Was lest ihr gerade? (Non-Fantasy)

Es gibt 731 Antworten in diesem Thema, welches 137.411 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. Mai 2024 um 12:44) ist von Thorsten.

  • Heyho Thorsten

    Das jetzt zu lesen fand ich eher wenig lustig. Liegt aber mehr am zweiten Teil Deiner Ausführungen - die sind einfach zu voll mit Begriffen, die ich mir erst mal anlesen muß.

    "LHC" mag ja für Dich geläufig sein - daß das eine Abkürzung für "Large Hadron Collider", also einem Teilchenbeschleuniger ist mußte ich gerade erst mal rausknobeln.

    RHIC (Relativistic Heavy Ion Collider, Beschleunigerring für relativistische Schwerionen) ist auch nicht gerade einfach zu begreifen.

    Von der erwähnten

    https://en.wikipedia.org/wiki/AdS/CFT_correspondence

    rede ich da noch gar nicht.

    Was ich damit ausdrücken möchte: Ich disputiere sehr gerne mit Dir, aber verlang mir bitte nicht auch noch ein Schnellstudium in theoretischer Physik ab, um Deinen Argumentationen und Gedankengängen folgen zu können.^^^^^^

    Newton und den Apfel kann ich dagegen ganz gut nachvollziehen...

    :D

    Sincerely yours

  • Liegt aber mehr am zweiten Teil Deiner Ausführungen - die sind einfach zu voll mit Begriffen, die ich mir erst mal anlesen muß.

    Muss man ja nicht - der erste Teil ist der fuer's Verstaendnis wichtige, und etwa zu AdS/CFT muss man eigentlich nur wissen dass das 'eine Theorie' ist mit der man eine Welt ausrechnen kann die nicht unsere ist. Wie genau das gemacht wird oder was das Akronym bedeutet ist unerheblich- Du hast vermutlich nicht viel mehr davon mitgenommen wenn Du's nachgeschaut hast.

    Genauso - LHC und RHIC sind, wie im Text erwaehnt - Experimentelle Anordnungen. Mehr musst Du nicht wissen.

    Ich bin jetzt ehrlich gesagt ueberrascht dass Du Dich an Begriffen abarbeitest - wenn ich der Meinung gewesen waere dass Einzelheiten dazu wichtig sind haette ich die schon erklaert.:)

  • und etwa zu AdS/CFT muss man eigentlich nur wissen dass das 'eine Theorie' ist mit der man eine Welt ausrechnen kann die nicht unsere ist.

    Ja.

    Das weißt DU, dass das reicht.

    Nein, falsch: Das DENKST Du, dass das reicht.

    Und: Selbst wenn es wahr wäre, dass das reicht... woher soll ich das wissen? Du erzählst davon, als sei es Teil der Allgemeinbildung. Isses aber nicht. Sorry.

    Manchmal schwebst Du erklärerisch sehr (sehr!) weit über dem Boden, der Normal-Sterblichen vorbehalten ist. Und wenn dann jemand nachfragt oder anmerkt, erklärst Du großzügig, was zu wissen reichen würde und merkst nicht, dass auch dieses Wissen... ach was solls.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Du erzählst davon, als sei es Teil der Allgemeinbildung. Isses aber nicht. Sorry.

    Nein, liebe Cory Thain - ich versuche einen komplizierten Sachverhalt in eine vergleichsweise einfache Analogie zu packen weil ich genau weiss dass nichts davon Teil der Allgemeinbildung ist. Aber weil ich es fuer moeglich halte dass der eine oder andere in diesem Forum vielleicht mal einen populaerwissenschaftlichen Artikel zur Teilcheinphysik gelesen hat und daher das eine oder andere Schlagwort oder den Namen erkennt, schiebe ich dem Versuch der einfachen Analogie noch eine etwas genauere Erklaerung worauf sich die Analogie bezieht hinterher.

    Weisst Du, manche Themen kann man eben, wenn man willens ist, immer dem Autor um die Ohren hauen - schreibt er zu kompliziert, ist er halt abgehoben, erklaert er zu genau haelt er seine Leser fuer intellektuell unterbelichtet und traut ihnen nicht zu dass sie das schon wissen. Jetzt lesen in einem Forum aber immer mehrere Leser, so dass... fuer jeden etwas dabei sein sollte. Oder, je nach Veranlagung, fuer keinen.

    .
    Also nein, ich treffe nicht mit jedem Satz das richtige Level fuer jeden Leser Meiner Meinung nach geht das nicht, aber wenn Du das Patentrezept dazu kennst, verrat's mir bitte.

    Manchmal schwebst Du erklärerisch sehr (sehr!) weit über dem Boden, der Normal-Sterblichen vorbehalten ist.

    Die Historiker-Analogie war echt zu kompliziert? Ohne Scheiss?

  • Die Historiker-Analogie war echt zu kompliziert?

