Was lest ihr gerade? (Non-Fantasy)

Es gibt 734 Antworten in diesem Thema, welches 138.115 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Mai 2024 um 00:39) ist von Der Wanderer.

  • The Rise of Endymion von Dan Simmons

    Nach 'The Fall of Hyperion' und 'Endymion' bin ich jetzt fast am Ende der Reihe angekommen. Was soll ich sagen - einfach schoen...

    Man merkt dass Simmons das Konzept der Welt zwischen den Hyperion und den Endymion-Geschichten ein bisschen geandert hat und bei seinem ultra-verwickelten Plot ein oder zweimal den Faden verloren hat, aber trotzdem - tolle Literatur.

    In den letzten zwei Baenden regiert die katholische Kirche ueber die menschlichen Kolonien der Galaxis - mit Hilfe eines Wiederauferstehungsparasiten, des 'cruciform' der es ermoeglicht dass Menschen de facto unsterblich werden. Leider ist der Parasit weniger das Sakrament das die Kirche behauptet, sondern eine Erfindung des Technocore - der KIs der Menschheit die Menschen und ihre Gehirne als Ressourcen fuer ihr Forschungsprojekt, die ultimative Intelligenz (UI) verwenden wollen.

    Die Geschichte verfolgt das Maedchen Aenea und Raul Endymion die vor der Kirche fliehen, denn Aenea ist der Messias eines neuen Zeitalters in dem die Menschen sich entscheiden koennen ob sie leben (und sterben) wollen oder nur existieren.

    Kirchliche Rituale, im Detail recherchiert. Zen Buddhismus auf einer Welt die Tibet nachempfunden ist. Evolution von kuenstlicher Intelligenz. Tiefe Philosophie. Und eine wunderschoene Liebesgeschichte.

    Wenn ich versuche es zu beschreiben klingt es unmoeglich aus dem Plot eine sinnvolle Geschichte zu stricken, aber Simmons bekommt es hin so dass es sich auch noch spannend liest und man mehr davon will.

  • Ich lese gerade "Wie man Freunde gewinnt" von Dale Carnegie. Es ist kein Roman, sondern eher Informationsliteratur. Und auch, wenn das Buch in den späten 30ern des letzten Jahrhunderts (das schreibe ich besser dazu, weil wir in 7 Jahren in den 30ern sind :rofl:) geschrieben wurde, ist sein Inhalt heute noch brandaktuell, denn es ist eine allgemein gültige Anleitung für den Umgang mit Menschen. Ich habe bisher nur die ersten drei Kapitel gelesen und finde es bereits "mindblowing". Zugegeben, irgendwie weiß ich die Dinge auch, sie aber so präzise auf den Punkt gebracht und mit zahlreichen Beispielen veranschaulicht zu sehen, gibt mir das eine oder andere Aha-Erlebnis. So konnte ich schon Tipps herausnehmen, wie ich das nächste Mal meine Werke Agenten und Verlagen vorstellen werde :)

    Ganz klare Leseempfehlung, schon die ersten 100 Seiten lohnen sich!

  • Gerade unter meinem Auge:

    "Die sieben Säulen der Weisheit" von T(homas) E(dward) Lawrence, allgemeiner bekannt als "Lawrence von Arabien".<

    Tagebuch bzw. autobiographischer Kriegsbericht über den arabischen und von ihm mitorganisierten Aufstand gegen das osmanische Reich in den Jahren 1917-1918.

    Ganz besonders hervorzuheben (bin gerade ungefähr in der Mitte des Buches) die detaillierten Beschreibungen des Beduinenlebens der damaligen Zeit.

    Obwohl Lawrence sich scheinbar als Brite seiner Zeit den Wüstenbewohnern im allgemeinen "überlegen" gefühlt hat, spricht aus seinen Worten eigentlich genau das Gegenteil.

    Bewunderung für eine Lebensart, die nicht die eigene ist.

    Ich bin gespannt, zu welchem Schluß der Autor am Ende kommt...

  • Im Grunde gut von Rutger Bregman

    Wow.

    Selten in letzter Zeit habe ich ein Buch wirklich verschlungen.

    Worum geht's? Im Grunde um eine Auseinandersetzung zwischen Hobbes und Russeau - wie ist der Mensch von Natur aus? Ist er egoistisch und im Kampf gegen jeden und brauchen wir deshalb die Autoritaet von Regierungen, Polizei etc. um halbwegs in Frieden zu leben - oder es es genau umgekehrt, hat die Zivilisation uns erst zum Unfrieden gebracht?

    Das Buch vertritt die Position von Russeau - und stellt recht viel auf dem Kopf was man so glaubt zu wissen.

    Das Stanfort Prison Experiment (zu deutsch verfilmt als 'Das Experiment') das zeigt dass Waerter im Gefaengnis - sich selbst ueberlassen in Sadismus abdriften? Die originalen Aufzeichnungen geben eher her, dass die Waerter massiv instruiert und aufgestachelt werden muessen bevor sie irgend ein 'interessantes' Verhalten zeigen. Das Milgram Experiment in dem gezeigt wird wie Menschen auf Befehl toedliche Stromschlaege verteilen? Eher muss man massives Mobbing begehen und sie davon ueberzeugen dass es 'im Namen der Wissenschaft' halt erforderlich ist - wenn tatsaechlich Befehle erteilt werden machen Menschen eher zu und verweigern Gehorsam.

    Die Deportation der Juden in Daenemark durch die Nazis war (von Nazi-Perspektive) ein Fiasko - nicht nur weil die Daenen als Kollektiv sich der Sache verweigert hatten, sondern weil selbst ueberzeugte Nazis unter dem Eindruck dieser kollektiven Verweigerung den Glauben daran verloren hatten irgendwie etwas richtiges zu tun.


