimmernder Fischschwanz befand.

    Diese Stelle könntest du noch etwas mehr beschreiben. Die Transformation von Landmensch zu Meermensch ist für Kenam doch sicherlich auch mit Emotionen verbunden. Klischeemäßig würde ich auf Schmerz tippen, gepaart mit der Vorfreude auf die Erfüllung seiner Begierde.

    "Natürlich. Und ist es so nicht viel zivilisierter als der rohe, barbarische und unhygienische Akt, den ihr an Land vollbringt?"

    Hier frage ich mich, woher sie das so genau weiß. Ich fand das nicht so ganz überzeugend, aber das ist vielleicht Geschmackssache. Was mich aber stört ist, dass Kenam einfach so aufgibt. Wenn er ein junger Mann ist, der vor Begierde brennt, dann würde er doch erst einmal alles versuchen.
    Irgendwo (nicht im Text, sondern in einem Kommentar) hast du was von Satire geschrieben. Die ist mir irgendwie entgangen. Für den Inhalt der Story fände ich auch eher eine wehmütige, traurige Stimmung passender. Aber, ich bin natürlich auch kein Geschmacksdiktator ;) Wobei... :hmm:

    Grüße,
    Asni

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Hmmm, ich dachte eigentlich, dass bereits zu Beginn rüberkäme dass dieses Ding gar nicht ernstgenommen werden will. Und der Schluss ist eben eine gewollte Überspitzung.
    Vielleicht hätte ich beim Schreiben besser wie Bukowski denken sollen ...
    Aber Danke für Deinen netten Kommentar :)

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Erste Gehversuche in SF:

    Ein Fetzen vom Paradies


    Die Tage des Großen Feuers waren lange vorbei.
    Aus den Aschehaufen der Vergangenheit hatte sich etwas Neues erhoben, und dieses Neue war stark und stolz.Nie wieder sollte ein Moment der Schwäche alles zerstören, wofür unsere Vorväter gearbeitet und gelitten hatten. Wir waren auf der Hut.
    Doch dann tauchten SIE auf! Niemand wusste, woher sie kamen und was sie eigentlich bezweckten. Doch wo sie erschienen, da wurde das Starke schwach und das Feste weich wie Brei. Ganze Orte versanken in Dekadenz, weil es ihnen gefiel.
    Heute war die Frage nicht mehr Katholik oder Muslim, Schwarz oder Weiß, Arm oder Reich. Nein, heute ging es nur um eines: Wir oder sie! Ein neuer Krieg war entbrannt, und wir hatten nicht vor zu verlieren.
    Oh fuck, was sollten diese Gedanken nun? Ich hatte hier einen Job zu erledigen!
    Der Twirl-a-Whirl hob wieder ab, und ich lud meine FD-37 durch und entsicherte schon einmal. Stew sah dem Vogel nach, der uns hier abgesetzt hatte, während er sich in aller Ruhe eine Nico anzündete. Er warf das Streichholz mit ruhigem, männlichem Armschwung weg, drehte sich zu mir um und grinste. “Es wurde hier ganz in der Nähe zum letzten Mal geortet. Du links, ich rechts. Gute Jagd.”
    Routine. Suchen, Finden, Ausblasen. Benachrichtigung an Headquarters, okey-dokey, wir lesen euch auf. Morgen vielleicht in der Instandsetzung, oder an den Nährstoffbottichen. Wie immer.
    Stew verschwand aus meinem Sichtbereich hinter einigen Felsen, die mit einer dicken öligen Rußschicht bedeckt waren. Sein Bereich waren die höheren Regionen, ich durchsuchte das Gestrüpp. Drecksdornen! Die Neuen bekamen immer die miesen Jobs.
    Nach einer Weile vergeblicher Suche machte ich eine kurze Rast, um etwas Wasser zu trinken, als …
    Du musst dies nicht tun
    Vor Schreck fiel mir die Dose aus den Fingern. Diese klanglose Stimme, die mich wie ein Schneeball am heißesten Sommertag traf, erklang direkt in meinem Kopf! Doch auf solche Situationen war ich vorbereitet worden. Den Finger am Abzug, wirbelte ich herum, meinen Feind suchend, und begegnete …
    … Augen …
    Augen, deren Blick so endlos tief war wie das Universum. Augen, die mich festhielten, die nicht loslassen würden, niemals, das wusste ich sofort. Kinderaugen, so arglos, so ganz und gar arglos und doch bezwingend. Nein, Zwang konnte man es nicht nennen, und doch war etwas darin das stärker war als ich und mich veranlasste, nicht zu schießen.
    Ideen tauchten plötzlich in meinem Schädel auf. Gedanken so ganz und gar fremdartig, dass mir die Knie schwankten und ich bemüht war, nicht zu stürzen.
    Niemand musste für irgend etwas getötet werden. Es gab andere, bessere Wege. Wir könnten herauszufinden versuchen, was wir wirklich tun wollten. Jeder kann, niemand muss. Einer ist so gut wie alle, und alle zusammen sind etwas Gewaltiges.
    Warum ergreifen, wo man bitten kann? Wer würde verweigern? Wir brauchen einander statt großer Worte. Unsere Worte werden Steine, Leine, Beine sein. Das Wesentliche wird zwischen uns, um uns und in uns sein.
    Warum anderes tun als den eigenen Willen? Wir werden endlich herausfinden, warum wir wirklich hier sind. Wir werden über die Tage lachen, an denen uns der Kapo mit stinkendem Atem um sechs Uhr früh nach dem Wecken über die Exerzierplätze jagte. Wir werden …
    KA-POWWWW!
    Ein rotes Aufspritzen, ein Wirbeln, und die Augen waren fort. Das Gesicht, in dem sie sich gerade eben noch befanden, wies nun fatale Ähnlichkeit mit einem Bombenkrater auf.
    Stew stand über mir auf den Felsen, das Gewehr lässig geschultert. Er lachte.
    “Sie können dir die Rübe ganz nett verkleistern, hm? Voll dabei dich rumzubiegen. War wohl höchste Zeit, dass ich aufkreuzte, Anfänger.”


    Die Falken des Lichts


    Minus 30


    Oh gütiger Vater im Himmel, ich danke Dir für die Gnade, diese großartigen Tage erleben zu dürfen.
    Nicht die hochmütige Sünde des Stolzes, nein, von dankbarer Demut bin ich erfüllt, dass ich zu den Erwählten zählen darf, welche Deinen gerechten Zorn heute über die Gefallenen bringen werden. Nun, da ich in diesem Twirl-a-Whirl mit meinen ehrbaren Brüdern unserer heiligen Mission entgegenfliege, darf ich meiner wieder sicher sein, dass Du mich liebst und meiner niemals vergessen wirst.


    Minus 25


    Schnell noch ein kleiner Check. Gewehr … teilgeladen, Ersatzmagazine … ok, dabei, Maske … dabei, Marke … sowieso, ohne wäre ich nackt. Schießbuch … oha! Das darf doch nicht … Wo ist das verdammte Schießbuch? Schei**e!!!
    (Vater, vergieb mir in meiner Schwäche, denn stark werde ich nur in Deiner unendlichen Güte!)


    Minus 20


    Die Gefallenen, sie sind die wahren Boten Satans. So wurde uns gesagt, also kann es nicht anders sein. Sie rauben dir die Kraft zu glauben, wenden dein Sinnen und Trachten ab von deinem wahren Vater und hin zu egoistischem, eigennützigen Tun. Sie wollen die Hölle auf die Erde bringen! Brainer nennen sie manche in den Kasernen. Mögen sie Buße tun für die Sünde ihres Mundes, amen.


    Minus 15


    Wir werden die Erde säubern von dem Auswurf der Hölle! Forksville war einmal ein so netter, sauberer Ort. Gute, demütige Menschen lebten dort ihr aufrechtes, gottgefälliges Leben. Wir werden alles wieder so herrichten wie es einmal war. Engeln des Herren gleich, Seinen heiligen Zorn auf den Lippen, fliegen wir unserem gesegneten Werk entgegen, rächende scharfschnäblige Falken des Lichtes. Wir werden das Banner der Liebe und der Gerechtigkeit in Forksville wieder aufrichten!


