Ich bin in einem SciFi-Roman grad drüber gestolpert das eine Flotte sich geopfert hat um den Zivilisten zu Flucht zu verhelfen. Nicht gegen böse Aliens oder irre Extremisten sondern gegen eine Fraktion die einfach nur unabhängig von dieser Allianz sein will. Und da habe ich mich gefragt, wieso das nötig ist?
Wenn beide Fraktionen nicht dezidiert "böse" sind, wieso sollten sie Zivilisten angreifen?
Klar gibt es viele Formen vom Krieg, aber speziell im mittelalterlichen Klischee (wenn es nicht das pöse Pöse gibt), will man ja das Land und die Arbeitskräfte darauf erobern, da hat niemand was davon wenn man diese umbringt. Schon in der Antike waren die Großreiche am erfolgreichsten die alle möglichen Kulturen integriert und nicht massakriert haben...
(Und ja natürlich gibt es Ausnahmen, z.B. Nomadenvölker auf Raubzug, oder komplettes Wegbrechen von jeglicher Ordnung im 30jährigen Krieg)
Das gezielte Angreifen und Terrorisieren der Zivilbevölkerung ist ja etwas sehr Neues das eigentlich erst mit dem 2. WK so richtig in Mode gekommen ist. Mit Nationalstaaten, großen Städten und guter Kommunikation. Ein Nazideutschland wo die ganze Bevölkerung fanatisch hinter dem "Endsieg" steht ist etwas ganz anderes als wenn zwei Berufsheere aufeinander treffen und es dem gemeinen Bürger relativ egal ist ob er nun von einem Karl oder einem Wilhelm regiert wird...
Das beschäftigt mich nun grad mehr als es sollte. Speziell in der Fantasy werden ja immer und überall Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen "weil das damals halt so war" was mal wieder ein typisches, falsche Klichee ist.
Speziell wenn man verschiedene Mächte haben will, die halt nicht "böse" sind, machen Angriffe auf Zivilisten doch eh keinen Sinn?
Zivilisten und Krieg
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Das beschäftigt mich nun grad mehr als es sollte. Speziell in der Fantasy werden ja immer und überall Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen "weil das damals halt so war" was mal wieder ein typisches, falsche Klichee ist.
Speziell wenn man verschiedene Mächte haben will, die halt nicht "böse" sind, machen Angriffe auf Zivilisten doch eh keinen Sinn?Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir da folgen kann. Ich denke nicht, dass es damals darum ging Arbeitskräfte zu bekommen. Es ging um Land und um Ressourcen. Männer und Jungen waren da schon mal übrig…
Nehmen wir die Bibel, da gibt es zahlreiche Schilderungen von Massakern an der Zivilbevölkerung. Oder nehme die Kreuzzüge, was denkst du was mit den Bewohnern einer eingenommenen Stadt gemacht wurde? Bei Plünderungen zum Beispiel.
Oder hier. "Gott erkennt die Seinen"
Arnold Amalrich – Wikipediade.wikipedia.org -
Das gezielte Angreifen und Terrorisieren der Zivilbevölkerung ist ja etwas sehr Neues das eigentlich erst mit dem 2. WK so richtig in Mode gekommen ist.
Also - nein. Dschingis Khan zum Beispiel war beruechtigt fuer Terrorcampagnen - eine Stadt konnte gleich kapitulieren, dann wurde sie verschont - oder sie wurde bis auf den letzten Einwohner niedergemacht, Zivilisten oder nicht.
Kriege die die Zivilbevoelkerung verschont hatten waren eigentlich eher selten - die Soeldnerkriege der Renaissance waren ein Beispiel von professionellen Truppen die eine Art strategiespiel gefuehrt hatten - war historisch nicht unbedingt die Regel.
Der dreissigjaehrige Krieg etwa ging mit massiven Pluenderungen einher, eine Strategie der napoleonischen Truppen war es, Vorraete aus den Bestaenden der Zivilbevoelkerung zu requirieren (ja, die wurden vielleicht nicht massakriert, aber durften dann verhungern...)
Angriffe auf die Zivilbevoelkerung waren die Regel weil es billiger war das Heer so zu versorgen als eine vernuenftige Logistik aufzuziehen - und konnten als 'Politik der verbrannten Erde' auch von der 'eigenen' Seite veruebt werden um dem Feind diese Form der Versorgung zu verwehren.
Edit: Sensenbach hat auch einen exzellenten Punkt - die Bibel enthaelt viele Berichte von Kriegen die man heute als Voelkermord werten wuerde.
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Naja, Bibel ist ja auch ganz klar vor Mittelalter/Antike, oft noch Clanstrukturen, teils Nomadisch und klare Abgrenzung von Volk, Kultur und Religion. Je mehr man den Gegner entmenschlicht (und das geht mit mehr Unterschieden natürlich einfach), um so grausamer kann man gegen ihn vorgehen. Vor dem Nationalismus des 19.Jhdts gab es das in der Form in Europa aber einfach noch nicht.
Raubzüge (und da würde ich auch die Kreuzzüge mit rein nehmen), sind natürlich anders gehalten, da will man ja wirklich nur Plündern, da gibt es dann auch merklich mehr Gräueltaten. In die Kategorie fallen natürlich auch die Wikinger, an die hatte ich gar nicht mehr gedacht.
Im Mittelalter war die Bevölkerung aber durchaus auch Teil der Ressourcen (Leibeigenschaft etc,), die waren an ihr Land gebunden und es gab es auch nicht grad einen so großen Überschuss an Leuten, das man mal eben ertragreiche Landstriche entvölkern und mit eigenen Leuten neu besiedeln konnte. (Wo hätten die her kommen sollen? )
Massaker an der Bevölkerung wurden eben deshalb so festgehalten, weil sie nicht der Norm entsprachen. Kriege wurden im Sommer geführt, 2/3 einer Armee war für die Versorgung zuständig etc. etc.
