Inwieweit kann ich also diese Grenzen eurer Meinung nach strapazieren?
Leider hab ich gerade nicht so viel Zeit, daher nur eine sehr kurze Antwort: Meine Vermutung ist, dass es vor allem daran hängt, ob die Geschichte insgesamt gut geschrieben ist (also von jeglichen oberflächlichen Genre-Merkmalen unabhängig) und die Leser durch interessante Erzählungen / Darstellungen / Handlungen bei der Stange hält. Dann denke ich mal kann ich ziemlich alles machen, wenn dadurch nicht eine gewisse innere Logik verletzt wird. Für den Autor heißt es dann aber auch, den passenden Stil zu seinen verrückten Ideen zu finden, beispielsweise erlaubt Pratchetts humorvoller, ironischer Stil mindestens theoretisch viel mehr völlig verrückte und abstruse Ideen. Ein Zauberer, der von einem einzigen Zauberspruch "besessen" ist und daher eigentlich nicht zaubern kann, klingt nicht nach der typischen Vorstellung eines klischeemäßigen Zauberers, aber es funktioniert, weil Rincewind hervorragend in den Stil der Erzählung passt. Ob das in einem eher ernst(er) gemeintem Herr-Der-Ringe-Setting funktionieren würde, ist fraglich, denn da würde die Gestalt eher äußerst tragisch wirken, ohne das die Tragik humorvoll gebrochen wird. Das könnte Leser frustrieren.
Bezogen auf Charaktere heißt das für mich auch: Wenn ich mich als Leser mit den Charakteren identifizieren kann und gerne über sie lese, dann erlaube ich eine größere Bandbreite an Abweichungen. Letztlich muss es einfach etwas geben, was es mir Wert ist, an einer Geschichte dran zu bleiben, auch wenn sie nicht meinen Erwartungen und Wünschen entspricht.
Aber vielleicht bin ich in dieser Hinsicht auch einfach ein sehr tolleranter Leser .
[to be continued]