Schreibkurs zu Kurzgeschichten

Es gibt 121 Antworten in diesem Thema, welches 17.772 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. Oktober 2023 um 21:41) ist von Chaos Rising.

  • Okay, ich schiebe die Hausaufgabe mal lieber nicht auf. :hmm:

    Kürze: Da, das versteht sich wirklich von selbst. Grenzen sind natürlich fließend, wie bei fast allem.

    Bei allen weiteren Punkten wäre es mMn definitiv einengend, wenn man sie als Dogma auffasst. Es sind aber gute Empfehlungen, um eine angenehme Kurzgeschichte zu schreiben.

    Konzentration aufs Wesentliche: Ja, definitiv angebracht. Wenn Unwesentliches zum Konzept gehört, ist es auch nicht mehr unwesentlich. :hmm: Außerdem gehören bei Sci-Fantasy (jetzt nicht die Schnittmenge von beidem, sondern beide Bereiche zusammen) ja auch viele Kleinigkeiten zur Bühne, um es erst immersiv zu machen. Ich denke, was wesentlich ist, das lässt sich durchaus diskutieren. Man sollte also irgendwann, vielleicht auch erst nach dem ersten Entwurf, entscheiden, was man eigentlich will, und das dann konsequent durchziehen. :)

    Ein Handlungsstrang, eine Hauptperson: Das verstehe ich wirklich eher als Empfehlung, aber jeder Protagonist hat meist seine eigene Geschichte, die dann wahrscheinlich erzählt werden will. Da sollte man also gut drüber nachdenken, sonst ist es um die Kürze geschehen.

    Einheit des Ortes und die Überschaulichkeit des Zeitraums: Solche Leitlinien finde ich gerade für Anfänger (also oft mich) sehr hilfreich. Ich denke, dass man mit einem guten Protagonisten auch zeitraffend erzählt viele Orte und Jahre abdecken und damit eine tolle Kurzgeschichte zimmern kann. In den meisten Fällen wird eine Kurzgeschichte aber eher wie ein kurzes Kapitel sein (in einem Thriller beispielsweise, wo oft eine Szene ein Kapitel ist) und man hat einen eher szenischen Ansatz.

    Offener Anfang: Die Handlung setzt unmittelbar ein, keine langatmige Einleitung: Bietet sich auch wunderbar für Kapitelanfänge an. Überhaupt betrachte ich Kapitel oft wie Kurzgeschichten.

    Offenes Ende, die Geschichte ist nicht abgeschlossen, der Leser muss das Ende weiterdenken: Deine Anmerkung hier finde ich ganz wunderbar. Das ja nicht nur eine Faustregel für Kurzgeschichten, sondern für Szenen allgemein, wie bei der vorigen Regel: Beginne eine Szene, kurz nachdem sie tatsächlich begonnen hat, und beende sie, kurz bevor sie tatsächlich endet. Die meisten Szenen beginnen ja eigentlich irgendwie mit Geplänkel: Begrüßungen, Händedruck, etc. Sowas ist trivial, und nicht unbedingt interessant, wenn es nicht gerade für irgendetwas weiter verwendet wird. Vielleicht verabschieden sich deswegen die Leute in Filmen auch nie, bevor sie ein Telefonat beenden.

    Der Sprachstil ist gradlinig, sachlich und knapp: Da bin ich auch skeptisch. Gerade wenn man einen Ich-Erzähler hat, ist es wichtig, eine starke Stimme zu transportieren. Sachlichkeit ist da völlig fehl am Platz, wenn die Figur nicht völlig sachlich denkt (was die meisten eben nicht tun).

    Knappheit und Geradlinigkeit ... naja, das sind wieder Empfehlungen in meinen Augen. Wenn man einen Thriller schreiben will oder sein Buch ganz bewusst auf Bestseller trimmt, klar, dann sollte man das kompromisslos durchziehen. Da gehen einem aber auch viele Möglichkeiten, etwas auszudrücken, flöten, wenn man das für zwingend notwendig hält. Ich habe mal eine Kurzgeschichte von Günter Grass gelesen, die aus einem einzigen Satz bestand, der über zwei, drei Seiten ging, und die Wirkung war enorm mMn. Wenn man wie Grass schreiben kann, dann gibt es keinen Grund, das nicht zu tun. Wenn man sowas nicht kann, ja, dann lässt man es besser sein.

