Hey
Das ist das erste Mal, dass ich was "veröffentliche" und bin sehr gespannt, was ihr davon haltet
Seht mir bitte Rechtschreib- und Kommafehler nach, ich habe zwar drei Mal drüber gelesen, aber ich finde nie alles
Ich hoffe ihr habt Spaß beim Lesen
Silberne Berge
Aschera konnte nicht sagen, was in letzter Zeit mit ihr nicht stimmte. Seitdem sie dem Schattenkind das letzte Mal freien Lauf gelassen hatte, fand sie nur schwerlich in ihre normales Leben als Nymphe zurück.
Natürlich war es wie immer. Sie strich durch die engen Gassen der Hauptstadt Andor, genoss die Sonne auf der Haut, den Geruch des Sommers und die Berührung des Windes, die doch zeigten, wie lebendig die Welt war. Sie liebte das rege Treiben auf dem Marktplatz. Den Duft von Gewürzen und Kräutern mit einer sommerlichen Minznote, die vielen Frauen mit Körben voll von Obst und Gemüse, die aufgedrehten Kinder mit Bonbons und Zuckerstangen in der Hand, den Lärm der Schausteller, die auf einer kleinen Holzbühne in der Mitte des Platzes ihre Kunststücke vorführten und das Geschrei der Männer und Frauen hinter den Ständen.
Sie ging auch nachts immer noch hinauf auf die Wehrmauer, um ihrem besten Freund Saldor Gesellschaft zu leisten, wenn er Dienst hatte und Wache laufen musste.
Dann schauten sie zusammen in die Sterne und genossen, wie der Mond sein magisches Licht über die Landschaft goss und die schneebedeckten Kuppen des Hochgebirges von Kazan silbern schimmern ließ, oder sie betrachteten die dunklen Wolken, die Blumen und das Korn auf den Feldern oder die Bäume in den großen Obstgärten von Andor.
Dennoch konnte sie ein wages dunkles Gefühl nicht abschütteln. Sie war noch leichter reizbar als sonst, ihre Muskeln unter der glatten Haut immer bis zum Zerreißen gespannt. Es fiel ihr schwer sich zu konzentrieren, ihre hellblauen Augen irrten immer nervös von einem Punkt zum anderen.
Durch ihre Adern lief ein schwacher, aber trotzdem immer währender Drang zu töten. Innerlich zerriss sie dieser Zwiespalt, denn sie war zum einen Nymphe, ein Wesen, das die Natur über alles schätze, das alles daran setzte Leben zu erhalten und zu hüten. Zum anderen war sie aber auch eine Tochter der Schattenkinder. Sie war mit Zwölf Jahren von zu Hause verbannt worden, weil sie im Spiel einen Fisch getötet hatte. Sie hatte schon immer eine dunkle Seite gehabt, die mit den Jahren immer ausgeprägter geworden war. Ein Hass, gegründet in der Tatsache, dass alles was sie je geliebt hatte, vor ihr geflohen und ihr mit Misstrauen begegnet war, sobald die andere Seite ihres Charakters erkannt wurde. Nirgends war sie wirklich angenommen, immer musste sie die schreckliche Seite verstecken.
All das hatte sie damals mit dreizehn Jahren in die Arme der Schattenkinder getrieben, die das Leben ebenfalls hassten. Sie liebten das Töten, das Blut, die Rache an denjenigen, die ihnen in früherer Zeit Leid zugefügt hatten.
Bei ihnen hatte sie Kämpfen gelernt, mit der Dunkelheit zu verschmelzen und den Menschen hinterrücks in den Rücken zu fallen. Man hatte ihren Hass geschürt, ihr gezeigt zu was sie fähig war, wenn sie ihn durch ihre Adern pulsieren ließ.
Allerdings hatte sie nie Rache an ihrem Volk geübt, denn noch während sie von den Schattenkindern ausgebildet worden war, war ihr Volk nach Norden gewandert, in ein noch unerforschtes Land, von dem es hieß, es sei voll von klaren Flussläufen, grünen Auen und glitzernden Wasserlandschaften.
Aber sie hatte eine gewisse Sucht nach Blut entwickelt. Nach dem zähflüssigen Saft des Lebens.
Sie musste in regelmäßigen Abständen töten, wenn sie nicht einen Zustand der blinden Raserei verfallen wollte, in dem sie Freund und Feind nicht mehr voneinander unterscheiden konnte.
Doch auch bei den Schattenkindern fand sie nicht die Anerkennung und die Zuneigung, die sie suchte, denn bei ihnen musste sie ihre lebensbejahende Seite verstecken. So hatte Aschera die Gilde im Alter von achtzehn Jahren wieder verlassen, um ihrer eignen Wege zu gehen.
Als sie nach Andor kam, wusste sie sofort, dass dies der perfekte Ort für sie zu sein schien.
Andor war eine Stadt, die von Leben nur so strotzte. Viele Menschen, viele Tiere, viele Pflanzen und viele Feste, an denen man das Leben spüren und erleben konnte wie sonst nirgends. Auf einem der Feste hatte sie auch Saldor kennen gelernt. Einen muskulösen Soldaten aus der Garde des Königs. Sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden und manchmal, wenn sie an den Festen zu viel getrunken hatten, taten sie auch mehr als bloß Freunde zu sein.
Doch Aschera war nicht für etwas Festes gemacht. Sie brauchte ihre Freiheit und vor allem brauchte sie niemanden, der dumme Fragen stellte, wenn sie nachts aus dem gemeinsamen Bett verschwand, um in den nahegelegen Orka-Mienen ihrer Sucht nachzugehen.
Die Mienen erstreckten sich beinahe unter der gesamten Fläche des Landes. Dort wurden Schwerverbrecher und Verurteilte aus aller Herren Länder hingebracht und in das tödliche Labyrinth gesperrt. Es gab nur wenige Ausgänge. Wer einen fand war frei, doch auf dem Weg dorthin lauerten unendliche Gefahren. Nicht nur wilde Tiere verirrten sich manchmal in die dunklen Gänge, auch unter den Gefangen ging es hoch her, denn es gab weder Wasser noch Brot, sodass sie gegenseitig übereinander herfielen und sich zerfleischten, um nicht zu verhungern.