    Ich weiß nicht, ob für jeden... aber für mich war der Gedanke, selbst als Metapher oder Analogie, dass Historiker Sagen erfinden, um Sagen zu erklären... irgendwie völlig abgedreht und... sagen wir: wenig glaubhaft.

    Ist das wirklich so "passiert" oder ist es echt nur eine Analogie?

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Heyho Thorsten

    Ich halte Dich absolut nicht für abgehoben, wie es Cory Thain vermutet, gebe ihr aber insofern recht, daß Du häufig Dinge zur Erklärung heranziehst, die es (mir zumindest) schwierig machen, den Gesamtzusammenhang zu begreifen.

    Das ist ungefähr so, als würde ich als Drummer jemandem den Unterschied zwischen einem Wirbel, einer Mühle oder einem Paradiddle auf der Snare zu erklären: Mir sind das geläufige Begriffe aus dem Drum-Universum, für einen, der nie eine Trommel vor sich hatte aber eher böhmische Dörfer.^^

    Ich kann nicht erwarten, daß sich mal jemand mit Schlagzeugern beschäftigt hat, wie sie daß Zeug spielen, daß sie spielen oder wie sich die einzelnen Parts zusammensetzen um in Gesamtheit vielleicht ein unglaubliches Solo ergeben oder sich zu einem Rythmusgerüst zusammenfügen. Das muß ich den Leuten, die nicht in meiner Zunft tätig sind erklären oder zeigen, dann ist es einfacher zu begreifen. Mach' ich jetzt mal eben. Viel Spaß damit:

    Spoiler anzeigen

    Für extremes High Speed Drumming mit geradezu maschineller Präzision empfehle ich die Clips von David Diepold. Mehr Technik geht kaum noch:

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    Buddy Rich hingegen ist die Meisterklasse. Kleines Kit mit Schwerpunkt auf Schlagtechniken auf der Snare. Dazu ein Meister des dynamischen Drummings. Die Kamera stand leider eher schlecht bei der Aufnahme...

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    Und was das hier angeht:

    Ich bin jetzt ehrlich gesagt ueberrascht dass Du Dich an Begriffen abarbeitest

    Natürlich tue ich das.

    Wenn ich etwas nicht kenne, will ich wissen, was es ist. Vor allem in einer Diskussion. Wie kann ich denn adäquat antworten, wenn ich nicht mal rudimentäre Kenntnisse zu dem habe, was in der Diskussion angesprochen wird?

    Denn nein: Ich habe nicht zufällig mal einen populärwissenschaftlichen Artikel zur Teilchenphysik gelesen.

    Hat unter anderem damit zu tun, daß mich das Thema bisher null interessiert hat.^^^^^^

    (Abgesehen davon sind "populärwissenschaftliche" Artikel zur Teilchenphysik wohl eher nicht in Tageszeitungen zu finden...:D)

    Aber, drauf gepfiffen.

    Mein alter Mathelehrer aus'm Abi hat mir zwei denkwürdige Sätze hinterlassen: "0 ist auch was." und "Die hohe Ebene, auf die ich jetzt herablasse."

    Damit kann ich ganz gut arbeiten, denke ich.:thumbup:

  • Ich weiß nicht, ob für jeden... aber für mich war der Gedanke, selbst als Metapher oder Analogie, dass Historiker Sagen erfinden, um Sagen zu erklären... irgendwie völlig abgedreht und... sagen wir: wenig glaubhaft.

    Ist das wirklich so "passiert" oder ist es echt nur eine Analogie?

    Wenn Historiker genauso arbeiten wuerden wie viele theoretische Teilchenphysiker wuerden sie in etwa so arbeiten - das ist mein ganzer Punkt. Es ist viel populaerer elegante mathematische Strukturen zu erfinden wie die Welt sein koennte (wenn man Komplikation X weglassen wuerde) und ihre Eigenschaften zu studieren als sich mit realen, eher uneleganten Daten auseinanderzusetzen und um eine unelegante Stelle in einer Theorie zu erklaeren werden auch mal 30 neue Teilchen die keiner je gesehen hat postuliert so dass am Ende das was man wirklich weiss nur ein kleiner Teil eines riesigen, fiktionalen Gebildes ist.

    Und ja. das ist voellig abgedreht - was der Punkt ist den ich kritisiere.

    gebe ihr aber insofern recht, daß Du häufig Dinge zur Erklärung heranziehst, die es (mir zumindest) schwierig machen, den Gesamtzusammenhang zu begreifen.

    Was ich hier (per Analogie) zur Erklaerung herangezogen hatte war ja historische Forschung an Sagas. In einem Fantasyforum scheint es mir, sagen wir, nicht voellig abwegig zu hoffen dass die Leute die unterwegs sind einen Eindruck davon haben. Der Rest war ja nicht als Erklaerung gedacht sondern das (durch die Analogie) zu Erklaerende (stand so im Text).