    Wenn man von Sachlichkeit, Geradlinigkeit und Knappheit abweicht, dann hat man eben immer noch eine Kurzgeschichte geschrieben, wenn sie denn kurz ist.

    Kernaussage ist nicht offensichtlich: Keiner mag gerne belehrt werden. Ich mag eigentlich Geschichten lieber lesen, die meine Intelligenz nicht beleidigen, weil sie alles übererklären (so ein typisches Phänomen in der deutschen Mainstream-Unterhaltungslandschaft). Der Leser darf gerne seine eigenen Schlüsse ziehen.

    Aber auch hier: Wenn die Kernaussage offensichtlich ist, habe ich immer noch eine Kurzgeschichte geschrieben.

    Das Außergewöhnliche im Alltäglichen: Es werden außergewöhnliche Ereignisse in alltäglicher Umgebung geschildert: Ja, für Fantasy ein komischer Punkt. Daran wurde dabei wahrscheinlich nicht gedacht. Aber es bringt einen guten Punkt, den ich bei Fantasy-Kurzgeschichten immer schwierig finde: Worldbuilding. Dafür hat man eigentlich fast keine Zeit, aber es ist irgendwie nötig. Ich denke, wenn man seine Worte gut wählt, kann man auch in kurzen, knappen Sätzen, also quasi nebenbei, genug Worldbuilding vermitteln, damit die Geschichte nicht blass bleibt.

    Chronologische Handlungsfolge: Ich habe fast den Eindruck, dass das hier als Gattungsmerkmal kommt, weil es eigentlich auf fast alle Formen auch zutrifft. :pardon:

    Also das meiste ergibt ich irgendwie daraus, dass eine Geschichte kurz sein soll.

    Was ich noch ergänzen würde, ist die Art, wie man eine Kurzgeschichte liest:

    - Ein Roman ist ein großes Ding, das vollgestopft mit vielen Geschichten ist. Dem kann man einiges durchgehen lassen, von einem nicht zu 100% logischen Plot, zu ein, zwei, drei nicht so notwendigen Kapiteln.

    - Ein Gedicht kann durch eine einzige schlecht platzierte Silbe verdorben werden.

    - Und eine Kurzgeschichte bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. Durch ihre Kürze liest man sie viel intensiver als einen Roman. Alles muss viel konzentrierter und dichter sein. Da reichen zwei, drei blöde Sätze und ein Meisterwerk, das über allem schwebt, wird zu einer ordinären, ganz okayen Kurzgeschichte.

    Häupter auf meine Asche!

  • Ich finde diese Einteilung in Merkmalen so lange sinnvoll, wie sie im Deutschunterricht oder in der Germanistik helfen, die Kurzgeschichte als solche zu charakterisieren. In dem Fall ist es bestimmt voll wichtig zu unterscheiden, ob es nun eine Kurzgeschichte ist, oder einfach nur eine kurze Geschichte :P

    Manches ergibt schon Sinn, nämlich, dass der Einstieg unvermittelt sein soll, oder dass die Geschichte eher etwas verdichtet erzählt werden soll. So kann man mehr, auf weniger Platz erzählen, anstatt die Geschichte, wie bei einem Roman, ausufern zu lassen.

    Ich glaube es kann schon sinnvoll sein sich zu orientieren, aber wenn das Genre der Kurzgeschichte da nicht unbedingt mitmacht (wie z.B. SciFi, bereits oben erwähnt) oder diese Merkmale mit der Idee des Schreiberlings kollidieren, sollte das Merkmal nachgeben.

    Andererseits, können diese auch als Richtlinien gesehen werden und es gilt herauszufinden wie man damit spielen, sie umgehen oder brechen kann. Dann wäre es wiederum der Kreativität zugänglich.

    In jedem Fall ist ein sklavisches Halten an diese Merkmale wohl kaum zuträglich für die Qualität einer Geschichte. Wenn diese Eigenschaften als Schema aufgefasst werden, dann ist die Kurzgeschichte genau das. Eine schematische und keine kreative Arbeit.

  • Was haltet ihr von den Gattungsmerkmalen? Findet ihr, dass sie sinnvoll sind, oder schränken sie die Kreativität ein?