    Nach der Schlacht von Gettysburgh wurden von 25.000 Musketen 10.000 mit mehr als einer Kugel geladen gefunden - die plausibelste Erklaerung dafuer? Soldaten nehmen jeden Grund nicht auf den Feind zu schiessen dankbar an - uns sei es die Waffe eben nochmal zu laden.

    Hunderte von europaeischen Siedlern in den USA wurden von Indiandern gefangen genommen - als sie befreit wurden hatten sie nichts besseres zu tun als... wieder zu den Indianern zu gehen. Der umgekehrte Fall kam praktisch nie vor.

    Ich denke das eine oder ander muss ich definitiv noch mal nachrecherchieren, aber... wow, die paar Sachen die ich schon nachgeschaut habe scheinen Substanz zu haben.

    Ich meine, ich bewege mich eher in einer Welt in der Menschen nett zueinander sind, gemeinsam an Projekten arbeiten ohne auf ihren Vorteil zu schielen oder so aber... mit der Wucht in der Bregman serviert dass der Mensch eigentlich gar nicht so uebel ist hatte ich das nicht erwartet.

  • Hab ja hier zu schon einen Post gemacht, ganz vergessen. ^^

    Okay, ich halte mich kurz. Grass' Prosa wird zunehmend anstrengender je weiter er sich von der Blechtrommel entfernt, so scheint es mir. Das hilft nicht, weil er teilweise im selben Absatz zwischen 4 (oder so) Ebenen springt, was er grundsätzlich so gut macht, dass sich das trotzdem ganz gut liest, aber ... man.

    Es ist im Prinzip eine recht didaktische Geschichte über einen Lehrer, der seinen Schüler davon abhalten will, seinen Hund aus Protest gegen den Vietnamkrieg öffentlich zu verbrennen. Klingt cool, ist es irgendwie auch. Aber wie gesagt, Grass' Sprachstil wird hier manchmal ärgerlich bürokratisch, besonders wenn er seine Figuren auf wahrscheinlich ironische Weise Vorträge in Fachsprache halten lässt. Ich sage dazu: Lang. Wei. Lig.

    Die Diskussionen zwischen dem Lehrer, seinem Schüler und auch seinem Zahnarzt sind durchaus unterhaltsam bzw. tragen den Roman, aber alles unterhaltsame wird immer wieder durch irgendetwas anderes ausgeglichen. Das macht dieses Buch gleichzeitig spannend und nervig.

    Unterm Strich geht es um die Frage, ob jugendlicher Revoluzzer-Drang etwas bringt und nicht vielleicht schnell verpufft, ob stoischer Reformismus wirklich etwas bringt oder stillstand bedeutet, und präsentiert die Reform als die bessere Lösung, mit aller einhergehenden Frustration. Das ist grundsätzlich ganz cool. Im Vergleich zur Blechtrommel aber auch schon recht intellektuell und damit etwas kühl und unnahbar.

    Also die typische Grass-Wundertüte für mich. Ein cooles Konzept, mit guten Ideen, teilweise ein Lehrstück in ungewöhnlichen, modernistischen Erzähltechniken. Aber auch mit einem Sprachstill voller, ich nenne es mal so, schlechter Angewohnheiten, und einer etwas unterkühlten Attitüde.

    Immerhin eines war es mit seinen etwa 300 Seiten auch: gnädig kurz.

    6 Bücher hab ich von dem Mann noch übrig. Aber wie immer brauche ich jetzt erstmal was ganz anderes.

    Häupter auf meine Asche!

  • Heyho Thorsten

    Nach der Schlacht von Gettysburgh wurden von 25.000 Musketen 10.000 mit mehr als einer Kugel geladen gefunden - die plausibelste Erklaerung dafuer? Soldaten nehmen jeden Grund nicht auf den Feind zu schiessen dankbar an - uns sei es die Waffe eben nochmal zu laden.

    Also, wenn das des Autors Erklärung für mehrfach geladene und nicht abgefeuerte Waffen während eines Gefechtes ist, halte ich sie für ziemlich weit hergeholt.

    Nicht auf den Feind zu schiessen mag etwas sein, worüber Soldaten vor einem Gefecht nachdenken - und ganz sicher auch danach.

    Soweit ist die Idee zutreffend.

    Daß Soldaten dies jedoch während eines Gefechtes tun und deshalb mehrere Kugeln in den Lauf rammten nur um nicht schiessen zu müssen, halte ich für absoluten Blödsinn.

    Ein Kampf auf Leben und Tod läßt einem keine Zeit für solche Überlegungen - denn schiesse und treffe ich nicht zuerst, dann tut's der Feind gegenüber - und wenn er mich trifft, ist es aus.

    So simpel ist die Rechnung.

    Daß es einen Riesenhaufen Musketen gab (Standardwaffe im amerikanischen Bürgerkrieg das Modell "1855 U.S. Percussion Rifle-Musket", glattläufig und damit auf mehr als 15 Metern alles andere als zielgenau) in denen mehr als eine Kugel im Lauf steckte, ist ein Fakt.

    Die Frage ist, wie wurde denn damals mit diesen Waffen gekämpft:

    Spoiler anzeigen

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    (Ist nur ein Film, aber gründlich recherchiert...)

    Ich halte es daher für realistischer, daß die damaligen Besitzer dieser Waffen - vollgepumpt mit Adrenalin durch das sie umgebende Gefecht - schlicht und ergreifend das Abfeuern ihrer Waffe vergessen haben, weil es ständig um sie herum geknallt hat (...und sie in dem sie umgebenden Radau vielleicht sogar dachten, sie hätten ihre Waffe abgefeuert und müßten nun neu laden...)

    Und der beste Grund für Soldaten, nicht auf den Feind zu schießen, ist komischerweise immer noch ... der Frieden.

  • Ein Kampf auf Leben und Tod läßt einem keine Zeit für solche Überlegungen - denn schiesse und treffe ich nicht zuerst, dann tut's der Feind gegenüber - und wenn er mich trifft, ist es aus.