Dies war der einzige Ort, in dem sie ihr dunkles Geheimnis ausleben konnte. In der beinahe massiven Finsternis ließ sie dem Schattenkind in sich freien Lauf und ließ all ihren Zorn, ihren Hass und ihren Frust an den Menschen aus, die dort verzweifelt umherirrten.
Diese Menschen würde keiner vermissen und niemand fragte nach, wenn man eine verunstaltete Leiche in den dunklen Gängen fand.
Aschera war grade auf dem Weg zum westlichen Aufgang zur Wehrmauer. Sie war in den Abendstunden mit Saldor verabredet, der dann seine Schicht begann. Zusammen genossen sie öfters das spektakuläre Farbspiel der Sonne, wenn sie hinter dem Horizont verschwand und den Himmel in feurige Rot- und Gelbtöne färbte.
Sie ging über den Marktplatz, der sich gegen Abend zu leeren begann. Die Gaukler packten schon ihre Sachen zusammen, einer jonglierte zur Freude von ein paar Kindern noch mit drei Fackeln, bis ihre Mütter kamen und sie abholten.
Die Rufe der Marktschreier waren schon verstummt, doch es herrschte immer noch reges Treiben. Die Frauen und Männer rollten Decken zusammen, wischten Theken sauber, legten das übrig gebliebene Obst und Gemüse in Körbe und Kisten und stapelten diese auf Karren, die meistens von einem Esel oder Pony gezogen wurden. Hier und da war auch Wagen zu sehen, vor den ein kräftiger Ochse gespannt worden war.
Über den Dächern konnte Aschera den Rauch erkennen, der aus den Schloten der großen Schmiede ganz in der Nähe des Platzes drang. Sie konnte auch noch das Klirren von Metall auf Metall hören, wenn der Hammer auf das heiße Eisen traf. Die Schmiede machte immer erst in den späten Abendstunden zu, dann wenn noch kaum Licht in die Werkstatt drang.
Der Wind drehte und sie konnte den Geruch von Harz wahrnehmen. Nahe der Stadt, auf einem Hügelkamm, standen Fichten dunkelgrün und eng aneinander geschmiegt. Ihr stieg auch der rauchige Duft von verbranntem Holz und glühendem Eisen in die Nase. Unterschwellig konnte sie in dem süßlichen Duft von Holz auch den Geruch von Fisch und Wasser wahrnehmen, der vom Hafen, der noch hinter dem Fichtenwäldchen lag, zu ihnen nach Andor drang.
In dem kleinen Fichtenhain lebte auch Aroe. Aroe war eine riesenhafte Hündin mit golden schimmerndem Fell, auf der sie sogar reiten konnte. Sie lebte im Geheimen in einer kleinen Höhle im Wald. Aroe war die einzige Freundin die Aschera schon ihr Leben lang begleitete. Egal wohin sie gegangen war, Aroe war ihr gefolgt. Aschera hatte nie verstanden warum, doch das Tier schien seine Gründe zu haben. Stets begegnete ihr die Hündin mit zurückhaltender Freundlichkeit, ließ sich aber auch von Aschera streicheln und gemeinsam waren sie aus dem Dorf der Nymphen zu den Schattenkindern und schließlich nach Andor gewandert.
Als kleines Mädchen hatte Aschera Aroe auf der grünen Aue vor ihrer Hütte getroffen. Sie hatten einander lange einfach nur angeschaut und dann war Aroe davon gelaufen, doch immer wieder zurückgekehrt, bis sie sich schließlich soweit angenähert hatten, um sich Freunde nennen zu können.
Zu Ascheras linker Seite erhob sich mächtig und prachtvoll der Palast des Königs Jona. Jona war nicht viel älter als Aschera, hatte dunkle Haare die häufig unordentlich in alle Richtungen abstanden, einen dunklen Dreitagebart, eine Attraktive Figur und glänzende, kluge, braune Augen.
Er war von stiller und besonnener, aber auch von einer sehr freundlichen Natur, dennoch pflegten er und Aschera eine eher kühle Beziehung zueinander.
Sein Palast grenzte genau an den Marktplatz und sein Thronsaal gewährte einen atemberaubenden Blick über die Dächer Andors.
Der Palast war aus Alpenkalkstein errichtet, der eine leicht violette Farbe aufwies und von hellen Adern durchzogen war.
In den spitzbogigen Fenstern waren Buntglasscheiben eingelassen, die einen weißen Tiger auf rotem Grund zeigten.
Auf einem der unzähligen Türme, die sich wie feingliedrige Finger dem Himmel entgegen reckten und versuchten die Wolken zu berühren, wehte eine große, rote Flagge, die ebenfalls den Tiger zeigte, im leichten Sommerwind.
Die Sonne stand schon sehr tief und warf lange Schatten, in den Straßen der Stadt war es schon beinahe dunkel, doch Aschera fürchtete die Dunkelheit nicht, war sie doch ein Teil ihrer selbst.
Schon tat sich die kleine Gasse vor ihr auf, die direkt zum Wehrgang hinaufführte. Es dauerte nicht lange und noch vor dem endgültigen Einbruch der Dunkelheit hatte sie die Treppe erreicht und sprang mit großen Schritten hinauf.
Oben angekommen traf sie sogleich auf Saldor, der schon auf sie gewartet hatte.
Ohne ein Wort zu wechseln begannen sie nebeneinander den Wehrgang hinauf zu laufen.
Nachts gab es jeweils vier Wachen, die ein Viertel der zehn Meilen langen Stadtmauer abliefen und jeweils jede Viertelmeile einen Soldaten, der fest postiert war.
Gemeinsam schlenderten sie los und genossen kühle Abendluft in der die Glühwürmchen im silbernen Mondlicht tanzten.
Am Horizont erhoben sich dunkel und mächtig die Berge von Kazan, ihre schneebedeckten Kuppen schimmerten im Licht der Sterne und ließen die Welt wissen, dass sie große Geheimnisse und vielleicht auch fremde Völker bargen.
Sie waren schon ein gutes Stück gegangen, die Berge waren aus ihrem Blickfeld gewichen und machten den Feldern und Obstgärten nordwestlich der Stadt Platz, als sie plötzlich die aufgeregten Rufe zweier Soldaten wahrnahmen.