    Minus 10


    Die Tür zum Cockpit öffnet sich, und unser Truppführer erscheint.
    “Herhören! Neue Order von Base-Ops: Keine Gnade, keine Gefangenen! Merzt die Bastarde aus! Hallelujah, meine Brüder.”
    Bei seinen Worten plumpst mir etwas borstig und störend ins Bewusstsein; etwas das sich nicht recht anfühlt, das einfach nicht zusammen passen will, und ehe ich noch begreife was ich tue kommt mir der Gedanke bereits über die Lippen:
    “Sarge, da werden doch sicher auch Aufrechte, treu Gebliebene in dem Ort sein. Woran sollen wir die von den Gefallenen unterscheiden?”
    Er wirft mir einen langen Blick zu, derselbe mit dem er sonst auch Homosexuelle oder Beinamputierte bedenkt. Dann zuckt er mit den Schultern, wendet sich ab, und auf dem Weg zurück ins Cockpit sagt er:
    “Tötet alle. Der Herr wird die Seinen erkennen …”


    Memories of you


    Die Kacke begann allmählich wieder dick zu werden.
    Hier saß ich also in meinem Schützenloch und durfte zuschauen, wie die dunklen Gestalten dort auf der anderen Seite sich langsam formierten. Wie war ich bloß in diesen Schlamassel geraten?
    Ja, richtig, die Tulch Corporation (jene netten Herren dort) hatte der Kumasaki Enterprises (unser Verein) bezüglich der Voparinvorkommen in Sub - Arktica ein besonderes Freundschaftsangebot unterbreitet, worauf sich Kumasaki kackfrech eine Auszeit erbat, um dieses eingehend zu prüfen - wohl wissend, dass ihr Zögern die Preise auf dem Markt in den Himmel schießen lassen würde. Politik, sage ich dir. Oh Mann!
    Einige vereinzelte Feuergarben zischten zu uns rüber. Sehr gleichmäßig. Man könnte seine Uhr danach stellen. Klares Deckungsfeuer in der Billigversion; die Burschen sahen wahrscheinlich nicht einmal, wohin sie spuckten.
    Ich riskierte einen Blick über den Rand und sah den vielleicht vierzehnjährigen Burschen in der viel zu großen Schussweste, der sich abmühte eine Bazooka in Stellung zu ziehen - genau dort, wo wir die Claymore vergraben hatten. Arme junge Punks, sie bekamen selten eine Chance zu lernen.
    Jonah hatte es wohl ebenfalls bemerkt; ich konnte hören wie er den Hebel umlegte. Ein satter, dumpfer Knall, und das Greenhorn lernte fliegen. Rasch zog ich die Rübe wieder runter, und schon im nächsten Moment ballerte es aus allen Ecken in unsere Richtung.
    War doch wirklich ein ganz toller Waffenstillstand!
    So gut es ging erwiderten wir das Feuer; Hal “the Pal”, Jonah und ich, drei handverlesene Verrückte von ehemals vierundzwanzig, die hierher abkommandiert wurden um die Straße nach Quandlam zu sichern. Vor vier Tagen hatte Tulch uns wirklich Zunder gegeben, sechs Stunden lang, dann trat eine Ruhepause ein (Bugetkürzung, vermutlich), und das Belauern begann. Doch wie es nun aussah wollte man Versäumtes nachholen.
    “Jungs, ich hab keine Muni mehr!” rief Hal plötzlich durch das Knattern und Jaulen. “”Werft mir doch mal was rüber!”
    Sorry, aber hatte selbst nur noch nen halben Streifen, und die letzte kriegst du eh nicht …
    “Hey, Jungs, verdammt!”
    Erneut sah ich über den Rand, ob Jonah ihm etwas spenden würde, und erkannte dass Hal sich eine Granate von der Jacke riss. Er musste komplett ausgeklinkt sein! Dreck nein, wenn das mal gut geht, durchschoss es mich, doch er zog bereits den Sicherungsring ab. Im nächsten Moment gab es keinen Hal mehr. Der Schamott flog bis in mein Loch hinein.
    Oh ja, unsere Kampfmittel waren total überlagert, vieles stammte noch aus der Zeit vor dem Großen Feuer, aber etwas Besseres gab man der C - Kompanie nicht in die Hand. Ich hörte die Bastarde dort drüben lachen.
    Dann wurde es sehr still, und ich konnte die Schemen erkennen, die sich rasch davon machten. Sie rannten um ihr Leben, und sicher nicht wegen uns. Und dann hörte ich schon das feine Sirren über mir.
    Schwere Muni! Geradezu gleichzeitig sprangen Jonah und ich aus unseren Löchern und rannten nun ebenfalls. Schon nach wenigen Schritten rutschte ich in der Finsternis auf etwas Weichem aus (ein Stück Hal, vermutlich) und knallte der Länge nach zu Boden. Im selben Moment hörte ich das metallische KLANNNG hinter mir.
    Noch im Laufen blähte sich Jonah plötzlich zu einem Ballon auf, es gab ein hässliches zerreißendes Geräusch, und was von ihm übrig war verteilte sich gelb und rot in der ganzen Gegend.
    Eine gottverdammte Mikrowellengranate! Und gegen diese Jungs sollten wir mit unserem Schrott anstinken!
    Im Aufrichten hörte ich die Chopper in der Luft. Das Geierkommando war zu mir unterwegs. Sie wollten wohl sichergehen, dass sich an der Straße nichts mehr mukste, ehe sie die kostbaren Panzer nachschickten. Sicher waren sie mit Wärmebildkameras ausgerüstet. Wer es sich erlauben konnte, eine Mikro auf zwei lächerliche Fußgänger zu verballern, der hatte sicher auch diese Babys.
    Weg hier, egal wohin, nur weiter weg. Lass sie ihren verdammten Sieg feiern, ich habs hinter mir und bin in einem Stück. Vorwärts!
    Trotzdem ist`s ne Riesensauerei, dachte ich, während ich den Abstand zwischen dem Whup-Whup und mir rasch vergrößerte. Dreiundzwanzig feine Kerle zu Matsch geworden, und nicht einer ein Freund. In diesem Job schließt du keine Freundschaften. Tut zu weh zu erleben, wie dein bester Freund dir in seinen Einzelteilen um die Ohren fliegt. Und wofür? Was war es denen wohl wert? Nicht mehr als eine Notiz, denke ich, eine Randbemerkung. “Straße gesäubert, alles klar” oder so, oder eher: “Anliegen Referenznummer soundsovielleckmich ausgeführt.” Etwas, worauf jemand im feinen Zwirn mit manikürten Nägeln seinen Stempel knallen konnte.
    Wann wird dieser ganze Bullshit irgendwann mal enden?
    Du bist auf einem guten Weg.
    Ich stoppte, als wäre ich gegen eine Wand gerannt. Wie aus dem Boden gewachsen stand sie plötzlich vor mir, und selbst in dem miesen Licht konnte ich ihr Gesicht erkennen. In diesem Moment hörte für mich das Universum auf, sich zu drehen …
    Diese Züge, das schelmische Blitzen in den Augen, der Schwung ihrer Nase, dieser unvergleichliche Zug um den vollen Mund, der ihr Lächeln so einzigartig machte …
    “Das … ist nicht wirklich”, brachte ich heraus. “Diese Geschichte hat mich wohl loco werden lassen … du bist nicht hier … ich weiß es, ich habe dich begraben!”
    Doch Nicht - Tyra stand weiterhin vor mir und sandte mir ihr bestes Fühl-dich-wohl-Lächeln herüber.
    Verzeih meine Unerfahrenheit. Ich dachte, es würde einfacher für dich, wenn jemand zu dir spricht den du magst.
    Und endlich fiel mir der Groschen. Es musste einer dieser verkackten Brainer sein. Er/sie/es pflückte die Erinnerungen aus meinem Schädel und baute daraus das Bild, das ich sehen sollte. Das war demütigend und eine verdammte Verarsche! Mir fiel ein, dass man Prämien für diese Mambo-Jambo-Monster zahlte. Entschlossen richtete ich das Gewehr auf die Gestalt, die da Tyras Aussehen spazieren trug.
    Ja, ich bediene mich deiner Erinnerung. Ich kann für dich genau die Tyra sein, die du dir wünschst.
    Schluss jetzt! schrie es in mir auf, doch aus irgend einem verrückten Grunde wollte sich der Finger einfach nicht krümmen.
    Noch immer lächelnd, legte sich ein bedauernder Zug um diesen Mund.
    Es ist traurig, dass du nicht lernen willst. Ich kann dir helfen, hier herauszukommen. Möchtest du?
    Sie wartete die Antwort nicht ab. Wahrscheinlich wusste sie diese eher als ich. Im nächsten Moment befanden wir uns in einem Tunnel unter der Erde. Merkwürdigerweise war ich alles andere als erstaunt. Ich wusste sogar, wo wir uns befanden: In einem behelfsmäßigen Unterstand der Tulchtruppen, vor denen ich gerade tapfer davongelaufen war. Vielleicht hatte sie mein Bewusstsein einfach abgeschaltet, und per Autopilot war ich ihr gefolgt, oder sonst etwas. Wer war ich, mir Gedanken über Brainertricks zu machen?
    Sie deutete.
    Dort ist, wonach du suchen musst. Doch zuvor hast du etwas Schlimmes zu tun. Ich kann dir dabei nicht helfen.
    Lächerlicherweise war dort eine Tür. Welch Luxus, hier unter der Erde. Die Burschen hatten wohl Angst vor Zugluft. Stimmen waren zu hören, unterdrücktes Husten, Lachen.
    Kurzentschlossen trat ich die Tür aus der Fassung, stürmte hindurch und spritzte den Raum dahinter mit Blei voll. Zwei waren es, nein drei. Ich gab ihnen nicht die Zeit, sich über irgend etwas zu wundern.
    Dort.
    Ein Smart-Top stand auf einem Feldtisch. Es war eingeschaltet und aktiv. Sofort setzte ich mich daran, und was ich auf den ersten Blick sah, das war verdammt interessant. Rasch klickte ich mich durch das Menü, und was sah ich? Aufmarschpläne, Versorgungsrouten, Soldlisten, Namen, Dienstgrade undundund … Das gesamte taktische Konzept von Tulch entblätterte sich vor mir!
    Wow, das war wirklich heißer Stoff! Absolutes Lendensteak! Und es war mein Ticket hier heraus! Ich arbeitete wie ein Roboter: Disc rein, runterladen, Disc raus, Benachrichtigung an Kumasaki Main-Ops, Festplatte löschen …
    Ausatmen …
    “Ok, ihr Säue. Ihr wollt es, also holt es euch. Aber ohne mich läuft hier nichts!”
    Eine schmale Hand legte sich auf meine Schulter.
    Lem …
    Keine Ahnung, wie es passieren konnte. Vielleicht hatte sie wieder die Steuerung übernommen, und falls nicht … oh Mann, fragt mich nicht!
    Nach einer Weile erzitterte die Erde über uns unter gewaltigen Donnerschlägen, und Lehm rieselte auf uns. Kumasaki war es wohl wert gewesen, die A - Kompanie in Marsch zu setzen. Fliegende Kavallerie; immer im letzten Moment, aber nie zu spät (lieber ne Schwester im Puff, als nen Bruder im A-Team, ha).
    Doch wir störten uns nicht an dem Wahnsinn, der da über uns tobte. Hier unter der Erde, zwischen halb gegessenen Bourritos und Leichen erneuerten Tyra und ich das Versprechen, das wir uns vor so langer Zeit gegeben hatten. Es war Wahnsinn, klar, aber es tat so verdammt gut! Es füllte eine Leere in mir, derer ich mir selbst kurz zuvor überhaupt nicht bewusst gewesen war. Wir drehten die Uhr einfach zurück, als hätte es diese Jahre des Nichts einfach nicht gegeben.
    Dann holte mich das Poltern schwerer Stiefel in die Wirklichkeit zurück. Sie hatten denTunnel entdeckt.
    Sie kommen.
    “… du … weißt, was das … bedeutet?”, stammelte ich und ärgerte mich darüber. Noch immer lächelte sie ihr Madonnenlächeln, doch ihr Blick fixierte einen imaginären Punkt an der Wand.
    Ich verstehe. Die Umstände verlangen es.
    Der alte Schmerz, da war er plötzlich wieder. Warum, zum Teufel?
    Sie war ein Brainer, ein gefährlicher Freak!
    Aber wieso konnte ich das nicht mehr glauben?
    Sie werden es glauben.
    Ja, es gab keine andere Möglichkeit …
    Ihr Blick fing den meinen ein.
    Lem, denkst du manchmal noch daran, wie es war, als unsere Zeit noch uns gehörte?
    Als ich den Schlitten der Pistole zurückzog, dachte ich sogar nur daran. Bei dem Wasser in meinen Augen würde ich niemals sauber zielen können, also legte ich die Mündung an ihre Stirn.
    “Wer oder was immer du auch bist … danke, und lebe wohl. Und ist es dir nicht lieber, wenn es jemand tut dem dabei das Herz blutet?”