    Für mich sind Gattungsmerkmale so lange sinnvoll, so lange sie auch hilfreich sind. :hmm: Das soll heißen, dass ich mir für fast jedes eine Kurzgeschichte vorstellen kann, die eben dieses Merkmal nicht erfüllt, aber trotzdem eine Kurzgeschichte ist (abgesehen vielleicht vom Merkmal "kurz", aber auch das ist relativ). Prinzipiell kann ich die Merkmale entweder zur Beschreibung und zum Reden über Kurzgeschichten heranziehen (deskriptiv) oder sie als Vorschriften interpretieren (präskriptiv). Ersteres hilft, wenn man sich gegenseitig Feedback geben oder verstehen möchte, wie eine Kurzgeschichte aufgebaut sein kann. Letzteres kann zum Schreiben von Kurzgeschichten herangezogen werden. Für Feedback eigenet sich das mMn nur, wenn der Schreiber offenlegt, dass er versucht, die Merkmale umzusetzen. Für mich ist das weniger eine Auffassung von "Kurzgeschichten als Kunst", sondern eher von "Schreiben als Handwerk" (auch im Unterschied zu angeborener Begabung). Die Kenntnis von Gattungsmerkmale kann beim Schreiben von Kurzgeschichten helfen, sie sind aber sicherlich nicht das einzige Hilfsmittel oder die einzige Voraussetzung zum Schreiben von Kurzgeschichten.

    Persönlich achte ich beim Konzipieren und Schreiben von Kurzgeschichten auf den Effekt, den ich beim Publikum erzielen möchte und versuche, alles möglichst gut darauf abzustimmen. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe an Konsequenzen, etwa dass keine lange Einleitung - im Sinne einer Vorstellung der fantastischen Welt - möglich (oder sinnvoll) ist, weil damit nicht dem Erreichen des Effekts gedient ist. Genauso wären 20 Protagonisten vermutlich eher hinderlich. Allerdings bin ich da auch selten zu 100% konsequent.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Ich habe mich zwar nicht rechtzeitig "angemeldet", aber ich hock von Anfang an in der hintersten Bank des Auditoriums und lese zu... Die erste Hausaufgabe hat meine Katze gefressen (mir ist echt keine Kurzgeschichte eingefallen...)

    Hausaufgabe
    Was haltet ihr von den Gattungsmerkmalen? Findet ihr, dass sie sinnvoll sind, oder schränken sie die Kreativität ein? Fallen euch noch weitere Merkmale eindrucksvoller Kurzgeschichten ein?

    Ich bin immer wieder beeindruckt, dass man Geschichten und auch Gedichte nach irgendwelchen regeln und Merkmalen auseinandernehmen kann. Also jetzt "man". Nicht ich. Ich war darin immer eine Niete.

    Aus diesem Nieten-Grunde helfen mir diese Merkmale auch nicht wirklich, um meine eigenen Geschichten zu beurteilen (gut-naja-bäx).

    Allerdings kann ich, bei vollstem eigenen Unvermögen, durchaus die Sinnhaftigkeit von derlei Kategorisierungen erkennen. Vielen strukturierten Schreibern helfen sie sicherlich, ihre Werke nochmal nachzubessern und zu feilen. Ob es im Vorfeld nutzt, kann ich aber nicht sagen.

    Ich persönlich schreibe ja gar keine Kurzgeschichten. Ich schreibe immer Romane, die aus Versehen schon nach 3 Seiten fertig sind. Meistens.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • So, jetzt aber fix, bevor ich was mit dem Lineal auf die Finger bekomme ...

    Ich halte alle angeführten Regeln für absolut sinnvoll, wenn man eine Definition für Kurzgeschichten erstellen will. Beim Schreiben sind es für mich dann eher Richtlinien oder Empfehlungen.

    Ansonsten kann ich mich nur vollumfänglich meinen Vorrednern anschließen.

  • Heyho Sensenbach

    Und schwupp, da habe ich schon den Faden verloren.

    Mag ja sein, daß sich der Charakter einer Kurzgeschichte so definieren lässt. Aber das macht man dann wohl eher hinterher. Wenn ich mich jedoch hinsetze und (was in letzter Zeit leider selten vorkam) in die Tasten haue, was mir in den Sinn kommt, sind irgendwelche Regeln oder Grundsätze das Letzte, an das ich denke.