    Sollte man meinen, stimmt aber offenbar nicht:

    S.L.A. Marshall ist der Mann der das im zweiten Weltkrieg auf der US_Seite untersucht hat - der deutsche Wiki-Artikel ist leider sehr knapp aber auf Englisch findet sich eigentlich alles was man braucht:

    In 1947, he used these interviews as the basis for his best known work Men Against Fire, whose most notable conclusion was that 75% of individual riflemen engaged in combat never fired at an exposed enemy for the purpose of killing, even when directly threatened

    (...)

    "Marshall's fundamental conclusion that man is not, by nature, a killer" is confirmed by data from other armies and different historical periods. These include studies conducted by the 19th century French military theorist Ardant du Picq, Paddy Griffith's 1989 book Battle Tactics of the American Civil War, which analyses the "extraordinarily low killing rate" among American Civil War regiments, and Acts of War; The Behaviour of Men in Battle by British military historian Richard Holmes. The claim was also supported by FBI studies into non-firing rates by law enforcement officers in the 1950s and 1960s. Surveys of after action reports conducted during WWII in the British and Soviet armies showed low firing rates were common in both, to the extent Russian officers suggested inspecting rifles after combat, and court-martialling those found with clean barrels

    Tatsaechlich hat die US-Army die Sache sehr ernst genommen und das Training geaendert - so dass in Korea geschaetzt 55% der Soldaten geschossen haben, in Vietnam dann gut 95%.

  • Zitat

    Ich halte es daher für realistischer, daß die damaligen Besitzer dieser Waffen - vollgepumpt mit Adrenalin durch das sie umgebende Gefecht - schlicht und ergreifend das Abfeuern ihrer Waffe vergessen haben, weil es ständig um sie herum geknallt hat (...und sie in dem sie umgebenden Radau vielleicht sogar dachten, sie hätten ihre Waffe abgefeuert und müßten nun neu laden

    Der Wanderer Das ist sicher ein Aspekt, aber ich denke, die psychologische Blockade, den Abzug zu betätigen ist auch nicht gerade unwichtig.

    Ich glaube das ist sogar ein bekanntes Phänomen. Das Töten liegt nicht in der menschlichen Natur, sofern nicht der eigene Selbsterhaltungstrieb provoziert wird, was in einer Schlacht in der Grösse von Gettysburgh nicht immer der Fall war. Man schiesst da ja einfach auf irgendwen.

    Die Neuverfilmung von Im Westen nichts Neues beginnt auch mit einem Soldaten der immer wieder seinen Karabiner neu lädt, damit er nicht nach vorne schauen und eine Entscheidung treffen muss.

    Zitat

    Und der beste Grund für Soldaten, nicht auf den Feind zu schießen, ist komischerweise immer noch ... der Frieden.

    Stimmt, aber da haben die Soldaten wenig zu melden :oops:

  • Heyho Thorsten

    In 1947, he used these interviews as the basis for his best known work Men Against Fire, whose most notable conclusion was that 75% of individual riflemen engaged in combat never fired at an exposed enemy for the purpose of killing, even when directly threatened

    (...)

    Kann man zur Argumentation heranziehen , wurde aber ebenfalls mehrfach angezweifelt.

    Militärhistoriker Robert Engen zum Thema:

    "[C]ompelling evidence shows that Marshall was factually incorrect in his assertions that only 15-20 percent of riflemen fired their weapons in the Second World War. Even if he was wholly correct, his interpretation of the meaning of this phenomenon does not stand up well to scrutiny. .. [T]o universalize Marshall’s findings beyond the
    specific subjects he studied is premature."

    Und auch David H.Hackworth, ehemals Co-Autor bei S.L.A.Marshall hat sich später von den Theorien von Marshall entfernt, wenn ich das richtig verstanden habe, Deinem Link zu S.L.A.Marshall folgend weiterklickend.

    Und auch wenn es in dem Artikel steht - lesen tut ihn wohl außer mir eher keiner in Gänze:

    Marshalls grundlegende Erkenntnis, daß der Mensch von Natur aus kein Killer ist...

    "Marshall's fundamental conclusion that man is not, by nature, a killer"

    hat ihn ja nicht etwa dazu bewegt, es dabei zu belassen und den Krieg grundsätzlich abzulehnen - ganz im Gegenteil:

    "One of Marshall's suggestions for improving rates of fire was to use realistic man-shaped targets rather than bullseyes,[33] a practice which is now standard among militaries and law enforcement agencies.[14] Much of the ongoing discussion regarding his research centres on reasons for "non-firing" and is of continuing interest to militaries in order to determine how to optimise training and manage issues like post traumatic stress disorder." (Quelle:Wikipedia/Engl.)

    Tatsaechlich hat die US-Army die Sache sehr ernst genommen und das Training geaendert - so dass in Korea geschaetzt 55% der Soldaten geschossen haben, in Vietnam dann gut 95%.

    Korrekt.

    Nur wäre dann die Erkenntnis, daß der Mensch von Natur aus kein "Killer" ist im Kontext lediglich die Grundlage dafür, wie man ihn zu einem machen kann. Und daß das funktioniert...in Korea 55%, in Vietnam 95% hast Du mir ja mit Deinem Zitat bestätigt.

    Interessant.

    Wenn man das schon ganz subtil durch den Austausch der Form von Zielschieben erreichen kann, was kann man dann wohl durch das Bespielen der großen psychologischen Tastatur bei Menschen erreichen?

    Es funktioniert ja scheinbar bestens - und bei vollautomatischen Schießeisen ist es wohl auch eher unwahrscheinlich, daß mehrere Kugeln im Lauf einen Rückschluß auf die Schießwilligkeit zulassen.

    Das Töten liegt nicht in der menschlichen Natur, sofern nicht der eigene Selbsterhaltungstrieb provoziert wird, was in einer Schlacht in der Grösse von Gettysburgh nicht immer der Fall war. Man schiesst da ja einfach auf irgendwen.