„Was zur Hölle ist das für ein Biest?!“, brüllte der eine.
„Keine Ahnung, aber es wird nicht mehr lange unter uns weilen!“, sagte der andere böse. Aschera konnte sehen, wie er einen Bogen von der Schulter nahm, einen Pfeil auflegte und die Sehne fast bis zum Zerreißen spannte.
Neugierig beugte sie sich über die Brüstung der Mauer, um zu sehen was den Unmut der beiden Männer so erregte.
Unten zwischen dem grün-goldenen Korn erkannte sie Aroe. Ihr Fell schimmerte anmutig im glänzenden Licht der Nacht. Als sie Ascheras Schatten am Boden bemerkte, schaute sie auf und blickte Aschera direkt in die Augen.
Aschera wusste sofort, dass etwas nicht stimmen konnte, hatte sich Aroe doch nie in der Nähe der Stadt gezeigt.
Die Männer waren zu Recht in der Angst, dass sie ein böswilliges Tier war, denn sie war größer als ein Wolf, fast so groß wie ein Pferd und in ihrem Gebiss schimmerten viele spitze und scharfe Zähne.
„Gleich hab ich dich.“, sagte der Soldat und zielte auf den Kopf der Hündin.
„Nicht!“, rief Aschera.
Überrascht starrte der Mann sie an, ließ den Bogen zu ihrer Erleichterung jedoch sinken.
„Kennst du das Tier etwa?“, fragte Saldor, der damit auch die Frage stellte, die sich die beiden anderen Soldaten grade gestellt hatten.
Obwohl die Mauer gut zwanzig Schritt hoch war sprang Aschera ohne zu zögern über die Brüstung, rollte geschickt ab und kam direkt vor Aroe zum Stehen.
Sie hörte wie die Männer über ihr erschrocken die Luft einsogen und dann anhielten, doch als der Hund nicht angriff entspannten sie sich wieder. Dennoch spannte der Soldat den Bogen wieder und zielte auf Aroe.
„Was ist denn los, Aroe?“, fragte Aschera, die Aroes Unruhe deutlich spürte.
Sofort drängte sich das Schattenkind in ihr in den Vordergrund, konnte diese Unruhe doch nur Blut bedeuten.
Ungeduldig stupste sie Aschera in die Seite und legte sich dann hin, um ihr zu bedeuten aufzusteigen.
Aschera gehorchte und stieg auf den kräftigen Rücken des Tieres.
„Aschera, was…?“, entfuhr es Saldor ungläubig.
„Komm mit!“, rief sie nach oben. „Irgendetwas stimmt nicht. Wir könnten deine Hilfe bestimmt gut gebrauchen. Ihr anderen alarmiert die Truppen.“ An Aschera gewandt fragte sie: „Wohin?“
Die Hündin wandte sich in Richtung Wäldchen, dort wo sie in einer kleinen Höhle wohnte und setzte dann einen Fuß nach vorne. Das bedeutete noch hinter dem Hain auf dem Hügel war ihr Ziel.
„Der Hafen!“, rief sie. „Schickt die Truppen zum Hafen! Und Saldor schau nicht wie eine Kuh wenn es donnert! Beweg dich!“
Endlich löste sich Saldor aus seiner Starre, schwang sich über die Brüstung und stand nun auf dem Sims der Mauer. Langsam ließ er sich hinunter und kletterte Halt in den Fugen der Mauersteine suchend zu ihr herab.
Misstrauisch starrte er Aroe an.
„Komm schon. Sie beißt nicht.“
„Sie?“, fragte der Soldat, während er sich zaghaft hinter Aschera auf den Rücken des Tieres setzte.
„Sie heißt Aroe.“, antwortete Aschera und schon setzte sich der riesenhafte Hund in Bewegung.
Sie wurde nur schwerfällig schneller, doch bald griff sie in riesigen Sätzen aus und überwand mit einem Sprung gute fünf Schritt eines normalen Mannes.
Nach kurzer Zeit hatten sie das Fichtenwäldchen auf dem Hügel erreicht und Aroe sprintete hindurch.
Hier unter dem dichten Dach des Waldes war es stockdunkel, doch Aroe kannte den Weg und bahnte sich mit beruhigender Sicherheit einen Weg durch das trockene Unterholz.
Aschera und Saldor duckten sich tief über den Rücken des Hundes, um den Ästen zu entgehen, die in ihre Gesichter peitschten. Dennoch griffen die Pflanzen wie gierige Finger nach ihnen und verfingen sich in ihren Haaren. Doch ehe die Äste ihnen ernsthafte Verletzungen zufügen konnten, brach der Wald vor ihnen auseinander und sie preschten in die grasbewachsene Ebene von Arat Gur.
Der Tau hatte sich bereits über die saftig grüne Wiese gelegt und glitzerte nun verführerisch im Mondlicht.
Weiter hinten zeichneten sich die dunklen Umrisse des Hafens ab, der still in der sternenklaren Nacht da lag. Nichts regte sich, die Schiffe und Segelboote schaukelten sanft auf den Wellen des Wassers, alle Fenster waren dunkel, nur hier und da huschte eine Katze im Schutze der Nacht um eine Hausecke.
Man konnte fast annehmen, das Aroe falschen Alarm geschlagen hatte, doch in der Hafeneinfahrt beinahe unter Brücke, die sich in hohem und kühnen Bogen darüber spannte und zu beiden Seiten ein wenig mit Efeu bewachsen war, lag ein dunkler, bedrohlicher Schatten. Ein Schiff so groß, dass der Höllenhund persönlich darauf Platz haben könnte. Seine Planken waren schwarz und strömten durchdringenden Geruch nach Pech aus, das zum dichten der einzelnen Latten des Rumpfes benutzt wurde.
Drei riesige Masten, an denen sich Segel so groß wie Bäume im Wind spannten, ragten knöchern in die Dunkelheit. Sie waren so hoch, dass das Schiff nicht unter der Brücke hindurch passte, was Aschera und Saldor den entscheidenden Vorteil brachte.
Düster knarrte das Schiff im Wind auf den Wellen und die Segel knallten ab und an, wenn der Wind abrupt seine Richtung änderte.