Klar griff man auf die umliegenden (Nahrungs-)Ressourcen zu wenn sich die Gelegenheit bot, aber das Ziel war immer die Feindliche Armee, der feindliche Herrscher/Heerführer/Burg etc.
Belagerungen endeten ja auch sehr selten mit der (erfolgreichen) Erstürmung sondern damit das sich die Belagerten ergaben oder die Belagerer abgezogen sind.
Der 30jährige Krieg, wie schon erwähnt, ist ja eben eine der Ausnahmen die die Regel bestätigen. Der wurde in der damaligen Literatur auch als unerreichbar brutal an der Zivilbevölkerung beschrieben, weil das eben nicht die Norm war. Zudem zogen da ja auch nicht nur gut organisierte Heerverbände durch die Gegend sondern teils auch Söldnerheere ohne Sold...
Und ich will ja nicht drauf hinaus, das es das nicht gab, natürlich gibt es im Krieg Gewalt etc. Aber das, speziell im Mittelalter, die Zivilbevölkerung immer das erste und wichtigste Ziel war, bezweifle ich halt halt stark...
(Und auch hier natürlich wieder einen Disclaimer: Im Frühmittelalter war das natürlich noch nicht so, aber da waren die Grenzen zwischen Zivilbevölkerung und Krieger auch noch nicht so klar. Erst mit der Abgabe des eigenen Landes und dem Eintritt in die Leibeigenschaft konnte man sich dann im Hochmittelalter vom Kriegsdienst befreien wieso das ja durchaus nicht selten geschah...) -
Aber das, speziell im Mittelalter, die Zivilbevölkerung immer das erste und wichtigste Ziel war, bezweifle ich halt halt stark...
Genau. Das ist, denke ich, ist nicht falsch. Aber ich bewerte das anders. Die Einbeziehung der Zivilbevölkerung ist nichts speziell mittelalterliches. Es fand immer schon statt. In der Urbevölkerung, im Mittelalter und jetzt.
Ich denke, dass Übergriffe auf die Zivilbevölkerung immer schon die Regel waren. Bei Stammesfehden wurde (und wird) der andere Clan potenziell zur Gänze vernichtet. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Die Trennung zwischen Militär und Zivil ist ja auch etwas eher etwas neues.
Die Idee, das die Zivilbevölkerung erst in der Neuzeit Ziel der Vernichtung war ist unter Geisteswissenschaftlern verbreitet. Allein, mir fehlt die Evidenz. Oder ganz krass gesagt: "Das ist völliger Unsinn"
Zum Beispiel ist die Entmenschlichung des Gegners Standart bei Kriegen. Einige Kulturen beziehen den Begriff "Mensch" nur auf ihre eigenen Mitglieder, alle anderes sind dann nicht Menschen, im engeren Sinne.
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Im Mittelalter war die Bevölkerung aber durchaus auch Teil der Ressourcen (Leibeigenschaft etc,), die waren an ihr Land gebunden und es gab es auch nicht grad einen so großen Überschuss an Leuten, das man mal eben ertragreiche Landstriche entvölkern und mit eigenen Leuten neu besiedeln konnte.
Also, das braucht halt ganz schoen viele Disclaimer:
* wir reden vom europaeischen Mittelalter (in Mittelamerika etwa haben die Azteken gezielt Gefangene gemacht um sie den Goettern zu opfern, Nordamerikanische Indianer hatten meines Wissens ueberhaupt kein Konzept von Zivilisten,...)
* wir reden nicht von Raubzuegen (die Wikinger sind z.B. draussen)
* wir reden nur von Kriegen der Europaeer untereinander (die muslimischen Reiche hatten etwa kein Problem damit christliche Gefangene massenhaft zu versklaven, die Mongolen hatten wie erwaehnt eine ausgesprochen beruechtigte Terrortaktik, die Kreuzzuege haben Massaker unter Muslimen angerichtet, die Einfaelle der Hunnen sind heute noch sprichwoertlich)
* wir schliessen das Fruehmittelalter und den dreissigjaehrigen Krieg aus
... und dann kommen wir irgendwie zu Kriegen die fuer die Zivilbevoelkerung vergleichsweise glimpflich abliefen. Es wirkt ein bisschen wie eine Tautologie - wenn wir alle historischen Kriege ausschliessen die die Zivilbevoelkerung beeintraechtigt haben, dann bleiben die uebrig die es nicht getan haben.
Und das:
Aber das, speziell im Mittelalter, die Zivilbevölkerung immer das erste und wichtigste Ziel war, bezweifle ich halt halt stark...
ist nicht das gleiche wie die originale Aussage:
Speziell wenn man verschiedene Mächte haben will, die halt nicht "böse" sind, machen Angriffe auf Zivilisten doch eh keinen Sinn?
Die Zivilbevoelkerung ist in praktisch keinem Krieg das erste und wichtigste Ziel - wenn man die zur Prioritaet macht, dann stellt man naemlich frueher oder spaeter zu seinem Schrecken fest dass man gegen die ganzen Soldaten die sich raechen gar nichts gemacht hat.
Das bedeutet aber nicht dass Angriffe auf zivile Ziele keinen Sinn machen - man kann seine Armee so versorgen, dem Gegner solche Versorgung verweigern, Hilfstruppen zwangsrekrutieren, den Soldaten das Bordell bieten das sie laenger nicht mehr hatten, gegnerische Soldaten aus Angst um ihre Familien zum Desertieren bringen, die Infrastruktur die Kriegsgueter produziert zerstoeren, in der Bevoelkerung koennen Partisanen lauern,...
Bruecken oder Strassenwege sind Objekte die sowohl zivil als auch militaerisch genutzt werden koennen,..