    Was ich ansonsten 'haeufig' mache weiss ich nicht genau - wir haben alle unterschiedliche Interessen und Hobbies, ich denke schon ueber meine Analogien nach und ueberlege mir welche wohl besser verstaendlich sind und welche nicht, oder welches Level an Rechnung und mathematischem Argument kann ich hier schreiben, welches nicht - wie oben gesagt, ich kann nicht garantieren dass es auf alle passt.

    Wenn ich etwas nicht kenne, will ich wissen, was es ist. Vor allem in einer Diskussion. Wie kann ich denn adäquat antworten, wenn ich nicht mal rudimentäre Kenntnisse zu dem habe, was in der Diskussion angesprochen wird?

    Das ist grundsaetzlich verstaendlich, aber wenn ich ein Problem in einem doch recht technischen Fachgebiet anspreche und Du das auf dem technischen Level mitdiskutieren willst, dann muesstest Du Dir schon im Klaren sein dass ich nicht in einem Forumpost (oder auch einer ganzen Serie) halbwegs genau darstellen kann was da Sache ist, das heisst entweder wir reden auf dem Level der Analogie, oder Du brauchst eben die Vorkenntnisse um die Analogie zu verlassen und tatsaechlich ins technische vorzudringen.

  • Und noch ein Nachgedanke an Cory Thain

    Manchmal schwebst Du erklärerisch sehr (sehr!) weit über dem Boden, der Normal-Sterblichen vorbehalten ist.

    Was waere denn die Alternative? Dass ich Dich fuer so doof halte dass ich Dir nicht zutraue mir bei manchen Themen ueberhaupt zu folgen und einfach nur mit den Auserwaehlten rede?

    Sorry - nee - so laeuft das nicht :) So leicht kommst Du nicht vom Haken dass Du mich aus den Normalsterblichen verbannst. Ich bin nicht in Rebirz Geschichte als Halbgott geboren der ueber privilegiertes Wissen verfuegt.

    Sondern - leb' damit - ich nehm' Dich als Gespraechspartner ernst und trau Dir zu dass Du auch mit komplizierteren Dingen zurechtkommst. Vielleicht treffe ich nicht beim ersten Mal die richtige Analogie - wer kann das schon immer - aber Du kannst nachfragen, und dann probier' ich's anders.

    So kann das auch laufen.:)

  • Mindhunter von John Douglas

    Die Erinnerungen eines FBI-Profilers - etwas reisserisch angekuendigt als 'Der Blick in den Kopf von Serienmoerdern'. Einerseits spannend, da es viele Anekdoten aus der freueheren FBI-Zeit drin sind, andererseits aber wohl geschoent - nach allem was ich ueber Psychologie weiss, ist das halt einfach nicht so dass man 'die Persoenlichkeit' eines Menschen besonders gut definieren kann - nicht mal wenn der kooperiert und alle Tests mitmacht - um wie viel schwerer muss es dann sein wenn man nur einen Tatort zur Verfuegung hat?

    Insofern... so ganz ueberzeugt mich das nicht.

  • So, ich habe jetzt ca. 1/3 gelesen. Bei der Blechtrommel habe ich auch solche Updates gemacht, weil das Buch so lang war und meine Meinung sich so drastisch änderte.

    Da dieser Wälzer jetzt auch drei Teile mit jeweils eine anderen Erzähler hat, bietet sich das hier auch an.

    Der erste Teil "Frühschichten" ist gleichzeitig der kürzeste. Brauchsel (bzw. Brauxel, Brauksel, der Mann schreibt seinen Namen wie er lustig ist und sagt, dass er "zur Zeit" so genannt wird) steht einem Bergwerk vor, "in dem weder Kali, Erz noch Kohle gefördert wird" und das trotzdem sehr ausgelastet ist.

    Brauchsels Frühschichten erzählen von den Freunden Eduard Amsel und Walter Matern und wie sie Freunde wurden. Am Ende eines Buchs mit abgetrennten Teilen, die jeweils einen Erzähler haben, erwartet man ja irgendwie, dass jeder Teil einen Bogen hat und eine irgendwie runde Geschichte erzählt. Die Frühschichten machen das nicht. Nun, da ich knietief im zweiten Teil "Liebesbriefe" drin bin, sehe ich, dass die Frühschichten Setup waren. Für ziemlich viel sogar. Allein der erste Absatz, der am Anfang noch sehr kryptisch und unverständlich aussieht:

    Zitat von Günter Grass

    Erzähl Du. Nein, erzählen Sie! Oder Du erzählst. Soll etwa der Schauspieler anfangen? Sollen die Scheuen, alle durcheinander? Oder wollen wir abwarten, bis sich die acht Planeten alle im Zeichen Wassermann geballt haben? Bitte fangen Sie an! Schließlich hat ihr Hund damals. Doch bevor mein Hund, hat schon Ihr Hund, und der Hund vom Hund. Einer muß anfangen: Du oder Er oder Sie oder Ich ... Vor vielen vielen Sonnenuntergängen, lange bevor es uns gab, floß, ohne uns zu spiegeln, tagtäglich die Weichsel und mündete immerfort.

