Da wir viel über Fantasy schreiben, die zumeist im Mittelalter angesiedelt ist, wollte ich hier einige Hintergrundinformationen über diese Thematik sammeln und mit Vorurteilen aufräumen. Obgleich wir Fantasy schreiben, sollten wir natürlich versuchen, ein möglichst authentisches Bild zu zeichnen. Alles andere verzerrt und wir schreiben unter Umständen unlogischer, als wir eigentlich wollen.
Gut, klar, im Mittelalter war nicht jedes Gebiet gleich hoch entwickelt und die Einteilung in Frühmittelalter, Hochmittelalter und Spätmittelalter ist auch nur grob, aber dennoch weiß jeder, über welche Epoche es sich handelt.
Obwohl...
Es ist zum Beispiel ein weitverbreiteter Irrtum, dass die Menschen im Mittelalter glaubten, die Erde sei eine Scheibe, oder es würden Hexen verbrannt. Tatsächlich wussten sie, dass die Erde eine Kugel sei und sie hatten nur Schwierigkeiten mit der Berechnung ihres Umfangs. Und Hexenverbrennungen sind ein Element aus der Renaissance/Aufklärung. Im Mittelalter vertraten die Kirchen die felsenfeste These, dass es Hexerei nicht gab.
Zudem hatten die Kirchen (auch später) nicht viel mit der Hexenverbrennung zu tun, das fiel unter weltliches Recht. Die Kirche ging nur gegen Ketzer vor.
Wiederum ein korrekter Fakt ist es, den die meisten von uns kennen, dass im Mittelalter 80% der Bevölkerung Bauern war. Diese Zahl bleib weitestgehend konstant bis in die Industralisierung hinein. Mit diesem ersten Beitrag beziehe ich daher hauptsächlich auf diese Gruppe.
Die Bauern hatten tatsächlich ein recht hartes Leben, - während der Aussaat und bei der Ernte. Dann schuftete man von Sonnenauf bis Sonnenuntergang. Den Rest des Jahres, wenn das Saatgut keimte und man ohnehin nichts auf den Feldern zu tun hatte, sah das ganz anders aus. Da hatte man Zeit genug für andere Dinge.
Es gab auch genug Feiertage dafür. Alleine von kirchlicher Seite ist überliefert, dass es Zeiten gab, wo fast jeder dritte Tag arbeitsfrei war, oder nur der halbe Tag gearbeitet werden durfte. Und dazu kamen noch eine ganze Reihe weltlicher Feiertage. Erntedankfest, Sonnenwende etc.
Wobei das nicht nur reine Erholungstage waren, sondern man tatsächlich feierte. Oder man sich auch später mal im Heu vergnügte. Denn prüde waren die Menschen im Mittelalter nicht. Nacktheit war kein Problem.
Denn (auch das war für mich neu) im Mittelalter waren die meisten Menschen relativ reinlich. In allen Städten gab es Badehäuser, die die Oberschicht gerne zweimal täglich besuchte. Sie waren kein Schwimmbad wie wir sie heute kennen, auch keine römischen Thermen, sondern eher ein Haus mit einigen verdammt großen Badezubern, wo man sich mindestens zu viert gemeinsam badete. Ein Element übrigens, was auch durchaus ihren Weg in die Fantasy gefunden hat. Im Spiel "DSA-Satinavs Ketten" schickt man beispielsweise eine Elfe in einem Badezuber, um damit eine Botin eifersüchtig zu machen, um ihr eine Tasche mit Dokumenten zu klauen.
Das trifft ziemlich gut, wie es tatsächlich damals so war. Man badete geschlechtergemischt, je nach Geld/Geschmack ließ man sich Seife oder Kräuteröle ins Wasser geben, oder ließ sich Essen und Trinken zum Badezuber bringen, oder konnte sich auch mit einer Bademagd hinterm Vorhang vergnügen. Auch Prostitution war weit verbreitet und die Menschen im Mittelalter lebten ihre Sexualität weitgehend frei aus, dass ist an zahlreichen Beispielen überliefert. Homosexualität war natürlich untersagt.
Auf den Dorf war es nicht ganz so bequem, aber man badete, wie auch die alten Germanen, fast täglich im nächsten Bach/Fluß/Teich. Falls derlei nicht vorhanden war, begnügte man sich mit dem Brunnen, den jedes Dorf besaß. Männer wuschen sich (wir sind halt pragmatisch) zumeist direkt an der Quelle. Frauen wärmten ihr Wasser hingegen gerne an. Im Winter war es natürlich etwas härter, da dürften auch die Männer wohl das angewärmte Wasser bevorzugt haben.
Wobei das Wasser auch ziemlich sauber war. Unrat durfte nur weit hinter der Dorfgrenze flussabwärts eingespült werden. Wenn die Tierhaltung nicht gewesen wäre, also fast paradisisch.
Naja, oder der Grundherr. Obwohl der natürlich je nach Zeitalter, Reichtum und Menschenschlag völlig verschieden sein konnte. Zwar gab es die Unfreien und Leibeigenen, aber es ist auch Fakt, dass nicht viele flohen. Und das, obwohl die Städte aggressiv damit lockten, dass, wenn man sich ein Jahr und Tag in ihnen aufhielt, man von seinem Grundherrn frei war (sofern er einen nicht fand und zurückforderte).
Natürlich, die Städte brauchten diese Arbeitskräfte, denn dieses Gesetz war der einzige Vorteil, dem sie den Landleben vorraus hatten. Aber soviel besser war es da nicht, denn vorerst war man nur ein Einwohner. Um ein richtiger Bürger (ca 20% der Stadtbevölkerung) zu sein, brauchte man zusätzlich noch Geld, einen Fürsprecher und einen festen Wohnsitz in der Stadt. Falls man das aber alles vorweisen konnte, hatte man alle Möglichkeiten offen.
Das alles sorgte natürlich dafür, dass der Handel blühte. Die Stadtbevölkerung brauchte viel Nahrung, konnte sie aber nicht selbst anbauen. Die Landbevölkerung also da gute Preise erziehlen. Die Landbevölkerung brauchte aber dafür Waren, die sie in den Städten, oder von Wanderhändlern bezogen. Wenn man es geschickt anging, konnte man also einen enormen Reichtum erwirtschaften. Die Fuggers, beispielsweise, schafften es innerhalb von drei Generationen.
Aber zur Landbevölkerung zu gehören, hieß nicht, dass man gleichzeitig arm war. Ein reicher Großbauer lebte allemal besser, als so mancher Ritter in der zugigen Burg. Ein normaler Bauer lebte zumeist besser und gesünder, als ein Tagelöhner in der Stadt, selbst wenn er keinen gemauerten Kamin besaß wie der Großbauer. Okay, die Händler steckten sie alle in die Tasche, klar.
Aber nun zzusammengefasst: Das Dorfleben im Mittelalter war nicht schlecht. Okay, es gab zweimal im Jahr eine echt harte Zeit (Aussaat/Ernte), ansonsten hatte man seinen Spaß, lebte weitgehend gesund und reinlich. Und man musste sich auch nicht von der Stadtbevölkerung verstecken, sofern nicht irgendein Depp einen Krieg anzettelte. Dann wurde man natürlich an der Front verheizt, was aber auch die Stadtbevölkerung treffen konnte. Wie beispielsweise bei der Schlacht um Worringen.
Wie steht es also mit euch. Kennt ihr noch Aspekte des Mittelalters? Dann schreibt sie hier rein.
(Für Waffen und Rüstungen gibt es bereits einen eigenen Thread, den ich hier kein Wasser abgraben will.)