Rückblenden schreiben

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 1.540 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. November 2020 um 16:43) ist von Werluchs.

  • Im Thread für die Forenanthologie, an der gerade gearbeitet wird, habe ich neulich einen Link zu einem Blogeintrag geteilt, der das Schreiben von Rückblenden und dem Einbinden von Informationen aus der Vorvergangenheit einer Geschichte diskutiert. Nun habe den Hinweis bekommen, dass das Thema durchaus von allgemeinem Interesse sein könnte und einen Thread in der Schreibwerkstatt verdient hat. :)

    Zu diesem Blogartikel geht es hier: https://mynextself.com/rueckblenden-schreiben/

    Rückblenden also. Es gibt ja die "Regeln" des Schreibens. Allgemeingültige Leitsätze, an denen sich Schreiber und Autoren orientieren, die gutes Schreiben ausmachen können, und die man auch brechen kann. Manchmal sind Texte gut, gerade weil man eine Regel gebrochen hat. Manchmal täte es einem Text ganz gut, wenn er eine Regel nicht brechen würde.

    Dass man Rückblenden vermeiden sollte, ist eine dieser Regeln. Grundsätzlich würde niemand eine Rückblende vermissen, wenn die Geschichte ohne auskommt. Manchmal ist es aber nötig, Informationen einzubringen, die bspw. Ereignisse von vor der eigentlichen Handlung beschreiben. Um das umzusetzen, hat man durchaus einige Optionen, die man auf den inhaltlichen Kontext seiner Geschichte oder auch auf die Erzählperspektive oder -form abstimmen muss. Hier ein paar Gedanken und Möglichkeiten:

    • Figuren unterhalten sich darüber. Hier muss auch der Kontext stimmen. Wenn sich Figuren völlig aus dem Nichts plötzlich über etwas unterhalten, was für das Verständnis der Erzählung aber essentiell ist, dann kann das schnell unglaubwürdig aussehen. Wenn sich das aber machen lässt, ist das eine gute Option für Geschichten mit personalen Erzählern, die Informationen etablieren wollen, die der Hauptfigur unbekannt sind.
    • Ist die Geschichte eine Nacherzählung oder hat man einen auktorialen Erzähler o.Ä. ist man deutlich freier in seinen Möglichkeiten was die zeitliche Reihenfolge der Erzählung betrifft. Hier muss der Erzähler als Erzählinstanz aber auch für einen roten Faden sorgen, dem der Leser folgen kann. Die Frage ist dann: Warum ist es interessanter, die Geschichte nicht völlig chronologisch zu erzählen?
    • Wenn beide Zeitebenen interessant sind und man regelmäßig von einer zur anderen wechselt, ist es vielleicht sinnvoll, den Wechsel mit einer Leerzeile, oder besser: mit Sternchen o.Ä. den größeren Bruch anzuzeigen. Ein Beispiel dafür wäre das zweite Kapitel in "Number9dream" von David Mitchell. Das Hier-und-jetzt umfasst eine schlaflose Nacht des Protagonisten und die Vergangenheit behandelt seine Kindheit und den Verlust seiner Zwillingsschwester (Ist kein Spoiler, denn ihr Tod ist sehr früh bekannt. Interessant ist wie und warum sie starb und was das für den Protagonisten bedeutet). Beide Zeitebenen kommentieren einander. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man sich keine Gedanken über wechselnde Zeitformen machen muss.
      Meistens sind die Infos, die man dem Leser nachliefern muss, nicht so umfangreich, dass man diese Methode sinnvoll anwenden kann. Es ist wahrscheinlicher, dass das Kapitel oder die Geschichte allgemein extra für diesen Erzählstil designt sind.
    • Unter Umständen lassen sich die nötigen Informationen als wenige Sätze hier und da im Fließtext einstreuen.
    • Hat man innerhalb eines kleineren Abschnittes ein paar Absätze oder eine eigene Szene aus der Vergangenheit, die man aber gerne darstellen möchte, dann lässt sich das auch in den Fließtext integrieren. Die technische Umsetzung sorgt da durchaus für Verwirrung.
      Schreibt man seine Geschichte zufällig im Präsenz, kann man die Rückblende einfach im Präteritum schreiben. Nun hat das Präsenz als hauptsächliche Zeitform seine Vor- und Nachtteile gegenüber dem Präteritum. Nur für ein paar kleine Rückblenden will man wahrscheinlich nicht zu einer Zeitform wechseln, mit der man sich vielleicht nicht wohl fühlt. Schreibt man im Präteritum, wäre die Zeitform für vorher Vergangenes das Plusquamperfekt (PQP). PQP erfordert aber in fast jedem Satz die Hilfsverben "war" und "hatte". Nach ein, zwei Sätzen liest sich ein Absatz im PQP einfach ätzend. Es gibt aber eine legitime Möglichkeit, das zu umgehen:

