Hallo und schöne Feiertage!
Der Account hier ist ziemlich alt und ich habe lange nichts mehr gepostet. Will aber nächstes Jahr wieder aktiver mitmachen. Ich bräuchte Hilfe bei einer bestimmten Scene in meinem aktuellen Buch, falls jemand Zeit und Muse dafür hat. Ich tue mir sehr schwer in meiner Familie jemanden zu finden.
Der Protagonist ist schwul, weiß das aber zu Beginn des Buches noch nicht, zumindest nicht bewusst. Ich habe versucht eine Scene in einem Museum zu schreiben die dem Leser offen legt das Staturen von nackten weiblichen Figuren für ihn auf eine ästhetische Weise schön sind, während die Bildnisse von Männern anziehend auf ihn wirken. Das ist eine schwierige Gradwanderung, vor der ich mich aber nicht drücken kann, weil es plot-relevant ist. Es ist ein Dark-Fantasy-Drama und spielt im Jahr 1901 in Frankreich. Rechtschreibfehler sollten keine mehr drin sein.
Ich würde jede Kritik zu schätzen wissen, insbesondere die Meinung von schwulen oder bi-sexuellen Männern. Vielen Dank im Voraus.
Das Kopfsteinpflaster führte zu einer Brücke und dahinter war ein Knick in der Straße, wo das Museum für bildende Künste seinen Platz hatte. Einige Fenster in der ersten und zweiten Etage waren noch gekippt. Es war also nicht abgeschlossen. Madame Perrin hatte ihn und seine Schwester oft hierhergebracht, als sie noch Kinder waren. Es war ein gutes Ausflugziel, wenn man unsicher war, ob es später regnen würde. Die langen Schlangen am Eingang und die Enge in den Innenräumen hatte er immer gehasst, aber dieses Mal saß der Rezeptionist allein und gelangweilt an seinem Schalter und las Zeitung. Er trat näher und schämte sich fast zu klopfen. Der ältere Herr mit dem sauber getrimmten Schnauzbart schreckte hoch und legte seine Zeitung beiseite.
„Verzeihung.“ Was kann ich für sie tun, Herr Lurad? " Lafayett war erstaunt, nach so langer Zeit noch erkannt zu werden. Es sollte wohl sein.
„Wie lange ist noch geöffnet?“, fragte er neugierig.
„Ich fange in einer Stunde an zu putzen.“ aber ich werfe sie nicht raus, wenn sie etwas länger brauchen.
Lafayett nickte freundlich und schob drei Franc-Münzen durch die kleine Öffnung im Fenster.
„Gibt’s es irgendwas Neues? " Erkundigte er sich.
Die Registrierkasse sprang scheppernd auf und das Kleingeld gesellte sich zu den restlichen Tageseinnahmen. Der Rezeptionist zog eine vorgefertigte Eintrittskarte von einer Rolle ab und übergab sie mit beiden Händen.
„In Museen gibt es keine neuen Dinge, Herr Lurad.“ ‚Neu‘ ist immer reichlich vorhanden und braucht auch niemanden, der es behütet. Was wir hier haben, sind antike Dinge, an denen ihre Zeit und ihre Kulturen hängen geblieben sind. Von einem weniger philosophischen Standpunkt aus gibt es eine Leihgabe griechischer Bronzen und Statuen im Ostflügel. „Es ist der letzte Tag, ehe sie zurückgehen.“
„Da hatte ich ja Glück, nicht wahr?“ Er nahm die Karte an sich und ließ sie in seiner Jackett-Tasche verschwinden.
„Ich schätze schon. Viel Vergnügen.
Lafayett stemmte sein ganzes Gewicht gegen die Flügel der Doppeltür und verschaffte sich Zutritt. Fließen aus weißem Marmor bildeten den Boden der Halle. Er konnte sich vorstellen, wie prächtig alles bei der Eröffnung ausgesehen hatte, aber seine Augen konnten die Risse und abgebrochenen Kanten nicht ausblenden. Manche Stücke waren komplett ersetzt worden, allerdings mit Material aus einem anderen Steinbruch und mit weniger Abnutzungserscheinungen als die angrenzenden Platten. Es machte den Eingangsbereich kleiner, weil es nicht mehr möglich war, die Vision des Designers als geordnetes Ganzes wahr zu nehmen. Die hohen Wände warfen das einsame Echo seiner Schritte hin und her. Über seinem Kopf wölbte sich eine majestätische Glaskuppel, die als einzige Lichtquelle diente, bevor nach Sonnenuntergang das elektrische Licht eingeschaltet wurde.