Als sie die ersten Häuser am Hafen erreichten, wurde Aroe langsamer und setzte still und leise eine Pfote vor die andere. Hinter einem Stapel Fässer blieb sie schließlich stehen, sodass Aschera und Saldor lautlos von ihrem Rücken steigen konnten.
„Wir sollten die Menschen wecken und in erst mal in Sicherheit bringen. Was es mit dem Schiff auf sich hat bringen wir danach in Erfahrung.“, flüsterte Saldor und Aschera gab mit einem knappen Nicken ihr Einverständnis.
In unterschiedlichen Richtungen huschten sie davon, immer im Schatten von Häusern, Lagerhallen, Tavernen und Stapeln von Kisten und Fässern.
Aschera fiel es leicht unentdeckt zu bleiben, schließlich war sie eine Tochter der Finsternis.
Sie verschmolz vollkommen mit dem Schwarz der Nacht und bewegte sich so flüssig und geschmeidig wie eine Katze und mit der Sicherheit und Entschlossenheit eines Jaguars.
Schnell hatte sie die wenigen Wohnhäuser abgeklappert und die Bewohner still und leise auf die Ebene von Arat Gur begleitet. Auch die Matrosenunterkünfte und Gasthäuser waren schnell geleert, denn die Leute waren auf Piratenüberfälle vorbereitet und jeder Zeit in der Lage Ruhe zu bewahren und sich davon zu machen. Manche Häuser, die die näher am Kai gelegen waren, hatten sogar Geheimgänge angelegt.
Gleichzeitig trafen Saldor und Aschera wieder hinter dem Haufen Fässer ein, hinter dem auch Aroe immer noch auf sie wartete.
„Hab alle geweckt und auf die Ebene raus gebracht.“, sagte Aschera.
„Bei mir ging es auch gut. Ich habe die Menschen nach Andor geschickt. Dort sind sie erst einmal sicher und können den Wachen Bericht erstatten und Bescheid geben, dass sie sich bedeckt halten sollen, wenn sie die Ebene runter kommen.“
Daran hatte Aschera gar nicht mehr gedacht. Längst vernebelte ihr Durst nach Tod und Blut ihre Sinne und ihre Neugier wurde unerträglich.
Ohne ein weiteres Wort schob sie sich an den Fässern vorbei auf den Kai. Saldor wollte sie aufhalten, doch sie entglitt seinem Griff. Staunend sah er mit an, wie seine Gefährtin flink über den gepflasterten Weg huschte und sich über die Kaimauer ins Wasser gleiten ließ.
Im Wasser wiederum war die Nymphe in ihr zu Hause. Mit leisen aber kraftvollen Zügen schwamm sie in Richtung des Bootes.
Bald konnte Saldor sie nicht mehr sehen, doch er wusste dass Aroe spüren würde, wenn ihr etwas geschah, so wie sie auch die finstere Ausstrahlung des Bootes wahrgenommen hatte.
Es war ein unangenehmes Gefühl sich auf die Instinkte eines anderen verlassen zu müssen und er war überrascht, welches Geschick Aschera an den Tag legte und fragte sich zum ersten Mal seit sie sich kennen gelernt hatten, ob er sie wirklich kannte und woher sie kam. Er hatte immer geglaubt jede Einzelheit an ihr zu kennen, körperlich wie auch geistig. Nun wurde im schlagartig klar, dass er sich mit einem Mädchen eingelassen hatte, über das er so gut wie nichts wusste, aber sie hatte schon immer etwas dunkles, geheimnisvolles an sich gehabt, was er nie hatte deuten können. Genau das war es gewesen, was den Reiz an ihr ausmachte.
Nach einer Ewigkeit, wie es Aschera vorkam, erreichte sie endlich das Schiff und trieb im Wasser direkt vor dem Bug in den Wellen.
Als sie nach oben blickte entdeckte sie eine Wache, die mit einer Fackel die Reling entlang lief und das Wasser unter dem Bug ableuchtete. Schnell tauchte sie unter und wartete, bis das gelbe Licht, das durch die Oberfläche zu ihr drang wieder verschwunden war. Dann schwamm sie rechts an dem Schiff vorbei, fand jedoch keine Möglichkeit hinauf zu klettern.
Plötzlich konnte sie Stimmen wahrnehmen.
„… diesen Hafen.“, sagte eine männliche Stimmte. Sie klang rau und kehlig, nicht wie die eines Menschen. „Er ist das wichtigste auf unserer Liste, also vermasselt es nicht!“
„Sehr wohl Herr. Wir machen uns sofort an die Arbeit.“, sagte eine andere nicht weniger raue Stimme in schleimigem Tonfall.
„Los ihr Landratten! Beeilt euch gefälligst!“, brüllte er über Deck.
„Nicht so laut!“, zischte der Erste. Aschera hörte einen dumpfen Schlag und schloss daraus, dass der Zweite geschlagen worden war.
„Hohlkopf.“, dachte Aschera.
Sie hatte genug gehört, um zu verstehen, dass höchste Eile geboten war. Als sie sicher war, dass sich die beiden Männer wieder entfernt hatten, löste sie sich aus dem Schatten des Schiffs und schwamm so geschmeidig wie sie gekommen war zurück zum Ufer, wo Saldor schon ungeduldig auf sie wartete.
Ohne Mühe zog sie sich die Mauer wieder hinauf und kroch zu Saldor und Aroe hinter die Fässer.
„Sie wollen den Hafen überfallen, warum haben sie nicht gesagt.“, gab sie kurz Bericht.
Saldor nickte. „Und was machen wir jetzt?“
„Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir wagen uns in die Höhle des Löwen und springen von der Brücke aus an Deck oder wir warten, bis sie an Land kommen. Ich bin für die erste Lösung.“, sagte Aschera, die allein bei dem Gedanken ans Morden leuchtende Augen bekam.
„Bist du wahnsinnig?!“, entfuhr es Saldor. „Wir warten!“, fügte er dann leiser, aber bestimmt hinzu. Aschera seufzte, doch sie wusste, dass er Recht hatte.
„Besser gesagt, ich warte hier und du folgst den Leuten vom Hafen zurück nach Andor.“, setzte er nach.