      Man leitet die Rückblende mit einem Satz im PQP ein, damit der Leser weiß, dass nun aus der Vorvergangenheit erzählt wird.
      Beispiel: "Kunibert erinnerte sich noch daran, wie ihm sein erster Zwergdrache geschenkt worden war. Es war an einem kalten Herbsttag gewesen und kaum etwas hatte ihn jemals so glücklich gemacht."
      Und dann springt man einfach dreist ins Präteritum zurück. Will man danach zurück ins Hier-und-jetzt wechseln, zeigt man das wieder mit ein paar Sätzen PQP an. Das ist tatsächlich legitim und wird schon lange in der Literatur so gemacht. Es lässt sich flüssig gestalten und erspart einem das lästige PQP. Sieht wie Schummeln aus, oder? Ich war auch erstaunt.

    Ich persönlich war sehr beeindruckt, als ich den letzten Punkt begriffen und dann tatsächlich in Büchern angewendet gesehen habe.
    Hattet ihr schon mal Probleme, Informationen nachzuliefern? Oder habt ihr auch schon ewig mit dem PQP gerungen und euch gefragt, wie zum Teufel man so eine Rückblende schreibt? Was denkt ihr? Habe ich vielleicht etwas vergessen?

    Häupter auf meine Asche!

  • Grundsätzlich würde niemand eine Rückblende vermissen, wenn die Geschichte ohne auskommt.

    Ich mag ja Komplexitaet, und Rueckblenden ermoeglichen eine sehr viel schoenere Art manche Themen zu erzaehlen. Zum Beispiel der Held der mehrmals in seinem Leben vor der gleichen Herausforderung auf anderen Ebenenen steht und sie dann anders meistert.

    Natuerlich kann man das linear erzaehlen und in der Kindheit des Helden mit einer Konfrontation mit anderen Kids anfangen - aber eleganter ist es doch, die eigentliche Geschichte zu erzaehlen und sich ihn dann vor dem naechsten Mal an die Vergangenheit erinnern lassen.

    Ich weiss nicht wie's anderen geht, aber ich verbringe recht viel Zeit damit mich an Dinge die schon passiert sind zu erinnern, und meine Protagonisten tun das natuerlich auch und ordnen das neue im Kontext des Alten.

    Also - ich kann dem Satz so nicht zustimmen - Rueckblenden geben viel mehr Moeglichkeiten eine Geschichte zu strukturieren als eine lineare Erzaehlung das tun kann. Wie jedes Werkzeug sollten sie halt sinnvoll eingesetzt sein und nicht zur Manier werden...

    Manchmal ist es aber nötig, Informationen einzubringen, die bspw. Ereignisse von vor der eigentlichen Handlung beschreiben.

    Das finde ich zwei paar Stiefel - dass man Hintergrundinfo braucht ist ja ein generelles Problem in der Fantasy - woher soll der Leser sonst wissen welche Farbe die Sonne hat, was ein Elgo ist, wie gross ein Lithpica sein soll oder ob Gandalf jetzt Angst vor einem Balrog haben sollte oder nicht?

