Hey,
in einem plötzlichen Anfall von Kreativität, hervorgegangen aus qualvoll zehrender Langeweile, habe ich mal diesen Text geschrieben. Ich hatte herrlich viel Spaß dabei und hoffe, daraus ist etwas einigermaßen unterhaltsames entstanden.
Eine Orkhorde vor den Toren
Mephistophelus Tenebraeus saß in einem bequemen Sessel, dessen Polsterung ihn geradezu zu verschlingen schien, hinter seinem imposanten Schreibtisch und spitzte Bleistifte an. Der Fürst der Finsternis, Bringer von Schrecken und Zerstörung und CEO des Unternehmens Drachen, Dunkelheit und Dungeon AG pflegte diesen Prozess zu seiner Hauptbeschäftigung zu machen. Er steckte die stumpfen Stifte in die Öffnung seines Anspitzers, einen sehr teuren und modernen Apparat, welcher mehrere abgerichtete Spechte enthalten mochte, welche die Mine des Schreibwerkzeuges von ihrer hölzernen Hülle befreiten. Ein fantastisches Gerät, das jedoch einiger Pflege bedurfte, denn Mephistophelus Tenebraeus hatte feststellen müssen, dass Spechte sich nicht ausschließlich von Holzspänen zu ernährten.
Sein Blick der unergründlichen, brennenden Boshaftigkeit streifte einen Trinkpokal, welcher umgedreht an der rechten Kante seines Schreibtischs stand. Eine Schnur führte vom Pokal zur Decke empor, wo sie zwischen den Dielen verschwand.
Seine rechte Hand, der Ritter der Finsternis, die Schwinge des Chaos Sir Alfi hatte ihm diese seltsame Vorrichtung organisiert.
„Zum Zwecke einer reibungslosen, innerbetrieblichen Kommunikation in Rekordzeit!“, hatte er damals begeistert mitgeteilt.
Mephistophelus Tenebraeus hatte sich hingegen – nicht zum ersten Mal – gefragt warum Sir Alfi überhaupt des Sprechens mächtig war, den Otter pflegten normalerweise nicht zu sprechen. Man hatte ihn zwar über die Zunft der sprechenden Tiere aufgeklärt, doch ihn hatte dies nur verwundert, denn in seiner Jugendzeit hatte es derartiges nie gegeben. Zumindest glaubte er das.
Noch war keine Heldensaison, doch normalerweise gab es während dieser Ruhephasen in der Dungeon-Branche eine Menge zu tun. Verträge liefen aus, neue Marketingkonzepte mussten erdacht werden, Sammelbestellungen von Heiltränken mussten aufgegeben werden, damit sie in Fässern verstaut werden konnten. Diese mussten ihrerseits auf den Korridoren schön platziert werden, damit die Abenteurer geradezu über sie stolperten und so weiter und so fort.
Er hatte für diesen Zweck extra Gutscheine und Coupons der Alchemisten-Gilde gesammelt, um Rabatte auf die Tränke zu bekommen. Seine Schubladen quollen geradezu über vor Coupons, Gutscheinen, Rechnungen (manche persönlicher Natur und noch unbezahlt), des weiteren Einschreiben und Bewerbungen. Manche davon waren bereits mehrere hundert Jahre alt, aus einer Zeit als die meisten Dungeons noch nicht an der Gnombörse notiert waren und keine gewinnorientierten Großkapitalisten der Geschäftsleitung auf die Dächer stiegen.
Gut, dass diese Zeiten vorbei waren. Nichts erfreute Mephistophelus Tenebraeus so sehr, wie das Steigen seines Börsenkurses.
Wie dem auch sei, er genoss den Moment der Ruhe, indem er Bleistifte anspitzte. Doch ihm kam es nun so vor als sei es zu ruhig. Mit jeder Sekunde die verstrich wuchs in ihm die Sorge, auf ein gewaltiges Problem zuzusteuern. Irgendetwas braute sich zusammen.