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Die Trennung zwischen Militär und Zivil ist ja auch etwas eher etwas neues.
Das hängt immer sehr von der Gesellschaftsstruktur/Entwicklung ab. Bei den Römern war es ja schon sehr klar geregelt und getrennt.
Im Mittelalter und der frühen Neuzeit ebenfalls: Kriegsdienst war an Landbesitz gebunden. Deshalb begaben sich viele Hofbesitzer in beginnenden Hochmittelalter freiwillig in die Leibeigenschaft, dadurch hatten sie kein eigenes Land mehr, mussten aber auch keinen Kriegsdienst leisten.
In (deutschen) Städten entwickelt sich das etwas anders, da mussten sie selbst für den Schutz sorgen, aber das war dann ja eher zur Verteidigung ...
Je mehr ich drüber nachdenke um so mehr fallen mit Gesellschaften ein, in denen es eine Kriegerkaste gab. Das entwickelt sich eigentlich ab dem Punkt des Sesshaftwerdung: Man kann mehr Nahrung produzieren um sich selbst über die Runden zu bringen, mit dem Überschuss wird eine Kriegerelite durchgefüttert, welche dann für den Schutz der Bauern sorgt. Das Grundprinzip ist ja sehr alt. Das es nicht einfach dabei bleibt, ist klar.
Es hängt dann halt sehr davon ab was das Ziel eines Krieges ist: Wenn man das eigene Land erweitern will (was, würde ich mal behaupten, keinen kleinen Teil der Kriege ausmacht) will man dieses, inklusive denen die es bearbeiten, natürlich so unversehrt wie möglich einnehmen.
Im Idealen Fall natürlich, für eine Seite läuft es ja immer weniger gut und die hat dann natürlich weniger Skrupel zu vernichten was sie selbst nicht haben können...
@Ausschlüsse: Naja, Mesoamerika als "Mittelalter" zu bezeichnen wäre schon sehr weit her geholt, auch das japanische, chinesische oder indische "Mittelalter" ist eher umstritten, wobei es dort teils durchaus vergleichbare Systeme gab.
Clankriege, und dazu zählen große Teile des Frühmittelalters, folgen nun mal anderen Regeln, dort gab es eben diese Trennung zwischen Krieger und Zivilist nicht. Und der 30jährige ist wie so oft bei extremen Sachen, frühe Neuzeit und nicht mehr Mittelalter.Das bedeutet aber nicht dass Angriffe auf zivile Ziele keinen Sinn machen - man kann seine Armee so versorgen, dem Gegner solche Versorgung verweigern, Hilfstruppen zwangsrekrutieren, den Soldaten das Bordell bieten das sie laenger nicht mehr hatten, gegnerische Soldaten aus Angst um ihre Familien zum Desertieren bringen, die Infrastruktur die Kriegsgueter produziert zerstoeren, in der Bevoelkerung koennen Partisanen lauern,...
Ein Kriegszug im Mittelalter (und der frühen Neuzeit) bestand zum größten Teil aus "Versorgungstruppen" das ware nicht etwa der Koch der dann die Truppe versorgt, wie man es aus der Fantasy kennt, sondern oft die ganze Familie, die sich dann um die Verpflegung, Wäsche etc kümmerte, da war dann natürlich auch Prostituierte mit dabei, Händler, Schmiede etc.
Von den 12 Leuten oder mehr die ein einzelner Ritter dabei hatte, gar nicht zu reden...
Partisanen im Mittelalter? Dazu bräuchte es doch erst mal einen Nationalismus und das dauert noch...
(Also ja, natürlich mag es sowas gegeben haben, die Norm war es aber wohl eher nicht.) -
Naja, Mesoamerika als "Mittelalter" zu bezeichnen wäre schon sehr weit her geholt
Also wen Du nicht einfach die Zeitepoche zwischen ~800 bis ~1400 mit Mittelalter meinst sondern was anderes, dann waere es gut genauer zu definieren was Du eigentlich betrachtest.
Ein Kriegszug im Mittelalter (und der frühen Neuzeit) bestand zum größten Teil aus "Versorgungstruppen"
Ja, es sie denn man betrachtet z.B. die Mongoleneinfaelle bei denen das halt nicht so war. Aber die spielen fuer deine Ueberlegungen keine Rolle.
Du hast irgendwie mit 'Mittelalter' eine ganz spezielle Vorstellung - naemlich irgendwie dass zwei Feudalherren gegeneinander ziehen von denen jeder nur 30 Tage Kriegsdienst erwartet und die sich ressourcenschonend in einer Fehde beharken wo es um ein paar Doerfer geht - die tunlichst nicht zerstoert werden sollen weil ihr Wert dann gegen Null geht.
Solche Konflikte gab es schon auch - aber das war halt nicht wie 'das Mittelalter' war.
Partisanen im Mittelalter? Dazu bräuchte es doch erst mal einen Nationalismus und das dauert noch...
Das Byzantinische Reich gegen die Abbassiden, die Kroaten gegen den Mongoleneinfall, die Albaner gegen die Ottomanen sind alles Beispiele fuer mittelalterliche Guerillakampagnen.
In der Antike war Palaestina aus dem Grund permanent schwer kontrollierbar - da haben sich neben den Roemern auch die Assyrer, die Aegypter und die Babylonier die Finger verbrannt (manche Dinge aendern sich irgendwie nie...)
Es hängt dann halt sehr davon ab was das Ziel eines Krieges ist: Wenn man das eigene Land erweitern will (was, würde ich mal behaupten, keinen kleinen Teil der Kriege ausmacht) will man dieses, inklusive denen die es bearbeiten, natürlich so unversehrt wie möglich einnehmen.
