Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 3.324 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. April 2021 um 17:40) ist von AFG.

  • Die Geschichte ist mir neulich eingefallen, nachdem ich hier irgendwo einen Post über ein Gesrpäch mit Kollegen (?) zum Thema Abtreibung gelesen habe. Ich möchte hier wirklich keine Grundsatzdiskussion anzetteln, aber ich wollte es trotzdem gerne mit euch teilen, zumal es das erste ist, was ich seit einige Zeit wirklich zu Papir gebracht habe. Würde mich besonders interessieren, was ihr von dem Dialog haltet (der ja eigentlich eher ein Monolog ist) und ob das Gefühl der Geschichte gut rüber kommt.

    Ganz liebe Grüße

    Ondine


    Roborakel


    Die Luft triefte vom künstlichen Geruch nach Veilchen, der sich bemühte, den beißenden Gestank des Desinfektionsmittels zu überdecken. Sam saß in dem makellosen Wartezimmer der Behörde und hoffte, die Zeit würde schneller vergehen. Sie war allein. An der Wand vor ihr war der obligatorische Bildschirm angebracht, über den die immer gleichen Bilder hinweg flackerten. Sam versuchte nicht hinzusehen, doch ihre Augen fanden immer wieder den Weg zurück. Gerade war es eine Sequenz zweier Türme, die umhüllt von Rauch und Staub in sich selbst zusammensackten. Sie sah, wie ein zweites Flugzeug einschlug, als ob es ihren Untergang endgültig besiegeln wollte. Als nächstes eine Menschenmenge, in der plötzlich Schüsse fielen. Leute rissen einander zu Boden, im Versuch zu fliehen, bis sie schließlich doch von einer Kugel getroffen wurden und auf den harten Asphalt aufschlugen. Blut spritzte. Das nächste Bild zeigte ein junges Mädchen in ihrem Zimmer. Ihre Füße berührten den Boden nicht, der Strick war an ihrer Deckenlampe angebracht, traurige Stofftiere sahen zu ihr auf. Sie sah alte Menschen am Straßenrand, in umgekippten Glasflaschen und ihrem eigenen Dreck schlafend. Junge Menschen, die Skeletten glichen, mit Nadeln im Ansatz. Schreiende Kinder, misshandelte Frauen, Tod, Leid, Zerstörung.

    Dann endlich, Sam hatte das Gefühl, sie hätte nicht noch ein weiteres dieser Bilder ertragen können, ohne zu schreien, erschien das Logo. Das stilisierte Auge in der Glaskugel erschien wie ein Anker in einem Meer aus Hoffnungslosigkeit. Roborakel. Unmerklich atmete Sam auf.

    LEID UND ELEND SIND VERGANGENHEIT!

    Der Slogan blieb etwas zu lang auf dem Bildschirm hängen, gerade so, dass er sich in aller Ruhe in die Herzen der Menschen einbrennen konnte. Bilder von lachenden Kindern folgten, alte Menschen am Strand, eine junge Frau, die ihrem Mann in die Arme viel, eine strahlende Schwangere.

    DU TRÄGST DIE ZUKUNFT IN DIR!

    Wieder liefen die Bilder durch, diesmal in atemberaubender Geschwindigkeit. Tod und Zerstörung gefolgt von unglaublichem Glück.

    SCHON HEUTE VERANTWOTUNG ÜBERNEHMEN, FÜR EIN BESSERES MORGEN. ES LIEGT AN DIR.

    Das Logo erschien, der Spuk war vorbei. Zumindest bis sich die ewige Schleife aus Angst und Hoffnung in ein paar Minuten wiederholen würde.

    Sam strich sanft über ihren gewölbten Bauch. Sie wollte nur weg von hier, wollte diesen Ort so schnell wie möglich hinter sich lassen. Gerade schloss sie die Augen und versuchte sich vorzustellen, sie säße daheim auf ihrer kleinen Veranda, als ein leises Sirren zu ihrer Rechten verriet, dass die Tür zum Besprechungszimmer aufglitt.

    „Samantha Black?“

    Ihr Herz machte einen Satz und begann zu rasen. So gut es ging wischte den kühlen Schweiß ihrer Hände an der Hose ab und betrat langsam das Büro. Hinter ihr glitt die Tür wieder in ihr Schloss.

    „Mrs. Black, setzen Sie sich bitte.“ Die Stimme des Beamten war glatt und poliert, ebenso wie die spiegelnde Glatze und die winzigen Brillengläser.

    Zögerlich ließ Sam sich auf einem der beiden Besucherstühle vor seinem Schreibtisch nieder. Mr. O. Johnson, war in ein kleines Täfelchen an seiner Brust graviert.

    Johnson tippte noch einige Dinge in sein Visi-Pad ein, das durchsichtig vor ihm schwebte. Sam knetete unruhig ihre Hände. Der einzige Schmuck im weißen Raume war das Roborakel Logo hinter Johnsons Schreibtisch, Staatliche Behörde für Lebens- und Fortpflanzungsangelegenheiten, stand direkt darunter in bronzenen Lettern.

    „Also, Mrs. Black“, begann Johnson und schob das Visi-Pad beiseite, um sie besser sehen zu können. „Ich habe Sie hierher bestellen lassen, weil noch einige Dinge bezüglich ihres Fortpflanzungsversuchs zu klären sind. Wir haben selbstverständlich alle Daten mit Roborakel auswerten lassen und einige der Ergebnisse bedürfen unserer Meinung nach noch eines kleinen Gesprächs. Ich sehe, Mr. Black ist nicht mitgekommen?“

    „Nein, er ist heute leider verhindert“, murmelte Sam.