    Das Experiment


    Eugene Weaver hatte das Gefühl zu fliegen.
    Heute würde sein Lebenstraum endlich wahr werden. Und was hatte er nicht alles dafür getan: Im Forschungsministerium alle Klinken und noch mehr geputzt, allen Hohlköpfen von der Verwaltung und der Verteidigung immer und immer wieder seine Theorien erklärt, Steuermittel erbettelt, Regierungsbeamten Honig ums gierige Maul geschmiert, Promotion aller Art betrieben und alles noch einmal von vorn. Doch heute war es endlich so weit …
    Materietransmission!
    Und diesmal nicht etwa eine dämliche Vase von einer Ecke des Raumes in eine andere, oder eine Kuh. Nein, ein ganzer Flecken Land, eine verdammte halbe Quadratmeile guten amerikanischen Bodens würde er um die halbe Welt direkt in die Antarktis schießen! Dies war der letzte, der ultimative Härtetest für das System, der endlich alle Dummschwätzer und Neunmalklugen überzeugen würde.
    Hier im Kontrollzentrum ging alles seinen gewohnten, routinierten Gang. Die Crew saß vor ihren Rechnern und machte die letzten Systemchecks. Der Koordinator, Samuel Fillpotts, drehte sich auf seinem Sitz zu ihm um. “Ich denke, wir sind soweit”, sagte er gelassen, und Eugene fragte sich zum tausendsten Male, wie er nur so ruhig bleiben konnte. “Wir haben grünes Licht von allen Stationen. Die Umwandler arbeiten einwandfrei. Sind wir bereit, Gott zu spielen?”
    Die Umwandler. Sie waren Eugenes ureigene Erfindung, die wahren Zauberstäbe, die durch eine kontrollierte Impulsrückkopplung feste Materie in Energiewellen umwandeln konnten. Und das Beste: Er hatte tatsächlich keinen Dunst, wie sie eigentlich funktionierten. Das Konzept war einfach in seinem Kopf aufgetaucht, quasi im Schlaf. Da waren wohl gute Engel am Werk gewesen …
    “Stell dir vor, Sam: Keine Fahrzeuge mehr, keine Flieger, Schiffe oder andere plumpe Apparate. Nein, du machst einfach nur” er schnippste “und bist dort, wo du sein willst. Weißt du eigentlich, dass wir gerade Geschichte schreiben?”
    “Ich hoffe, dass es danach noch eine Geschichte für uns geben wird. Hast du dir schon einmal überlegt, welche Mordswaffe wir da zusammengebastelt haben?”
    “Klar ist es auch eine Waffe, welche Entdeckung war das nicht? Aber diese Waffe wird alle Kriege beenden.”
    “Sicher doch. Und wenn Schweine Flügel haben, sind es Enten.”
    “Nein, im Ernst. Glaubst du, dass irgend jemand noch irgend einen Blödsinn anfangen wird, wenn er weiß dass der Feind im nächsten Augenblick mit dem Messer in der Hand vor ihm auftauchen kann?”
    “Boah, ziemlich unfair, wenn du mich fragst.”
    “Nicht wenn alle es können. Wir müssen dafür sorgen, dass jede Regierung das Know-How von uns erhält.” Er lachte kurz still in sich hinein. “Das ist der Teil der Abmachung, den ich den feinen Gierlappen auf den Ministerien einfach unterschlagen habe.”
    Sam sah ihn lange über die Brillengläser hinweg an. “Dafür werden sie dich an den Eiern aufhängen.”
    “Nur wenn sie mich finden. Vergiss nicht, ich kann sein wo ich will.”
    “Na schön, Fantomas. Aber die Anderen? Werden diese Primaten dir vertrauen, wenn ein Unbekannter ihnen plötzlich etwas schenken will?”
    “Keine Bange, die werden ganz lange Zähne darauf kriegen, wenn wir das Baby heute sauber schaukeln … he, was ist das denn? Wer hat den Countdown gestartet? Ich wollte doch …!”
    “Oooops, sorry”, grinste Sam. “Sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins …”
    Und Eugene schrie: “GERONIMOOOOOOO!”


    Taloc stand vor Azfras Unterkunft und sandte eine Gedankenwelle aus, die einem Anklopfen entsprach. Er empfing das Gefühl warmen Willkommens und trat ein, setzte sich zu Azfra auf den Boden und verband sich mit ihm. Beide ließen ihr Wissen zwischen sich hin und her fließen.
    Dies war der Moment, in dem es geschehen würde. Siebzehn Meilen nordwestlich der Zuflucht, in der einhundertundsieben Einheiten ihrer Art lebten, würde Eugene nun das Landteil auftauchen lassen. Er würde nicht anders können, dafür hatten sie gesorgt. Die Fiebernden und Sehnsüchtigen waren auch immer die Empfänglichsten. Er hatte gut gearbeitet und alles so umgesetzt, wie es ihm eingegeben worden war. Als die fliegenden Augen über ihnen auftauchten, da wussten sie dass die Arbeit im Fortschritt war.
    Natürlich hatten die Kundschafter nur zu sehen bekommen, was sie sehen durften …
    Die Multiintelligenz der Zuflucht war zu dem Schluss gekommen, dass es Zeit wurde diese Welt zu verlassen. Wenn es hier keinen Ort für sie gab, der sicher war, dann mussten sie sich diesen Ort suchen … in den Sternen.
    Die Sterne! Ein synchroner ehrfürchtiger Schauer durchrieselte beide.
    Alles was ihnen noch fehlte war die seltene Erde, die die Umwandlung ermöglichen würde, und eben diese würde ihnen Eugene in Form der Umwandler frei Haus liefern. So war der Plan, und er war perfekt. Friede der Welt, Freiheit für sie. Die Multiintelligenz der Zuflucht beging keine Fehler.
    Es war eben geschehen …
    Sie beschlossen, eine offene Verbindung zu allen Einheiten herzustellen. Alle sollten diesen großartigen Augenblick mit ihnen teilen.
    Und alle waren entzückt.
    Dann wurde es sehr, sehr dunkel …