Ja - wenn Du generell Bevoelkerungsmangel hast (wie's in Mitteleuropa eine Weile war). Wenn Du einen Ueberschuss an Volk hast, dann willst Du das Land ohne die die es bisher bearbeiten haben. Die Kreuzzuege waren ja auch dadurch motiviert Aufstiegsperspektiven fuer junge Adelige und vierte Soehne eines Hofbesitzers zu bieten - die konnten alle in der Heimat nichts mehr werden, aber wenn man mal die Heiden aus dem heiligen Land vertrieben oder massakriert hatte taten sich da ganz neue Grafschaften auf wo man noch als Ritter wer sein konnte.
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Im Mittelalter war die Bevölkerung aber durchaus auch Teil der Ressourcen (Leibeigenschaft etc,), die waren an ihr Land gebunden und es gab es auch nicht grad einen so großen Überschuss an Leuten, das man mal eben ertragreiche Landstriche entvölkern und mit eigenen Leuten neu besiedeln konnte. (Wo hätten die her kommen sollen? )
Gerade im Mittelalter und mit der Leibeigenschaft hatte man da viele Möglichkeiten. Paare haben damals leicht eine zweistellige Zahl an Kindern bekommen. Auch wenn davon in aller Regel mehr als zwei bis ins Erwachsenenalter überlebt haben, hat aber nur der älteste Sohn der elterlichen Hof geerbt und damit die Erlaubnis zur Heirat erhalten und die älteste Tochter wurde an den Sohn eines anderen Bauern verheiratet. Außereheliche Beziehungen und Kinder waren durch die starke Rolle der Kirche ja extrem stigmatisiert.
Wenn durch einen Krieg oder eine Epidemie weite Landstriche entvölkert waren, hat man einfach allen verbliebenen Menschen die Heirat erlaubt, bis die freigewordenen Hofstellen verteilt waren. Weil die Menschen damals in viel jüngeren Jahren Kinder bekommen haben als heute, war die Bevölkerungsdichte dann schnell wieder genau so hoch wie zuvor. Auch große Entfernungen waren da kein Hindernis, gerade weil die Herrschenden über ihre Untertanen so frei verfügen konnten - wie bei den Banater Schwaben, die die Habsburger aus Vorderösterreich auf den Balkan verfrachtet haben. Ganz Nord- und Südamerika wurden ja im Grunde über die Jahrhunderte durch den europäischen Geburtenüberschuss bevölkert.
Hitler hatte ja in Osteuropa so etwas Ähnliches vor, weil das im Zuge der Ostkolonisation schon einmal so gut funktioniert hatte, und Putin scheint jetzt auch wieder solche Pläne zu verfolgen.
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Weil die Menschen damals in viel jüngeren Jahren Kinder bekommen haben als heute, war die Bevölkerungsdichte dann schnell wieder genau so hoch wie zuvor.
Dass man Epidemien so einfach kompensieren konnte halte ich fuer ein Geruecht.
Die grosse Pestepidemie war 1346 - 1353, und bis die Bevoelkerung Europas das Niveau von 1350 wieder erreicht hatte war es 1720 - von 'schnell' kann da keine Rede sein.
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Dass man Epidemien so einfach kompensieren konnte halte ich fuer ein Geruecht.
Die grosse Pestepidemie war 1346 - 1353, und bis die Bevoelkerung Europas das Niveau von 1350 wieder erreicht hatte war es 1720 - von 'schnell' kann da keine Rede sein.In deiner Grafik ist ja auch noch ein Knick durch den Dreißigjährigen Krieg zu erkennen. Dass man die Bevölkerungsverluste durch die größten anzunehmenden, ganze Kontinente umspannenden Katastrophen irgendwann nicht mehr kompensieren konnte, heißt aber ja nicht, dass man nach einem lokalen Krieg, in dem man keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen hat, einen (wahrscheinlich nicht einmal vollständig) entvölkerten Landstrich nicht wieder schnell besiedeln konnte. Darum geht es ja hier.
Wenn die Kompensation dieser beiden Mega-Ereignisse drei bis viereinhalb Jahrhunderte gedauert hat, heißt das aber ja auch, dass ein lokales Ereignis, dass auf ein Zehntel oder gar Hundertstel der Fläche Europas begrenzt gewesen wäre, auch in entsprechend kürzerer Zeit hätte ausgeglichen werden können.
Man muss ja auch bedenken, dass das Bevölkerungswachstum in Europa ab 1500 schon durch die Auswanderung in die Neue Welt verlangsamt wurde und der massive Bevölkerungsrückgang zwischen 1600 und 1650 wohl eher auf deren Verstärkung beruht als auf Kriegstoten. Eigentlich sehe ich meine These durch deine Grafik eher unterstützt als widerlegt.
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Eigentlich sehe ich meine These durch deine Grafik eher unterstützt als widerlegt.
Das nennt man dann die Fakten der Theorie anpassen denke ich - sorry, deine These war
Wenn durch einen Krieg oder eine Epidemie weite Landstriche entvölkert waren, hat man einfach allen verbliebenen Menschen die Heirat erlaubt, bis die freigewordenen Hofstellen verteilt waren. Weil die Menschen damals in viel jüngeren Jahren Kinder bekommen haben als heute, war die Bevölkerungsdichte dann schnell wieder genau so hoch wie zuvor.
aber in deiner Antwort jetzt redest Du eben nicht von 'weiten entvoelkerten Landstrichen' sondern von 'lokalen Ereignissen' wo das Land 'wahrscheinlich nicht einmal voellig entvoelkert' ist. Hm - das ist leider nicht ganz das gleiche, und so wird Deine Position zu einem bewegten Ziel.
Es stellt sich mir am Ende auch die Frage wie die Graphik denn haette aussehen muessen um Deine These zu widerlegen - persoenlich finde ich eine Delle von ueber 300 Jahren schon recht beeindruckend - bei welcher Zeitspanne haettest Du Deine These als widerlegt angesehen?