    Johnson seufzte sichtlich genervt. „Nun, dann müssen wir zwei das wohl alleine klären.“

    Er wedelte mit dem Arm durch die Luft und das Visi-Pad erschien wieder zwischen ihnen. Diesmal teilte er seine Ansicht, so dass auch Sam etwas erkennen konnte.

    „Also, wie Sie hier sehen, ist bei den physischen Aspekten der Kindheit soweit alles in Ordnung. Roborakel hat erkannt, dass der Fortpflanzungsversuch Sommersprossen entwickeln wird, was natürlich einige Punkte Abzug gegeben hat, aber dann und das sehen sie hier ganz genau in den Daten, es gibt keinen Zweifel, wird er an Gewicht zulegen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird er während der High-School erhebliche Probleme in Mathematik und Chemie haben. Was das bedeutet, muss ich ihnen ja wohl nicht erklären?“ Er verminderte die Deckkraft des Visi-Pads und musterte Sam mit hochgezogenen Augenbrauen. In Sams Kopf drehten sich die Zahlen und Statistiken, die sie soeben zu ihrem ungeborenen Kind gesehen hatte. Hilflos suchte sie in Johnsons kritischem Blick nach Erklärungen. Dieser schüttelte den Kopf und seufzte.

    „Es bedeutet“, fuhr er langsam und überdeutlich fort, als müsste er es einer Fünfjährigen erklären, „dass Ihr Fortpflanzungsversuch sich für Literatur interessieren wird. Jawohl! Und das führt bekanntlich zu allerlei Problemen. Allein hier sehen sie die vergeudete Zeit, die das Roborakel für die Zeit auf der Highschool bestimmt hat! Ganz zu schweigen davon, dass es Bücher auf Papier bevorzugen wird, und sie regelmäßig auf dem Schwarzmarkt wird besorgen müssen. Papier, Mrs. Black! Ich hoffe, Sie sind sich des ökologischen und sozialen Schadens bewusst, den Ihr Fortpflanzungsversuch damit anrichten wird! Und das ist noch nicht alles.“ Johnson holte tief Luft, als müsse er sich für das Kommende wappnen.

    „Da es Schriftsteller werden wird“, er spie das Wort förmlich aus, „wird es dem Alkoholkonsum verfallen. Ebenfalls vom Schwarzmarkt, versteht sich. Sie haben Glück, dass es nicht allzu ausgeprägt ist, sonst bräuchten wir dieses Gespräch gar nicht zu führen.“ Er schnaubte entrüstet und seine wulstigen Lippen flatterten.

    In Sams Kopf drehten sich die Worte des Beamten, vermischten sich mit den Zahlen und Daten, ergaben keinen Sinn. Sie wollte etwas erwidern, doch ihre Zunge konnte die Worte nicht finden.

    „Aber… Sie wissen all das aus einm Abtrich?“, flüsterte sie schließlich mit erstickter Stimme.

    „Mrs. Black, jetzt muss ich Sie aber bitten! Das Roborakel kennt alle Daten. Es hat jede Sequenz der DNA ihres Fortpflanzungsversuchs entschlüsselt und bis ins letzte Detail analysiert. Das Roborakel irrt sich nicht. Die Vorhersagen erfüllen sich zu einhundert Prozent, das hat es mehr als einmal bewiesen. So und deshalb kommen wir nun auch zum Kern unserer Verabredung hier.“ Johnson räusperte sich und zog geräuschvoll die Nase hoch.

    „Was das Roborakel vorhergesagt hat, habe ich Ihnen ja nun schon erläutert. Sie haben Glück, denn der Schaden, den ihr Fortpflanzungsversuch verursachen wird, ist vergleichsweise gering. Wir haben keine größeren Straftaten, keine Krankheiten, Unfälle, übermäßige Hässlichkeit oder sonstige Anomalien, die nicht wünschenswert wären und der Gesellschaft Kosten bereiten würden. Von daher können Sie jetzt eine Anzahlung von einhundertzwanzigtausend Dollar vornehmen, mit denen die größten sozialen und ökologischen Kosten ihres Fortpflanzungsversuchs abgedeckt werden. Es wird sich natürlich nicht darauf beschränken, das ist klar, aber es dient uns als Absicherung.“

    Johnson wischte das Visi-Pad beiseite und seine Augenbrauen wanderten seine Glatze immer weiter hinauf.

    Einhundertzwanzigtausend Dollar.

    Sam hatte es bei der gigantischen Summe den Atem verschlagen. Kalter Schweiß brach ihr aus. Der Raum begann sich zu drehen. Sie könnte niemals so viel Geld auftreiben. Es war unmöglich. In ihrem Bauch begann sich das Kind zu regen, was dazu führte, dass die Übelkeit zunahm und der Raum sich schneller und immer schneller drehte.

    „Mrs. Black?“ Sichtlich genervt klopfte Johnson vor ihr auf den Schreibtisch. „Mrs. Black, jetzt reißen Sie sich bitte zusammen, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

    Sam hörte ihn, doch es war, als sei er in weiter Ferne. Auf einmal wurde das leise Sirren der Deckenbeleuchtung, das sie vorher gar nicht bemerkt hatte, sehr laut, schwoll zu einem gewaltigen Sturm an, der alles übertönte. Die junge Frau schüttelte den Kopf, um das Gefühl des Ertrinkens loszuwerden, doch es gelang ihr nicht.