    Ebenfalls korrekt.

    Nur muß ich Dich fragen:

    Versuche Dir vorzustellen, Du würdest in einer Schlacht wie Gettysburg kämpfen, Dein "Feind" käme schiessend auf Dich zumarschiert, würde auf die Reihe in der DU stehst eine volle Salve feuern, rechts und links werden Leute von Kugeln getroffen und fallen um und Du siehst, wie dem einen von einer Sekunde zur anderen das halbe Gesicht zu einer blutigen,breiigen Matsche zerfetzt wird, Du siehst, wie einem neben Dir auf einmal das halbe Bein fehlt, weil es ihm ein Granatansplitter weggerissen hat , um Dich herum knallt und kracht es, Rauch- und Erdsäulensäulen von einschlagenden Geschossen steigen rings um Dich her auf, der Donner der Kanonen hinter Dir macht dich taub, die Erde, auf der Du stehst scheint zu beben und um Dich herum ist eine Kakophonie aus Schreien: Gebrüll von denen, die gerade angreifen, Gejammer und Geheul von denen, die ihre Wunden umklammern, Geschrei von denen, die gerade sterben, weil ihnen vielleicht die Eingeweide aus dem Bauch quellen...

    Wieviel "Provokation" des Selbsterhaltungstriebes bräuchtest Du (oder wahweise Ich...) wohl noch, um Deine Knarre abzudrücken, um aus einer solchen Hölle rauszukommen?

    Ich stelle für mich fest: Der Mensch ist ein Killler.

  • Hey Der Wanderer

    Wieviel "Provokation" des Selbsterhaltungstriebes bräuchtest Du (oder wahweise Ich...) wohl noch, um Deine Knarre abzudrücken, um aus einer solchen Hölle rauszukommen?


    Ich stelle für mich fest: Der Mensch ist ein Killler.

    Gibt es da nicht in der Biologie den Fight-or-flight Reflex bzw. Syndrom? Die Situation, die du beschreibst, sollte den zweifelsohne auslösen. Aber persönlich fände ich es viel nachvollziehbarer, dass man seine Waffe wegwirft und den Irrsinn, den andere anstacheln, schnellstmöglich weit hinter sich bringt. Insofern ist noch einiges mehr zu tun, um aus normalen Menschen funktionierende Soldaten zu machen. Deine Schlussfolgerung finde ich an der Stelle daher nicht nachvollziehbar. Der Mensch ist aus meiner Sicht nicht von Natur aus ein Killer, aber er lässt sich gut dressieren, so dass er dazu wird.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • [T]o universalize Marshall’s findings beyond the
    specific subjects he studied is premature.

    Ich hatte aus dem Wiki Artikel mehrere andere Kontexte in denen man das gleiche sieht zitiert - die Kontroverse scheint mir doch ein bisschen kuenstlich.

    (Interessanterweise bin ich wohl auf das Gleiche gestossen als ich fuer die Simulation historische Schlachen recherchiert hatte. Die Zeitskalen

    Sowohl beim Sportfechten mit dem Florett als auch beim Renaissancefechten mit dem Langschwert braucht es ein paar Sekunden bis ein Treffer gesetzt ist - in einer Phalanx standen sich die Hopliten teilweise Stunden gegenueber im Gefecht - was machen die die ganze Zeit? Ganz offensichtlich ist was sie nicht machen - entschlossen angreifen um den anderen zu toeten, und Marshall gibt einen guten Grund warum sie das nicht tun.)

    Wenn man das schon ganz subtil durch den Austausch der Form von Zielschieben erreichen kann, was kann man dann wohl durch das Bespielen der großen psychologischen Tastatur bei Menschen erreichen?

    Wissen wir auch - Auschwitz passierte ja nicht aus Versehen.

    Wieviel "Provokation" des Selbsterhaltungstriebes bräuchtest Du (oder wahweise Ich...) wohl noch, um Deine Knarre abzudrücken, um aus einer solchen Hölle rauszukommen?

    Das ist keine Frage die man durch 'sich die Situation vorstellen' beantworten kann - wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten weiss man wenn sie in der Situation drin sind, das laesst sich auch durch ausgefeiltere Psychologie nicht vorhersagen.

    Die Spanne an moeglichen Reaktionen reicht von 'Einfrieren' zu 'mit blossen Haenden auf die Gegner zurennen' - beobachtet wurde alles davon schon.

    Und - es kommt ja niemand deswegen raus weil er seine Knarre abdrueckt (wenn er sich nicht grade selber in den Fuss schiesst, das ist die sicherste Moeglichkeit dafuer).

    Ich stelle für mich fest: Der Mensch ist ein Killler.

    Die Frage ist ja nicht ob Menschen mit entsprechendem Training oder unter entsprechenden Umstaenden andere umbringen - wir wissen dass das der Fall ist.

    Die Frage die aufgeworfen ist - passiert dieses 'andere umbringen' weil die Natur des Menschen so ist, und nur Training und Kontrolle durch die Zivilisation verhindert das Gemetzel - oder muss man Training und Kontrolle aufwenden um einen Menschen gegen seine Natur zum Toeten zu bringen?

  • In einem Secondhand-Store wiederentdeckt und nochmal gelesen:

    "Die Wut und der Stolz" (La rabbia e l’orgoglio,2001) von Oriana Fallaci.

    Die 2006 verstorbene Journalistin gilt als durchaus umstritten: "Vorkämpferin der europäischen Kultur" nannten sie die einen, die anderen verurteilten sie als "Hasspredigerin".

    Daß eine kurz nach ihrem Tod gegründete Bürgerinitiative, die sich zuerst dafür einsetzte, daß man eine Straße nach Oriana Fallaci benennen sollte, später dazu überging, in ihrem Namen einen s.g. "Oriana Fallaci" - Preis hauptsächlich an Rechspopulisten wie Filip Winters, Geert Wilders, Tommy Robertson, Marine LePen oder Donald Trump zu verleihen, lasse ich in diesem Zusammenhang unkommentiert.

