Ich-Form und Gegenwartsform

Es gibt 30 Antworten in diesem Thema, welches 13.443 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. Oktober 2015 um 17:48) ist von Alopex Lagopus.

  • melli:
    Na gut, das werde ich mir auf jeden Fall mal anschauen :D
    Aber ich denke, in den meisten Fällen hört sich Präteritum besser an, viele Autoren können mit dem Präsens ja auch gar nicht richtig umgehen.

    lg
    arathorn

  • Auf die Gefahr hin, dass es niemanden interessiert, würde ich gerne diesen Thread mal wieder hervorholen. Gerade wollte ich nämlich selber so einen eröffnen, da hab ich ihn auf der letzten Seite irgendwo noch entdeckt :D

    Wie ist denn der aktuelle Tenor hier im Forum zum Thema Ich-Perspektive? Weil inzwischen haben sich ja einige neu angemeldet und schreiben fleißig. Vielleicht haben sich auch ein paar Meinungen geändert.
    Ich kann aber kaum lange Geschichten in diesem Stil finden (Kurzgeschichten oder Wettbewerbe mal außen vor). Mag das denn tatsächlich kaum jemand?

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Ich für meinen Teil mag dich ich-Perspektive sehr gerne.
    Es schafft Nähe zum Protagonisten und wirft einen direkt ins Geschehen, ohne dass man sich groß auf den Char einstellen muss, einfach weil der Prota plötzlich "ich" wird.
    Ich persönlich schreibe allerdings nicht gerne in der Ich-Perspektive, weil es mir schwer fällt diesen Stil durchzuziehen.
    Erstens wäre da die Gewohnheit die einem mühselige Korrekturen beschert, weil man manchmal eben doch er/sie/es benutzt
    Zweitens muss man sich wirklich auf seinen Char beschränken. Man darf NUR dessen Gefühle beschreiben, NUR dessen Gedanken. Man kann ihn höchstens an Mimik und Gestik ablesen lassen, was sein Gegenüber denkt, aber mit fällt es dabei schwer die ganze Situation so zu erfassen, dass sie für den Leser logisch nachvollziehbar wird.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Das größte Problem mit Ich-Perspektiven, weswegen es sie hier vermutlich auch so selten gibt, ist, dass sich der Autor sehr gut in den Charakter hineinversetzen könne und dies auch angemessen in Form von Gedankengängen wiedergeben können muss. Die Insicht ist bei der Ich-Perspektive eben nocheinmal hervorgehoben im Vergleich zu anderen Perspektiven. Mein Fazit ist: wenn es ein Autor gut kann, dann ist die Ich-Perspektive eine nette Abwechslung und steht anderen Erzählformen in nichts nach. Kann er es nicht sollte man tunlichst die Finger davon lassen, da es sonst gestellt wirkt. Ich mochte zum Beispiel die Eisenhorn-Trilogie aus dem Warhammer 40000 Universum sehr, welche in der Ich-Perspektive geschrieben ist, ebenso Bartimäus und einige von Tom Starks geschichten hier im Forum.

  • @Kelamith ich könnte deiner Liste noch die Weitseher-Trilogie anfügen von ähm ... Robin Hobb genau ^^
    Die ist auch ziemlich überzeugend aus der ich-Perspektive geschrieben ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

    • Offizieller Beitrag

    Mir gefällt die Ich-Perspektive auch sehr gut und ich lese auch gern mal ein Buch aus dieser Perspektive. Es ist schön, die Gefühle des Protas nachzuvollziehen. Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich gern auch die Gedanken und Gefühle anderer Charaktere in einer Geschichte oder in einem Buch sehen will und das ist aus der Ich-Perspektive eher schwer zu machen. Das geht dann eigentlich nur über die Körperhaltung, die das Ich bei den anderen bemerkt. Manchmal reicht mir das nicht und ich würde viel lieber mehr wissen.
    Und großes Liebesgeplänkel kann ich auch überhaupt nicht in der Ich-Perspektive lesen. Das ist mir dann zu viel Gefühl ... ^^

    LG, Kyelia



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -

  • Na schau einer an. Ich schreibe gerne in der Ich Perspektive weil ich in den Chara eintauchen kann. Siehe Gefangen und das ist keine kurze Geschichte. :D Ausserdem beschränke ich mich auch nicht auf einen Chara, sondern ich wechsel im zweiten Teil den Chara. Ebenfalls in der Ich Form. So erlebt der Leser in der Erinnerung, die Szene aus einer anderen Perspektive. Die Geschichte steht im High Fantasy Bereich für jeden den es interessiert.
    Zur Ich Form kann ich nur sagen das es eine besondere Form ist Gefühle und Gedanken in die Story einfließen zu lassen. Es ist Geschmacksache und eine Frage zu welcher Geschichte es passt. ;)

    Mehr aus meiner Feder: Gefangen im High Fantasy Bereich.

