Im Thread für die Forenanthologie, an der gerade gearbeitet wird, habe ich neulich einen Link zu einem Blogeintrag geteilt, der das Schreiben von Rückblenden und dem Einbinden von Informationen aus der Vorvergangenheit einer Geschichte diskutiert. Nun habe den Hinweis bekommen, dass das Thema durchaus von allgemeinem Interesse sein könnte und einen Thread in der Schreibwerkstatt verdient hat.
Zu diesem Blogartikel geht es hier: https://mynextself.com/rueckblenden-schreiben/
Rückblenden also. Es gibt ja die "Regeln" des Schreibens. Allgemeingültige Leitsätze, an denen sich Schreiber und Autoren orientieren, die gutes Schreiben ausmachen können, und die man auch brechen kann. Manchmal sind Texte gut, gerade weil man eine Regel gebrochen hat. Manchmal täte es einem Text ganz gut, wenn er eine Regel nicht brechen würde.
Dass man Rückblenden vermeiden sollte, ist eine dieser Regeln. Grundsätzlich würde niemand eine Rückblende vermissen, wenn die Geschichte ohne auskommt. Manchmal ist es aber nötig, Informationen einzubringen, die bspw. Ereignisse von vor der eigentlichen Handlung beschreiben. Um das umzusetzen, hat man durchaus einige Optionen, die man auf den inhaltlichen Kontext seiner Geschichte oder auch auf die Erzählperspektive oder -form abstimmen muss. Hier ein paar Gedanken und Möglichkeiten:
- Figuren unterhalten sich darüber. Hier muss auch der Kontext stimmen. Wenn sich Figuren völlig aus dem Nichts plötzlich über etwas unterhalten, was für das Verständnis der Erzählung aber essentiell ist, dann kann das schnell unglaubwürdig aussehen. Wenn sich das aber machen lässt, ist das eine gute Option für Geschichten mit personalen Erzählern, die Informationen etablieren wollen, die der Hauptfigur unbekannt sind.
- Ist die Geschichte eine Nacherzählung oder hat man einen auktorialen Erzähler o.Ä. ist man deutlich freier in seinen Möglichkeiten was die zeitliche Reihenfolge der Erzählung betrifft. Hier muss der Erzähler als Erzählinstanz aber auch für einen roten Faden sorgen, dem der Leser folgen kann. Die Frage ist dann: Warum ist es interessanter, die Geschichte nicht völlig chronologisch zu erzählen?
- Wenn beide Zeitebenen interessant sind und man regelmäßig von einer zur anderen wechselt, ist es vielleicht sinnvoll, den Wechsel mit einer Leerzeile, oder besser: mit Sternchen o.Ä. den größeren Bruch anzuzeigen. Ein Beispiel dafür wäre das zweite Kapitel in "Number9dream" von David Mitchell. Das Hier-und-jetzt umfasst eine schlaflose Nacht des Protagonisten und die Vergangenheit behandelt seine Kindheit und den Verlust seiner Zwillingsschwester (Ist kein Spoiler, denn ihr Tod ist sehr früh bekannt. Interessant ist wie und warum sie starb und was das für den Protagonisten bedeutet). Beide Zeitebenen kommentieren einander. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man sich keine Gedanken über wechselnde Zeitformen machen muss.
Meistens sind die Infos, die man dem Leser nachliefern muss, nicht so umfangreich, dass man diese Methode sinnvoll anwenden kann. Es ist wahrscheinlicher, dass das Kapitel oder die Geschichte allgemein extra für diesen Erzählstil designt sind. - Unter Umständen lassen sich die nötigen Informationen als wenige Sätze hier und da im Fließtext einstreuen.
- Hat man innerhalb eines kleineren Abschnittes ein paar Absätze oder eine eigene Szene aus der Vergangenheit, die man aber gerne darstellen möchte, dann lässt sich das auch in den Fließtext integrieren. Die technische Umsetzung sorgt da durchaus für Verwirrung.
Schreibt man seine Geschichte zufällig im Präsenz, kann man die Rückblende einfach im Präteritum schreiben. Nun hat das Präsenz als hauptsächliche Zeitform seine Vor- und Nachtteile gegenüber dem Präteritum. Nur für ein paar kleine Rückblenden will man wahrscheinlich nicht zu einer Zeitform wechseln, mit der man sich vielleicht nicht wohl fühlt. Schreibt man im Präteritum, wäre die Zeitform für vorher Vergangenes das Plusquamperfekt (PQP). PQP erfordert aber in fast jedem Satz die Hilfsverben "war" und "hatte". Nach ein, zwei Sätzen liest sich ein Absatz im PQP einfach ätzend. Es gibt aber eine legitime Möglichkeit, das zu umgehen:
Man leitet die Rückblende mit einem Satz im PQP ein, damit der Leser weiß, dass nun aus der Vorvergangenheit erzählt wird.
Beispiel: "Kunibert erinnerte sich noch daran, wie ihm sein erster Zwergdrache geschenkt worden war. Es war an einem kalten Herbsttag gewesen und kaum etwas hatte ihn jemals so glücklich gemacht."
Und dann springt man einfach dreist ins Präteritum zurück. Will man danach zurück ins Hier-und-jetzt wechseln, zeigt man das wieder mit ein paar Sätzen PQP an. Das ist tatsächlich legitim und wird schon lange in der Literatur so gemacht. Es lässt sich flüssig gestalten und erspart einem das lästige PQP. Sieht wie Schummeln aus, oder? Ich war auch erstaunt.
Ich persönlich war sehr beeindruckt, als ich den letzten Punkt begriffen und dann tatsächlich in Büchern angewendet gesehen habe.
Hattet ihr schon mal Probleme, Informationen nachzuliefern? Oder habt ihr auch schon ewig mit dem PQP gerungen und euch gefragt, wie zum Teufel man so eine Rückblende schreibt? Was denkt ihr? Habe ich vielleicht etwas vergessen?