    Es wäre nicht das erste Mal, daß man den Namen einer Person, die sich nicht mehr wehren kann, mißbraucht.

    Was mich an ihr und dem o.g. Buch jedoch damals wie heute fasziniert, ist die Kompromißlosigkeit ihrer Schreibe. Ein Lesebeispiel (der Auszug bezieht sich auf das Attentat vom 11.09.01) :

    "Was ich über die Unverwundbarkeit denke, die viele Amerika zuschrieben, was ich für die Kamikaze empfinde, die das getan haben? Für die Kamikaze, nicht den geringsten Respekt. Nein, nicht einmal Mitleid. Obwohl ich doch sonst letztlich immer dem Mitleid nachgebe, Mitleid mit allen habe. Die Kamikaze, das heißt die Kerle, die sich umbringen, um andere zu töten, waren mir seit je unsympathisch.[...]Ich finde sie eitel und basta.[...]Was die betrifft, die in die beiden Türme und das Pentagon gerast sind, finde ich sie besonders hassenswert. Man hat nämlich entdeckt, daß ihr Anführer, Muhammed Atta, zwei Testamente hinterlassen hat. Eines besagt: "Ich will auf meiner Beerdigung keine unreinen Wesen, das heißt Tiere und Frauen." Das andere besagt: "Auch an meinem Grab will ich keine unreinen Wesen. Vor allem nicht die unreinsten von alle: schwangere Frauen."

    Ach, welch ein Trost für mich zu wissen, daß er weder eine Beerdigung noch ein Grab haben wird und daß auch von ihm kein Haar übrig geblieben ist."

    Da spricht für mich jemand mit einer Meinung (die nicht unbedingt meine sein muß) aber trotzdem Gehör verdient. Weil fundiert.

    Gegründet auf zahlreichen Interviews, die Oriana Fallaci als Journalistin für die Times, Life oder die New York Times mit Menschen wie Willy Brandt, Muammar-al-Ghadafi, Deng Xiao Ping oder Jassir Arafat bestritt.

    Sogar Ngyen Ngoc Loan gehörte dazu, den Mann kennt man durch dieses Photo - da isser links im Bild:

    Spoiler anzeigen

    "Die Wut und der Stolz" ist für mich ein Zeitzeugnis - und deshalb primär wichtig.

    Ob Oriana Fallaci in ihrem Leben, Wirken und ihren Büchern nun eher dem "rechten" Spektrum zuzuordnen ist oder dem "linken", was ihre Familiengeschichte vermuten ließe - das muß man dann nach der Lektüre für sich selbst rausfinden.

    Oriana Fallaci

  • Goldenes Hexenvolk von Mary Gentle

    Meiner Meinung nach ein Meileinstein im Weltenbau - es ist die Geschichte von Lynne de Lisle Christie die als Botschafterin der Erde nach Carrick V - Orthe, wie die Einheimischen die Welt nennen - kommt und dort eine mittelalterlich anmutende Gesellschaft kennenlernt in der nicht alle davon begeistert sind dass eine Fremdweltlerin das Gefuege der Gesellschaft die seit 2000 Jahren besteht in Unordnung bringt. Lynne muss mit mehreren Mordanschlaegen und Intrigen fertig werden, aber die eigentliche Staerke der Geschichte liegt in der fremden Gesellschaft die mit ihren Sitten, Gebraeuchen und Ansichten detailliert geschildert wird - mitsamt Sprichwoertern, Redewendungen und Metaphern - grossartig entworfen und konsequent durchgehalten.

    Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus dass die Gesellschaft von Orthe post-technisch ist - es gibt alte Technologie auf dem Planeten die die Ortheaner nicht mehr verwenden wollen - und der Versuch der Erde sie dazu anzustiften fuehrt dann in Band 2 (der sich ganz anders liest) zur Katastrophe.

    Wer ein gelungenes Vorbild von Weltenbau sehen mag von dem man wirklich viel lernen kann - unbeding anschauen, mir fallen wenige Werke ein die bei dem Entwurf einer fremden Kultur und Rasse so in die Tiefe gehen.

  • Die Cherish-Reihe von Nalini Singh :D

    Es sind eigentlich einfach Liebesromane (Young Adult), aber tatsächlich haben mir diese ziemlich gut gefallen.

    Zum einen sind die Charaktere recht vielfältig und sehen nicht alle "gut aus", wie das in diesen Groschenromanen ja oft ist - zumindest die Frauen. Die Männer spielen alle Rugby und sind deshalb natürlich attraktive Schränke XD

    Zum Standardpaket gehört natürlich auch Liebe auf den ersten Blick und die Hochzeit als Happy End (natürlich werden vor der Ehe ALLE Schwierigkeiten gelöst und danach ist alles Zuckerwatte XD). Achja und die Familie der vier Brüder (die in vier Romanen ihre große Liebe finden) ist natürlich die pure Idylle und überhaupt nicht anstrengend :P

    Aber ganz ehrlich: Wenn ich solche Bücher lese, wäre ich enttäuscht, wenn's nicht so wäre :P (auch wenn's natürlich unrealistisch ist).

    Schön fand ich aber:

    1) Dass es durchaus Liebesgeschichten sind, in denen die Chars zwar schockverliebt sind, aber sich die Romanzen und Beziehungen teils über ein Jahr entwickelt. Also kein, "gesehen, zusammen, geheiratet" :D

    2) Die Charaktere kämpfen umeinander. Sie verlieren nicht bei den ersten Problemen das Interesse aneinander.

    3) Alle Charaktere ihr Päckchen zu tragen und Herausforderungen im Leben. Find ich schön, denn niemand ist makellos, selbst wenn's die erste Beziehung ist. Irgendwas bringt man immer an Gewicht mit.