Aschera lachte empört auf. „Wenn du nicht bald die Klappe hältst, springe ich doch noch von der Brücke auf das Schiff!“, sagte sie und zog ihren grünlich schimmernden Drachendolch und den mit Dornen besetzten Schlagring vom Gürtel.
„Damit willst du kämpfen?“, fragte Saldor wenig überzeugt.
„Du weißt doch gar nicht, ob ich es kann, oder? Außerdem laufe ich nicht davon! …Nicht mehr.“, erklärte Aschera.
Saldor schien es zu akzeptieren, schließlich hatte sie ihn im Laufe des Abends schon mehr als einmal überrascht, trotzdem machte sich Unbehagen in ihm breit. Ihm wurde klar, wie sehr er Aschera mochte. Doch selbst wenn er etwas hätte erwidern wollen, Aschera hatte ihre Aufmerksamkeit schon längst auf die kleinen Beiboote gelenkt, die voll besetzt die Reling hinab gelassen wurden und leise auf dem Wasser aufsetzten. Auf dem in der Nacht glitzernden Wasser waren sie nichts weiter als schwarze Schemen, die sich langsam dem Kai näherten.
„Und jetzt?“, fragte Aschera. „Wenn sie an mehreren Stellen gleichzeitig an Land kommen, dann haben wir zu zweit keine Chance.“
Saldor nickte, doch auch war ratlos.
„Versteck dich irgendwo und lass dich nicht finden, bis die anderen Soldaten eingetroffen sind. Nimm Aroe aber mit. Sie kann dich unterstützen, wenn du doch in Schwierigkeiten kommst.“
„Was hast du vor?“, fragte Saldor misstrauisch.
„Ich werde mich doch mal auf dem Schiff umsehen. Der Strippenzieher wird wohl kaum mit an Land kommen, sondern seine Lakaien die Arbeit machen lassen.“
Sie wandte sich um zum Gehen, drehte sich aber dann noch mal um: „Übrigens, diese Kreaturen scheinen keine Menschen zu sein.“
Ein schadenfrohes Grinsen stahl sich auf ihre Lippen, als sie sein Gesicht sah, doch sie wurde schnell wieder ernst. „Pass auf dich auf.“
Noch ehe Saldor irgendwie reagieren konnte, war Aschera auch schon wieder in der Dunkelheit verschwunden und verschmolz gänzlich mit ihr.
Der Soldat war starr vor Überraschung, denn Aschera war so schnell vor seinen Augen verschwunden, dass er glaubte eben noch mit einem Geist geredet zu haben.
Aroe stieß ihn ungeduldig in die Seite und gemeinsam schlichen sie sich zurück raus auf die Ebene und legten sich platt in eine der leichten Bodensenken, während die Wesen schon den ersten Steg erreicht hatten und leise an Land kletterten. Es war beeindruckend, wie wenig Geräusche sie machten, trotz ihrer massigen Gestalt. Mehr konnte Saldor von ihnen nicht erkennen, doch Aroe neben ihm fing an die Zähne zu fletschen und lautlos zu knurren.
Währenddessen war Aschera schon längst außer Sichtweite der Wesen, die im Begriff waren den Hafen zu überfallen.
Sie musste das Hafenbecken einmal komplett umrunden, um auf die schmale Brücke zu gelangen, die die Hafeneinfahrt überspannte und unter der sich auch der Schiff befand.
Wie ein Schatten schlich sie sich am Ufer entlang, zwischen Hecken, Buchen und Büschen hindurch, bis sie endlich den Aufgang erreichte.
Sie hatte keine Angst, dass man ihren Umriss im hellen Mondlicht erkennen konnte, denn sie hatte ihre innerliche Finsternis nach außen gekehrt und war selber ein Teil der Nacht geworden.
Die Nymphe war in den Hintergrund getreten und hatte dem nach Blut schreienden Schattenkind Platz gemacht und diesmal genoss sie es sogar.
Die Dunkelheit in ihr kannte nur eine Emotion, grenzenlose Wut und das machte es so einfach. Alle anderen Gedanken und Zweifel an das was sein könnte, wenn ihr Leben anders verlaufen wäre, die Angst davor wieder verletzt und verlassen zu werden, weil man etwas war, das niemand verstehen konnte, waren wie weggeblasen.
Es kümmerte sie nicht mehr was Saldor nach diesem Kampf von ihr denken würde, das einzige was sie wollte, war einmal in ihrem Leben etwas richtig zu machen und die Menschen, die am Hafen lebten zu retten. Wenn sie dazu sich selbst und ihre Träume aufgeben musste, dann würde sie das tun und danach könnte sie wenigstens mit reinem Gewissen weiterziehen.
Nun war sie am höchsten Punkt des Brückenbogens angekommen und der erste Mast des Schiffes ragte nur mit einer Handbreit Entfernung schwarz und düster vor ihr auf. Sie konnte direkt auf das dunkle Deck den Schiffes gucken und wie sie angenommen hatte, waren einige der Männer, im Schatten verborgen, zurückgeblieben. Zehn, soweit sie es zählen konnte.
Ihr Anführer stand flankiert von zwei besonders muskelbepackten Wesen, vorne im Bug des Schiffes, die anderen lungerten faul und wenig achtsam auf dem vorderen Teil des Decks herum und dösten an Kisten oder Fässer gelehnt.
„Wenn wir diesen Hafen eingenommen haben, können wir von hier aus das ganze Land einnehmen. Wir sind Wenige, aber stark und wenn unsere Spione nicht gelogen haben lagern unter dem Hafen in verborgenen Katakomben sämtliche Reservewaffen der Armee. Wir werden ihnen ihren Vorrat nehmen und damit alle Hoffnungen auf einen Sieg. Sie glauben sie haben uns vertrieben, doch sie werden sehen und spüren, was passiert wenn man sich mit dem Volk der Wasserwölfe anlegt!“, vernahm sie die unangenehme Stimme des Mannes unter ihr.
Seine Worte ließen ihr das Blut in den Adern gefrieren. Wasserwölfe!
Ein Volk, eine Minderheit, die vertrieben worden war, nachdem es jahrelang brandschatzend und raubend durch die Ortschaften gezogen war. Männer , Frauen und Kinder gefoltert und getötet hatten. Die Wasserwölfe waren bösartige Wesen, die ohne ersichtlichen Grund aggressiv, blutrünstig und grausam waren.
