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Insgesamt ein super Abschnitt, der nicht sehr viel Handlung bietet, aber mit wirklich tollen Formulierungen aufwarten kann.
Danke. Ich habe oft Sorge, dass es am Ende insgesamt kaum Handlung gibt, aber ich mache am besten erstmal. xD
Der Bauernfürst will wirklich etwas ändern. Ich traue nur dem Frieden nicht. Geschichten funktionieren nicht, wenn sich etwas zum Guten entwickelt
Siehe Schreibfeders letzter Post. Kann der liebe, gute Bauernfürst nicht einfach mal aus Herzensgüte handeln ...?
Ich kündige am besten nie mehr an, wann ich einen Post machen will. Dx Das wird eh nix. Hier ist jetzt die zweite Hälfte von "Pahanas Aufgabe", wobei ich den Titel nicht so richtig passend finde und zu sowas wie "Der Rattensklave" tendiere. Warum werdet ihr ja lesen.
Fiel Fairgnügen un so.
Der Anblick war so surreal.
All die Sklaven, die an diesem Morgen Schlange standen, sich nacheinander von einem echten Arzt untersuchen ließen, der tatsächliche Notizen über Namen und Beschwerden niederschrieb. Sie warteten, in einigen der Gesichter stand in breiten Lettern Hoffnung geschrieben. Aber so sehr Paavo sich auch für sie freute, so sehr bereitete ihm der Anblick Unbehagen. Es war eine Ahnung, dass diese Geste des Gutsherrn ihren Preis haben würde.
„Na, aber, mein Lieber!“, sprach der Arzt empört, mahnte so kontrolliert wie effektiv, „Das finde ich aber nicht in Ordnung! Du bist seid kerngesund. Wenn du wolltest, könntest du fröhlich über den Platz hüpfen. Ab, fort! Du verschwendest meine Zeit. Zeit, die deine Kollegen deutlich nötiger haben!“
Der Sklave duckte sich unwillkürlich, diese ungewohnte Höflichkeit des Arztes verzieh seinem peitschenden Tadel zusätzlichen Biss, aber viel härter trafen die verächtlichen Blicke der Mitsklaven. Paavo kannte einige davon vom Pflugziehen, manche klagten schon seit Monaten über eingetretene Steine, Strohhalme und Muskelschmerzen.
„Verzeihung, mein Herr“, murmelte der Sklave und stahl sich unterwürfig davon. Die Ratte suchte ihr Loch.
„Das stinkt zum Himmel“, setzte sich Fadi neben Paavo. Der Alte hatte sich vorhin verabschiedet und zu anderen Sklaven zurückgezogen.
„Ach, komm schon. Für dich stinkt doch alles, was vom Gutsherrn kommt. Über einen Arzt können wir wirklich froh sein.“
Paavo ließ seine Augen dem Rattensklaven folgen, der in den Zwinger flüchtete.
„Ja, da hast du wohlmöglich sogar recht mit“, gab Fadi zu. „Aber ich habe allen Grund, misstrauisch zu sein, findest du nicht?“
Nicken.
„Na also.“ Fadi seufzte. „Gleich geht es wieder los. Wenn die Schlange abgearbeitet ist. Dann geht es wieder aufs Feld.“
„Etwas anderes habe ich nicht erwartet“, meinte Paavo und zuckte mit den Schultern. „Worauf willst du hinaus?“
Schnauben.
„Worauf ich hinaus will? Das sag‘ ich dir! Diese Leute dort …“, er deutete auf die Sklavenschlange, „… haben das für den Moment komplett vergessen. Und das stinkt mir. Es geht mir so gegen den Strich, da reichen unsere Peiniger einmal das Zuckerbrot und schon ist alles vergessen, was uns angetan wurde! Nur um sich den Arsch zu retten und so tun zu können, als würde es einem jetzt besser gehen, wird die eigene Selbstachtung über Bord geworfen. Nun werden einige wohl denken, dass der Gutsherr und all diese Sklaventreiber vielleicht doch keine so üblen Schweine sind. Du hast gesehen, was für Blicke die anderen für den Schwindler übrig hatten. Sowas können wir nicht gebrauchen. Was wir wirklich brauchen ist Wut! Alles andere bringt nichts, hält uns nur in diesem Loch hier gefangen. Wir brauchen mehr Wut, der Kessel muss dampfen, der Druck steigen, bis uns dieser Ort hier um die Ohren fliegt!“
Fadi spuckte aus.