    „Vielleicht sollten Sie Mr. Black anrufen, um die Angelegenheit eben mit ihm zu besprechen“, schlug Johnson eine halbe Welt entfernt vor.

    „Nein“, krächzte Sam. „Das ist nicht nötig – bitte!“

    „Dann nehmen Sie das Angebot an?“ Johnsons Stimme hatte jede Nuance vorgetäuschter Freundlichkeit verloren.

    „Nein ich-“

    „Ich habe genug, Mrs. Black, ich werde ihn jetzt anrufen.“

    „Das brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen“, murmelte Sam. Sie spürte, wie heiße Tränen sich in ihre Wangen brannten. Der Schwindel hatte sich etwas gelegt, aber das Kind in ihr rebellierte. „Er hat mich verlassen. Er will mich nicht.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein sanfter Windstoß. „Oder das Kind.“

    „Bitte, was?“ Johnson sprang beinahe in die Luft. Sein Kopf lief rot an, dass Sam sich für einen Moment sorgte, er würde zerspringen.

    „Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?“ Wie ein Irrer hämmerte der Beamte auf das Visi-Pad ein. Schweißperlen bildeten sich auf der polierten Glatze und glänzten im Schein des künstlichen Lichts. Sam nahm von alldem nichts mehr war. Um sie herum verschwamm alles im Nebel, nur das Emblem des Roborakels hinter Johnsons Schreibtisch schaute kühl und anteilslos auf sie hinab.

    Plötzlich flackerte etwas Rotes vor ihr auf. Johnson schüttelte erbost den Kopf, als er die Ansicht seines Visi-Pads mit ihr teilte

    FAIL.

    Das Wort stand, weiß auf rot, quer über den Statistiken und Diagrammen, die Johnson ihr noch so eben gezeigt hatte.

    FAIL.

    In Sam krampfte sich alles zusammen. Ein Abgrund tat sich unter ihr auf und sie stürzte ins bodenlose Nichts. Sie wollte schreien, doch kein Laut verließ ihre staubige Kehle.

    „Es tut mir sehr leid, Mrs. Black, aber das ändert die Datenlage fundamental. Ein vaterloses Kind! Ich will mir gar nicht vorstellen, was für Kosten das für die Gesellschaft bedeutet. Und die Folgeschäden! Da kann ich nichts für Sie tun. Bitte gehen sie nach nebenan, dort wird man sich um Sie und Ihren Fortpflanzungsversuch kümmern.“

    FAIL.

    "Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag, Mrs. Black. Wenn Sie nun bitte gehen würden?“

    FAIL.

    „Mrs. Black?“

    FAIL. FAIL. FAIL. FAIL.

    Johnson seufzte, seine Geduld war am Ende.

    „Security?“

    Eine zweite Tür glitt auf und zwei stämmige Männer in weißen Kitteln kamen hinein. In diesem Moment kam Sam zu sich.

    „Nein, das können Sie nicht machen!“, japste sie. „Das ist mein Kind! Es lebt und es gehört mir!“

    „Bitte bringen sie Mrs. Black in das Nebenzimmer“, richtete sich Johnson gelangweilt an die beiden Männer. „Ihr Fortpflanzungsversuch ist soeben offiziell gescheitert. Bitte entfernen Sie es aus ihrem Unterleib.“

    „Nein!“ Sam bäumte sich auf, als die Finger der Männer sich in ihre Oberarme bohrten. „Das können Sie nicht machen!“

    „Doch Mrs. Black, das können wir!“ Johnson schlug mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte und funkelte sie wütend an.

    „Das Roborakel irrt nicht. Eine solche Gefahr wie das Ding, das Sie noch mit sich herumschleppen, ist für unsere Gesellschaft nicht tragbar. Und nun, einen guten Tag noch!“

    Damit zog er demonstrativ das Visi-Pad vor sein Gesicht und machte eine unwirsche Handbewegung in Richtung Tür.

    Sam schrie. Sie trat und wandte sich im Griff ihrer Wärter, doch sie konnte ihnen nicht entkommen.

    „Geben Sie der Frau etwas zur Beruhigung, das ist ja nicht zu ertragen“, brummte Johnson noch. Dann schloss sich die Tür hinter ihr.

    Spring - und lass dir auf dem Weg nach unten Flügel wachsen ~R.B

    Sometimes you have to be your own hero.

    Einmal editiert, zuletzt von Ondine (11. April 2021 um 11:42)

  • Hallo Ondine,

    um direkt auf den Monolog zukommen: Ich finde, er liest sich flüssig und wirkt keineswegs gestellt oder so. Lediglich an einer Stelle habe ich kurz gestutzt:

    „Aber… woher können Sie das alles wissen?“, flüsterte sie schließlich mit erstickter Stimme.

    Diese Behörde, bzw. Institut scheint ja nun etwas großes im Leben der Menschen zu sein, sonst besäße es schwerlich die Kompetenzen, die Bevölkerung zur Abtreibung zu zwingen. Demzufolge passt Sams Frage meiner Meinung nach hier nicht so recht :hmm: So was sollte sie in meinen Augen schon wissen. Sie könnte stattdessen so was fragen wie "und das hat ihnen eine einzige Blutprobe gesagt...?" oder sowas in der Art ^^ Das täte den selben Zweck, das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken.