    ... ergibt jetzt, viele Seiten später, so verdammt viel Sinn. Anscheinend war für das Jahr 1962 am 4. Februar der Weltuntergang angekündigt, darum die acht Planeten. Es wird später erklärt, dass alle drei Autoren an diesem Datum ihren Teil der Geschichte fertiggestellt haben sollen. Sie schreiben natürlich unter gegenseitiger Absprache, aber niemand kann seinen Text dem des anderen anpassen. Damit gibt es drei Wahrheitsebenen, die sich gegenseitig kommentieren - das ist nach dem ersten Wechsel von den Frühschichten zu den Liebesbriefen bereits passiert.

    Worum geht es nun? Um das Kleinbürgertum kurz vor, während und nach der NS-Zeit.

    Eduard Amsel wird nachgesagt, er sei ein Halbjude. Walter Matern ist sein Freund und beschützt den dicken Jungen vor Hänseleien, aber auch die beiden haben ihre Probleme und auch Matern beschimpft mitunter seinen Freund als "Itzig".

    Zitat von Wikipedia

    Der Ausdruck Itzig ist veralteter mundartlicher Scherzname, der sowohl einen Schlauberger oder auch einen Vorgesetzten bezeichnen kann, aber vor allem auch als abwertendes Kollektivum für Juden gebraucht wurde/wird.

    Teilweise ist auch etwas Allgemeinwissen zu der Zeit nötig, wenn mal sowas erwähnt wird wie Heideggers "Sein und Zeit" (Das hier im Buch angeblich parodiert werden soll, an mehreren Stellen??? Keine Ahnung!) oder die Protokolle der Weisen von Zion, die gefälschten Papiere, die vorgeben geheime Dokumente der jüdischen Weltverschwörer zu sein.

    Ein bisschen sind die Hundejahre bisher der Versuch, die Blechtrommel und Katz und Maus zu kombinieren. So ist Brauchsel an manchen stellen offensichtlich ein zuverlässiger Erzähler, und die Liebesbriefe sind mit einem Du an Tulla Pokriefke adressiert, wie Katz und Maus mit einem Du an Mahlke gerichtet war. Außerdem war Tulla auch eine Figur in Katz und Maus. Angeblich sollte sie ja mal die Schwester von Oskar Matzerath werden, aber beim Schreiben der Blechtrommel, stelle sich Oskar, der kleine Teufel, als zu dominant heraus. Tulla ist dem Gnom gar nicht so unähnlich ...

    Was wollte ich nochmal sagen? Achso. Die Frühschichten spielen vor der NS-Zeit. Mit den Liebesbriefen hat sie nun angefangen. Die Freundschaft zwischen Walter Matern und Eddi Amsel spielt weiter eine wichtige Rolle. Hunde ziehen sich als wichtiges Motiv aber auch durch das Buch. Hunde haben Rasse, sollen für Züchtungen rein sein, gute Hunde sind gehorsam. Walter Matern hat einen Hund, und der Erzähler der Liebesbriefe hat einen der Welpen davon.

    Insgesamt ist Hundejahre sehr komplex. Es werden gern Zeitebenen gewechselt, verschiedene Fäden miteinander verflochten, die Erzähler wechseln usw. und trotzdem wirkt es bisher in sich stimmig. Grass hatte Hundejahre ja lieber als die Blechtrommel, weil sie als die Steigerung empfand. Aber die Blechtrommel ist sicher zugänglicher, gerade weil er dort künstlerisch nicht einen draufsetzen wollte.

    Allerdings liest sich Hundejahre für mich auch wieder deutlich leichter als Katz und Maus. Ich verstehe immer noch nicht, warum die kleine, kurze Novelle so zermürbend zu lesen war, während die beiden überbordernden Romane so viel angenehmer sind, wo sich alle drei Bücher doch eigentlich nicht so sehr in ihrer Art und Weise unterscheiden? Und dabei gibt es in Hundejahre Tagträume, bei denen ich KEINE AHNUNG habe, was da eigentlich los ist. Holy Shit.

    Grass ist ein Sprachkünstler. Und wenn manche Menschen zwischen Unterhaltung und Literatur unterscheiden, wovon ich an sich kein Fan bin, dann will ich noch eine dritte Kategorie in den Raum werfen: Dichtung. Das ist, was die grass'sche Danziger Trilogie in meinen Augen am ehesten ist.

    Häupter auf meine Asche!