Ihr Körper war von der Gestalt her dem der Menschen gleich nur gedrungener und sie waren am gesamten Leib mit blauem, buschigem Fell bewachsen. Darunter hatten sie Muskeln, wie kein Mann sie jemals haben würde. Ihr Kopf war der eines Wolfes, mit geblichen, hasserfüllten Augen und spitzen, scharfen Reißzähnen, die alles zerfetzen konnten, was ihnen in die Quere kam. Ihre Hände glichen krallenbewährten Pranken.
Dass sie vertrieben worden waren, war schon mindestens zehn Jahre her und man hatte geglaubt sie erfolgreich ausgerottet zu haben. Offensichtlich war dies ein großer Irrtum. Aschera wusste, dass dieser Kampf hart werden würde. Er würde viele Opfer fordern und sie musste all ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie bei den Schattenkindern erlernt hatte einsetzen und ihre Wut in neue Bahnen lenken, um gegen diese Monster anzukommen.
Aschera ging in die Hocke, schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie spürte wie die Wut alles in ihr verdrängte, nur dem unendlichen Blutdurst noch Platz gewährte.
Als sie die Augen wieder öffnete, war ihr Herzschlag langsamer geworden und ihre Sinne schärfer. Sie konnte nun in der Dunkelheit genaue Einzelheiten ausmachen und legte sich mit berechnender Logik die Reihenfolge fest, in der sie die sieben Wasserwölfe an Deck am besten umbringen konnte.
Vorsichtig und behutsam kletterte sie auf das Geländer der Brücke und griff nach dem kalten Holz des Mastes. Sie verschmolz mit dem dunklen Material und glitt dann geschmeidig und beinahe unsichtbar, eng an das Holz gepresst, den langen Mast hinunter.
Ohne auch nur ein Geräusch zu verursachen kam sie auf den Planken des Decks auf.
Instinktiv wusste sie, welche der Dielen knarren würde, wenn sie darauf trat. Auch das war ein Erbe der Schattenkinder. Die Fähigkeit sich ganz seinen Instinkten zu überlassen hatte ihr schon oft das Leben gerettet, denn diese waren meist zuverlässiger als der Verstand.
Das Blut pulsierte langsam, mir bedrohlicher Ruhe durch ihre Adern, als sie den Drachendolch mit der linken Hand fest umschloss.
Von hinten schlich sie sich an den ersten dösenden Wasserwolf. Auf Zehenspitzen näherte sie sich ihm an, immer hinter Kisten und Truhen geduckt, bis sie schließlich hinter dem Fass hockte, an das der Wolf gelehnt war.
Sie konnte ihn nicht sehen, doch ihre Nase schuf ein genaues Bild von seiner Position vor ihrem inneren Auge. Sie konnte seinen Atem riechen, der erstaunlich frisch roch, seine verschwitze Kleidung und sein fettiges Fell. Als sie sich ein genaues Bild seiner Lage gemacht hatte und sie die Stelle gefunden hatte an der sie ihn treffen musste, spannten sich ihre Muskeln und mit einem lautlosen Ruck glitt sie um das Fass und versenkte den Dolch bis zum Heft im Hals des Wolfes. Sie wusste genau wohin sie stechen musste, um auch die Stimmbänder zu zertrennen, sodass ihr Opfer keinen Mucks mehr von sich geben konnte.
Reglos blieb der Wolf liegen, als würde er noch schlafen.
Lediglich sein Blut, dass in der Nacht schwarz glitzerte verriet, dass etwas nicht stimmte, doch es war nur wenig, da Aschera nicht seine Schlagader durchtrennt hatte.
Die weiteren sechs Wasserwölfe, die an Deck lungerten, brachte sie auf gleiche Weise um.
Doch das Schattenkind in ihr war nicht zufrieden. Es wollte grausamen Mord, keinen stillen, heimlichen mit wenig Blut. Mit jedem Opfer, das nicht nach seinem Willen getötet wurde, wurde es unruhiger, bis Aschera sich schließlich nicht mehr beherrschen konnte.
Wie ein Blitz kam sie aus dem Schwarz der Nacht geschossen und rammte dem Wasserwolf zur rechten ihres Anführers den Dolch zwischen die Schulterblätter und den Schlagring in den Nacken.
Die massige Gestalt des Wolfsmenschen kippte wie ein gefällter Baum nach vorne über und blieb reglos liegen.
„Was zum…?!“, fuhren die beiden anderen herum.
Erstaunt, aber auch erbost starrten die beiden Wölfe sie an. Sie erwiderte den Blick mühelos. Dass es ein Fehler gewesen war die schützende Deckung aufzugeben, wurde ihr nur im Unterbewusstsein klar.
Schnell kam sie auf die Beine, doch der andere Wasserwolf links von dem Anführer, war schneller. Mit einem kräftigen Tritt fegte er ihr die Beine unter dem Körper weg und sie kam hart auf dem schaukelnden Boden auf. Sie konnte ihren Waden dabei zusehen, wie sie blau anliefen, mit solcher Wucht hatte der Wolf sie von den Füßen gerissen.
Sie war überrascht und musste nun bitter feststellen, dass sie die Wasserwölfe was Kraft und Wendigkeit anging eindeutig unterschätzt hatte.
Der Wasserwolf ließ den Blick über seine toten Kameraden schweifen und blieb dann mit seinen eitergelben Augen wieder an ihr hängen.
„Du kleine, miese Schlampe!“, brüllte er und schlug ihr die Faust ins Gesicht. Der Schmerz war unerträglich und sie spürte, dass ihre Lippe aufgeplatzt war und ihre rechte Wange sofort anschwoll.
Der Wolf holte nochmal aus, doch diesmal gelang es ihr auszuweichen, sodass er nur die Planken traf, die unter der Wucht seines Schlages zersplitterten.