Plötzlich zog es an der Schnur. Mit einer Mischung aus Vorsicht und neugieriger Erwartung ergriff er den Pokal und hielt ihn an sein zerkautes, grässliches, pechschwarzes Ohr. Sir Alfis Stimme ertönte:
„Notfall, ein Notfall, Alarmstufe Grün, die Orks haben sich zu einer Gewerkschaft zusammengeschlossen und den Streikzustand ausgerufen!“
„Gewerkschaft?“ Für eine Stimmer aus unglaublicher Bösartigkeit, die Generationen von Helden in die Flucht geschlagen hatte, klang die Mephistophelus Tenebraeus äußerst verwundert.
„Aye, sie weigern sich, sich weiterhin von Helden abschlachten zu lassen.“
„Dafür haben wir doch die Wiederbelebungszauber.“
„Aye, aber sie scheinen weniger den Akt des Sterbens selbst problematisch zu finden, als vielmehr die Tatsache, dass sie diesen Prozess – saisonal bedingt – mehrmals täglich durchlaufen müssen.“
„Dann stuft sie doch einfach in die Kategorie Untote, die können das aushalten. Oder haben die Untoten auch eine Gewerkschaft gegründet?“
„Negativ, allerdings gebe ich zu bedenken, dass ein guter Dungeon-Betrieb, der, wie unserer, mit Einsteigerfreundlichkeit wirbt, eine Orkquote von mindestens 50% aufweisen sollte.“
„Was?“
„Hat die Marketing-Abteilung herausgefunden.“
„Wie wäre es mit Spinnen?“
„Erinnern sie sich noch was letztes Mal passiert ist, als wir große Mengen an Spinnen eingesetzt haben?“
Mephistophelus Tenebraeus schauderte, damals hatten Spinnennetze nicht nur die Dungeon-Pfade, sondern auch die Rückzugsräume der Angestellten verklebt, um von dem Fiasko in den Toiletten gar nicht erst anzufangen.
„Spinnen sind schlecht für die Arbeitsmoral.“
„Aye, Boss.“
„Halten Sie durch, ich komme. Sind sie bei den Ork-Quatieren?“
„Negativ, die Orks haben sich an den Toren versammelt, sie schwenken Fahnen und Plakate. Beeilen Sie sich, hier wird es langsam eng und soeben haben sie den ersten Streikbrecher entlang der Wirbelsäule gespalten.“
Die Orks hatten sich vor den Eingangstoren versammelt. Glücklicherweise war Montag und keine Saison, also war kaum mit Abenteuerlustigen zu rechnen. Es wäre sonst eine PR-technische Katastrophe, wenn die Anfänger-Helden es mit mehr als fünf Orks gleichzeitig zu tun bekämen und das auch noch bevor sie den Dungeon überhaupt betreten hätten.
Mephistophelus Tenebraeus seufzte als er die Meute sah. Auf ihren Schildern hatten sie mit roter Farbe wütende Orkgesichter gezeichnet und hielten sie an ihren Speeren in die Höhe, während sie dazu unartikulierte Laute von sich gaben. Er vermutete, dass es sich bei der Farbe um Blut handelte.
„Wer ist hier der Anführer?“, fragte er Sir Alfi, der gerade alle Otterpfoten voll damit zu tun hatte einige besonders eifrige Orks davon abzuhalten, die ideologisch weniger sattelfesteren zu verspeisen.
„Ich glaube es ist der mit den großen Hauern… Nein, aus! lass ihn gehen, er ist doch auf eurer Seite! … es ist der, der Aussieht als wäre sein Vater ein Mammut gewesen …. Nein! an dem sind doch nur Haut und Knochen!“
Händeringend versuchte Alfi den Kopf eines Orks aus dem gewaltigen Gebiss eines anderen zu befreien und scheiterte kläglich. Ein Otter, selbst ein sprechender, hat einem Ork eben nichts entgegenzusetzen. Nun ja, wofür hatte man den Wiederbelebungszauber?
„Verstehe“, grollte Mephistophelus Tenebraeus, doch die dezente, bedrohliche Nuance seiner Stimme, ging in dem Pandämonium der Orkstimmen völlig unter.
Er versuchte es nun mit Handzeichen – was wiederum gar nicht bedrohlich und diabolisch aussah – um den, von Alfi beschriebenen, Ork herzubeordern.