  • Thorsten Falls es dich interessiert, hier nochmal mein Update zu "Krieg und Frieden" :D

    Ich knabbere zwar immer noch dran, aber den Ersten Teil hab ich schon geschafft :party: (ein 5tel des Buches ca. :lol: ). Aber ich muss sagen es ist wirklich spannend. Und ich hab ein wenig nachrecherchiert. Tolstoi ergeht sich zwar nicht in den Details, aber die Schlachtverläufe, die er beschreibt, sind historisch korrekt. Auch die Namen der Generäle und deren Ansichten und Handeln (sowas mag ich immer. Zumal man über die Napoleonischen Kriege in der Schule nicht wirklich was lernt. Das ist quasi Geschichtsunterricht in einem guten Roman verpackt).

    Dazu kommt, dass Tolstoi ja Zeitgenosse war (Krieg und Frieden erschien in der Erstauflage 1868, die Drei-Kaiser-Schlacht bei Austerlitz, die er u.a. beschreibt, war 1805) und greift deshalb die Stimmung in Moskau wahrscheinlich wahrheitsgetreu auf.
    PLUS: Man bekommt einen Einblick in die damalige russische Kultur, über die ich auch so gut wie nichts weiß/gelernt habe.

    PLUS: Jede Menge Beziehungsdrama und Lebenstragik :D

    Also mMn absolut zurecht Weltliteratur :D

    Anna Karenina habe ich von ihm wie gesagt, nicht ganz geschafft, aber Krieg und Frieden zieht mich voll rein. Freue mich schon aufs nächste WE, weil ich dann wieder ein paar Stunden am Stück Zeit zu lesen hab und nicht nur abends häppchenweise :D


    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Little Women von Louisa May Alcott

    Nachdem wir unlaengst die (alte) Verfilmung wieder gesehen hatten habe ich mir das Buch aus dem Regal geschneppt. Was soll ich sagen - liest sich immer noch schoen, und als Vater von 4 Maedels kommt mir das eine oder andere ja auch bekannt vor.:D

    Grade die Sprache finde ich schoen - einmal wie Amy gerne Fremdwoerter falsch verwendet, oder Jo's Wortwitz und Schlagfertigkeit, das ist toll eingefangen.

    Was wirklich auffaellt ist, dass die Geschichte im Vergleich zum Film ganz anders ist obwohl die gleichen Szenen vorkommen. Im ersten Teil des Films geht's ja irgendwie darum dass Mr. Lawrence (Laurie's Vater) die Familie erst ablehnt, dann aber durch seinen Sohn lernt sie zu schaetzen und am Ende mit ihnen Weihnachten feiert (und Beth ihr ersehntes Piano bekommt). Das Thema des Buches hingegen wird im ersten Kapitel 'Playing Pilgrims' gesetzt - jedes der Maedchen ist mit einer Last beladen, einer schlechten Charaktereigenschaft, und die Geschichte folgt dem Streben der Maedchen sich zu bessern, etwa wie Jo ohre Wutanfaelle maessigen muss und lernt sich zusammenzureissen, oder Meg erfaehrt dass Luxusleben eben nicht alles ist. Generell hat das Original viel mehr religioese Bezuege und Untertoene.

    Trotzdem - zu Recht ein Klassiker, schoene Sprache, ein herrlich zu lesendes Familienportrait mit einem guten Schuss Humor :thumbsup:

  • Zweites Drittel und Buch Zwei "Liebesbriefe" soeben geschafft.

    Wollen wir mal über Grass' Stil reden?

    Der Mann hat seine Prosa laut verfasst. Er sprach eine Satzverkettungen und -konstruktionen so lange, bis sie "klangen", eine gewisse Melodie und Rhythmik hatten. Und das ist beim Lesen spürbar: Die Worte tanzen und harmonieren trotz sperriger Gebilde wunderbar. Bei Katz und Maus hatte ich das nicht in diesem Maße in Erinnerung, das wirkte dort alles ein bisschen trockener und die Details, die in hier auch in einer Fülle vorhanden sind, die kaum einen Leser in diesem Maße interessieren wird, haben mich etwas weniger interessiert. Hier also das Gegenteil. Das Buch lässt sich nur schwierig schnell lesen, aber wer sagt, dass man ein Buch schnell lesen muss? Hier sagt das Buch, dass man es eben nicht schnell lesen soll. Es sagt: "Ich habe all diese Worte genau so für dich komponiert und arrangiert - jetzt nimm dir gefälligst die Zeit und genieße!"

    Und das tue ich auch. Eigentlich habe ich ein Zwei-Bücher-System bei mir eingeführt, bei dem ich ein einfacheres und ein schwierigeres Buch parallel lese, damit ich immer das lesen kann, worauf ich gerade mehr Lust habe. Aber gerade lockt mich Hundejahre mit seiner Prosa immer wieder, dass ich Pratchetts Lords und Ladies kaum anschaue ... das muss man erstmal machen, ich liebe Pratchett!