    Inhaltlich erinnert es mich an Werke wie 1984, Quality Land und diverse andere Dystopien, weshalb mir gleich am Anfang klar war, worauf das ganze Hinausläuft ^^ Der Werbeclip am Anfang ... liegt vlt daran dass ich mich im Studium auf Marketing spezialisiert habe, aber der war meiner Meinung nach etwas plump. Aber das ist Propaganda ja meistens, von daher passt der schon in diese Sparte :D

    „Mrs. Balck, setzen Sie sich bitte.“

    kleiner Buchstabendreher ^^

    dass der Fortpflanzungsversuch Sommersprossen entwickeln wird, was natürlich einige Punkte Abzug gegeben hat

    Aber... aber Sommersprossen sind doch toll! D:

  • Hi Skadi!

    So was sollte sie in meinen Augen schon wissen. Sie könnte stattdessen so was fragen wie "und das hat ihnen eine einzige Blutprobe gesagt...?" oder sowas in der Art

    Super vielen Dank! Ich war genau an dieser Stelle auch nicht so richtig glücklich aber irgendwie ist mir nix besseres eingefallen. Aber so ließe sich das natürlich sehr elegant lösen!

    Der Werbeclip am Anfang ... liegt vlt daran dass ich mich im Studium auf Marketing spezialisiert habe, aber der war meiner Meinung nach etwas plump.

    hm ich lgaube Propaganda war niemals nicht plump, oder? aber wenn ich mal nach was subtilerem Suche dann weiß ich jetzt, an wen ich mich wenden kann :)

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    Sometimes you have to be your own hero.

  • Oh ... Wow! Also ... WOW! Diese Geschichte ist ziemlich erdrückend muss ich zugeben. :pupillen:

    Also schon mal zu Anfang dein Schreibstil ist klasse.

    Im ganzen Text hast du immer wieder direkt kurz und knapp Szenen beschrieben die ich mir sofort vorstellen konnte, ohne das du viele Wort dafür bräuchtest. Das finde ich immer sehr beeindruckend und angenehm zu lesen :thumbsup:

    Da ich ein Kommentier-Noob bin, schreibe ich dir jetzt einfach so mal was dazu was ich so denke. :D Mal sehen...

    Spoiler anzeigen

    Was ich in der kleinen Geschichte super cool fand, war wie du dieses SiFi Flair mit eingebracht hast. Ich meine die Gene so auswerten zu lassen, wie sie das Kind im Endeffekt verhält was seine Vorlieben und Nachteile sind, finde ich gruslig. Absolut schauerlich. Könne mir jedoch wirklich vorstellen, dass die Gesellschaft sich mal in diese Richtung entwickeln könnte. Zumal es ja evtl auch diese "Baby-Kataloge"-geben könnte in denen man sich aussuchen könnte wie das Kind mal später aussehen soll, wieso also auch nicht heraus finden wie es sich später verhält. :hmm: Naja so viel dazu ich bin da zu wenig darüber informiert.

    (Da ich gerade zu blöd bin Zitate in Spoiler zu packen mache ich deine Sachen fett/kursiv zum Unterscheiden)

    Ganz zu schweigen davon, dass es Bücher auf Papier bevorzugen wird, und sie regelmäßig auf dem Schwarzmarkt wird besorgen müssen. Papier, Mrs. Black! Ich hoffe, Sie sind sich des ökologischen und sozialen Schadens bewusst, den Ihr Fortpflanzungsversuch damit anrichten wird!

    Den Teil fand ich klasse. Weil er so realistisch sein könnte. Papier ist ja nicht gerade umweltfreundlich und alles digital zumachen spart Ressourcen und lässt die Natur (weitestgehend) in Ruhe. Finde ich Hammer wie du das eingebaut hast! :thumbsup: ich saß beim lesen da und dachte mir "Uff - das ist gar nicht mal so weit hergeholt" und das hat mich dann ein wenig besorgt :pupillen: Aber naja .. :D

    Was das Roborakel vorhergesagt hat, habe ich Ihnen ja nun schon erläutert. Sie haben Glück, denn der Schaden, den ihr Fortpflanzungsversuch verursachen wird, ist vergleichsweise gering. Wir haben keine größeren Straftaten, keine Krankheiten, Unfälle, übermäßige Hässlichkeit oder sonstige Anomalien, die nicht wünschenswert wären und der Gesellschaft Kosten bereiten würden. Von daher können Sie jetzt eine Anzahlung von einhundertzwanzigtausend Dollar vornehmen, mit denen die größten sozialen und ökologischen Kosten ihres Fortpflanzungsversuchs abgedeckt werden. Es wird sich natürlich nicht darauf beschränken, das ist klar, aber es dient uns als Absicherung.

    Das. Ist. Krass! Wenn man sich vorstellt, der das kleine Würmchen in ihrem Bauch, hat noch nicht einen Atemzug auf der Welt getan und ZACK alles was er macht wurde schon vorberechnet. Was eine Welt in der alle vorbestimmt wird. Wenn ich das auf mich übertragen würde ... hmm ich glkaube ich würde am RAd drehen, aber das hätte das Roborakel sicherlich auch schon herausgefunden und ich würde gar nicht zur Welt kommen, weil es erhebliche "folgeschäden" verursachen wird. Ach du heilige ... :pupillen:

    „Dann nehmen Sie das Angebot an?“ Johnsons Stimme hatte jede Nuance vorgetäuschter Freundlichkeit verloren.