Schlurfend bahnte sich das grüne Ungetüm einen Weg durch die Masse. Mephistophelus Tenebraeus musste feststellen, dass seine Hauer wirklich beachtlich waren. Der Ork hinter den Hauern war jedoch nicht minder gewaltig: Groß, grün, muskelbepackt und vernarbt, wie man sich einen schönen, großen Ork eben vorstellte.
Als die Distanz soweit geschrumpft war, dass sie sich gegenseitig verstehen konnten, setzte Mephistophelus Tenebraeus an. Doch ehe er auch nur ein Ton herausbringen konnte, begann der Ork bereits polternd: „Nur eine vollkommene Zustimmung zu unseren Forderungen wird akzeptiert.“
Mephistophelus Tenebraeus stutzte, es war das erste Mal, dass er einen Ork einen ganzen Satz hatte sprechen hören.
„Verzeihen Sie, war Ihr Vater ein Mammut?“
Anders konnte Mephistophelus Tenebraeus sich den scheinbaren Intelligenzgrad seines Gegenübers nicht erklären.
Der Ork schien nicht gerade amüsiert: „Nein, ich bin Vollork! Und als Angestellter in einem Dungeon auch Vollzeitschauspieler. Wer würde Orks als Einsteigerkreaturen einstellen, wenn sie wüssten, dass wir unsere Namen buchstabieren können?“
„Namen?“, selten klang Mephistophelus Tenebraeus´ Stimme so überrascht, wie in diesem Moment.
Der Ork grunzte nur verächtlich und brachte dann eine Aufzählung der Forderungen vor. Genaugenommen waren es nur zwei Punkte:
„Wir fordern, eine Anhebung des Schwierigkeitsgrades. Wir wollen auch mal gewinnen und sind es Müde uns von blutigen Anfänger verhauen zu lassen. Des weiteren wollen wir Urlaub! Ich habe meine Familie seit Jahren nicht gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt noch leben, oder ob sie von mordwütigen Abenteurern, wegen ein paar Goldmünzen oder gut gefertigter Schuhe, niedergemacht wurden.“
Mephistophelus Tenebraeus nickte bedächtig und in seinem diabolisch, abgründig bösem Hirn, nahm bereits ein Plan gestalt an. Ein Plan so bösartig, wie er nur sein konnte und es gab nur eine Gruppe, die skrupellos genug war, um ihn umzusetzen.
Er winkte Sir Alfi heran und befahl ihm: „Kontaktieren Sie die PR-Abteilung, ich habe eine Pressemitteilung für sie.“
Nun nach reiflichen Beratungen und Überlegungen hat die Geschäftsleitung der Drachen, Dunkelheit und Dungeon AG Beschlossen, die langwierig angestrebte Aufstufung zum Dungeon für Fortgeschrittene zu vollziehen. Dies sei ein langfristiges Projekt, welches nun die Konzeptionsphase überstanden habe und noch vor der nächsten Heldensaison umgesetzt werden soll.
„Wir haben den Markt lange Zeit sondiert und haben uns mit den Aktionären gemeinsam für diesen Schritt entschlossen“, so der Geschäftsführer Mephistophelus Tenebraeus.
Damit würde die Drachen, Dunkelheit und Dungeon AG Nicht länger als Einsteiger-Dungeon gelten und Mephistophelus Tenebraeus verspricht persönlich, der neuen Zielgruppe ein rundum sorgloses, genau im richtigen Maße herausforderndes, Dungeon-Erlebnis.
Um weiterhin vorausschauend im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit zu handeln, gewährt Mephistophelus Tenebraeus seinen Mitarbeitern zwei Urlaubstage, zwischen den Saisons. Er lege es der Konkurrenz nahe, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, denn die herkömmlichen Arbeitsbedingungen in der Dungeon-Branche seien aus sozialer Sicht nicht länger tragbar.
Es ist wirklich bemerkenswert, wie mutig und progressiv die Geschäftsleitung von Drachen, Dunkelheit und Dungeon AG sich dieser Tage verhält.