Ein Podest zu seiner Linken rief ihn lautlos. In einer Hülle aus Glas und strengen Warnungen lebte eine lebensgroße Bronzeskulptur. Er kam näher und sah zu ihr auf wie ein Bittsteller zu einer Königin. Die weibliche Figur in dem Kasten war leicht nach vorne geneigt, gerade erst im Begriff, sich auf zu richten. Ihr nackter Körper war mir Händen und Unterarmen verdeckt, als ob sie bis eben ungestört in einem See gebadet hätte und vom Betrachter in ihren Frieden gestört worden wäre. Sie erschien ihm so lebendig, als könnte sie jeden Moment aus ihrer Versteigerung brechen. Er schlich um sie herum und betrachtete die Details in ihrem überraschten Gesicht, die Locken ihrer Haare und die Wölbung ihres Rückens, ihrer Pobacken, ihrer Kniekehlen und Fersen. Die Gravur um Sockel kannte keine Namen, weder ihrer noch den ihres Schöpfers. Lafayett sträubte sich zunächst dagegen, beeindruckt zu sein. Oberflächlich war es ein alter Klumpen Metal, aber das Werk war auf so eine einzigartige Weise schön, so unantastbar für seinen Zynismus, dass er bedauerte, sie gleichzeitig zum ersten und zum letzten Mal zu sehen. In seinen nebligen Erinnerungen waren alle Räume gleich. Wenn er etwas wiedererkannte, dann nur, weil Madame Perrin ihm an dieser Stelle etwas Außergewöhnliches gezeigt hatte: wie ein bestimmtes stark texturiertes Ölfarben-Bild von einem Reiher an einem Bachlauf.
„Das hat er draußen in der Wildnis gemalt“, hatte sie damals gesagt und auf die Frage hin, woher sie das wisse, auf die rechte untere Ecke gezeigt, wo auch heute noch ein Grashüpfer in die olivgrüne Farbe eingeschlossen war. Er konnte sich gegen sein aufkommendes Lächeln nicht wehren. Der Künstler musste den Makel gesehen haben, aber er hatte sich selbst und sein Kunstwerk nicht zu ernst genommen und die Leinwand belassen, wie sie war. Die Natur hatte ihm einen Witz erzählt und er gab ihn so, wie er war, an die Nachwelt weiter, wie eine freundliche Unterhaltung über Raum und Zeit hinweg zwischen zwei Menschen, die sich nie getroffen hatten. Verankert in dem mumifizierten Insekt wuchs auch seine Wertschätzung für den Rest des Bildes. Die Ruhe und die Harmonie, die der Szene innewohnte, sprachen zu ihm. Kunst konnte wunderschön sein. Vielleicht konnte er Raum dafür machen und sich selbst eine Staffelei und ein paar Farben zulegen. Dann besann er sich anders. Auf diesem Niveau zu malen würde Jahrzehnte dauern, in denen er nur amateurhafte Bilder hervorbringen konnte. Das war es ihm nicht wert. Er folgte gehorsam einer Reihe von Wegweisern in dem neuen Bereich mit den griechischen Statuen, die hier genauso Besucher waren wie er. Hier gab es kein Glaß, nur rote Stricke und dieselbe schriftliche Aufforderung, nichts zu berühren. Siebzehn blütenweiße Staturen nahmen den Raum ein. Es waren Szenen aus Mythen über alte Götter in sehr dynamischen Posen. Der Stoff ihrer Tuniken und Umhänge wehte im Wind, kräuselte sich, wo er geknickt wurde und warf lebensechte Falten. Ihr Haar war entweder ganz der Schwerkraft unterworfen oder zu prächtigen hochgesteckten Zöpfen frisiert, und die einzelnen, stark betonten Muskelgruppen unter der Haut vermittelten ihre schiere Macht und ihre Stärke. Bei einigen Figuren bedeckten strategisch platzierte Stofffetzen oder Feigenblätter den Schoss, aber die meisten von ihnen stellten sich der Wahrheit, dass der menschliche Körper nicht unter dem Bauchnabel aufhörte. Der rote Teppich dämpfte seine Schritte, und als in diesem Moment die Sonne draußen unterging, schaltete der Hausmeister, irgendwo im Gebäude die Glühbirnen an. Die moderne, künstliche Beleuchtung flutete die Halle und brachte so viele neue Perspektiven in den toten Stein, dass er versucht war, zurück zu gehen und sich jede einzelne Skulptur erneut anzusehen, buchstäblich in einem anderen Licht.