    “Sensoren melden Landung”, sagte Sam, noch immer die Ruhe in Person, während er auf seinen Monitor blickte.
    Eugene sprang auf und vollführte zum Erstaunen aller einen wahren Veitstanz. “Himmelhallelujah! Wo ist der verdammte Sekt? Wir sind Götter!”
    “Ich bekomme gerade die Daten der Lokalisierungssonde … warte, he … ah ja, wir haben eine minimale Abweichung, etwa siebzehn Meilen südöstlich vom Zielpunkt. Knapp verfehlt, auf dieser langen Entfernung. Wow, das war echt sauber geschossen.”
    “Herrjeh, Sam, was ist los mit dir? Bist du im Koma? Begreifst du nicht, was wir gerade getan haben?”
    Sam sah ihn erneut über die Brille hinweg an. “Ich hoffe, wir haben gerade nicht irgend jemanden umgebracht.”
    “Wie? Ach was, das Gebiet wurde natürlich weitschweifig von Aufklärungsdrohnen abgecheckt. Mach dir keinen Kopf und feiere mit uns! Da lebt weit und breit niemand.”
    Er hatte recht, dort lebte wirklich niemand mehr …


    Das Ende


    Sie hatten es endlich geschafft. Die große Verbindung zwischen allen Einheiten, der Silvermind, er war Realität geworden. In diesem Moment waren sie alle eins; was einer sah, das sahen alle, was einer hörte, das hörten alle, was einer wusste, das wussten alle …
    Sie begannen miteinander zu reden, und eine gewaltige Traurigkeit nahm von ihnen Besitz. Wie hatte es alles nur so weit kommen können? Was könnten sie tun, um diese Welt zu retten? Gab es überhaupt noch die Möglichkeit?
    Sie entschieden, dass es hier und heute nicht möglich wäre, nicht zu dieser Zeit. Aber vielleicht zu einer anderen?
    Das fühlte sich für sie gut an, und sie beschlossen, die Zeit zu ändern.
    JETZT!
    Ändern zu Zeit die beschlossen sie und an gut sie für sich fühlte das anderen einer zu vielleicht aber Zeit dieser zu nicht wäre möglich nicht heute und hier es dass entschieden sie Möglichkeit die noch überhaupt es gab retten zu Welt diese um tun sie könnten was können kommen weit so nur alles es hatte wie Besitz ihnen von nahm Traurigkeit gewaltige eine und reden zu miteinander begannen sie alle wussten das wusste einer was alle hörten das hörte einer was alle sahen das sah einer was eins alle sie waren Moment diesem in geworden Realität war er Silvermind der Einheiten allen zwischen Verbindung große die geschafft endlich es hatten sie


    Ende Das

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

    2 Mal editiert, zuletzt von Formorian (29. Juni 2017 um 12:27)

  • Für all die ehrenhaft Aufrechten im rechten Geiste :D :

    Zahn der Zeit


    Es geschah in einem dieser endlos gedehnten Augenblicke im Noch-gar-nix-war-da, als der Gehörnte, gefrustet von der einsamen Öde um sich herum, beschloss, seinem alten Kumpel, dem EINEN, mal wieder einen Höflichkeitsbesuch abzustatten.
    “Hey, G. Oddy, steckst du hier irgendwo?”, sprach er in die laut hallende Finsternis um sich herum.
    “Mach hier nicht den Lauten”, kam die Stimme des EINEN aus der gestaltlosen Schwärze zurück. “Und du weißt, wie sehr ich diesen Namen hasse.”
    “Ach komm, so ein bisschen Fetzi muss einfach sein. Worüber soll man denn reden?”
    “Selig, wer nichts zu sagen weiß und trotzdem …”
    “Gnagnagna. Ist dir nie aufgefallen, wie begrenzt unser Wortschatz ist? Selig. Schönes Wort! Und die Bedeutung? Was reflektiert es? Siehste, du hast keinen Blassen. Warum sagst du nicht hupskatzollig, das klingt genau so sinnlos, aber viel lustiger.”
    Der EINE ließ ein langes Brummeln ab. “Na schön, reden wir. Ich mach dir sogar die Vorlage: düster, blind, schwarz …”
    “Und leer. Verdammt leer, wenn du mich fragst. Was aber auch seinen Vorteil hat; wäre hier irgendetwas, könnt man sich in der Finsternis echt ein paar üble Beulen holen.”
    Lange Zeit blieb es still, dass der Gehörnte schon glaubte, der EINE wäre über die Brisanz seiner Äußerung hupskatzollig eingeschlummert. Dann kam die Antwort, und sie hörte sich ziemlich nachdenklich an.
    “Du bringst mich da auf eine geniale Idee: Wir könnten ja mal versuchen, etwas zu machen! Verstehste, etwas Wirkliches zu tun. Etwas, das man sehen, fühlen, schmecken und riechen kann! Irgendwas!”
    “Und dann ständig dagegenlaufen? Bin dabei!”
    “Quatschkopp! Ich sagte doch sehen. Da bräuchten wir wohl als erstes …”
    “Augen”, sagte der Gehörnte. Plopp-Plopp, erschienen zwei runde Bälle in seinem Gesicht. Begeistert von dem aussichtsreichen Tempo ihres kleinen Brainstormings machte der EINE es ihm nach, sah sich um …
    “Neenee, du. Irgendwo hakt’s da immer noch.”
    “Jau, will was anderes sehen als die olle Dunkelkamelle”, meinte der Gehörnte. “Ich mach’s mal ein bisschen hell.” Und er sang:
    I bring light
    And i can take you through …