    „Nein ich-“

    „Ich habe genug, Mrs. Black, ich werde ihn jetzt anrufen.“

    „Das brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen“, murmelte Sam. Sie spürte, wie heiße Tränen sich in ihre Wangen brannten. Der Schwindel hatte sich etwas gelegt, aber das Kind in ihr rebellierte. „Er hat mich verlassen. Er will mich nicht.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein sanfter Windstoß. „Oder das Kind.“

    „Es tut mir sehr leid, Mrs. Black, aber das ändert die Datenlage fundamental. Ein vaterloses Kind! Ich will mir gar nicht vorstellen, was für Kosten das für die Gesellschaft bedeutet. Und die Folgeschäden! Da kann ich nichts für Sie tun. Bitte gehen sie nach nebenan, dort wird man sich um Sie und Ihren Fortpflanzungsversuch kümmern.“

    Sam tut mir in dem ganzen Szenario so unendlich leid. 8( Ihr Kind ist noch nicht mal auf der Welt und müsste schon im vorhinein unheimlich viel Geld zahlen, der Vater will sie nicht und dann wird ihr ihr Kind am Ende weggenommen, weil es Vaterlos aufwachsen wird. Was ich irgendwie heftig zurückgebliebenes Denken finde. Und das ist so paradox :D ... weißt du? Es ist Sifi - und dennoch darf sie ihr eigenes Kind nicht alleine aufziehen. Heftig. Puh! Also ich hätte in deiner kleinen Story echt gar keine Chance. :D Ist aber nicht negativ gemeint. Das schlimme ist, in Stücken kann, ich sagen wir mal, die "böse Seite" der Geschichte verstehen, aber es ist dennoch echt heftig!! Der Mensch will wohl zu perfekt sein :hmm:

    Alles in allem, finde ich den Dia-/Monolog mehr als gelungen. Wie ich schon am Anfang gesagt hatte, wenig Worte, große Wirkung! O-O

    Ich hoffe deine Geschichte wird niemals wahr! :pupillen: Das wäre wirklich schlimm. Aber stark geschrieben. Wirklich. Du hast so viel in diese Story gebracht in wo wenig Worten! :love:

    Hm, Die Geschichte wird mich wohl noch etwas beschäftigen .. :hmm:

    Keksige Grüße ^^

  • Hallo Ondine ,
    das war wirklich gut geschrieben – schöner Stil. Das Szenario finde ich sehr spannend und es wirft hochinteressante moralische Fragen auf. Auch die Wendung mit dem Vater finde ich gelungen. Den Dialog / Monolog finde ich gut umgesetzt. Meine Erfahrung von Behördengängen ist dass der eigene Redeanteil selten über 10% geht. :D Für die Umsetzung des Roborakels hätte ich noch eine Idee – die ändert aber nichts an der Geschichte an sich, daher packe ich sie in einen Spoiler ans Ende.

    Zitat von Ondine

    Sam strich sanft über ihren gewölbten Bauch.

    Ich lese daraus, dass das Kind schon über den dritten Monat hinaus ist. Das verschärft die moralische Dimension der Abtreibung natürlich nochmal. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, warum die Diagnose des Roborakels erst so spät gemacht werden kann. Die DNA Analyse könnte man ja sehr früh machen und heutige Präimplantationsdiagnostik wird ja meines Wissens auch schon beim Embryo durchgeführt.

    Zitat von Ondine

    Johnson tippte noch einige Dinge in sein Visi-Pad ein, das durchsichtig vor ihm schwebte.

    Hier ist mir noch nicht ganz klar geworden wie man sich dieses Gerät vorzustellen hat.

    Zitat von Ondine

    Fortpflanzungsversuch

    Sehr gut gewähltes Wort

    Zitat von Ondine

    Das Roborakel kennt alle Daten. Es hat jede Sequenz der DNA ihres Fortpflanzungsversuchs entschlüsselt und bis ins letzte Detail analysiert. Das Roborakel irrt sich nicht. Die Vorhersagen erfüllen sich zu einhundert Prozent, das hat es mehr als einmal bewiesen.

    Das finde ich den interessantesten Punkt. Die zentrale moralische Frage hier ist ja: darf ich das Leben eines Menschen beenden, wenn ich weiß, dass es das Leben anderer Menschen in Gefahr bringt? Kann ich so etwas wie eine Leid-Abwägung machen?
    Der springende Punkt ist jetzt die Trefferquote von 100%. Wenn der Roborakel nur fehlerbehaftete Prognosen machen würde (Korrelation zu 80-90% richtig), dann würde unser heutiges moralisches Verständnis sagen, dass wir aus dieser Vorhersage keine moralischen Aussagen ableiten können, denn wir vermuten ja nur, dass etwas zutrifft. Wenn wir es aber wissen, dann kommen wir in ein konkretes moralisches Dilemma. Beispiel: Ich weiß, dass ich statistisch gesehen X Menschen töte, wenn ich Auto fahre (X<<1). Da das aber eine unkonkrete Vorhersage ist, kann mir deshalb niemand verbieten Auto zu fahren. Wenn ich aber exakt wüsste, dass ich Herrn Meier töten würde, wen ich morgen Auto fahre, dann verbietet mir unser moralisches Verständnis sehr wohl, dass ich das tue.
    Wenn ich an die technische Umsetzung des Roborakels denke, würde ich mir eine Trefferquote <100% vorstellen. Vielleicht geht es dir ja aber genau um das o.g. Dilemma. Dann sind die 100% natürlich sinnvoller.