Wütend knurrend ging er wieder auf sie los, mit einer geschmeidigen Rückwärtsrolle kam sie wieder auf die Beine, drehte sich aus der Bahn seines Armes in Richtung seines Körpers und versenkte den Schlagring in seiner Seite. Ehe er reagieren konnte, hatte sie ihn noch drei weitere Male mit dem Schlagring an dieselbe Stelle geschlagen. Ein Winseln entrang sich seiner Kehle, doch er ließ sich von der klaffenden Wunde nicht beeindrucken. Er begann wie von Sinnen auf Aschera einzuprügeln.
Aschera hatte nun alle Mühe ihm stand zu halten, denn seine wütenden Schläge waren unberechenbar und sie konnte sich nicht wirksam gegen seine Angriffe verteidigen. Sie wich immer weiter zurück, bis sie schließlich mit einem Satz auf die Reling springen musste.
„Jetzt hab ich.“, grinste der Wolf siegessicher und schlug sie kräftig in den Solarplexus.
Aschera kippte rückwärts nach hinten, unfähig zu atmen, dennoch gelang es ihr ein Tau zu packen und sich damit wieder an Deck zu schwingen. Den Schwung ausnutzend ließ sie sich auf den überraschten Wasserwolf fallen und schlug ihm mit dem Schlagring mehrmals ins Gesicht. Das Blut das nun spritzte beruhigte sie ein wenig und sie konnte wieder atmen auch wenn jeder Atemzug eine Qual für sie war.
„Soll ich sie umbringen oder gibst du freiwillig auf?“, fragte der Anführer auf einmal.
Als sie aufblickte erkannte sie Dila, die grob von dem Wolf festgehalten wurde und ein Messer an die Kehle gedrückt bekam. Aus großen, angsterfüllten Augen sah sie Aschera an. Tränen rannen über ihre Wangen und als Aschera neben sie zu Boden schaute, sah sie ihre Mutter schwer verletzt am Boden liegen.
Dila war ein kleines Mädchen, das mit seiner Mutter am Hafen lebte und immer wenn sie Aschera sah, freudig auf sie zugelaufen kam und sie umarmte, weil sie ihrer Mutter einmal ein Goldstück geschenkt hatte, damit sie sich und die Kleine über den Winter bringen konnte.
Zuerst konnte Aschera nicht fassen, was sie dort sah, doch dann war der Punkt erreicht an dem Aschera durchs Feuer ging.
Ihre Wut wurde übermächtig.
Die Wut auf das Leben, dass ihr nie etwas geschenkt hatte, die Wut auf das Schicksal, dass ihr alles genommen hatte, die Wut auf das Glück, welches sich ihr immer zu verwehren schien, die Wut auf den einen Fluch, der scheinbar auf ihr lastete und bewirkte, dass immer wieder auch die Menschen mit ins Verderben gezogen wurden, die ihr wichtig geworden waren.
Sie fühlte die feurige Hitze durch ihre Adern rinnen, flüssige Lava durch ihren Körper pulsieren, die wie Feuer durch ihren Körper schoss und sie bis in die Letzte Faser durchdrang. Sie entwickelte einen Hass, eine Gnadenlosigkeit und einen Zorn, die sich mit denen der Wasserwölfe zu messen vermochten.
Wie ein Pfeil, der von der Sehne gelassen worden ist, schnellte sie auf den Wolf zu. Sie sah, wie sich die blaue Pranke des Wolfes im selben Augenblick hob und dazu ansetzte der Kleinen das Messer in den Hals zu rammen, aber diesmal war Aschera es, die schneller war.
Sie warf sich auf den Wolf, sein Messer bohrte sich, statt in Dilas Hals, in ihre Hüfte. Alle drei gingen zu Boden. Aschera war am schnellsten wieder auf den Beinen, riss Dila am Kragen in die Höhe und schubste sie unsanft in Richtung ihrer Mutter. Sofort brach das Mädchen weinend über ihrer Mutter zusammen, die ihr beruhigend mit schwacher Hand den Kopf streichelte.
Ein unmenschliches Knurren kam über Ascheras Lippen, als sie sich abermals auf den Wolf stürzte. Diesmal waren ihre Schläge voller Zorn und Verzweiflung, sodass sie unberechenbar wurden und der Wasserwolf hatte Mühe gegen sie anzukommen. Als Aschera nach einer Weile doch zurück weichen musste, um zu Atem zu kommen, war der Wolf sehr schwer verletzt. Dies gab ihr neue Kraft das Begonnene zu Ende zu führen und sie sprang mit den Knien voran auf seinen Brustkorb. Sie hörte es knacken, als sie am Boden aufkamen, der Wolf unter ihr.
„Selbst wenn du mich tötest, es ist zu spät. Meine Gefährten sind schon an Land und nehmen den Hafen ein.“, röchelte der Wasserwolf gehässig.
Mit einem wütenden Schrei schlug Aschera im die Faust in den Hals, immer und immer wieder bis ihr gesamter Unterarm voll mit seinem Blut war.
Doch anstatt ihren Zorn zu stillen machte das warme, geronnene Blut ihre Raserei nur noch schlimmer. Sie musste töten und sie spürte, dass es ihr bald egal war wen.
Ängstlich schaute sie hinüber zu Dila und ihrer Mutter und hoffte, dass Dilas Mutter es noch aushielt bis sie Hilfe schicken konnte, dann nahm sie Anlauf und sprang mit einem riesigen Satz über die Reling. Gerade als ihre Füße die Planken verließen brach das Schattenkind in ihr vollkommen hervor. Sie konnte es weder beherrschen noch kontrollieren und wusste, dass sie es grade noch rechtzeitig geschafft hatte, denn sonst wären ihr Dila und ihre Mutter zum Opfer gefallen.
Das Schattenkind wütete in ihr, zerriss sie innerlich in tausend Stücke, ließ glühendes Feuer ihre Adern entlang rasen, bis nichts mehr von ihr übrig war als Zorn.
Sie wollte töten und dem Schicksal einen Strich durch die Rechnung machen.
Sie wusste, dass sie nun genug Kraft hatte, um sich mit den Wasserwölfen auf Augenhöhe zu duellieren und das setzte in ihr ein Gefühl von grausamer Zufriedenheit frei.