    Der Tag an dem alles begann findet ihr im Urban Fantasy Bereich auf fleißige Leser. ^^

  • Ich stimme den Für und Gegensprechern zu gleichen Teilen zu. Ich-perspektive ist an manchen stellen echt schwer. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mir fällt es nämlich immer schwer die Gefühle der Erzählerin richtig rüber zu bringen ohne mich irgendwo in der GEschichte zu verlaufen. Dagegen habe ich mit dem Darstellen der Gefühle, der Nebencharaktere durch Körpersprache keine Probleme.
    ES war gesagt, das man bei Ich-Perspektive aufpassen muss, das man nicht ins Er/Sie/es rutscht. Mir geht es immer Anders herum. Obwohl Ich so schwer an manchen ecken ist, meine Geschichten sind alle Ich. Also, ich bin ein Egofan. :D

  • Die Frage, die man sich zu Beginn stellen sollte ist:
    Brauche ich verschiedene Sichtweisen und Szenen ohne den Ich-Protagonisten?

    Will man also Nebenhandlungen einbauen, oder einmal aufzeigen, was die "Bösen" heimlich in ihrem Schurkenversteck (im alten Bunker mit der vergessenen V3-Rakete als Deko) planen, dann wählt man am Besten gleich die Dritte-Person-Perspektive.
    Hat man aber die Absicht alles aus einer Sicht zu schreiben ist Ego-Perspektive super. Man muss sich nur auch vorab klarwerden, ob man personal oder auktorial auftreten will, will sagen, ob das Ich die Geschichte erzählt nachdem er sie erlebt hat und alle oder die meisten Fakten kennt (Paradebeispiel Karl May) oder ob das Ich wirklich nur weiß, was es zum Zeitpunkt der Handlung weiß. Hier kann man den Leser schnell verwirren, wenn man da inkonsequent ist.
    Viele meiner kürzeren Geschichten (so die Kurzgeschichten der Sinistre-Reihe) spielen in der Ego-Perspektive und es macht mir Spaß durch meinen Prota den Leser (im Brustton der eigenen Selbstüberschätzung) auch mal mit Falsch oder Halbwahrheiten zu füttern.
    In den Sinistre-Romanen wechsle ich dennoch auf die Dritte-Person-Variante, da dort viel mehr Handlung und Umwelt auch abseits der Wahrnehmung meines Protas beschrieben werden muss. Natürlich könnte man es auch in getrennten Kapiteln räumlich und formal abgrenzen, oder aber das Ich müsste in langen Beschreibungen und Monologen die Situationen dem Leser nahebringen, was mir als schlechte Variante erscheint.
    Obwohl ich mich sehr gerne mit meinen Protas identifiziere, will ich sie aber auch nicht künstlich zu "Mauerschauern" machen.
    Siehe auch:
    Teichoskopie


    Ich kann übrigens nur zustimmen: Wenn ich lange in einer Perspektive geschrieben habe, fällt die Umstellung echt schwer.

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Zuerst dachte ich immer, dass ich sowohl die Ich-Perspektive als auch die Gegenwartsform in Geschichten nicht mag. Ich wurde in meiner Neulingszeit hier im Forum von @Jennagon mit ihrer Geschichte Der EPOS-Effekt eines Besseren belehrt. Mir gefiel das so gut, dass ich es selbst dann auch bei meiner Geschichte Superior ausprobiert habe, die ich damals mehr als Schreibübung für Action-Szenen, Beschreibungen und halt wegen der anderen Perspektive und Zeit angefangen habe.
    Durch das Schreiben in dieser Form merkte ich auch schnell, welche Vor-und Nacvhteile sie bietet. Wie schon gesagt, ist die Ich-Perspektive sehr viel näher am Charakter, Gefühle, Gedanken, all das ann man immer sehr gut in allen möglichen Situationen anbringen, ohne, dass es fehl am Platz wirkt. Der Nachteil ist jedoch, dass man damit wirklich auf eine Person beschränkt bleibt, man kann nicht das Innenleben anderer Protas zeigen, sondern nur die Vermutungen darüber durch den Ich-Erzähler äußern. Das heißt, man kann nicht einfach behaupte, wie sich jemand fühlt, sondern muss es anhand seines Verhaltens/seiner Worte/Tonfall/Gesten etc. herleiten, so wie wir das mit jedem Menschen machen, der uns begegnet.
    Wenn man die Ich-Perspektive dann auch noch in der Gegenwartsform schreibt, bekommt die Geschichte zudem etwas sehr dynamisches. Es wirkt alles schneller, unmittelbarer, direkter, was mir gerade beim Schreiben von Action-Szenen sehr entgegenkam - die waren immer noch schwer für mich, wirkten meines Empfindens nach aber nicht mehr so ... flach.

    Wegen der Nähe zum Prota, denke ich, ist die Ich-Perspektive gerade in der High Fantasy etwas seltener. Schließlich kann ein Prota schlecht an jedem Ort, wo etwas wichtiges geschieht, alles erleben, weshalb Charakterwechsel dann oftmals unvermeidlich sind - ansonsten müssten wichtige Geschehnisse den Prota berichtet werden und das liest sich nicht schön, weil es dann wie eine Informationsflut ankommt und vom Leser nicht direkt "gelebt" wird.

    Was bei der Gegenwartsform denke ich mal zuerst immer etwas abschreckt, ist, dass sie anfangs an Schulaufsätze erinnert. Denn was wurde uns schön in der Schule beigebracht? Inhaltsangaben und Co schreibt man brav in der Gegenwart 8) Und weil sich solche Texte selten interessant, spannend oder schön lasen, weil ja gerade all das herausgenommen werden muss, wirkt die Gegenwartsform in geschichten erstmal befremdlich. Trotzdem, wenn man sich drauf einlässt, kann man mit der Gegenwartsform einen tollen Erzählstil schaffen.