    4) Die Charaktere sind vielschichtig und nicht auf ihr bloßes Aussehen reduziert und die Frauen stehen fest im Leben und haben es auch als Singels im Griff. Sie brauchen keinen Mann, um "komplett" zu sein, ebenso wie die Männer die Frau nicht brauchen, um "komplett" zu sein. Es geht einfach um die Liebe, die sich zwischen zwei unabhängigen Menschen in einer gesunden entwickelt.
    Also keine toxischen Beziehungen a la 50 Shades, After Passion oder der Biss-Reihe.

    (Obwohl der dritte Band ... da bin ich mir nicht ganz sicher, ob das so zutrifft. An manchen Stellen habe ich ein bisschen blinzeln müssen, mir jetzt aber zugegebener maßen nicht soooo viele Gedanken drüber gemacht, weil ich einfach das Lesen genießen wollte :) Aber der dritte Band hat mich am wenigsten überzeugt und der erste und der zweite sind mMn die Besten :D )

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Altes Licht von Mary Gentle

    Die Fortsetzung vom Goldenen Hexenvolk - und selten ist eine Fortsetzung so verschieden...

    Der erste Band war eine Reise zu einer fremden Welt und Kultur, faszinierend und begeisternd. Jetzt kommt Lynne de Lisle Christe 10 Jahre spaeter nach Orthe zurueck und will an ihre damalige Zeit anknuepfen, man merkt wie sehr sie die Welt vermisst hat - aber sie ist eine andere. Und Orthe hat sich auch veraendert.

    Der zweite Band ist deprimierend realistisch. Lynne arbeitet jetzt fuer eine Gesellschaft die nach ausserirdischer Technologie sucht, sie erzaehlt sich selbst dass sie so das schlimmste verhindern kann, aber... die Gesellschaft setzt an einer bitterarmen Kuestenregion an, die regelmaessig Kriege untereinander um die wenige Ernte fuehrt - und von 'Hilfe durch Handel' profitieren koennte. Alleine die Gegenwart von Erdmenschen reicht aus um die ueblichen Kriege zu verhindern - und die Kuestenvoelker planen auf einmal, statt sich gegenseitig um die Ernte zu bekriegen - eine Invasion des wohlhabenderen Nordkontinents. Die Gesellschaft ruft ihre Friedenstruppen auf den Plan, Lynne kaempft mit Visionen oder Erinnerungen die sie nach einem Kontakt zu der ausserirdischen Technologie zu haben glaubt, aber nicht sicher einordnen kann - und auf einmal geraet das ganze kulturelle Gefuege in Unordnung - bis sich am Ende herausstellen wird dass nur weil der Krieg auf Orthe vor 2000 Jahren geendet hat, die Waffen dieses Kriegs noch laengst nicht unwirksam sind...

    Grade wenn man der Faszination des ersten Bandes erlegen ist - deprimierend zu lesen. Alles was man zusammen mit Lynne lieben gelernt hat wird kaputt gemacht, so sehr sie auch versucht das Orthe wiederzufinden das sie kennengelernt hat, es will nicht klappen, so sehr sie sich reinhaengt um die Katastrope aufzuhalten - die Eigendynamik der Ereignisse ist staerker.

    Wer sich ein bisschen mit Geschichte beschaeftigt hat - ja, Mary Gentle hat eine gute Ahnung davon was passiert wenn eine technologische Kultur auf eine weniger weit fortgeschrittene trifft - selbst mit den besten Absichten fuehrt das in moralische Dilemmata und Zerstoerung. Daher - ein gutes Buch, auch wenn's nicht schoen ist das zu lesen.

  • Agnes Grey von Anne Bronte (wie kriegt man diese zwei Punkte über das e?)

    Ich hatte mir jeweils ein Buch der Schwestern Bronte zum Geburtstag von den Kollegen gewünscht.
    Agnes Grey von Anne Bronte

    Sturmhöhe von Emily Bronte
    Jane Eyra von Charlotte Bronte

    Ich bin gespannt, wie sich der Stil der Schwestern unterscheidet :D
    Dazu kann ich aktuell aber noch nicht viel sagen.

    Klappentext Agnes Grey

    Bescheiden, aber wohlbehütet in einer kleinen Pfarrei in Nordengland aufgewachsen, muss die junge Agnes Grey ihre Familie verlassen, um eine Stellung als Gouvernante anzutreten. Schon bald machen die verwöhnten Kinder und das respektlose Verhalten der reichen Herrschaften ihr das Leben schwer, aber mit Großmut und Geduld gelingt es Agnes, sich und ihren Idealen treu zu bleiben. Doch dann trifft sie den jungen Hilfspfarrer Edward Weston, und in Agnes erwachen zarte Gefühle. Aus autobiographischen Elementen formt sich ein persönlicher Blick auf das Leben einer unverheirateten, gebildeten Frau im viktorianischen England. Ein literarisches Frauenschicksal, das auch heute noch zu rühren vermag. – Mit einer kompakten Biographie der Autorin.

