Hab wieder eine neue Kurzgeschichte für euch.
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Das Kostbarste
Ein junger Mann sitzt auf dem dicken untersten Ast eines Baumes, der weit über das Ufer des Flusses auf das Wasser hinausragt, und angelt.
Träge fließt das Wasser vor seinen Augen vorbei, gibt ab und zu ein leises Murmeln von sich, bildet kleine Strudel, um sie gleich darauf sanft gurgelnd wieder aufzulösen. Blätter treiben langsam heran, wippen schaukelnd auf winzigen Wellen. Ab und zu kommt ein Zweig geschwommen, oder - so wie vorhin - ein Entenpaar, das sich mit verschlafenem Schnattern von der kaum spürbaren Strömung treiben lässt.
Der Morgen ist kühl und die Niederung, in der der Fluss seine große Schleife zieht, gehört noch gänzlich dem Nebel. Er hat sie am Abend eingenommen, als die Schatten immer länger wurden und die Sonne ihre Strahlen lediglich noch in einer letzten zärtlichen Liebkosung über die höchsten Baumwipfel streicheln lassen konnte. Und nur widerwillig wird er sie nun in ein, zwei Stunden wieder freigeben müssen, wenn die ewige Rivalin sich über die hohen Fichten des Waldes auf der Ostseite der Flussaue hinaufgearbeitet hat und mit ihren hell leuchtenden Fingern gierig nach ihm greift. Dann ist seine Zeit um, er muss sich geschlagen geben. Und so schnell, wie er abends das Terrain erobert, so schnell muss er nun morgens den wärmenden Strahlen des Himmelsgestirns weichen und sich von ihnen aufzehren lassen.
Dem Jüngling ist es egal, welche Kämpfe Nebel und Sonne um ihn herum austragen. Eben wendet er ruckartig den Kopf, als links von ihm ein Fisch aus dem Wasser springt und mit einem leisen Platsch! wieder zurück ins kühle Nass fällt. Missmutig runzelt er die Stirn, denn seiner Meinung nach gehört der sorglose Flussbewohner an das völlig bewegungslos treibende Ende seiner Angelschnur, anstatt sich hier so quicklebendig im Wasser zu tummeln. Das Schnattern der beiden Enten flussabwärts klingt, als würden sie ihn auslachen, weil er so griesgrämig auf die verzerrten, ehemals kreisförmigen Wellen starrt, die der Fisch hinterlassen hat. Ihm entfährt ein verärgertes Zischen.
Vorsichtig ruckt er an seiner Angel und lässt den Köder tanzen. Manchmal kann er einen dunklen Schatten um ihn herumhuschen sehen, wenn er zwischen seinen ausgetretenen Schuhen hindurch aufmerksam nach unten späht. Doch keiner beißt an.
Ein Glitzern lässt ihn den Kopf heben. Der erste Sonnenstrahl hat es geschafft und seinen Weg durch den Wald hindurch gefunden, um sich mit stolzem Glänzen auf dem Fluss niederzulassen. Der Nebel gibt dem Strahlenfinger eine Gestalt, so dass er wie ein Balken aus Licht aussieht.