    Zitat von Ondine

    Bitte gehen sie nach nebenan, dort wird man sich um Sie und Ihren Fortpflanzungsversuch kümmern.“

    Zitat von Ondine

    "Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag, Mrs. Black. Wenn Sie nun bitte gehen würden?“

    Zitat von Ondine

    „Geben Sie der Frau etwas zur Beruhigung, das ist ja nicht zu ertragen“, brummte Johnson noch. Dann schloss sich die Tür hinter ihr.

    Sehr gelungene Darstellung

    Zitat von Skadi

    Der Werbeclip am Anfang ... liegt vlt daran dass ich mich im Studium auf Marketing spezialisiert habe, aber der war meiner Meinung nach etwas plump. Aber das ist Propaganda ja meistens, von daher passt der schon in diese Sparte

    Das dachte ich mir am Anfang auch. Jetzt schien mir das ganze aber in den USA zu spielen (Mr / Mrs Johnson, Dollar, etc.). Wenn ich mir US-Werbungen und Kampagnen so angucke würde ich sagen, dass es doch ganz gut passt :D. Sorry - etwas stereotypisch.

    Hier zwei Kleinigkeiten:

    Spoiler anzeigen

    Gerade war es deine eine Sequenz zweier Türme,


    und auf den harten Aspahlt Asphalt aufschulgen aufschlugen .


    Technische Umsetzung Roborakel:

    Spoiler anzeigen

    Wie wäre es, wenn der das Roborakel eine KI basierend auf tiefen neuronalen Netzen ist. Funktionsprinzip: Es wertet alle verfügbaren medizinischen Daten (DNA-Alalyse, PID, etc.) aus und hat vor allem auch Daten der sozialen Umgebung zur Verfügung. Jetzt korreliert es die Lebensgeschichte bekannter Personen (dessen Daten muss das Roborakel natürlich auch haben) mit deren medizinischen und sozialen Daten und „lernt“ so vorherzusagen, welche Daten zu welcher Lebensgeschichte führen. Der Validierungszeitraum für so eine KI müsste dann mindestens ein Menschenleben sein. Die Vorhersage wäre dann natürlich nicht 100% sondern geringer.

  • Wow, Voluptuous Mayday , KruemelKakao und Novize , vielen Dank für das super Feedback! Ich freu mich vor allem darüber, dass ihr sowohl die emotinale/ethische als auch die technische Seite eingegangen seid!

    Spoiler anzeigen

    Das schlimme ist, in Stücken kann, ich sagen wir mal, die "böse Seite" der Geschichte verstehen, aber es ist dennoch echt heftig!!

    Ich freu mich gerade total dass dasn wirklich so rübergekommen ist ^^

    Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, warum die Diagnose des Roborakels erst so spät gemacht werden kann. Die DNA Analyse könnte man ja sehr früh machen und heutige Präimplantationsdiagnostik wird ja meines Wissens auch schon beim Embryo durchgeführt.

    Das ist ein guter Aspekt, vielen Dank. ich habe mich für den späteren Zeitpunkt entschieden, da es moralisch noch kritischer ist, aber technisch hast du natürlich Recht. es würde dem Amt aber bestimmt unschöne Szenen wie oben ersparen, wenn man die analyse einfach früher durchführt.

    Andererseits ....

    Es wertet alle verfügbaren medizinischen Daten (DNA-Alalyse, PID, etc.) aus und hat vor allem auch Daten der sozialen Umgebung zur Verfügung. Jetzt korreliert es die Lebensgeschichte bekannter Personen (dessen Daten muss das Roborakel natürlich auch haben) mit deren medizinischen und sozialen Daten und „lernt“ so vorherzusagen, welche Daten zu welcher Lebensgeschichte führen.

    könnte man zu einem späteren Zeitpunk der Schwangerschaft auch die Daten anderer Kinder mit einbeziehen, die im selben Zeitraum geboren werden. Ich hab auch lange überlegt, ob Sams Kind vielleicht in Mobbin auf der Highschool verwickelt sein würde? Das kann man natürlich nur absehen wenn man die Daten der gleichaltrigen kennt.

    Das Roborakel hab ich mir tatsächlich ungefähr so vorgestellt, wie du es oben beschrieben hast. Vielleicht könnte das aus dem Text noch etwas deutlicher hervorgehen? :hmm:

    die sache mit den 100% ist natülich sehr überspitzt, aber es ist wirklich die Frage ob es bei "beinahe 100%" noch akzeptiert würde?

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  • Hi Ondine,

    Zitat von Ondine

    Das Roborakel hab ich mir tatsächlich ungefähr so vorgestellt, wie du es oben beschrieben hast. Vielleicht könnte das aus dem Text noch etwas deutlicher hervorgehen? :hmm:

    die sache mit den 100% ist natülich sehr überspitzt, aber es ist wirklich die Frage ob es bei "beinahe 100%" noch akzeptiert würde?

    Man könnte die Beschreibung andeuten, muss sie aber glaube ich nicht in allen Details ausführen. Ich persönlich fände ein Roborakel mit 90-99% Genauigkeit am spannendsten, weil es auf der einen Seite nicht perfekt wäre aber auf der anderen Seite zu genau, um es einfach zu ignorieren. Das heizt das moralische Dilemma vielleicht noch etwas an.

  • Ondine Oh wow, das ist ja mal n krasser Text.

    Ich habe die ganze Zeit über schon irgendwie geahnt beim Lesen, dass der sagt "so, jetzt kommt das Kind weg". Der Beamte oder wer das war war mir überhaupt nicht sympathisch mit seiner notorischen Ungeduld.