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Ein Landstrich ist doch lokal begrenzt und umfasst nicht ganze Kontinente. Von einer Entvölkerung spricht man schon, wenn die Bevölkerung stark dezimiert wurde. Deren genaues Ausmaß ist aber auch unerheblich, weil eine umkämpfte Region ja immer nur einem kleinen Teil des Staatsgebietes der beteiligten Konfliktparteien entsprechen wird.
Eine europäische Großmacht wie Preußen hat ja eine Region wie Schlesien mit Krieg überzogen, die vielleicht 10 Prozent ihres bisherigen Staatsgebietes entsprochen hat. Bei solchen Verhältnissen ist doch eine Neubesiedlung aus anderen Teilen des Landes möglich, zumal die einheimische Bevölkerung ja nicht systematisch ausgelöscht oder vertrieben wurde. So ein Ereignis kann man doch nicht mit einem kontinentweiten Bevölkerungseinbruch vergleichen, der nicht durch Zuzüge von außen kompensiert werden kann.
Du überträgst außerdem eine diachrone Betrachtung auf eine synchrone Situation. Wenn ein Landesherr während oder kurz nach der Pestepidemie beschließt, eine benachbarte Region zu erobern, kann er ja nur mit der aktuellen Bevölkerung kalkulieren und nicht mit der von vor hundert Jahren. Vielleicht ist der betreffende Landstrich sogar gerade durch eine durchgezogene Epidemie entvölkert und seine Verteidigung geschwächt, bei gleichzeitig noch vorhandener Infrastruktur, während im eigenen Land die Bevölkerung gerade explodiert. Da ist man dann auf die wenigen verbliebenen Zivilisten, die wegen einer anderen Sprache und Konfession ohnehin wenig loyale Untertanen wären, gar nicht angewiesen.
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Ein Landstrich ist doch lokal begrenzt und umfasst nicht ganze Kontinente.
Das ist ein Strohmann-Argument - 'weite Landstriche' sind trotzdem was anderes als 'lokale Ereignisse', auch wenn weite Landstriche noch keine Kontinente sind.
Tausend Euro sind nicht schon deswegen 'billig' weil es Dinge gibt die eine Million kosten.
Deren genaues Ausmaß ist aber auch unerheblich, weil eine umkämpfte Region ja immer nur einem kleinen Teil des Staatsgebietes der beteiligten Konfliktparteien entsprechen wird.
Du selbst hast eine Epidemie ins Spiel gebracht (was meinen Widerspruch primaer hervorgerufen hat der sich spezifisch gegen 'Epidemie' gerichtet hat) - insofern bringt es fuer Dein Argument jetzt wenig die Groesse einer umkaempften Region zu schaetzen - die ist irrelevant fuer eine Epidemie.
Du überträgst außerdem eine diachrone Betrachtung auf eine synchrone Situation.
Nein, ich widerlege spezifisch den Punkt dass im Mittelalter nach einer Epidemie 'schnell' die Bevoelkerung wieder auf vorherigen Stand aufgefuellt werden konnte.
Im Uebrigen vermisse ich eine Antwort hierauf:
Es stellt sich mir am Ende auch die Frage wie die Graphik denn haette aussehen muessen um Deine These zu widerlegen - persoenlich finde ich eine Delle von ueber 300 Jahren schon recht beeindruckend - bei welcher Zeitspanne haettest Du Deine These als widerlegt angesehen?
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Im Uebrigen vermisse ich eine Antwort hierauf:
Zum Glück bin ich dir ja keine Rechenschaft schuldig. Den Begriff "Strohmann-Argument" musste ich nachgucken, konnte aber keinen Zusammenhang zur Diskussion hier finden, jedenfalls nicht auf meiner Seite.
Die meisten Definitionen von "Landstrich", die ich finden konnte, gehen jedenfalls in Richtung "subnationale Einheit von nicht genauer bestimmter Größe". Das ist für mich eindeutig näher an "lokal" als an "europaweit".
Ich habe auch bewusst von Epidemien allgemein gesprochen und nicht von der räumlich und zeitlich bei Weitem ausgedehntesten aller Zeiten. Cholera oder Diphtherie breiten sich ja beispielsweise nicht so extrem aus. Genauso sind der Erste und Zweite Weltkrieg, die Napoleonischen Kriege oder der Dreißigjährige Krieg durch ihre extreme zeitliche oder räumliche Ausdehnung ja keine durchschnittlichen Kriege. Der Ukrainekrieg, der Jugoslawienkrieg oder der Deutsch-Französische Krieg sind ja weitaus typischer. Bevölkerungsverluste durch solche zeitlich und räumlich begrenzten Kriege und Epidemien sind innerhalb von ein oder zwei Generationen wieder ausgeglichen worden. Natürlich kann man immer extreme Katastrophen finden, deren Bewältigung alles bis dahin dagewesene übersteigt, auf die kann man sich aber eben nicht vorbereiten.
Monarchen denken ja auch nicht in Wahlperioden von vier oder fünf Jahren, sondern bauen Imperien auf, die auch ihre Enkel und Urenkel noch regieren sollen. Da ist ein kurzfristiger Bevölkerungsrückgang in einer Region, die man ansonsten für immer verlieren oder nie beherrschen würde, meist vertretbar. Damit kommen wir auch zum Thema des Threads zurück, warum die Schonung von Zivilisten in Kriegen nicht unbedingt immer oberste Priorität hat. Dann wären dazu für mich auch alle Argumente ausgetauscht, alle anderen dürfen natürlich weiterdiskutieren.
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Heyho Alcarinque Thorsten Sci-Fi-Dave Sensenbach
Das war ja bis jetzt alles hochinteressant zu lesen, allerdings finde ich, daß die ursächliche Frage dieses Threads immer noch keine Antwort gefunden hat:
Und da habe ich mich gefragt, wieso das nötig ist?