Er kam vor dem Größten der Werke zum Stehen. Hinter der Absperrung lenkte Hades, der Gott der Unterwelt seinen Streitwagen, während er seine Hand nach einer flüchtenden Persephone ausstreckte. Die Arme und das Gesicht der jungen Maid, hatten Schaden genommen. Die fehlenden Stellen waren mit weißer Spachtelmasse aufgefüllt, die aber anders als der polierte Marmor nicht glänzte. Ihm wäre es lieber gewesen, die Statur beschädigt zu sehen. Die Ergänzung machte sie für ihn ironischerweise weniger vollständig. Seine Augen folgten ihrem fließenden Gewand, wie ein Blatt in der Strömung, hinauf zu ihrer Schulter und von dort aus zu den Fingern ihres Verfolgers, der sie zu packen versuchte. Seine Hände waren nicht glatt. Der Bildhauer hatte die einzigartigen Falten eingearbeitet, die jeder Mensch in seiner Handfläche trug, und hier und dort stachen Venen durch die imaginäre Haut.
Er wollte näher herantreten. Obwohl der rote, hüfthohe Strick es untersagte, verließ er den roten Teppich und setzte zuerst einen Fuß auf den Sockel. Dann den anderen. Es fühlte sich beklemmend, an der überlebensgroßen Figur so nah zu sein, aber Lafayett musste ihn einfach berühren. Die Kraft, die ihn vorwärts schob, war zu groß. Mit der beschädigten Persephone in seinem Rücken streckte er den Arm aus und seine Finger rutschten wie von selbst zwischen jene der männlichen Skulptur. Der Marmor war kalt, aber die Oberfläche fühlte sich seidig weich an. Atmen wurde zu einem bewussten Akt und seine Knie drohten unter ihm nachzugeben.
Unter dem strengen, entschlossenen Gesicht mit seinem starken Unterkiefer und der leichtesten Andeutung von Stirnfalten, lagen breite, athletische Brustmuskeln, die ihrerseits fest über die Rippen gespannt dalagen. Die Kanten und Wölbungen seines Körpers gingen so vollkommen ineinander über, dass es ihm nicht möglich war, sich eine Abweichung davon auch nur vorzustellen. In seinem Kopf sah er, wie sich der festgehaltene Moment entfaltete. Der Herr der Unterwelt würde die Zügel zur Seite reißen, der Wagen würde nach links driften und seine Hand würde fest zupacken. Dann würde er das Objekt seiner Begierde mit einem kräftigen Ruck zu sich ziehen und es eng an seinen Torso drücken, damit die Beute während der wilden Flucht nicht aus dem Wagen fiel.
Ein nie gekannter Schrecken ergriff ihn. Er blickte zurück auf seine eigenen Fingerkuppen, das rosa Fleisch, das sich fest gegen den blassen Stein presste. Die Figur, dessen Hand er hielt, stellte den König der Unterwelt da. Man würde ihn buchstäblich in die Hölle zerren. Er lockerte seinen Griff und zog sich zurück. Er massierte seine Handballen, während er auf die andere Seite der Absperrung zurückkehrte. Seine Brust fühlte sich eng an und er bereute, das Museum überhaupt betreten zu haben. Der sonst perfekt sitzende Stoff seiner Herrenhose drückte unangenehm gegen seine Männlichkeit. Er hielt sich selbst mit beiden Händen den Mund zu, so feste, dass sich seine Fingernägel in seine Wange bohrten. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Die Blicke der leeren weißen Augen brannten sich in seine Haut, und er floh, während das perfekte Leben, das ihm eben noch sicher schien, wie Sand durch seine Finger ran. Es würde niemals ‚die Richtige‘ geben, denn was sich für ihn richtig anfühlte, war keine Frau.