Am Ufer auf dem Kai konnte sie schon die kämpfenden Männer erkennen. Die Soldaten mussten während ihrem kurzen Kampf auf dem Schiff eingetroffen sein und sich sogleich in den Kampf gestürzt haben. Schemenhaft konnte sie die einzelnen Männer in den Uniformen wahrnehmen, viele von ihnen lagen schon am Boden. Mitten im Getümmel konnte sie Saldor und Aroe erkennen, die Seite an Seite gegen die Wasserwölfe kämpften. Obwohl Aroes Zähne alles zerfetzten und zermalmten und die meisten von Saldors Hieben ihr Ziel fanden, schienen sie dem Ansturm nicht gewachsen zu sein. Es war an der Zeit Aroes verborgene Fähigkeit zu wecken, denn auch sie hatte etwas bei den Schattenkindern gelernt: Nämlich dem Namen ihrer Rasse alle Ehre zu machen. Aroe gehörte dem Volk der Feuerhunde an.
In Rekordzeit hatte Aschera die Kaimauer erreicht, kletterte hinauf und rannte auf Aroe und Saldor zu. Mit Schwung ließ sie sich gegen einen der Wasserwölfe fallen, der Saldor gerade bedrängte. Überrascht fiel der Wolf auf alle Viere. Aschera war im Nu wieder auf den Beinen, trat dem Wolf in die Seite, sodass er auf den Rücken kippte und trat ihm mit aller Macht den Stiefelabsatz ins Gesicht. Es knackte, als seine Zähne aus dem Kiefer brachen und seine Schnauze nur noch ein blauer Haufen war, von dem man nicht mehr genau sagen konnte, was es gewesen sein könnte.
Saldor blinzelte sie an, nahm die unbändige Wut auf das Leben in ihrem Blick war und erschrak, denn er hatte all die Zeit, die er ausgiebig mit ihr verbracht hatte, nicht gemerkt, was in ihr lauerte.
Sofort kam Aroe auf Aschera zu gelaufen und ließ sich von ihrem Zorn anstecken. Bei Aroe konnte man das Feuer sehen, dass durch ihre Adern rann. Es zog sich in flackernden, goldenen Linien ihren Körper entlang und raste durch ihre Venen, wie eine Wunderkerze.
Langsam fing das gold-gelbe Fell des Hundes Feuer, ohne die Hündin jedoch zu verbrennen und mit einer riesigen Stichflamme, beinahe einer Explosion gleich, stand Aroe nun vollkommen in Flammen.
Die Wasserwölfe hatten entsetzt das Schauspiel betrachtet, denn nur eine Rasse war stärker als sie selbst: Feuerhunde.
Mit einem wütenden Knurren fiel Aroe erneut mit noch mehr Kraft über ihre Feinde her und auch Aschera nahm den Kampf wieder auf.
Im Eifer des Gefechtes merkten sie gar nicht, dass sich alle Soldaten hinter sie zurückzogen und sie die Einzigen waren, die noch gegen die Angreifer kämpften.
Aschera holte aus und schlug einem der Wölfe den Schlagring ins Gesicht, zur gleichen Zeit trafen auch seine Krallen ihr Ziel und rissen drei tiefe Wunden in ihren Oberschenkel. Wütend schlug sie nochmal zu, diesmal in den Bauch, kurz darauf folgte ein Stich mit dem Dolch, doch der Wolf schien nicht aufgeben zu wollen und taumelte wieder auf sie zu. Seine Pranke streifte ihr Gesicht und hinterließ eine dünne, rote Linie auf ihrer Wange. Aschera wusste, dass sie nur mehr Wut und Grausamkeit in ihre Schläge fließen lassen musste und schon hatte sie ihn zu Boden gerungen und hämmerte ihm die Faust immer wieder ins Gesicht, so lange bis nur noch eine rote matschige Masse da am Boden lag, wo sein Kopf hätte sein sollen.
Ein weiterer Wolf fiel über sie her und sie ging zu Boden, er hockte auf ihrer Brust. Sie presste ihm den Unterarm an den Hals, als er nach ihrem Gesicht zu schnappen begann. Sofort war Aroe über ihr, verbiss sich im Körper des Wolfes und riss ihn von ihr herunter.
Schnell hatte sich Aschera wieder aufgerappelt und erwehrte sich des nächsten Angriffs.
Die Hiebe des Wolfes prasselten auf sie ein, doch sie wich keinen Schritt zurück und wehrte jeden seiner Schläge mit Dolch oder Ring ab, sodass er bald zerfetzte Pfoten hatte, was ihm allerdings nichts auszumachen schien. Als er seine Krallen schließlich nicht mehr zu Angreifen benutzen konnte, ging er dazu über nach ihr zu beißen, doch da war er weit weniger wendig als mit seinen Klauen und hatte bald hatte er ihren Dolch im Rachen stecken.
Eine schiere Ewigkeit, so wie es ihr vorkam, ging es noch so weiter. Ihr Dolch hatte unzählige Brustkörbe durchbohrt und ihr Ring unzählige Gesichter zerfetzt. Auch Aroe war nicht weniger erfolgreich gewesen und endlich wichen die Wölfe zurück, rannten über den Steg und sprangen ihre Boote.
Bebend stand sie am Kai und spielte mit dem Gedanken ihnen nachzusetzen, als ihr blick das Schiff traf und ihr siedend heiß einfiel, dass sich immer noch Dila und ihre Mutter darauf befanden. Das bewirkte, dass die Nymphe ein wenig vordringen konnte.
Reflexartig griff sie nach Aroes Rücken und zog die Hand sofort mit einem Schrei zurück. Der Geruch nach verkohltem Fleisch erfüllte die Luft. Ihre Hand war versengt, Finger und Handfläche rot und von unzähligen Brandblasen übersäht.
„Verdammt!“, fluchte sie. Sie konnte sich nicht konzentrieren, denn innerlich trugen Schattenkind und Nymphe einen gewaltigen Kampf aus. Flehend sah sie Saldor an, der herbeigeeilt gekommen war.
„Beruhige Aroe. Schiff…“, stammelte sie, dann brach sie schmerzerfüllt in die Knie, denn die Verletzungen die sich die beiden Wesen in ihr zufügten verursachten echten Schmerz.
Saldor nickte und als Aschera sah, wie kurz darauf Aroes Flammen erloschen und sie mit Saldor das Ufer entlang preschte, wurde ihr schwarz vor Augen und sie kippte zu Boden.