Wenn beide Fraktionen nicht dezidiert "böse" sind, wieso sollten sie Zivilisten angreifen?Da würde ich bei meinem bescheidenen Wissen mal folgern:
Weil das Niedermetzeln von eigentlich an einem Krieg völlig unbeteiligten Personen eine massive pychologische Waffe ist, die die öffentliche Meinung (und die gab es ganz sicher auch schon zu Zeiten dünn besiedelter Landstriche und ohne Internetz) beeinflussen kann dahingehend, daß sich die Überlebenden eines solchen Massakers entweder in Richtung "Wir ergeben uns, sonst sind wir auch noch dran" oder gegenteilig in "Wir werden blutige Rache nehmen - und wenn es uns auch das Leben kostet!" entscheiden werden.
Wie man diese Klaviatur der öffentlichen Meinung nun bespielt/zu bespielen in der Lage ist, hat schon so manchen Krieg entschieden, fürchte ich.
Und das ist weder an irgend einer Zeit oder an einem Ort festzumachen und es ist ganz sicher nicht auch eine Erfindung der Neuzeit.
Richtig ist, daß man sich irgendwann mal darauf verständigt hat, daß die zivile Bevölkerung nach Möglichkeit nicht in die kriegerischen Handlungen einbezogen werden sollte.
Das ist aber niemals weder bindend noch allgemein anerkannt worden, auch wenn die Grundsätze dazu in den Genfer Konventionen 1864 gelegt wurden.
Aber nochmal:
Einen "Zivilisten" nach heutiger Lesart mit einem nicht waffentragenden/kämpfenden Mitglied eines Clans/Stammes vergangener Zeiten etc. gleichzusetzen halte ich für unzulässig resp. für falsch im Denkansatz.
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allerdings finde ich, daß die ursächliche Frage dieses Threads immer noch keine Antwort gefunden hat:
Hm, rein interessehalber, was hatte Dir an der hier jetzt nicht gefallen:
Das bedeutet aber nicht dass Angriffe auf zivile Ziele keinen Sinn machen - man kann seine Armee so versorgen, dem Gegner solche Versorgung verweigern, Hilfstruppen zwangsrekrutieren, den Soldaten das Bordell bieten das sie laenger nicht mehr hatten, gegnerische Soldaten aus Angst um ihre Familien zum Desertieren bringen, die Infrastruktur die Kriegsgueter produziert zerstoeren, in der Bevoelkerung koennen Partisanen lauern,...
Ich habe auch bewusst von Epidemien allgemein gesprochen und nicht von der räumlich und zeitlich bei Weitem ausgedehntesten aller Zeiten.
Naja, kurzer Wechsel auf die Metaebene. Wir reden aneinander vorbei weil Du nach meinem Verstaendnig einen Punkt machst, einen anderen verteidigst und dann zum dritten uebergehst.
Du bist auch niemandem Rechenschaft schuldig, aber die generell akzeptierte Regel fuer einen Austausch ueber wissenschaftliche Fragen ist dass Du einem Einwand entweder begegnest oder den Punkt verloren gibst - will sagen, Deine nicht gegebene Antwort zeigt dass Du meinen Eindwand akzeptierst und Deine These (implizit) zurueckziehst.
Meine Kritik geht spezifisch auf das zitierte Statement
Wenn durch einen Krieg oder eine Epidemie weite Landstriche entvölkert waren, hat man einfach allen verbliebenen Menschen die Heirat erlaubt, bis die freigewordenen Hofstellen verteilt waren. Weil die Menschen damals in viel jüngeren Jahren Kinder bekommen haben als heute, war die Bevölkerungsdichte dann schnell wieder genau so hoch wie zuvor.
Hier ist die Rede von einer Epidemie die 'weite Landstriche entvoelkert' - nicht von einem lokal begrenzten Ereignis wie etwa einem Choleraausbruch um eine verschmuzte Pumpe. Weder betrifft Cholera 'weite Landstriche', noch ist sie so schlimm dass ihr Einflussgebiet als 'entvoelkert' gelten kann. Historisch hat 'entvoelkert' eigentlich in Europa nur die Pest geschafft. Und es ist die Rede davon dass die Bevoelkerungsdichte nach so einem Ereignis 'schnell' wieder 'genau so hoch wie zuvor' ist - weil im Mittelalter viele Kinder gezeugt wurden.
Das stimmt nach allem was ich weiss und recherchiert habe so nicht - ich habe keinen Beleg in irgendeiner Zahlenreihe gefunden (die Vorlesung die ich verlinkt hatte enthaelt einige) die so etwas zeigen wuerde. Alle Zahlen zeigen - eine Epidemie die Landstriche entvoelkert ist ein Ereignis das lange nachwirkt und nicht schnell korrigiert werden kann, und es gibt dort keine Tabelle oder Graphik die zu Deiner Aussage passen wuerde, egal ob der Referenzrahmen Europa oder eine historische Region ist.
Es gibt viele Gruende - z.B. die Veraenderungen in der Wirtschaft, Zusammenbrueche in Verarbeitungsketten etc. von denen man vermuten kann dass sie dazu fuehren dass es nach einem grossen Bevoelkerungsverlust nicht schnell wieder nach oben geht - man sieht in vielen Zahlen dass es nicht geht, aber das warum ist unter Diskussion.
Ich gehe durchaus mit Deinem Punkt mit dass der typische Mittelalterkrieg (mangels Logistik halt normalerweise kein Vernichtungskrieg) etwas qualitativ anderes ist als eine entvoelkernde Epidemie, und dass deshalb hier erwartet werden kann dass hier der Effekt schneller vorbei ist - aber das ist eben auch ein qualitativ anderer Punkt als der den ich kritisiere - und macht Deinen oben zitierten Abschnitt eben nicht richtiger.
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Speziell in der Fantasy werden ja immer und überall Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen "weil das damals halt so war" was mal wieder ein typisches, falsche Klichee ist.
Speziell wenn man verschiedene Mächte haben will, die halt nicht "böse" sind, machen Angriffe auf Zivilisten doch eh keinen Sinn?Für mich spielen hier verschiedene Dinge zusammen. Zum ersten ist es ein Unterschied, ob auf der stategischen Ebene (1) eine Vernichtung der nicht kämpfenden Bevölkerung angestrebt wird oder ob das eher auf einer taktischen (2) oder auch ungeplant-zufälligen (3) Ebene passiert. Kurze Beispiele: die Nazis im zweiten Weltkrieg führten (auch) einen strategischen Vernichtungskrieg in Osteuropa, d.h. es war (vielleicht nicht immer, aber langfristig schon) das Ziel, die dort lebende Bevölkerung zu vernichten oder zumindest umzusiedeln, damit dort Platz für deutsche Siedler gibt. So wahnsinnig viele weitere Beispiele fallen mir da nicht ein, vielleicht noch der ein oder andere Krieg der Römer, z.B. gegen Karthago
Auf taktischer Ebene würde ich es eher so sehen, dass man billigend in Kauf nimmt, dass Teile der Bevölkerung während der Auseinandersetzung sterben, etwa dann, wenn man Dörfer und Städte plündert, um die eigenen Truppen zu ernähren. Auch die Bombardierung von Städten, um Infrastruktur zu zerstören und psychologisch den Kampfwillen der Bevölkerung zu schwächen zählt für mich dazu (weder hatte Hitler vor, z.B. die komplete britische Bevölkerung zu vernichten, noch hatten die Briten vor, alle Deutschen zu töten, aber beide Seiten haben auch gezielt zivile Ziele angegriffen, um die Aufgabe des Gegners & damit einhergehend eine neue geo-poitische Situation herbeizuführen (strategisches Ziel)). Im Prinzip kann man das immer dann so sehen, wenn eine Stadt (als wirtschaftliches Zentrum eines bevölkerten Landstrichs) angegriffen wird, um damit den Widerstand des Gegners zu brechen und Kontrolle über den Landstrich zu erlangen.
Mit ungeplant-zufälligen Ereignissen meinte ich eigentlich, dass siegreiche Soldaten direkt nach der Eroberung einer Stadt Teile der Bevölkerung töten, um die während der Kampfhandlungen aufgestauten Emotionen abzubauen. Irgendwie kann das aber in (1) und (2) enthalten sein
Es ist halt doch etwas komplexer.
Im Grunde gefällt mir die Auseinandersetzung der Römer mit den Karthagern in den drei punischen Kriegen hier sehr gut, weil es ein Beispiel aus der Antike ist, das damit beginnt, dass die beiden Parteien um die Vorherrschaft im südlichen Mittelmeer kämpfen, ohne dass der eine oder andere vorhatte, den jeweils anderen vollständig zu vernichten. Im dritten punischen Krieg drehte sich das aber auf Seiten Roms, so dass die Legionen gezielt Karthago zerstörten, schleiften und die Felder drum herum mit Salz unfruchtbar machten, so dass eine erneute Besiedelung (und Erstarken) Karthagos eher unwahrscheinlich machte. Zugegeben, das ist jetzt kein Vernichtungskrieg, der auf biologische Vernichtung (d.h. jedes einzelnen Mitglieds des Volkes) abzielt, aber ein symbolischer / kultureller Vernichtungskrieg, der das Zentrum und das Selbstverständnis der Karthager zerstören sollte. Soll heißen, man kann ein Volk auch dadurch zerstören, dass man es versklavt und in alle Ecken und Enden des eigenen Reiches verstreut.
Zum Abschluss muss ich noch eingestehen, dass das "Work in Progress" ist. Bin mir selbst noch nicht so hundertprozentig sicher, ob es sinnvoll ist, mit eher modernen Begriffen (Zivilisten, Strategie / Taktik eines Krieges, Volk...) über antike oder fantastische Kriege nachzudenken
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Bin mir selbst noch nicht so hundertprozentig sicher, ob es sinnvoll ist, mit eher modernen Begriffen (Zivilisten, Strategie / Taktik eines Krieges, Volk...) über antike oder fantastische Kriege nachzudenken
Es ist zumindest in Werken die sich mit der Materie befassen so ueblich (und ich finde Deine obige Darstellung eigentlich sehr klar und ueberzeugend).
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Danke für die Antworten! Beruhigend zu lesen das die Frage durchaus verständlich war und sie nicht zwingend durch Strohmannargumente und Spott ad absurdum geführt werden muss...
Allgemein beziehe ich mich primär auf den deutschen Raum, Hoch- und Spätmittelalter um einen Rahmen für "dieses Mittelalter" zu haben, weil ich mich damit am meisten beschäftigt habe, das ist aber wohl auch auf weite Teile Europas übertragbar...
(Aber halt nicht auf die Khmer, Zulu, Apachen, Quin oder Westerosi :p )
Zur Bevölkerungsentwicklung: Da ist eine Europaweite Statistik natürlich recht unaussagekräftig, weil sehr allgemein. Leider habe ich auf die Schnelle sonst nur diese hier gefunden (von der Uni Frankfurt, da ist die Domain aber nicht mehr auf Stand weshalb sie als unsicher angezeigt wird, ein Bildlink ist aber unbedenklich): Entwicklung in D, F und GB.
Da sieht man sehr eindrücklich wie krass der 30jährige in Deutschland eingeschlagen hat, danach aber auf relativ selbem Niveau wieder gehalten hat.