    Trotzdem gibt es mindestens vier Passagen, bei denen ich einfach nicht folgen kann. Einmal ist das gut entschuldigt, denn das ist ein Tagtraum, aber ... musste der über mindestens 4 Seiten gehen? Grass ist ein Meister der Worte, davor habe ich großen Respekt, aber nicht alle seiner Einfälle - wie gesagt, vor denen habe ich Respekt - verbessern das Storytelling. Wenn man einen Stream of Consciousness hat, dann wird es so oder so schwieriger zu folgen. Wenn man jetzt noch die Namen von Rittern, Königen und Göttern einwirft, bei denen man einfach davon ausgeht, dass der Leser sie kennt ... Es gibt einen guten Grund, warum Marcel Reich-Ranicki meinte, dass viel avantgardistische Literatur sich schnell überleben würde. Grass übernahm viele solcher Ansätze aus der Moderne (also Impressionismus, Expressionismus, etc.), wahrscheinlich von Döblin, den Grass mal seinen Lehrer nannte, aber heute scheibt kaum einer mehr so. Wenn überhaupt, dann nur ganz präzise und an besonderen Stellen. Wahrscheinlich ist das auch zu recht so, denn wirklich Leserfreundlich ist das nicht.

    Was ich mir wahrscheinlich abschauen werde, ist seine Technik mit den Zeitebenen. Er versteht es wunderbar fließend Übergänge zwischen den verschiedenen Erzählebenen zu machen (also was gerade beim Erzähler so abgeht und dann die Nacherzählung), aber quasi zeitlich in die Nacherzählung hinein zu zoomen, indem er für eine nacherzählte Szene ins Präsenz wechselt. Wow!

    Noch was? Achja. Wenn Heidegger parodiert wird, dann kriegt man das auch mit. :rofl: Ich finde es schon witzig, muss ich sagen. Da fangen Soldaten an pseudo-intellektuell in allem Weltentwürfe zu sehen:

    Zitat

    Selbst im Alltäglichen machten die philosophischen Zungen vorsokratische Sprünge und maßen mit des Feldwebels zäh gewonnenen Erkenntnissen jeden banalen Anlaß und Gegenstand. Halbgare Kartoffeln - die Küche wurde schlecht beliefert und noch schlechter geleitet - wurden seinsvergessene Bulven genannt. Erinnerte jemand jemanden an etwas vor Tagen Entliehenes, Versprochenes oder Behauptetes, kam promt und absolut die Antwort: "Wer denkt noch an Gedachtes!" - beizehungsweise: Entliehenes, Versprochenes, Behauptetes. Tagtägliche Fakten, wie sie das Leben in einer Flakbatterie förderte, etwa ein halbscharfes Strafexerzieren, lästige Probealarme oder das stinkfingrige Gewehrreinigen, wurden mit einer dem Feldwebel abgelauschten Redensart abgetan: "Das Wesen das Daseins liegt nun mal in seiner Existenz."

    Und eben das Wörtchen Existenz paßte überall hin: "Existier mir mal ne Zigarette. Wer kommt mit Kinoexistieren? Wenn du nicht gleich die Fresse hältst, existier ich dir eine."

    Wer krank geschrieben war, machte auf Strohsackexistenz. Wochenendurlaub hieß Existierphase. Und hatte jemand ein Mädchen geangelt - wie Störtebeker Harrys Coursine Tulla -, prahlte er nach dem Zapfenstreich, wie oft er des Mädchens Existenz gestoßen habe.

    Und auch sie, die Existenz, versuchte Störtebeker mit einem Stock in den Sand zu zeichnen: Jedesmal sah sie anders aus.

    Und davon gibt es noch mehr.

    Im Schlussabschnitt der Liebesbriefe, läuft Hitler der Lieblingshund weg. Über einige Seiten wird die Kommunikation bei der Hundesuche dokumentiert. Weil die Russen von der Suche Wind bekommen und anfangen, sie zu behindern, werden die Nachrichten verschlüsselt - mit der Heidegger'schen Terminologie! So wird der Hund das vom "Fernsinn durchstimmte Nichts" getauft und später auch mal in Tranzzendenz umbenannt. Diese Passage ist nicht einfach zu lesen und hätte auch kürzer sein dürfen, aber allein die Idee, dass die Nazis die letzten Kriegswochen für so einen Scheiß verwenden, ist schon unterhaltsam. :D Ganz geglückt finde ich es irgendwie nicht, aber man kann nicht sagen, dass Grass keinen Humor hatte.

    Am besten gefallen mir die zwischenmenschlichen Geschichten und die magischen Momente, also im Wortsinne magisch, wo Dinge passieren, die absolut unmöglich sind und die aber keiner in Frage stellt. Beispielsweise, wo eine Figur von anderen brutal zu einem Schneemann gekugelt wird und wie diese Figur dann komplett verwandelt wieder aus dem Schneemann heraus kommt ... diese Passage ist auch noch auf eine etwas verstörende Weise lustig geschrieben (XXXs Schneemann war zuerst fertig!). Genau für sowas lese ich das. DAS war genial.