    Auf jeden Fall war der Text ziemlich mitreißend geschrieben und auch schön bildlich. Das Setting mit dem Visi - Pad und der ungemütlichen Situation gefällt mir gut, auch die Gefühle von Sam kommen super rüber.

    Weiter so :thumbsup:

    Chaos sagt, Halvars dunkle Seite sei harmlos gegen mich...

    As I´m an Amazone, I need a :jennagorn:

    ~~~ 100 words a day keep the doctor away. ~~~


  • Eine recht dystopische Vision... thematisch irgendwo zwischen Gattaca und Minority Report angesiedelt.

    Zwischen diesen Polen waeren dann auch meine Gedanken dazu angesiedelt - worauf magst Du raus? Da sind ja zwei Themen angerissen - 'social engineering', der Versuch durch Behoerdenhandeln eine bessere Gesellschaft zu erreichen und 'Vorhersagbarkeit' - die Art und Weise wie Progonosen die Zukunft nehmen.

    Was das erste Thema betrifft funktioniert die Geschichte gut - das Ausgeliefertsein der Protagonistin gegenueber der Behoerde ist sehr schoen eindringlich eingefangen, und auch die Art wie die beiden in total verschiedenen Welten zu leben scheinen.

    Beim zweiten greift die Geschichte aber zu kurz. Es ist - aus Johnson's Ueberraschung ueber die Info zu Mr. Black -schon deutlich zu sehen dass Roborakel halt keineswegs allwissend ist - und hier schon auf einem eher kurzen Horizont total versagt hat. Mrs. Black ist auch nicht besonders gluecklich zu nennen, das 'social engineering' bei ihr hat also bisher auch nicht gefruchtet.

    Insofern gehe ich hier nicht mit dem Eindruck raus dass die Geschichte was ueber das Verhaeltnis von Mensch zu Zukunft zu sagen hat, sondern mit dem Eindruck dass die Maschine einfach falsch prognostiziert und dass eine Behoerde die ihren Menschenverstand abgibt und statt dessen auf KI vertraut dem ueblichen Irrtum unterliegt, dass KI naemlich einfach danebengreifen kann und Faktoren die jeder Mensch begreifen wuerde einfach nicht versteht.

    Ist das ungefaehr die Botschaft auf die Du rauswillst - oder liegt Dir tatsaechlich das Prognosethema mehr am Herzen? (Minority Report - die originale Kurzgeschichte, nicht der Film - faengt das Dilemma meines Erachtens sehr gut ein...)

  • Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar, Thorsten!

    worauf magst Du raus? Da sind ja zwei Themen angerissen - 'social engineering', der Versuch durch Behoerdenhandeln eine bessere Gesellschaft zu erreichen und 'Vorhersagbarkeit' - die Art und Weise wie Progonosen die Zukunft nehmen.

    Ursprünglich wollte ich tatsächlich auf das Dilemma raus, das Novize ja schon ganz gut zusammengefasst hat. Ich überarbeite die Geschichte allerdings im Moment und da merke ich, wie es immer mehr in Richtung social engineering geht, wobei gerade Umweltschutz da eine wichtige Rolle spielen könnte. Die KI ist zwar auch sehr interessant, aber hier ist sie eher das Mittel zum dramaturgischen Zweck. Ich hätte das ganze auch in ein Fantasysetting mit einem echten Hellseher setzen können, aber dann wäre es wohl weniger gruselig, da weniger real.

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  • Ursprünglich wollte ich tatsächlich auf das Dilemma raus, das Novize ja schon ganz gut zusammengefasst hat.

    Ah, okay - hab' mir den Kommentar jetzt auch mal durchgelesen.

    Nicht unbedingt fuer die Geschichte relevant, aber nachdem das Thema 'Freier Wille' mir schon sehr wichtig ist... ein kleiner Exkurs zu

    Philosophie

    Das finde ich den interessantesten Punkt. Die zentrale moralische Frage hier ist ja: darf ich das Leben eines Menschen beenden, wenn ich weiß, dass es das Leben anderer Menschen in Gefahr bringt? Kann ich so etwas wie eine Leid-Abwägung machen?

    (...)

    Wenn ich aber exakt wüsste, dass ich Herrn Meier töten würde, wen ich morgen Auto fahre, dann verbietet mir unser moralisches Verständnis sehr wohl, dass ich das tue.

    Da finde ich ein paar Schritte ausgelassen...

    Also, einmal ist die obige Frage ja nicht das untere Beispiel - das korrekte Beispiel waere zur Frage - darf ich Dich abknallen weil ich zu 100% Sicherheit weiss dass Du morgen Autofahren und Herrn Meier toeten wirst?

    Da ist einmal der Aspekt der 100% - wenn die Zukunft absolut vorhergesagt werden kann, dann kollabiert sie und wird zur Gegenwart, jemanden zu toeten bevor er auch nur daran denkt irgendwas zu tun ist dann das gleiche wie ihn zu toeten wenn er grade zum Mord ansetzt - hier stimme ich der Analyse zu.

    Dann ist aber die Frage des Mittels - wenn ich weiss dass Du morgen Herrn Meier totfahren wirst - ist meine einzige Moeglichkeit Dich abzuknallen? Oder wuerde es das Problem vielleicht auch loesen, wenn ich Dein Auto sabotiere? Oder Herrn Meier ueberrede einfach nicht rauszugehen?