Großes Bevölkerungswachstum begann dann erst im 18.Jhdt mit immer effektiveren Nahrungsproduktion, Landnutzung, Technik, Gesundheitswesen etc.
Ein Lehnsherr hat nichts von einem entvölkerten Land, auch wenn sie sich Menschen sehr schnell vermehrt hätten, dauert das halt einige Generationen ohne oder mit wenig Ertrag.Weil das Niedermetzeln von eigentlich an einem Krieg völlig unbeteiligten Personen eine massive pychologische Waffe ist, die die öffentliche Meinung (und die gab es ganz sicher auch schon zu Zeiten dünn besiedelter Landstriche und ohne Internetz) beeinflussen kann dahingehend, daß sich die Überlebenden eines solchen Massakers entweder in Richtung "Wir ergeben uns, sonst sind wir auch noch dran" oder gegenteilig in "Wir werden blutige Rache nehmen - und wenn es uns auch das Leben kostet!" entscheiden werden.
Ich glaub genau das ist es, was mir auch bei vielen Hollywoodsachen tatsächlich so sauer aufstößt: Die öffentliche Meinung. Von wem denn genau?
Das "Volk" hatte nichts mitzureden, ihm war das Geplänkel des Adels recht gleichgültig wenn es nicht ihr Gebiet direkt betraf. Der Adel wiederum hatte ja durchaus auch seine Regeln und Gesetzte, die uns heute teils absurd erscheinen aber auch für einen gewissen Frieden gesorgt haben. Ein brutales Abschlachten hätte auch zur Ächtung durch den Papst führen können, andere Herrscher gegen einen aufbringen etc.
Dann kamen im Spätmittelalter noch die Städte als neue Macht dazu, die außerhalb der bekannten Strukturen standen.
Die abschreckende Wirkung die auch Asni anspricht, um den Gegner zu demoralisieren, war im 20 Jhdt sehr beliebt, weil durch die allgemeine Wehrpflicht auch mehr oder weniger alle betroffen waren und man durch die Medien das auch viel mehr verbreiten konnte. Von den komplett anderen Dimensionen gar nicht zu reden.
Im Mittelalter war der Krieg tendenziell dann gewonnen wenn der Gegner aufgab. Das war nicht das Volk oder unbedingt das Heer, sondern der Herrscher. Wenn man sein Heer in der Schlacht schlug und ihn dabei erwischte oder seine Festung belagerte bis er aufgab, "genügte" das.
Niemand zog aus Überzeugung in den Krieg, sondern weil sie verpflichtet waren oder weil sie dafür bezahlt wurden. Da gibt man viel früher auf wie bei den heutigen Kriegen wo es ums Vaterland, die Überzeugung und den ganzen anderen nationalen Schwachsinn geht (zumindest die Angreifer, für die Verteidiger schaut die Sache natürlich immer anders aus)Zum Abschluss muss ich noch eingestehen, dass das "Work in Progress" ist. Bin mir selbst noch nicht so hundertprozentig sicher, ob es sinnvoll ist, mit eher modernen Begriffen (Zivilisten, Strategie / Taktik eines Krieges, Volk...) über antike oder fantastische Kriege nachzudenken
Jup Definitv, speziell das Mittelalter ist für uns in so vielen Bereichen immer noch sehr fremd, da ist es gar nicht so einfach es überhaupt zu verstehen, von den Details gar nicht zu reden...
Darum würde ich Zivilisten vielleicht besser auf "Unfreie" abwandeln. Diese waren, durch ihren Unfreien-Status ja explizit vom Kriegsdienst ausgenommen. Darum, wie schon erwähnt, begaben sich viele im Hochmittelalter auch freiwillig in die Unfreiheit. Entsprechend war das im Hochmittelalter auch die mit Abstand größte Gruppe an Menschen.
Das begann sich dann erst im Spätmittelalter mit dem Aufploppen der Städte wieder zu ändern.
Freie Bauern (und Bürger von Städten natürlich) waren verpflichtet Waffen und Rüstungen zu besitzen und in Bereitschaft zu haben, abhängig von ihrem Wohlstand (Das bedeutet das also auch Bauern Waffen, Harnische und andere Rüstungen haben konnten/mussten und somit teils nicht ganz so wehrlos waren). Sei es zur Verteidigung oder im Kriegsfall wenn sie vom Kriegsherren eingezogen wurden. Aber auch das war klar geregelt. Z.B. Bauern hatten teils das Recht zur Ernte wieder zurück zu sein.
Eine andere, eher unbekannte Sache über die ich auch erst vor Kurzem gestolpert bin, ist die Fehde. Das konnte ganz "offiziell" und legal ausgeführt werden, wenn man einen guten Grund hatte (das ist wie immer natürlich Auslegungssache). Ein Adeliger konnte seine Truppen gegen ein Dorf seines Gegner schicken, ohne scharfe Waffen, sie zerstörten dann Eigentum, brannten also Häuser/Felder etc nieder, raubten das Vieh und teils auch Arbeitskräfte. Getötet sollte dabei nicht werden. Kam es es doch zu (zu vielen) Toten, konnte eine Fehde dann auch gerne in einem Krieg ausarten.
Das zeigt meiner Meinung nach ganz gut, das Menschenleben sehr wichtig waren und man nicht "mal eben" neu besiedeln kann. Da raubte man sie lieber vom Nachbarn. XD
Ganz abgesehen davon das es natürlich auch noch den religiösen Aspekt gab, den wir heute sehr gerne vergessen/übersehen da es für und kaum mehr eine Relevanz hat: Das Töten von Menschen war eine Todsünde und verhindert das Eingehen in den Himmel. Es gab natürlich Ausnahmen, wie die Kreuzzüge wo genau das das Gegenteil erzählt wurde, aber grundsätzlich war es etwas das man nicht auf die leichte Schulter nahm. -