    Persoenlich mag ich ja einen Film-artigen Erzaehlstil - primaer Passagen die 'in Realzeit' ablaufen, unterbrochen von harten Schnitten, wenig Zusammenfassungen ala die naechsten drei Wochen reisten sie durch Faldinia, wurden von Banditen ueberfallen, uebernachteten in Dorfherbergen und wurden gruendlich nass als es zu regnen anfing - solche Passagen langweilen mich ziemlich wenn sie laenger werden, und die kann man meiner Meinung nach getrost weglassen.

    Das bedeutet aber dass ich - nachdem ich eh' Schnitte mit *** zwischen den Szenen habe - ich auch eine Rueckblende einfach (ohne Warnung:D ) nach einem Schnitt machen kann wenn erforderlich. Das gibt dann den Eindruck von zwei Straengen, und der Leser merkt erst allmaehlich dass einer die Vergangenheit des anderen ist (man darf Lesern schon ein bisschen geistige Arbeit abverlangen finde ich, damit kommen die schon klar).

    Oder ich folge eben dem inneren Monolog eines Charakters und lasse den Leser an seinen Gedanken und Erinnerungen teilhaben - das geht primaer wenn's kuerzer ist.

    Generell finde ich's ein schoenes und wichtiges Werkzeug - eben weil Menschen die Dinge im jetzt viel im Kontext ihrer vergangenen Erfahrungen einordnen.

  • Ja, Thorsten , das sind viele gute Denkanstöße. :D

    Also - ich kann dem Satz so nicht zustimmen - Rueckblenden geben viel mehr Moeglichkeiten eine Geschichte zu strukturieren als eine lineare Erzaehlung das tun kann. Wie jedes Werkzeug sollten sie halt sinnvoll eingesetzt sein und nicht zur Manier werden...

    Ich sehe das schon mehr als eine "Regel", nicht als Gesetz oder sonst irgendwas Unumstößliches. Für einen werdenden Autoren ist es wahrscheinlich sinnvoll, erstmal linear erzählen zu können, statt mit Rückblenden um sich zu werfen, wo sie nicht sinnvoll sind. Wenn man das aber kann, dann sind sie ein sehr hilfreiches Werkzeug, absolut!

    Ich habe ein Buch im Regal zu stehen, das eine Familiengeschichte enthält, die von einer Person nacherzählt wird. Es wird nicht chronologisch erzählt und immer mal die Zeitebene gewechselt: Die Kindheit der Kinder, die Kindheit der Eltern, und die Ereignisse, die alles wieder gerade rücken. Die Geschichte wird also nicht chronologisch strukturiert, sondern so, wie sie am interessantesten ist. Dafür werden Informationen sehr bewusst an den Leser gegeben oder zurückgehalten. Sowas muss man erstmal können.

    Das finde ich zwei paar Stiefel - dass man Hintergrundinfo braucht ist ja ein generelles Problem in der Fantasy - woher soll der Leser sonst wissen welche Farbe die Sonne hat, was ein Elgo ist, wie gross ein Lithpica sein soll oder ob Gandalf jetzt Angst vor einem Balrog haben sollte oder nicht?

    Ich gebe zu, manchmal vergesse ich, dass unser Forum "Fantasy" im Namen hat. :D Mit den nachgelieferten Informationen meinte ich wirklich vergangene Ereignisse, die man in einem chronologischen Hier-und-jetzt nicht mehr einbringen kann. Worldbuilding und das Einbringen der nötigen Informationen für den Leser sind nochmal eine ganz andere Kiste, die besonders in unserem Genre eine Herausforderung sein kann, ja.

    Das bedeutet aber dass ich - nachdem ich eh' Schnitte mit *** zwischen den Szenen habe - ich auch eine Rueckblende einfach (ohne Warnung :D ) nach einem Schnitt machen kann wenn erforderlich. Das gibt dann den Eindruck von zwei Straengen, und der Leser merkt erst allmaehlich dass einer die Vergangenheit des anderen ist (man darf Lesern schon ein bisschen geistige Arbeit abverlangen finde ich, damit kommen die schon klar).

    Ja, das wäre dann ein gut durchdachtes Erzählkonzept mit zwei Zeitebenen. :hmm: Ein bisschen anders als eine einfache Rückblende finde ich das schon.

    Generell finde ich's ein schoenes und wichtiges Werkzeug - eben weil Menschen die Dinge im jetzt viel im Kontext ihrer vergangenen Erfahrungen einordnen.

    Amen.

    Häupter auf meine Asche!

    • Offizieller Beitrag

    Ich mag ja Komplexitaet, und Rueckblenden ermoeglichen eine sehr viel schoenere Art manche Themen zu erzaehlen. Zum Beispiel der Held der mehrmals in seinem Leben vor der gleichen Herausforderung auf anderen Ebenenen steht und sie dann anders meistert.

    Ja, das sehe ich auch so. Vielleicht auch der Grund, warum ich selber versuche das so anzugehen.

    Aber abseits der persönlichen Vergangenheit, hat man in der Fantasy ja noch viiiiiiiieeeeeel mehr zu erzählen, was aber alles schon passiert ist.

    Das finde ich zwei paar Stiefel - dass man Hintergrundinfo braucht ist ja ein generelles Problem in der Fantasy - woher soll der Leser sonst wissen welche Farbe die Sonne hat, was ein Elgo ist, wie gross ein Lithpica sein soll oder ob Gandalf jetzt Angst vor einem Balrog haben sollte oder nicht?

    Zum einen sowas hier.

    Aber auch Historie. Aus unserer Welt kennen wir natürlich schon einiges von dem, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Ob wir nun aktiv nachgeforscht haben oder weil man es über die Jahre halt einfach mitbekommen oder sogar selbst erlebt hat.

    In einer Geshcichte über eine fremde Welt fällt all das natürlich weg.

    Und dann muss man schauen (wenn man eine solche Fülle in seienr Geschichte hat), wie man die Informationen an den Mann bekommt.

    Das bedeutet aber dass ich - nachdem ich eh' Schnitte mit *** zwischen den Szenen habe - ich auch eine Rueckblende einfach (ohne Warnung :D ) nach einem Schnitt machen kann wenn erforderlich. Das gibt dann den Eindruck von zwei Straengen, und der Leser merkt erst allmaehlich dass einer die Vergangenheit des anderen ist (man darf Lesern schon ein bisschen geistige Arbeit abverlangen finde ich, damit kommen die schon klar).

    ja, das kann an natürlich auch machen. Es gibt ja zig verschiedene Spielereien, die man mit etlinien anstellen kann :D


    Oder ich folge eben dem inneren Monolog eines Charakters und lasse den Leser an seinen Gedanken und Erinnerungen teilhaben - das geht primaer wenn's kuerzer ist.

    Außerdem mag ich diese Form, weil letztendlich ist es auch nur eine gezählte Geshcichte. Ob der Dude, der da gerade von Schlacht X berichtet wirklcih die Wahrheit sagt, weiß der Leser ja erstmal nicht. Vielleicht ist es auch einfach nur das, was sich alle erzählen und durch hunderte maligem weitererzählen schon lange an Wahrheit eingebußt hat.

  • Also für mich gibt es in der Schriftstellerei keine festen Regeln und schon gar keine Gesetze. Es gibt eher Hinweise wie man etwas gut macht und wann man diese Hinweise auch mal Ignorieren sollte. Von daher würde ich nicht sagen, vermeide Rückblicke. Sondern, wie werden Rückblicke gut.

    Was das Chronologische schreiben der kompletten Vorgeschichte angeht: Ich hasse es erst mal Biografien der Protas lesen zu müssen und mache es auch nicht, das gilt für alle Biografien egal ob in Tabellen oder Textform. Im günstigsten Fall überspringe ich die Biografiekapitel und im ungünstigen Fall breche ich die Geschichte ab. Da sind ein paar gut gewählte Rückblicke besser.

    Außerdem eignen sich Rückblicke gut um eine Lebendige Szene aufleben zu lassen, was in einer Unterhaltung nur schwer möglich ist. Was nicht heißt, dass die Variante der Unterhaltung schlecht ist, die hat genauso ihre Berechtigung.

    lg Werluchs