    Kenntnis der Zukunft eroeffnet ja Moeglichkeiten fuer alternative Zukuenfte (das ist das Thema von Minority Report) - das Roborakel glaubt offenbar nicht an absolute Zukunft, da der Fortpflanzungsversuch ja unterbrochen werden soll und damit die prognostizierte Zukunft nicht eintreten wird - es ist aber zu phantasielos um andere Interventionen in Erwaegung zu ziehen - etwa einem vaterlosen Kind andere Hilfen zukommen zu lassen. Generell koennen 100% Vorhersagegenauigkeit nicht passieren so lange Menschen die Prognose kennen - denn durch diese Kenntnis koennen sie den Lauf der Dinge aendern so dass die Vorhersage eben nicht mehr eintritt. Kein Gehirn-Entscheidungs-Prognosemaschinchen kann absolut vorhersagen ob ich A oder B waehlen werde - denn ich kann mich ja entscheiden mir erst die Prognose anzuschauen und dann das Gegenteil davon zu tun...

    Ja - erst dann kommen wir zu der zentralen moralischen Frage ob man das Leben eines Menschen beenden darf wenn dadurch andere gerettet werden. Das ist aber eigentlich kein Dilemma - je nach der Ethik die jemand vertritt ist die Antwort darauf recht eindeutig:

    Eine Ethik des Ergebnisses schaut auf Faktoren wie gerettete Leben(sjahre) - und wenn der Saldo positiv ist, dann ist auch ein Griff zur Waffe ethisch gerechtfertigt.

    Eine Ethik der Mittel schaut auf das Mittel der Wahl - Mord - und findet das grundsaetzlich nicht akzeptabel, damit ist - auch bei Kenntnis der Sachlage - ein Griff zur Waffe ethisch nie vertretbar und man muss andere Mittel suchen oder die Ereignisse geschehen lassen.

    Das Roborakel ist offensichtlich mit einer ergebnisorientierten Ethik gefuettert und nicht zimperlich in der Wahl der Mittel - auch wenn, wie gesagt, nicht offensichtlich ist ob nicht eine weniger endgueltige Intervention sinnvoller waere. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hingegen vertritt eine Ethik der Mittel und verbietet explizit ein Menschenleben als Mittel fuer irgend einen Zweck zu betrachten, aka es darf kein Gesetz gemacht werden das das Leben eines Menschen opfert um andere zu retten.


  • Ondine Deine Geschichte hat einen sehr bitteren Beigeschmack von Wahrscheinlichkeit. Sie hinterläßt in mir eine unangenehme Art Schauder...

    Klasse gemacht!

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Moin Ondine

    Schöne Geschichte in einer Unschönen Zukunft die du da geschrieben hast.

    Und eine nicht mal so unrealistische obendrein ...

    (Dazu später noch einige Anmerkungen)

    Die Atmosphäre war für mich förmlich spürbar. Es muss schrecklich für eine Familie sein, zu dieser zeit ein Kind in die Welt zu setzen, wo alles von dem Willen einer Firma gelenkt wird und die über Leben und Tod entscheiden können. (aufgrund der Berechnungen einer anfälligen KI) Warum Anfällig? Nun ja,

    Es tut mir sehr leid, Mrs. Black, aber das ändert die Datenlage fundamental. Ein vaterloses Kind! Ich will mir gar nicht vorstellen, was für Kosten das für die Gesellschaft bedeutet. Und die Folgeschäden! Da kann ich nichts für Sie tun. Bitte gehen sie nach nebenan, dort wird man sich um Sie und Ihren Fortpflanzungsversuch kümmern.“

    Die Information, dass das Kind ohne Vater aufwachsen wird, scheint zuvor kein einberechnetes Parameter gewesen zu sein.:hmm:

    Und da frage ich mich, wie gut diese KI wirklich funktioniert.

    Zwar behauptet Johnson, dass die KI sich niemals ihr, doch glaube ich ihm das nicht.

    Die Unvorhersehbarkeit des Lebens lässt sich nie berechnen. Dazu müsste man in der Lage sein, jedes einzelne Atom des Universums und deren Interaktionen miteinander berechnen können. Selbst eine Hochentwickelte Zivilisation der Stufe 4 könnte so etwas nicht erreichen (wage ich zu behaupten). Natürlich hast du damit recht, dass man an der DNA eines Menschen erkennen kann, wie er später wahrscheinlich aussehen wird oder wie schlau er WERDEN KANN, doch ist das nur eine Aussage über bessere oder schlechtere Möglichkeiten. Beispielsweise haben meine Eltern geraucht. Und anstatt auch Raucher zu werden habe ich das genaue Gegenteil gemacht und mich vom Rauchen distanziert, weil ich es einfach ekelhaft fande.

    Ich kann den Gedankengang für diese Geschichte jedoch gut nachvollziehen. Und Trotz meiner Kluckscheißerei da oben finde ich nicht, dass du da was an deiner aussage ändern solltest oder dass es sich hier um ein unrealistisches Szenario handelt.

    Denn in Zukunft, da bin ich mir sicher, wird es Wege geben, sich ein "perfektes" Kind zu "Bauen". Und ein Problem der Zukunft könnte durchaus sein, dass alles, was nicht Perfekt ist, von der Gesellschaft ausgeschlossen wird. In deiner Geschichte sortiert Roborakel ja alles, was nicht perfekt ist aus ...

    Ich weiß nicht, in welche Richtung du gehen willst, aber ich für meinen Teil würde es feiern, wenn dein Hauptcharakter (ob es jetzt Sam oder ihr Kind ist ...:pardon:) diese Lüge von Roborakel aufdecken würde.:D

    Liebe Grüße, ich bin gespannt, wie es weiter geht.^^:thumbup: