- Offizieller Beitrag
Kapitel 7:
Die Kinder des Himmels
Teil 1
Genussvoll biss Elina in den Apfel, den sie sich an einem der Stände vor dem Jarlshaus gekauft hatte. Neugierig schaute sie über den Platz, welcher mit dem Hafen verbunden war.
Wie Ameisen wuselten die Menschen umher und gingen ihrer Arbeit nach. Es wurden viele neue Stände errichtet, und in der Mitte des Platzes machten sich einige daran, riesige Götzen der Götter aufzustellen.
Das alles muss für heute Abend sein, dachte sie. Beinahe hätte Elina es vergessen. Vor wenigen Tagen hatte Serija, die oberste Lyttra Dunhavens ausgerufen, dass die Lichter schon bald wieder am Himmel stehen würden.
Wunderschöne Farben, die sich in Form von schimmernden Bändern unter dem Firmament ausbreiteten.
Heute würde es wieder so weit sein.
Als Elina dieses Spektakel vor vier Jahren das erste Mal zu sehen bekommen hatte, waren ihr die Tränen gekommen, so schön war es gewesen. Und die Tränen blieben, als sie die Geschichte hinter den Lichtern erfahren hatte, die man sich in Dun dazu erzählte. Handelte es sich bei den bezaubernden Schleiern am Himmel doch um die Seelen der ewigen Wacht, die ihren letzten Kampf nicht überlebt hatten. Gefangen zwischen dem Dis- und dem Jenseits irrten die Verstorbenen ziellos unter dem Dach der Welt.
Die laute Musik und großen Feuer, die man in ganz Dun entzündete, sollten dabei helfen, dass sie den Weg zu den Menschen zurückfanden, für deren Schutz sie ihr Leben gegeben hatten. Weiterhin verbannt von den Göttern, aber in der Schlacht ihre Schuld beglichen, würden sie eine zweite Chance unter den Sterblichen erhalten.
In anderen Teilen Ymirs wäre das undenkbar gewesen. Dort wurde die Wacht zusammen mit der Brut des Urverräters, - den Zwergen - in einen Topf geworfen und verachtet.
Elina hatte mit den unterschiedlichsten Sitten und Bräuchen gelebt, während sie durch das Land gereist war. Sie wusste gut über die verschiedenen Gewohnheiten in Ymir Bescheid. Und sie konnte mit Fug und Recht behaupten, dass kein anderes Volk so viele und so große Feste feierte, wie das der Dun. Deswegen war sie schon gespannt auf den heutigen Abend.
Sie freute sich auf das Singen, das Tanzen und Trinken mit Menschen, die sie gernhatte.
Ob Tjelvar Spaß an solchen Feierlichkeiten hat?
Sofort kam ihr das finster dreinschauende Gesicht des immergrimmigen Hünen vor Augen.
Wohl eher nicht, dachte sie und schmunzelte. Schade eigentlich.
Gerade als sich Elina zum Jarlshaus umdrehte, öffnete sich erneut die große Tür.
Sichtlich aufgebracht stampfte Tjelvar die Stufen hinunter. Fast wäre er an Elina vorbeigerannt, hätte Frod ihn nicht aufgehalten.
„Jetzt warte doch mal.“
„Worauf soll ich warten?“, brüllte Tjelvar in sein Gesicht und drückte ihm den Finger auf die Brust. „Du hast gesagt, dass wir genau hierauf hingearbeitet haben, und dann ziehst du den Schwanz ein vor diesem ...“ Mit einem abfälligen Schnauben wandte sich Tjelvar von Frod ab.
„Falls du es nicht mitbekommen hast, ich habe uns davor bewahrt von den Mauern dieser Stadt geworfen zu werden.“ Auch in der Stimme des vermeintlichen Magiers lag Ärger. Jedoch gelang es ihm weitaus besser, die Ruhe zu bewahren. „Dann hätten wir nämlich gar keine Alternativen mehr.“
„Ich habe zwar keine Ahnung, worum es geht“, unterbrach Elina die beiden, „aber vielleicht sollten wir das nicht hier besprechen.“
Tjelvars Wutanfall hatte für Aufsehen gesorgt und vor dem Jarlshaus gab es neugierige Ohren zuhauf.
„Ich denke du hast Recht“, sagte Frod.
Auch Tjelvar willigte ein. Zumindest drehte er sich um und marschierte in die Richtung zurück, aus der sie heute Morgen gekommen waren.
Gemeinsam folgten sie ihm.