    Gutgelaunt schnipste der EINE mit den Fingern mit. Ohne es zu wissen hatte er gerade den Swing erfunden. “Hört sich enorm an! Wie nennst du es?”
    “Null Schimm. Vielleicht Manfred Man’s Earth Band?”
    “Erde? Wie kommst du da nun wieder drauf?”
    “Klingt Selige für dich besser?”
    “Achduoller … hört sich ja nicht mal so übel an. Erde! He, das ist es! Was immer wir da machen, lass es uns Erde nennen!”
    “Ähem”, hüstelte der Gehörnte in die Hand. “Das ewige Ich-sehe-nix-was-du-nicht-siehst-Spiel können wir wohl vergessen, was?”
    “Worauf spielst du nun wieder an?”
    “Die Augen. Die beiden runden Dinger da. Man kann sie auch öffnen.”
    “Wie? Wart mal … scheisse, ist das grell! Kannst du da keinen Dimmer dran bauen?”
    “Einen was? Ach so, kapiert. Ok, so besser?”
    Probehalber öffnete der EINE die Augen, schaute um sich. Helligkeit war rings um ihn herum, einfach nur Helligkeit. Und dann sah er zum ersten Mal den Gehörnten.
    “Wenn ich mir deine Bocksfresse so anseh, möchte ich fast sagen, wir vergessen das Ganze.”
    “Du Weißwurstopa bist auch nicht gerade ne Augenweide”, gab der Gehörnte das Kompliment zurück, und dann sah er unter sich. “Oh Gott!”
    “Ja?”, sagte der EINE, bemerkte den Blick des Gehörnten und sah ebenfalls nach unten. “Oh ich!”
    Da war es. Riesig. Endlos. Wogend. Spritzend. Ja, es schaute verdammt nass aus.
    “Aber das ist ja … absolut pyramidonabel hammergeil phantastisch!”, stieß der EINE voller Begeisterung aus. “Was man damit alles anfangen kann! Wir können es bunter machen, etwas ruhiger. Alle möglichen Dinge darein tun! Stille Dinge! Bewegliche Dinge! Lebende Dinge! Hey, wie hört sich das an?”
    Der Gehörnte dachte, dass sich dies komplett beknattert anhörte. “Gar nicht so schlecht, der Gedanke”, sagte er.
    “Mein’ ich auch. Aber so tief und nass können wir das nicht lassen, da muss noch ein bisschen trocken gemacht werden. Bist du so gut?”
    “Was?”, stieß der Gehörnte empört aus.
    “Was?”, äffte der EINE ihn nach. “Wasser? Am Wassersten? Nun komm, wir haben es angefangen, also machen wir es auch richtig. Ich sortiere gerade eine ganze Flut an Ideen, und sie werden immer großartiger! Inzwischen kannst du dich doch mal nützlich machen.”
    Grummelnd erfand der Gehörnte das Wischtuch und machte sich an die Arbeit. Wasser, dachte er. Hm …
    “Aber alles mache ich nicht weg! Da haben wir doch schon mal was Bewegliches.”
    “Jaja”, meinte der EINE geistesabwesend. “Ganz netter Gedanke. Mach das Trockene aber etwas fester, dass es nicht gleich wieder weggespült wird.”
    “Noch was, das dir gerade einfällt? Vielleicht nebenbei ein Heilmittel gegen Ebola erfinden?”
    “Ebo … langsam, nur nicht den zehnten Schritt vor dem ersten machen! Zunächst brauchen wir mal eine solide Grundlage, auf der man aufbauen kann. Also zunächst das Grobe, Details kommen später. Ach ja, irgend etwas sollte das Nasse da in Bewegung halten. Kannst du etwas Wind machen?”
    Verdrossen ließ der Gehörnte einen fahren. “So, da hätten wir etwas Festes. War schon unter all dem Nassen. Wenn du mal geruhtest, einen heiligen Blick drauf zu werfen …”
    Der EINE nahm das Feste in Augenschein, und er sah, dass es gar nicht gut war. Schmierig war es, schlammig, zum die nicht vorhandenen Wände hochgehen grau und farblos, übelriechend und schlichtweg zum Kotzen.
    “Nee du, da muss Farbe rein, aber sofort! Warte mal, versuch’s mal mit Pink.”
    “Kommt viel zu tuntig. Violett?”
    “Wolltest du grad damit etwas sagen? Moment mal, grün find ich sehr beruhigend. Mach mal was Grünes.”
    “Sijambo, Bwana”, sagte der Gehörnte und streute Grün über das langsam trocknende Feste. Die Augen des EINEN wurden rund vor Staunen, als es plötzlich überall zu sprießen und zu gedeihen begann. Dann schrumpelte das Grün in sich zusammen, wurde braun, stinkig und schließlich kohlenschwarz.
    “Deine verdammte Dauerbestrahlung hat das gemacht!”, stieß der EINE erbost aus. “Diese zarten und empfindlichen Dinger brauchen auch mal eine Pause! Das Licht runter, aber presto, und dann noch mal!”
    “So ganz ohne Licht hat man aber nüscht von der ganze Chose. Ich lass es mal ein bisschen flackern.”
    “Hast du vor, unsere neuen Augen gleich wieder zu schlachten? Ich dachte eher an kontinuierlichen Wechsel. Ein großes Licht zum Schauen, und ein kleines Notlicht zum Schonen. Und lass sie ein wenig kreisen. Comprende?”
    “Bin ja nicht, wie du ausschaust. Ok, wo mach ich die Dinger am besten fest?”
    “Na irgendwo da oben, dass die Berieselung auf die schöne Erde fällt.”
    “Irgend ne Idee, wo hier oben ist?”
    “Herrichnochmal, knall sie einfach da und da an, und bring sie in Schwung!”
    “Weiß was Besseres”, sagte der Gehörnte, während er die Lichter an den Himmel montierte. Es rumpelte ein wenig, als sich die Erde plötzlich mit einem Ruck in Drehung setzte, doch dann schnurrte es sehr ruhig und gleichmäßig. “Damit spar ich mir die Fuzzelei mit den Schienen.”
    “Hm, ja, gut gemacht”, meinte der EINE, etwas zerknirscht, weil ihm diese Idee nicht gekommen war. “Und noch einmal: go green!”
    Und zur großen Freude und Erleichterung beider grünte und blühte es auf der Erde, dass es nur so eine Art hatte. Üppig schoss alles ins Kraut, strebte dem Licht entgegen (“Diese Grundhaltung muss unbedingt beibehalten werden”; meinte der EINE. “Von allem, in jeder Beziehung!”), warf Sporen, pflanzte sich fort, umschlang sich, zwang nieder, erstickte …
    “Halt mal!”, rief der Gehörnte. “Irgendwie funzt das noch nicht. Da fehlt eindeutig ein regulierendes Element.”
    “Und da kommt das Lebende ins Spiel”, jubelte der EINE. “Das schnatternde, jaulende, bellende, rörende und alle möglichen Sorten von Krach machende. Jetzt kommt Leben in die Bude!” Er reichte dem Gehörnten einen dicken Stapel Blaupausen, den er einfach so erscheinen lassen hatte. “Hier, frisch ans Werk. Die werden dafür sorgen, dass das ganze Krautzeug nicht an sich selbst erstickt.”
    “Du leidest nicht zufällig an Kinderlähmung?”
    “Na komm, ich trage schon die ganze Last der Planung, und in Gedanken bin ich schon ganz woanders. Mach einfach, das wird ein Riesenspaß, wirst sehen.”
    Schnaubend, aber noch immer gutwillig formte der Gehörnte die unterschiedlichsten Viecher und warf sie auf die Erde, wo sie sich bereitwillig über das Grün hermachten, fraßen, kackten und noch mehr fraßen. Die Arme verschränkt, lehnte sich der EINE zufrieden zurück. Ein glimmender Stummel erschien in seinem breit grinsenden Mund. “Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!” Der Stummel fiel ihm aus dem Mund und versengte ein wenig seinen langen weißen Bart, als er die ersten großen braunen Flecken auf dem Land entdeckte. “Das klappt noch immer nicht! Viel zu viele! Das wird der totale Kahlschlag!”
    “Und hier kommt die Lösung”, meinte der Gehörnte, einen tiefen Seufzer unterdrückend. Nacheinander tippte er einige der Tiere an. Diese hoben überrascht die Köpfe, bemerkten wie rund und wohlgenährt die Anderen um sie herum waren und leckten sich ihre plötzlich sehr langen und spitzen Zähne.
    “So war es wirklich nicht geplant”, meinte der EINE, als die Blutbäder begannen. “Aber gut, es geht wohl nicht ohne eine Regulierung, welche die Regulierung reguliert.”
    “Versuch das mal ganz schnell zu sagen”, sprach der Gehörnte und besah sich müde das Schauspiel, von dem er bereits nun genug hatte. All die Plackerei für eine stupide Fress- und Kackshow? Super. “Und nun? Bist du’s zufrieden? Brauchst du noch ne Fernbedienung?”
    “Nun?”, wiederholte der EINE und schaute seinen Kumpel bedeutsam an. “Nun, mein Gutester, kommt die Krönung! Der absolute Donut! Die Nummer-Eins-Sensation schlechthin! Ein vernünftiges, sprechendes Geschöpf nach meinem Ebenbilde!”
    Nun ließ der Gehörnte den lang eingeschlossenen Seufzer endlich frei. “Fresser oder Gefressener?”
    “Die ultimativen Top Uno! Selbst denkend und handelnd, werden sie sich für die Herren der Welt halten. Ich sag’s dir, das wird der Hammer! Die endlose Spaßquelle de luxe! Wir werden uns nie wieder langweilen!”
    “Schön, wenn’s mehr nicht ist”, sagte der Gehörnte und fixierte den sich bereitwillig in Pose stellenden EINEN. Sollte er seinen Spaß bekommen. Nach seinem Ebenbilde. Arme Burschen.
    Sorgsam formte er die kleinen Wusler und warf sie auf die Erde hinab. Hei, was die Idioten nur alles für einen Unsinn anstellten, so bar jeglicher Instinkte, sich selbst jedoch für die Größten haltend.
    “Hast du gesehen, was der Typ da macht?”, kicherte der EINE begeistert. “Und die da erst! Oha, die hält sich wohl wirklich für Queen Müll vom Abfallberge! Woha, ich halt’s nicht aus!”
    Mit lauem Interesse betrachtete der Gehörnte das bunte Treiben, und je länger er es sich anschaute, desto breiter wurde sein Grinsen. “Oh ja, diese Kretins sind echt zum Schießen! So komplett unberechenbar und irrational!”
    “Machen wir ein Spielchen”, schlug der EINE vor und tippte einem der Wichte sanft auf den Kopf. Von einem Moment zum anderen begann der Kleine, sich mit einer Gerte selbst zu kasteien. Er erklomm einen hohen Berg und schrie sein Sermon laut hinaus. Bald tauchten andere Wichte auf, lauschten andächtig, und dann erklangen lobende Gesänge. Der EINE schaute den Gehörnten breit grinsend an. “Mein eigener Fanclub”, feixte er.
    Der Gehörnte überlegte kurz, wie dies zu toppen sei, dann streute er etwas Funkelndes unter die Menge. Sofort balgten sich die Typen um das glänzende Etwas. Unglaublich, was sie alles anstellten, um an das Zeug zu kommen. Vom Betteln über das Lügen bis zum scheibchenweise Verkauf der eigenen Sippschaft reichte die Palette. “Sind echt goldige Trottel, was?” lachte der Gehörnte.
    “Guter Einfall”, gestand der Eine etwas neidangefressen ein. “Nennen wir das Zeug eben Gold.” Rasch tippte er einigen Wichten mehr auf den Kopf. Tempel entstanden, dann Kathedralen. Bald murksten sie sich gegenseitig ab im Streit darum, wer denn nun den cooleren unsichtbaren Freund hätte.
    Der Gehörnte grinste nur über diesen cleveren Zug und hauchte die Wuselbande unter sich sanft an. Etwas geschah mit den Wichten; ihre Erscheinung wurde gefälliger, ihre Bewegungen anmutiger. Einige schienen so etwas wie Verstand zu entwickeln, denn sie wunderten sich sehr über die Welt um sie herum und beschlossen, ihre Geheimnisse zu ergründen.
    “Na, dann gehe ich nun mal auf die Zielgerade”, lachte der EINE und beugte sich tief, die Wolken mit den Händen zerteilend, zu den Kurzen hernieder. “OH IHR MEINE KINDER, ERFREUET EUCH ÜBER DIE MAßEN, DENN EUER HERR IST GEKOMMEN, EUCH AUS EURER PEIN ZU ERLÖSEN!”
    Es wurde sehr still auf der Erde, Millionen Hälse reckten sich gen Himmel.
    Dann klang das erste Lachen auf.
    “Siehst du?”, feixte der EINE. “Du besitzt ihre Gier, doch ihre Herzen sind mein. Ich habe gewonnen!”
    Das Lachen wurde lauter, regelrecht schallend, als immer mehr Wichte darin einfielen. Millionen Hände deuteten zum Himmel. Sie wollten sich tatsächlich ausschütteln vor Gelächter, einige fielen um und wanden sich wie unter Krämpfen.
    Verwirrt starrte der EINE den Gehörnten an. “Was stimmt da nicht? Wo sind die Choräle, die Hymnen? Was soll dieses alberne Gelächter? Mein Selbst, sie verspotten mich!”
    “Womit klar sein dürfte, wer hier gewonnen hat”, war es nun am Gehörnten, zu grinsen.
    Finster sah der EINE seinen Kumpel an. “Was hast du meinen Kindern angetan?”
    “Ach, deinen? Bist du sicher?”
    “Sag es, Scheißkerl!”
    Und der Gehörnte sagte es. Es war ein schwieriges Wort, und es klang wie Evi oder Evala …
    “Du hast an Eva rumgedreht?”
    Der Gehörnte sagte es erneut, nun noch breiter grinsend.
    “Was? Die Eva-Lotion © für die Haut ab 40?”
    “E-VO-LU-TI-ON!” prustete der Gehörnte los, ehe er selbst einen Lachkrampf erlitt.
    Fassungslos, nicht begreifend, starrte der EINE den mit den Beinen strampelnden an, dann hinab auf die Erde, von der es im millionenfachen Chor zu ihnen herauf schallte:
    “GOTT IST EIN AFFE!”
    Der EINE schüttelte sich unwillkürlich, Tränen standen in seinen Augen. “Ich lasse dich teilhaben an etwas so Wundervollen, und du zerstörst es total! Unsere Freundschaft kannst du dir unter die Vorhaut nageln!” Sein Schluchzen ging in dem Gelächter unter. “Fort mit diesen blasphemischen Ungeheuern, ich will sie nie wieder sehen!” Und das Wasser kehrte auf die Erde zurück, begrub alles Land unter sich, erstickte das Gelächter.
    “Wer nicht verlieren kann, der sollte nicht spielen”, keuchte der Gehörnte atemlos, aber glücklich.
    Wortlos wandte sich der EINE ab, griff zu der großen intergalaktischen Tür und riss sie weit auf. “Zwischen dir und mir, da herrscht jetzt der absolute Krieg”, sagte er noch, ehe er die Tür hinter sich zuknallte, dass es noch lang im Universum nachhallte.
    Noch immer glucksend richtete sich der Gehörnte wieder auf und schaute zufrieden auf die kleine Nussschale, die da unten auf den Wellen trieb, und in der sich der gottesfürchtige Noah nebst Sippschaft und ihrem Privatzoo befanden. Sein Joker, den er sich für diesen Fall aufgespart hatte. Oh ja, ein endloser Quell der Heiterkeit, das war wirklich nicht zu viel versprochen!
    Zufrieden griff er erneut nach dem großen Wischlappen.

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Hallo Formorian,

    ich kenne jetzt einen Teil deiner Geschichten und möchte dir gerne einen Kommentar hinterlassen, bevor ich weiterlese. Eines schon mal vorweg: Du scheinst einen unerschöpflichen Vorrat an phantastischen Ideen zu haben, super, was dir so alles eingefallen ist!

    Horror in Grau:
    Darunter konnte ich mir erstmal gar nichts vorstellen und dazu noch relativ kurz... ich war gespannt. Die Geschichte lässt sich gut und flüssig lesen, der Protagonist offenbar ein alter Querulant, ganz nette, sicher lustige Idee - dachte ich. Und dann kommt ein Schluss, den ich natürlich so nicht erwartet hatte. Ich fühlte mich ein bisschen, als wäre ich gegen eine Tür gelaufen. Das ist nicht negativ gemeint, im Gegenteil. Ich finde, dass dir dieses Ende sehr gut gelungen ist. Es ist für den Leser doch viel schöner, wenn der Autor ihn zum Schluss noch überraschen kann. Ein vorhersehbares Ende ist immer ein bisschen langweilig. Tolle Kurzgeschichte und dazu ein Titel, der so schön doppeldeutig ist. Einfach klasse!

    Höllenfahrt:
    Oh Gott, was hat dieser Linandor bloss angestellt? Es geht ja gleich gut los. Die Beschreibung des Geschehenen gefällt mir gut, der Protagonist nimmt tapfer seine Strafe entgegen, doch dass er gleich die Reise in die Hölle antreten muss... na ja, die Gesetze seines Landes sind wohl unerbittlich. Auf seiner Reise muss Linandor ja einiges durchmachen, die Geschichte zieht sich ein bisschen. Was ich dir aber nicht zum Vorwurf mache, ich neige selbst dazu, meine Geschichten zu sehr auszuschmücken. Am Schluss drehst du dafür wieder ordentlich auf und am Ende geschieht auch hier wieder etwas, was man absolut nicht erwartet. Der Protagonist wird wiedergeboren, die Höllenfahrt ist der Start in sein neues Leben! Das ist klasse, wirklich. Und auch hier wieder ein Titel, der super zur Geschichte passt. Ich glaube jetzt schon sagen zu können, dass deine Stärke wohl darin liegt, völlig unerwartete Enden zu schreiben. Zumindest habe ich diesen Eindruck, allerdings bin ich ja auch erst bei deiner zweiten Geschichte angelangt.

    Ach ja, eine kleine Kritik habe ich auch noch: Der Überlieferer sieht ihm mit eisernem Blick in die Augen? Müsste es nicht heißen, mit eisigem Blick? Irgendwie klingt deine Wortwahl hier komisch. Aber das lässt sich ja leicht ausbessern, außer, es ist so gewollt.


    Liebe und Salz:
    Mit dieser Geschichte kann ich bis jetzt am wenigsten etwas anfangen. Liebesgeschichten sind jetzt nicht das, was ich üblicherweise lese. Aber gut, wenigstens handelt es sich hier um ein ungewöhnliches Paar. Eine Meerjungfrau und ein Mensch, das ist ja nicht gerade alltäglich. Dass Kenam aber so schnell bereit ist, sein altes Leben aufzugeben, ein Meermann zu werden... na ja, wenn einer in Flammen steht, kann das schon mal vorkommen. Bis dahin finde ich deine Geschichte weder gut noch schlecht, aber der Schluss hat mir hier überhaupt nicht gefallen. Weil es nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hatte, will Kenam das Ritual plötzlich wieder rückgängig machen. Was natürlich nicht möglich ist. Ich weiß nicht, irgendwie lässt mich diese Geschichte etwas ratlos zurück. Hat mir bis jetzt am wenigsten gefallen.

  • Freut mich, wenn Du Deinen Spaß mit diesen alten Dingern hattest :) . Vielen Dank für das nette Lob!
    Der e i s e r n e Blick sollte ein Synonym für eben fest, starr, unerbittlich sein. Ich benutze öfters Formulierungen wie "stahlhart, den Blick des Anderen wie eine eiserne Zange festhaltend" und so. Sollt mir wohl mal was Neues einfallen lassen :D ...
    Ich stelle immer wieder fest, das "Liebe und Salz" bei männlichen Lesern ziemlich gut ankommt, bei weiblichen dagegen eher indifferente Gefühle hinterlässt. Vermute, es liegt an der unterschwelligen frauenfeindlichen Botschaft, derer ich (männlich) mir beim Schreiben selbst überhaupt nicht bewusst war. Trotz aller Verliebtheit sieht Kenam in seiner Meerjungfrau in allererster Linie ein Objekt zur Erfüllung seiner Gier. Seine Welt bricht auseinander, als er feststellen muss dass sie dies eben nicht ist und er das Opfer seiner eigenen Blindheit geworden ist. Schadenfreude wäre hier wohl die beste Reaktion :D .

    Und wo ich schon mal hier bin, ein weiteres Schmankerl:

    Berufsethos


    Der Teufel saß majestätisch auf seinem knöchernen Thron, den unfehlbaren Dreizack fest in der Rechten. Flammenlohen ließen groteske Schatten über die felsigen Wände zittern. Er lauschte dem Prasseln und Zischen und dem nie versiegenden Chor aus Jammern und Wehklagen, und für eine Weile gelang es ihm zu vergessen, dass er nur der unbedeutende kleine Teufel einer unbedeutenden kleinen Welt war.
    Doch eines, das ließ sich nicht so leicht verdrängen, und dies nagte ihm am Stolz wie die Pest persönlich. Eine unglaubliche Impertinenz war es, ein Affront gegen all seine unleugbaren Verdienste, und er konnte sich denken, wer ihm dies eingebrockt hatte. Der würde noch zu spüren bekommen, was er da angefangen hatte! Mit Zins und Zinseszins würde er es ihm heimzahlen. Wirklich, es war einfach unglaublich...
    "Kurz: es ist tatsächlich eine unerhörte Sauerei!" rief der Teufel in die flammende Finsternis hinein.
    Gerade war der Höllenbote bei ihm erschienen, um ihn über sein heutiges Soll zu informieren, und es begann eigentlich harmlos wie immer. "Wir benötigen bis zur Stunde Ananael drei Seelen von etcetera blabla schwall sowie zwei sülz laber sowie," und dort wurde es dann kriminell,"eine reine, unbefleckte Seele, Zustand 1A. Bitte hier entgegenzeichnen."
    Rein und unbefleckt! War es nicht gerade sein ureigener Verdienst, dass solche Seelen in seinem Zuständigkeitsbereich heute seltener waren als Einhörner? Dachten die da oben eigentlich, dass man Heilige bei Bedarf aus dem Hut zieht?
    Der unbedeutende kleine Teufel (nennen wir ihn UKT, ok?) zwang sich zur Ruhe. Bis Ananael war es noch ein gutes Stück Zeit, he, das packst du schon, Alter. Streng dich halt an! Mal überlegen; vielleicht Durian? Ach halt, der soff heut wie ein Loch ... Langos? Nein, saß im Hungerturm, wegen Glückspiel ... elender Mist, was war nur mit den Heiligen los? Vielleicht besser Fursey?
    Auf Wink erschien sein Seelenbuch vor ihm, er setzte seine Brille auf und studierte eifrig die von selbst vor seinen Augen erscheinenden Notizen. Ja, Fursey. Heiligsprechung schon zu Lebzeiten; dreizehn Pilgerfahrten, davon elf zu Fuß; siebenunddreißig anerkannte Wunder, zweite Heiligsprechung durch die konkurrierenden Famelianer (früher haben sie sich auf der Straße noch gegenseitig mit ihren Betschnüren erwürgt, ach ja, die gute alte Zeit...);zweifelsfrei nachgewiesene selbstlose Taten: 3416. Sünden: 0. Seelenzustand: doppelt 1A mit besonderer Empfehlung!
    UKT spuckte aus, und eine Feuerlohe zischte auf, wo er traf.
    "Schön, Fursey, für dich werde ich also meinen Stolz vergessen und das brave Hündchen spielen ... ich habe meinen Kandidaten."
    Im nächsten Moment befand er sich in der großen Stadt und ging noch einmal seine Liste durch. Erster Punkt: drei alte Schlagetots. Kinderspiel, bloße Routine, eigentlich unter seiner Würde.
    Hoch her ging es in der Taverne. Ein rascher Blick, und im rechten Moment den rechten Mann im Vorübergehen angerempelt, als er gerade den Becher hob...als das Poltern und Scheppern begann, befand sich UKT bereits im prachtvollen Herrenhaus eines hiesigen reichen Händlers. Dieser hatte ein ihn liebendes Weib, das seit siebenundzwanzig Jahren sich um ihn kümmerte wie eine Glucke um ihr Küken; die Erste am Morgen, die Letzte am Abend. Gerade legte sie die Wäsche ihres Göttergatten zum Säubern zurecht. UKT tat etwas Kleines, Kreatives, und die Gute hielt ein fein besticktes Dufttüchlein in Händen. Zufrieden machte er sich wieder auf den Weg. Heute würde sie ihrem Allerbesten einen ausgefallen gewürzten Schlummertrunk servieren...
    Punkt drei: ein verkrachter Philosoph. In seiner zugigen Mansarde lag Serenius unter dicken Decken auf Lumpen, niedergeschlagen von Verbitterung und hohem Alter. Alles Leid der Welt hatte er gekostet, von Ignoranz über Borniertheit bis hin zu seinem Lieblingskind, der unausrottbaren schieren Dummheit. Er war es müde geworden zu kämpfen... UKT gab nur eine leichte Priese seines eigenen morbiden Humors hinzu, und die Sache war geritzt.
    Und so ging es weiter zu Punkt vier, fünf und sechs, bis Posten siebzehn als Letzter noch zu erledigen war: eine reine unbefleckte Seele.
    Hier war nun Fingerspitzengefühl angesagt, es durfte nicht gefuscht werden! Das gäbe nur Ärger mit denen ganz oben. Fursey musste sich sein Grab selber schaufeln, wenn nicht die andere Seite Anspruch auf ihn erheben sollte. Aber natürlich konnte es niemand unserem UKT verbieten, ihn nach Kräften dabei zu unterstützen. Dieser Gedanke weckte seine Berufsehre, es würde so etwas wie ein sportlicher Wettkampf werden, und ein wenig verrauchte dabei seine Verbitterung über diesen völlig zu Unrecht eingeforderten Sonderposten.
    Fursey saß gerade beim Abendmahl, nahm etwas von dem einfachen, ungesäuerten, aber vorschriftsmäßigen Brot und spülte es mit dem einfachen, aber vorschriftsmäßigen klaren Wasser herunter. Es wurde mal wieder Zeit für den UKT, kreativ zu werden...
    Fursey hustete ein wenig und wunderte sich über das seltsame Aroma, welches das Wasser heute hatte. Verwundert starrte er in die rubinrote Flüssigkeit, die sich in seinem schlichten Holzbecher befand, dann kippte er sie angewidert unter den Tisch. Doch er hatte bereits einiges davon verschluckt, und da er keinen Wein gewohnt war, machte sich rasch ein seltsam leichtes, beschwingtes Gefühl in ihm breit.
    Rasch improvisierte er ein kurzes Gebet und stellte mit leicht schwerer Zunge fest: "Dies kann mir vergeben werden. Eine Sünde, im Unwissen begangen, ist eine ... rülps! ... lässliche Sünde."
    Der UKT biss sich vor Wut auf die Krallen. Verflixt, wo er recht hatte ... Leichte Schritte näherten sich. Die Haushälterin kam, um abzuräumen. Natürlich handelte es sich um eine Tochter des Einen, doch hey, sie war ein junges Ding! In heiliger Demut trug sie das lange Sackgewand ihres Ordens.
    UKT sah sich um und gewahrte das geöffnete Fenster, nicht weit vom Sitzplatz Furseys. Eine Idee stieg in ihm auf.
    Warte noch ... Gleich ... jetzt passt es genau! Sturm marsch!
    Heulend pfiff der Wind durch die Öffnung und bauschte die Röcke der sich nach dem Tablett Bückenden bis zur Hüfte hoch auf. Oh, welch ein Anblick, alle Sünden dieser erbärmlichen kleinen Welt wert. Welch eine Verschwendung, unverzeihlich!
    Doch Fursey? War es denn möglich? Er wischte den verschütteten Wein mit dem Brot auf; nichts hatte er zu sehen bekommen, nada, niente, null!
    Allmählich wurde die Zeit wirklich knapp! UKT hasste es, plump zu improvisieren, aber für große Kunst wurde es wirklich langsam zu spät. Also gut, weg mit der Pinzette, das Brecheisen her!
    Fursey tat einen entsetzten Schrei, als er gewahrte, das die hölzerne Betkette um seinen Hals sich plötzlich in pures Gold verwandelt hatte. In heiliger Entrüstung riss er sie sich vom Leib und schleuderte sie weit von sich. "Fort mit dir, du Symbol alles niederen Irdischen! Verflucht mögen meine Hände sein, dass ich dich berühren muss! Dein eitel Schein wird meine Seele nicht korrumpieren!" Er griff sich plötzlich an den linken Arm, Schmerz verzerrte sein Gesicht, er wankte. Die Haushälterin tat einen spitzen Schrei und ließ das Tablett fallen, als Fursey sich schwer auf den einfachen Holztisch stützte und schließlich mit lautem Plumps zu Boden sackte.
    Nun ist es endgültig vermurkst, schoss es dem UKT durchs finstere Hirn. Ein Heiliger muss her, schnell! Schau ins Buch ... warte, nein ... oder vielleicht...? Hier, ja genau, das ist mein Mann! Gelobte Heilige Queste, rettet jeden Monat eine oder auch zwei Jungfrauen, küsst jedes Baby, das man ihm hinhält ... ja, der ist es!
    Und in diesem Moment läuteten die Glocken des Tempels zum Heiligen Fursey die Stunde Ananael ein.
    Mit einem schrecklichen Geheule fuhr UKT zurück in seine subventionierte Hölle und nahm prompt die Nachricht des Höllenboten entgegen: "Grund: Nichterfüllung des Tagessolls. Maßnahme: Kürzung der Flammeneinheiten um dreitausendfünfhundert Maß. Einspruch: zwecklos. Gruß, Seine Abscheulichkeit, Ich selbst."
    UKT`s Zornesschrei ließ die Felsen erzittern, und selbst die Flammen duckten sich unter seiner Wut. Mit hoch erhobenen Armen rief er einen uralten Fluch aus, und eine lohende Feuerkugel erschien zwischen seinen Händen. Dann legte er diese auf den Boden, setzte sich im Schneidersitz davor und hielt die Klauen dicht über die glosende Glut.
    Es war hier wirklich verdammt kalt geworden ...

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Hallo Formorian,

    endlich komme ich dazu, dir einen weiteren Kommentar zu hinterlassen.

    Ein Fetzen vom Paradies:

    Diese Geschichte hat mir wieder sehr gut gefallen. Schon der erste Satz klingt wie aus einem 'richtigen' Buch, also einem, das schon verlegt worden ist. Die Gedanken, die deinem Protagonisten durch den Kopf gehen, die knappe, klare Sprache - alles gut durchdacht und spannend geschrieben. Am besten finde ich jedoch den Teil, als er die fremden Augen vor sich sieht und die Stimme in seinem Kopf hört. Dieser Part ist dir echt gelungen! Die Schlusssätze seines Kollegen finde ich übrigens ziemlich cool. :D


    Die Falken des Lichts:

    Kurz und knapp, aber auch gut gelungen. Ich kann jedoch nicht soviel damit anfangen, was vielleicht daran liegt, dass du sie im Tagebuchstil geschrieben hast. Das ist nicht so mein Fall.

    Mein Eindruck ist, dass du Actiongeschichten irgendwie besser schreiben kannst als Fantasy. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass du von Fantasygeschichten die Finger lassen sollst, auf keinen Fall. Aber ich habe den Eindruck, dass SciFi- und Actionstorys irgendwie mehr dein Ding sind. Von mir selbst kann ich das allerdings nicht behaupten, ich bin halt der totale Fantasyfan. ^^

  • Vielen Dank für das nette Feedback :) !
    Ich und Actionstories ... Meine allerersten Geschichten waren wüste Haudraufteile a la Conan & Co, doch irgendwann hatte ich es satt, über unbesiegbare Muskelpakete zu schreiben, die melancolisch-selbstgefällig durch ganze Ozeane von Blut wateten und versuchte mich an wirklicher Fantasy. Na ja, ich versuche es halt immer noch, das Lernen wird wohl niemals enden, denke ich :D .
    Von Die Falken des Lichts gibt es übrigens auch eine Fantasyversion, die den Unterschied wohl illustrieren würde. Zum besseren Verständnis: die kursiven Stücke sind Auszüge aus einem Brief, welcher die offizielle Meinung zum Geschehen wiedergibt (und die wohl auch überliefert werden wird), die normal gesetzten hingegen sind der Augenzeugenbericht eines Kämpfers vor Ort.


    "Wisset, oh Prinz, dass in diesem Moment, da Ihr diese meine Zeilen lest, die Stadt Glenshaa wieder ein Ort des Herren ist. Kein Abgefallener erhebt hier mehr trotzig das Haupt wider unseres rechtmäßigen gütigen Herren, keine schwarzen Zauber werden hier mehr gesprochen. Das Banner der Güte und der Gerechtigkeit weht wieder über ihren Zinnen, zum höheren Lobe des Himmels und zum Wohle all seiner untertänigen Kinder. Der Bote, der Euch dieses Schreiben überbringt, wird Euch auf Wunsch gern mehr erzählen ..."

    Oh gütiger Vater im Himmel, ich danke Dir für die Gnade, diese großartigen Tage erleben zu dürfen! Nicht die lästerliche Sünde des Stolzes, nein, von dankbarer Demut bin ich erfüllt, zu den Auserwählten zählen zu dürfen, welche heute den gerechten Zorn des Einen über die Abgefallenen bringen werden. Jene, die sich erdreisten, Seine heilige Schöpfung nach ihrem Gutdünken zu verzerren und zu entstellen, so dass sie für immer entweiht ist. Rächenden Engeln gleich, Lobpreisungen des Gütigen Vaters auf den Lippen, werden meine ehrbaren Brüder und ich über sie kommen, scharfschnäblige Falken des Lichtes!

    "...am gestrigen Tage stellten wir das Heer der Abgefallenen vor den Toren der Stadt. Ein elender Haufen war es, schwach und kaum gerüstet, viel Weibsvolk dabei. Ohne die Kraft des Einen, welche unsere Truppen eignet, hatten sie schweren Stand gegen uns. Aus zwei Winkeln unter Beschuss genommen, brachen ihre Linien wie dünnes Zweigwerk, und die Reiter jagten sie bis zurück zum Tor und brachten
    fast alle dabei um. Kein Sieg war je leichter errungen..."

    Wie dumm der Feind doch ist! Ich hatte erwartet, dass wir uns auf eine längere Belagerung einrichten müssten, oder auf eine selbstmörderische Erstürmung der Mauern. Doch sie kamen uns entgegen, lachend, musizierend und mit bunten Bändern winkend, gerade so als gingen sie auf eine Hochzeit! Ich sah junge Mütter mit kleinen Kindern auf dem Arm. Lästerliche Freuden priesen sie, luden uns ein, ihrer gottvergessenen Verderbtheit zu folgen. Hatten die Stirn uns aufzufordern, nur den eigenen Wünschen zu folgen, nur den eigenen Verstand zu gebrauchen. "Es gibt auch ein Leben vor dem Tod" sangen sie. Ich werde lange Buße tun für die Sünden meiner Ohren.

    "...sind nun, da ich Euch dies schreibe, die Mauern der Stadt sturmreif geschossen. Die Truppen sind formiert und empfangen Seinen Segen. So es in Seinem Willen liegt, werden wir uns bald wiedersehen.
    Gelobt sei der Höchste immerdar!"

    "Geben wir ihnen endlich, was ihnen zusteht," lacht unser Scharführer. "Keine Gnade, keine Gefangenen! Merzt die dunkle Brut aus! Sein lachendes Auge über uns allen, meine Brüder!"
    Ein Gedanke kommt mir plötzlich; etwas stimmte nicht, fühlte sich einfach nicht recht an, wollte nicht zusammenpassen, und ehe ich noch begreife was ich tue kommt mir dieser Gedanke schon über die Lippen: "In der Stadt wird es doch sicher auch Aufrechte, treu Gebliebene geben, die noch immer zu dem Einen stehen. Wie sollen wir die von den Abgefallenen unterscheiden?"
    Er wirft mir einen langen Blick zu, derselbe mit dem er sonst auch Homosexuelle oder Beinamputierte bedenkt, dann zuckt er mit den Schultern und lacht wieder. "Bringt alles und jeden um. Der Herr wird die Seinen erkennen."

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Danke für die, äh... Komplettversion oder so, Formorian. ^^

    So gefällt mir die Geschichte auch irgendwie besser, muss ich sagen. Zwei Erzählperspektiven passen hier sehr gut und machen das Ganze noch ein bisschen verständlicher.


    ... und versuchte mich an wirklicher Fantasy. Na ja, ich versuche es halt immer noch, das Lernen wird wohl niemals enden, denke ich .

    Ach ja, das kenne ich. Da hilft nur Üben, üben, üben. Ich übe auch immer noch. :D

  • Als ich begann, diesen Faden zu lesen, vermutete ich eine Geschichte und eine folgende rege Diskussion dazu... Hab mich getäuscht. Allerdings gefällt mir Dein Schreibstil ziemlich gut und Shorties mag ich ja generell sehr gerne.

    Ich möcht Dich deshalb schon jetzt um Verständnis bitten, dass ich mich von vorn durcharbeite, lesetechnisch und komentatös. Weil mehr als ein, zwei Stories aufs Mal verarbeitet mein Denkapparat nicht. Der arbeitet noch teil-mechanisch. :D

    Horror in Grau


    Sehr intressanter Gedankengang, aber mich stört (rein lesetechnisch), dass das Mädel am Empfang erst noch den Chef kontaktiert. Immerhin scheint sie den Feldner und sein Problem bereits zu kennen. Irgendwie erschiene es mir logischer, wenn er reinkäme, die Kleene die Sicherheit ruft, der Chef sich meldet und fragt, was da so trubelt unbd sie dann sagt: "Ach, nur der Feldner schon wieder...". Ist aber nur mein Empfinden.


    Höllenfahrt


    Diese Geschichte bringt mich ins Grübeln. Einerseits scheint auf jener Welt nicht so sehr viel "los" zu sein, wenn bereits ein Unfall mit Todesfolge zu so drastischen Strafen führt. Denn "die Hölle" scheint ja durchaus gefürchtet zu sein. Andererseits scheint wahnwitzig viel zu geschehen, was hölle-würdig ist. Man muss sich ja mal nur die Geburtszahlen auf der Erde vor Augen führen... oder werden wir von mehreren Welten beliefert? Der Gedanke ist aber sehr intressant und würde vielleicht weiterführend erklären, wieso sich einige an ein früheres Leben erinnern...


    (Morgen les ich noch zwei, oder so. Okay?)

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?