    Jetzt also die letzten 38% des Buches, Buch Drei "Materniaden". Ich bleibe dran.

    Häupter auf meine Asche!

  • Intian uskonnot (Religionen in Indien)

    Ein schoener, wenn auch etwas aelterer Bildband der einen Ueberblick ueber die verschiedenen Glaubensrichtungen in Indien gibt. Indien ist ja eines der Laender die ich wirklich faszinierend finde - leider hatte ich bisher nur ein paar Tage Aufenthalt in Mumbai, aber da habe ich schoene Erinnerungen an ein bissschen chaotisches, aber sehr liebenswertes Land. Jetzt also in einem Buch der Ueberblick ueber Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Sikhismus und ganz viele kleinere Stroemungen. So ungefaehr wusste ich das mit den Kasten ja, aber es ist schoen das mal genau zu lesen wie es historisch gedacht war und sich dann entwickelt hat. Und toll dazu die Bilder von Tempeln und Ritualen zu sehen.

  • Ich habe soeben den perfekten Ratgeber gelesen. Für alle, die diese Recherche auch schon länger mal anstrebten:

    Gerhart Honigs "Morden ohne Risiko - Ein Leitfaden für den perfekten Mörder zum häuslichen Selbststudium"


    Ja, was soll ich sagen? Ich bin nun ideal vorbereitet. Ich kenne mindestens 300 verschiedene, kurz angerissene Fälle, in denen der Mörder eben nicht perfekt handelte, weil er der Nachwelt mittlerweile bekannt ist. Ich weiß dank dieses wunderbaren Handbuchs, das in feiner, verständlicher und amüsanter Sprache verfasst wurde, was das Problem von Alibis ist, welche fünf Methoden es gibt, damit der schnüffelnde Inspektor niemals einen Mord und erst recht nicht einen selbst als Verantwortlichen vermutet. Eine Leiche verschwinden zu lassen, dem Mord den Hauch von Selbstmord verleihen, keine Spuren hinterlassen, sich nicht selbst durch auffälliges Verhalten überführen, den glaubhaftesten Unfall vortäuschen und die allgemeinen Regeln, die ein Mörder zu beachten hat, damit sein Handwerk auch gut gelingt. Ich bin begeistert!

    Natürlich wird sich auch mit den ethischen Theorien und Praxen der heutigen Gesellschaft, allein angefangen beim fünften Gebot der Bibel, auseinandergesetzt. Und wie gut, dass Herr Honig, wahrscheinlich eine Koryphäe auf dem Gebiet des Mordens, hierbei eine erleichternde Lösung präsentiert. Das Gebot "Du sollst nicht töten" bezieht sich nicht auf den Tötungsvorgang generell (denn dann könnten wir nicht mal ein Salatherz essen; Salat ist schließlich auch ein Lebewesen), sondern sollte heißen: "Du sollst nicht töten ohne Grund." Wie einfach! Dass ich das bisher noch nicht selbst erfasst habe!

    Das Büchlein fasst nur 115 Seiten. Ein genialer Griff ins Regal also, um sich zuhause, unterwegs oder auf dem Sofa seiner wohlhabenden Anverwandten weiterzubilden. Und danach kann die praktische Ausübung auch direkt losgehen.

    Klare Empfehlung! Fünf von fünf Sternen!


    ---verfasst vom Sofa meiner reichen Uroma aus------

    Was ich schreibe: Eden

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe soeben den perfekten Ratgeber gelesen. Für alle, die diese Recherche auch schon länger mal anstrebten:

    Gerhart Honigs "Morden ohne Risiko - Ein Leitfaden für den perfekten Mörder zum häuslichen Selbststudium"


    Ja, was soll ich sagen? Ich bin nun ideal vorbereitet.

    "Du sollst nicht töten ohne Grund."

    Ich hoffe du weißt, dass ich dich schon immer gemocht habe und nie auch nur ein schlechtes Wort über dich verfasst habe :saint::saint::saint:
    Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass mal sagen zu müssen :P

  • Ich hoffe du weißt, dass ich dich schon immer gemocht habe und nie auch nur ein schlechtes Wort über dich verfasst habe :saint: :saint: :saint:
    Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass mal sagen zu müssen :P

    Nun ja, Etiam - da spielt natürlich mehr als nur Sympathie ins Gewicht;););) Wie der Autor auch so schön meint: Der beste Mörder ist der, dessen Motiv man nicht erkennen kann. Und wenn ich kein Motiv habe, ist es auch nicht erkennbar... :P

    Was ich schreibe: Eden

  • Ich freue mich grade drueber dass ich wieder ein bisschen mehr Zeit finde und meine Hebraeisch-Vokabellisten und Verben wieder hervorkramen kann - also ist mein aktuelles Projekt das Buch der Richter aus der Bibel.

    Inhaltlich und philosophisch ist das nicht so wahnsinnig spannend (1) das Volk Israel faellt von Gott ab und verehrt Baal, 2) Gott schickt einen Feind, 3) das Volk Israel jammert, 4) Gott schickt einen Richter der sich der Sache annimmt 5) das Volk jubelt 6) zurueck zu 1) ) - aber die Wiederholungen und Standardphrasen helfen dabei Vokabeln aufzuschnappen und mir Redewendungen anzueignen.

    Irgendwie habe ich das uebersetzen schon vermisst...

  • Ich bin jetzt schon seit zwei Tagen buchverkatert ... das muss ein Buch auch erstmal schaffen.
    Buch Drei, "Materniaden", spielt nach der Nazizeit und man folgt Walter Matern, den ich in den Zitaten schon genannt habe. Er kommt aus der Kriegsgefangenschaft frei und will sich rächen, vorher rennt ihm aber ein Hund zu, der schwere symbolische Bedeutung hat. Matern, der gekommen ist zu richten mit schwarzem Hund, trifft alte Kameraden, die ihn mitunter auch verarscht haben und richtet sie - nicht. Das ist nicht Materns Rolle. Matern ist ein typischer Mitläufer und ein Fähnchen im Wind. Er sagt, was am einfachsten zu sagen ist und gibt sich, statt zu richten, schon damit zufrieden, die Frau oder die Tochter zu bumsen. Die fliegen nämlich alle auf ihn.

    Man merkt es vielleicht schon, Teil Drei der Hundejahre ist eine schwarze Komödie, über die meiste Zeit zumindest.

    Das ist erstmal eher mäßig spannend, aber die Ideen, die hier behandelt werden, haben immer noch lange in meinem Kopf weitergearbeitet. Beispielsweise die Erkenntnisbrillen, mit denen die Kinder die Taten ihrer Eltern erkennen können ... guter Stoff!

    Die Prosa fühlt sich hier vermehrt wie Assoziationsketten an, ich kann es kaum anders nennen. Dennoch konnte ich hier eigentlich immer folgen, es gab dieses Mal keine Passage, bei ich einfach gar nicht wusste, was los war.

    Dieses Buch ist so ... durchkomponiert und absichtsvoll geschrieben. Manchmal werden Ereignisse angeschnitten oder Dinge erwähnt, die erst 200 Seiten später passieren oder wichtig werden. Wenn mal Namen wie Pikollos oder Perkunos fallen, fragt man sich: "Was?", aber man muss einfach nur weiterlesen. Dranbleiben. Es ist alles drin.

    Trotzdem wird ein breites Allgemeinwissen vorausgesetzt, muss man auch zugeben, und zwar in Geschichte, Philosophie und Mythologie. Beispielsweise gibt es im letzten Kapitel eine lange Satzkette, die geschichtliche Ereignisse zusammenfasst. Da muss man beim Schlagwort Canossa einfach wissen, worum es geht. Ich wusste es halt. Es beeinträchtigt aber nicht das Verständnis für diese Geschichte an sich. Es macht das Buch nur schwieriger zugänglich.

    Wie gesagt, hat das Buch mich jetzt noch lange beschäftigt. Nach der letzten Seite war da erstmal die typische Leere und die Frage, was die letzten Absätze eigentlich aussagen sollen, aber es kam dann recht schnell zu mir und aus der Leere wurde aufrichtige Anerkennung. Das war stark, wirklich stark.

    Hundejahre ist ein verdammt dichtgepacktes Buch (im Sinne vom englischen "dense", ich tue mich gerade schwer, ein deutsches Äquivalent zu finden), und vielleicht Grass' technisches Meisterwerk. Blöd, dass es schwieriger zugänglich ist, als Die Blechtrommel, durch die ganzen Sachen mit Heidegger, den sperrigen, aber harmonischen Stil usw., denn mittlerweile gehe ich mit Grass mit: Hundejahre ist inhaltlich tatsächlich das wichtigere Buch, verglichen mit Die Blechtrommel. Wo DB sehr autobiographisch Ereignisse aus Grass' Leben aufgreift, behandelt Hundejahre die deutsche Gesellschaft von damals in unterschiedlichsten Facetten.
    Matern und Amsel als der Arier und der Jude nach Weinigers Buch, das im Buch ausführlich genug genannt wird, Haseloff als den Künstler, der wegschaut und im Gegenzug gut unter den Nazis leben kann, das Kapitel mit Müller Matern, der den deutschen Industriellen erst das Wirtschaftswunder so richtig ermöglicht usw. usw.

    Hundejahre ist eine Geschichte über eine Freundschaft, es ist soziale Satire, es ist ein Gesellschaftsroman, Kurzgeschichtenanthologie, Poesiealbum und das alles auf eine sehr stimmige Weise.

    Das war ein Ritt. Aber er war wirklich gut.

    Edit:

    Achja. Das Buch hätte auch unter Fantasy hier gespostet werden können, die magisch-realistischen Momente waren nicht wenige.

    Häupter auf meine Asche!