    Obwohl die drei Schwestern Bronte unter die Klassiker fallen, muss ich sagen, dass mich Agnes Grey jetzt nicht so unfassbar reizt. Ich überfliege es eher, obwohl der Klappentext eigentlich ziemlich interessant klang.
    Sie schildert die Gründe für ihr Gouvernanten Dasein und wie nervig und schrecklich der Adel damals war. Obwohl ich mir an einer Stelle nicht sicher bin, inwiefern sie übertreibt. ich hoffe sehr, sie übertreibt, denn der Junge (9!!!) der ersten Familie tötet zum Spaß Tiere und das ziemlich grausam ...
    Was ich allerdings mag ist ihre Ehrlichkeit und Authentizität, mit der sie Agnes Grey schildern lässt. Die Prota ist sehr reflektiert und weiß, dass sie nicht zur Selbstständigkeit erzogen wurde (immer wohlbehütet von großer Schwester und Mutter, doch Schulden des Vaters zwingen sie sich eine Arbeit zu suchen.)
    Naiv geht sie in ihre erste Stelle und merkt bald, wie schrecklich Kinder und Eltern sind. Es folgt der Wechsel zur zweiten Stelle. Auch hier sind die Gören verzogen und egoistisch, aber immerhin nicht so grausam wie in der ersten. Mit ihren unerschütterliche Optimus macht die das Beste aus jeder Situation und lernt viel dazu.
    Ich bin allerdings gespannt, was aus ihren Gefühlen für Mister Weston wird. Die Kinder, die Agnes betreut sind eifersüchtig und haben versucht den Kontakt zwischen den Beiden zu unterbinden, aber bisher schätze ich Weston als klug genug ein sie zu durchschauen ...

    Ansonsten ist das Buch einfach eine Aneinanderreihung von Begebenheiten, die einen prägenden Eindruck bei Agnes hinterlassen haben mit einigen Gedanken ihrerseits dazu (die recht interessant sind, die Geduld sie zu lesen ich aber nicht aufbringe, deshalb überfliege ich sie meistens nur ... XD)

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Am Arsch die Räuber" von Wiglaf Droste. Fiel mir mal wieder im offenen Bücherschrank in die Hände, ist schon einige Jahre alt (1993), beeinhaltet einige Texte, die auch heute noch Gültigkeit haben, weist den Verfasser aber trotzdem als verkappten Kapitalisten aus, auch wenn das Buch im linken Nautilus-Verlag erschien. Für 120 Seiten damals 19.80 DM zu verlangen...naja.

    Dessen ungeachtet schreibt Droste einen umwerfend komischen Stil, auch wenn der für Leute, die verschachtelte Nebensätze nicht so mögen, eher schwer- bis unverdaulich sein dürfte.

    Kleines Beispiel aus "in der Nachbarschaft":

    [...]"Und doch gibt es Tünsel, die raunen inmitten von Junkies und Leuten, die auf offener Strasse einen ganzen Pansen an ihre drei stinkenden Riesentölen verfüttern, noch immer mythisch-mystisch von Kreuzberg!, verkleiden sich stundenlang und aufwendig vorm Spiegelö als autonom, was ja eigentlich ein schönes Wort ist: unabhängig; geradezu zwanghaft wird der Kopf umfunktioniert zum Ständer für eine Demm dirty Fatlocks ah! - Frisur, ein paar dekorative Risse in Hose und Jacke, einen Lappen um den Schädel gewickelt, und fertig ist der "Mensch in der Revolte" (Camus). [...]

    Das Droste in Berlin wohnhaft ist und trotzdem eigentlich nur seine Ruhe haben wollte, hat ihn dann wohl zu dieser sehr lustigen Zustandsbeschreibung getrieben:

    [...]"Freunde eines verschärften Unterhaltungsprogrammes werden am Erste Mai in Kreuzberg gut versorgt: Dort findet die jährliche "letzte Schlacht" statt: Junge Helden in schwarz treffen auf Vertreter des "Schweinesystems" bzw., so will es der 1992er Jargon, "der imperialistischen Ausbeuter-Power" in waldgrün (Anmerkung: Das war die Farbe der Polizeiuniform damals...).

    Nicht, das mir das Herz bräche, wenn Scheiben von Bankfilialen klirren, Schnapsläden niedergetrunken und Polizeiautos angezündet werden, aber muß man "die Weltrevolution" (darunter tun sie's nicht) bei der Polizei anmelden und sie jedes Jahr am selben Tag und im selben Bezirk begehen?[...)

    Da hat er natürlich recht mit, der Wiglaf, andererseits könnte er ja auch auf's Land ziehen, dann bliebe ihm der ganze Scheiss erspart.

    Nur gäb's dann wohl auch weniger, über das er schreiben könnte...

    :D


    Heyho Miri

    Agnes Grey von Anne Bronte (wie kriegt man diese zwei Punkte über das e?)

    Das ist simpel:

    Da gibt's für Windows eine Liste mit Sonderzeichen:

    Tastenkombination für Sonderzeichen | Tabelle aller Zeichen!

    Für das "ë" mit Doppelpunkt drüber mußt Du nichts anderes machen als die "ALT"- Taste gedrückt halten und dann die Zahlenkombi 137 tippen. Für ein grosses "Ë" ist die Kombi ALT+211.

    Die Zeichen werden durch die Kombi erzeugt - Du mußt also ncht erst den Buchstaben tippen.

    Hoffe, hilfreich gewesen zu sein... :)

  • "Das Haus der zwanzig tausend Bücher" (dtv,2015) von Sasha Abramsky,

    Von den 352 Seiten habe ich heute 290 am Stück gelesen, so fesselnd war die Geschichte über den Großvater des Autors, Chimen Abramsky, der in seinem Haus in London im Laufe seines Lebens eine einzigartige Sammlung von Handschriften, Manuskripten, Inkunabeln und wertvollen Erstausgaben zum Judentum zusammengetragen hat und zeit seines Lebens als ein führender Experte und Historiker zu diesem Thema galt.

    Darüber hinaus war das Haus am Hillway 5 jahrzehntelang ein "Salon", in dem maßgebliche Denker und Intellektuelle täglich zusammenkamen, um über die politischen Entwicklungen zu diskutieren.

    Abramskys Buch deckt den Zeitraum von etwa 1920 - 1980 ab. Chimen Abramsky, dessen Vater als Oberrabiner dem ultraorthodoxen Judentum angehörte, war sowohl Judaist als auch Marxist.

    Während des zweiten Weltkrieges war er Mitglied der britischen kommunistischen Partei und glühender Verfechter der Idee der Sowjetunion, mußte aber später feststellen, daß sich der stalinistische Terror gegen jeden richtete, der dem Diktator nicht passte - und das die in der sowjetischen Verfassung festgeschriebene Ächtung des Antisemitismus das Papier nicht wert war, auf dem sie geschrieben wurde.

    Die Geschichte des "Salons" in Hillway 5 erlaubt einen tiefen Einblick in die Menschen der damaligen Zeit und ihre Gründe, warum sie sich Ideologien zuwandten, denen wir heute eher kopfschüttelnd gegenüber stehen.

    Sasha Abramsky als Enkel führt den Leser von Raum zu Raum des Hauses, in denen sein Großvater die Bücher, nach Themen geordnet, aufbewahrte.

    Es ist eine faszinierende Reise in eine gar nicht so ferne Vergangenheit, in der Menschen in einer chaotischen, scheinbar verrückt gewordenen Welt versuchten, für sich einen Halt und ein Ziel zu finden.

    Das Haus der zwanzigtausend Bücher war beides.

    :thumbup: :thumbup: :thumbup:

  • Heyho.

    "Ein Idiot unterwegs - Die wundersamen Reisen des Karl Pilkington" (blanvalet,2014)

    An Idiot abroad

    Daß dieses Buch "...das witzigste, das ich je gelesen habe..." ist, wie's das HEAT - Magazin in seiner Kurzkritik mir vorgaukeln möchte, kann ich nicht bestätigen.

    Durchaus unterhaltsam war's allerdings schon und kurzweilig zu lesen auch.

    Das es sich dabei um ein Begleitbuch zu der von SKY 1 in drei Staffeln (2010-2012) ausgestrahlten Serie "An Idiot abroad" vom Produzentenduo Ricky Gervais/Stephen Merchant handelt, hab' ich auch erst nach Leseende nachgeschlagen.

    Wobei ich anmerken möchte:

    Der Titel sowohl von Buch als auch Serie war ein Griff in's Klo.

    Viel treffender wäre der im Buch in einem (fiktiven?) Telephonat erwähnte Titel "Die sieben Weltwunder des Karl Pilkington" gewesen, denn der ist als Erlebnisreisender vor Ort permanent damit beschäftigt klarzustellen, daß es nicht die von ihm besuchten Weltwunder sind, denen unsere Aufmerksamkeit gelten sollte, sondern den Dingen, die einem auf dem Weg dorthin passieren. Oder, um Mr.Pilkington selbst das Wort zu geben:

    "[...]Ich erzählte ihr, das ich unterwegs sei zur chinesischen Mauer und dass mr diese Weltwunder allmählich gehörig auf die Nerven gingen, aber sie war der Meinung, dass das doch gerade das Sahnehäubchen aus diesen Reisen wäre. Die Sache ist allerdings die...Ich mag keine Sahne. Ganz oft kratze ich sie vom Kuchen. Sahne ist nur da, damit etwas leckerer aussieht, und sie ist dann trotzdem nicht das leckerste daran.

    Und genauso fühlen sich diese Weltwunder an: Sie sind zwar der Grund, warum ich in all diese Länder fahre. Aber sie sind nie das Beste an der jeweiligen Reise."

    Wobei der Weltwunderreisende uns Zuhausegebliebenen am meisten damit erheitert, wenn er mal wieder feststellen muß, daß die "Toiletten" im südlicheren Raum der Erdkugel selten Privatsphäre kennen noch zum gemütlichen Zeitungslesen geeignet sind.

    Das mexikanische Wrestler gegen Kung-Fu betreibende Shaolinmönche wahrscheinlich ziemlich alt aussehen würden.

    Und daß ein Gespräch mit Jesus himself mitten in Jerusalem nicht unbedingt zum Frieden in der Welt beisteuert.

    Für mich warens 250 Seiten unterhaltsame Lektüre und was die Weltwunder betrifft, die Mr.Pilkington besucht hat:

    Die Pyramiden/Christo Redentor/Tadsch Mahal/Cichen Itza/Chinesische Mauer/Petra/Macchu Piccu

    Da fahre ich auf jeden Fall nicht mehr hin...

    ^^ ;) ^^

  • The collected stories of Arthur C. Clarke

    Ein Ziegelstein von einem Buch der um die 100 Kurzgechichten enthaelt. Dass Clarke ein massgeblicher Autor im SciFi Bereich ist duerfte (etwa nach 2001 - a Space Odyssey) ausser Frage stehen, aber was an der Sammlung beeindruckt ist wie verschieden die Themen sind die Clarke kann.

    Er macht aus mathematischen Kuriositaeten Geschichten - der Mann der nach einem Unfall mit einem grossen Magneten durch die vierte Raumdimension rotiert wird und spiegelverkehrt rauskommt - und dann mit 'normalen' Vitaminen nichts anfangen kann - weil er jetzt die spiegelverkehrte Variante dieser Molekuele braucht. Oder die Welt die an einem Wall aufzuhoeren scheint - und der Versuch ueber den Wall zu gehen fuehrt nur zurueck, eine dreidimensionale Variante des Moebiusbands.

    Er denkt ueber andere Lebensformen nach - da ist das Plasmawesen von der Sonne das durch einen Ausbruch durch den Weltraum geschleudert wird und auf der Erde endet, oder die kompakteren Bewohner im inneren der Erde.

    Wir lesen psychologische Studien - die beiden Raumfahrer die nach einer Katastrophe mit schwindendem Sauerstoffvorrat auf den Tod warten - aber wenn einer vorher sterben wuerde - wie auch immer - koennte es der andere schaffen.

    Oder die Effekte von orbitaler Mechanik machen sich bemerkbar als ein Raumkreuzer daran scheitert einen einzelnen Mann mit Raumanzug zu fassen der sich auf einem Marsmond versteckt.

    Fast jede Geschichte macht auf ihre Weise einen Punkt, endet ueberraschend und ist spannend zu lesen. So vielseitig muss man mal schreiben koennen...