„Darauf will ich hinaus, Kleiner.“
Überrumpelt hielt Paavo die Luft an. In seinem Ärger war Fadi beherrscht wie immer, aber dass er so auf Krawall gebürstet war, kam unerwartet. Sofort tadelte er sich und holte sich seine Fassung zurück. Weder vor Fadi noch vor dem Alten durfte er seine Deckung fallen lassen.
Deckung. Das war ein gutes Wort. Paavo fühlte sich wie bei einer Schlägerei. Von allen Seiten wurde mit Ratschlägen, Argumenten und Meinungen auf ihn eingedroschen. Man meinte zu helfen, doch jedes Wort war eines zu viel, türmte sich auf dem vorherigen zu einem Haufen auf, lastete schwer auf Paavos Gedanken.
Der Alte. Fadi. Auf keinen Fall wollte Paavo ohne einen von ihnen auskommen, aber … Fadi war eine wohlwollende, immernegative Stimme. Er half zu verstehen, aber nicht damit zu leben. Der Alte auf der anderen Seite strahlte Trost und Weisheit aus – was ihm wohl seinen Namen eingebracht hatte – und ein kurzes Gespräch reichte meist schon, um zu fühlen, nein, zu wissen, dass man einen Sinn hatte. Und doch war etwas faul an ihm.
Konnte nicht jemand dem anderen ein Leuchtfeuer sein, ohne ihn wie ein Irrlicht ins Verderben zu führen? Konnte nicht jemand ein Geheimnis haben, ohne –
Plötzlich ein Gedanke. Gestern Abend.
„Sag mir, Fadi, was war das gestern von Eri?“
„Du meinst das mit den Feen?“
Fadi schüttelte nur den Kopf, sehr zu Paavos Ärger.
„Vergiss das einfach, es war nicht weiter wichtig.“
„Du verheimlichst mir doch etwas, Fadi!“, raste es unerwartet aus Paavo heraus. Es kam zusammen mit dem Wunsch, etwas in Trümmer zu schlagen. Auf dem Zwingergelände gab es dafür nichts Passendes, das wusste er, und der Frust darüber floss direkt ins erste Gefühl zurück. Dieser Teil von ihm hatte bereits eine stille Vorfreude auf die Zeit nach der Ernte, wenn die Sklaven für Monate nur noch Holz hacken würden. Fadi mochte alles besser wissen, aber auch er war nicht ganz ehrlich!
„Tatsächlich?“, fragte Fadi, nicht im Geringsten von Paavos neugefundener Feurigkeit beeindruckt. „Man könnte glatt meinen, dass du das dem Alten sagen wolltest. Und nicht mir.“
Sprachlosigkeit. Es hatte ihm die Worte aus den Händen geschlagen, ihn entwaffnet. Die Ohren liefen heiß an.
„Kleiner, ich spreche zwar von Wut, aber so ohne Verstand und Richtung wird das auch nichts. Also, was Eri angeht … Sie ist in einem Dorf aufgewachsen, in dem man an solche Wesen glaubt. In Ordnung? Mehr ist da auch nicht dran.“
Sofort schossen Paavo Erinnerungsfetzen durch den Kopf. Der Alte hatte gesagt, sie käme aus dem Falkengebirge, von weit, weit weg. Fadi schien etwas zu wissen, die Neugier in Paavo wollte fragen, gestillt werden. Er legte schon ungeduldig die Worte, die Fragen zurecht, in dem Wissen, dass er sie nicht stellen sollte.
„Verstanden.“
„Schön.“
Aber vielleicht sollte er es wagen und den Alten konfrontieren … ?
„Wenn ich das richtig verstanden habe“, flüsterte nun Paavo, folgerte mit Bedacht, „dann hoffst du auf so etwas wie einen Aufstand.“
In Fadis Gesicht war so etwas wie Stolz zu erkennen, es war nicht klar zu deuten und es wusste sich gut zu verstecken.
„Kann man hier denn auf irgendwas hoffen? Da bin ich mir nämlich nicht so sicher.“
„Gibt es also nichts, worauf du hoffst?“
„Mh. Doch. Auf das Nötigste. Kampfgeist.“
Die Frage war also: Wollte Paavo ein Kämpfer sein?