    Wenn am Schluß dann das, was ich fabriziert habe, mit den Gattungsmerkmalen übereinstimmt, hatten die Definierer recht. Tut's das nicht, auch gut.

    Ist mir allerdings komplett egal, denn letztlich entscheidet's doch der Leser, ob ihm das gefällt oder nicht.

    Anders ausgedrückt:

    Ich würde mich im Leben nicht hersetzen und mir irgendwelche "Gattungsmerkmale" vor's geistige Auge rufen, um nach denen eine Erzählung zu konzipieren.

    P.S.:

    Cory Thain

    Ich persönlich schreibe ja gar keine Kurzgeschichten. Ich schreibe immer Romane, die aus Versehen schon nach 3 Seiten fertig sind. Meistens.

    Bene dictum!

  • Etiam  Der Wanderer  Asni  Rewa  kalkwiese  Kirisha  Iskaral  Rainbow

    Cory Thain

    Spoiler anzeigen

    Also das meiste ergibt ich irgendwie daraus, dass eine Geschichte kurz sein soll.

    Ja. Das denke ich auch.

    In jedem Fall ist ein sklavisches Halten an diese Merkmale wohl kaum zuträglich für die Qualität einer Geschichte. Wenn diese Eigenschaften als Schema aufgefasst werden, dann ist die Kurzgeschichte genau das. Eine schematische und keine kreative Arbeit.

    Das stimmt. Ich finde es allerdings nützlich die Theorie zum Handwerk zu kennen. Dann kann man "Regeln" absichtlich brechen. Vom Regelbruch lebt die Kunst.

    Für mich sind Gattungsmerkmale so lange sinnvoll, so lange sie auch hilfreich sind.

    Yep!

    Ich bin immer wieder beeindruckt, dass man Geschichten und auch Gedichte nach irgendwelchen regeln und Merkmalen auseinandernehmen kann. Also jetzt "man". Nicht ich. Ich war darin immer eine Niete.

    Aus diesem Nieten-Grunde helfen mir diese Merkmale auch nicht wirklich, um meine eigenen Geschichten zu beurteilen (gut-naja-bäx).

    Solche Dinge wie Gattungsmerkmale und deren Betrachtung haben schon so manchem den Spaß am Deutschunterricht versaut. Schade eigentlich.

    Ansonsten kann ich mich nur vollumfänglich meinen Vorrednern anschließen.

    Ich auch.

    Ich würde mich im Leben nicht hersetzen und mir irgendwelche "Gattungsmerkmale" vor's geistige Auge rufen, um nach denen eine Erzählung zu konzipieren.

    Das sollst du auch nicht!

    Dritter Teil

    Wie schreibe ich eine Kurzgeschichte?

    Am Anfang des Schreibens steht meist eine Idee. Es empfiehlt sich die Idee kurz schriftlich zu formulieren und sich zu überlegen auf welches Ende die Geschichte herauslaufen soll. Der nächste Schritt wäre sich zu überlegen, was du dem Leser mitteilen möchtest. Was willst du dem Leser sagen und welche Reaktion möchtest du provozieren? Möchtest du, dass er am Ende lacht oder dass er traurig ist? Möchtest du, dass er sich gruselt? Vielleicht hast du eine Idee, die zum Nachdenken anregt?

    Kurzgeschichten liefern häufig eine spezifische emotionale Erfahrung, während die Leser bei Romanen Teil einer fiktiven Welt sein möchten. In einer Kurzgeschichte gilt es meist, dem Leser in kurzer Zeit ein maximales Leseerlebnis zu bescheren. Insbesondere das Ende der Geschichte hat hier natürlich eine wichtige Funktion. Sie liefert häufig die Pointe der Geschichte. Ist das Ende schwach, wird der Leser dies in Erinnerung behalten. Formuliere also auch das Ende der Geschichte in einem Satz.
    Jetzt kannst du dir überlegen was du brauchst, um das gewünschte Ende zu erreichen. Es empfiehlt sich, die Idee soweit wie möglich zu vereinfachen. Wenn deine Idee nicht zu vereinfachen ist, könnte es eher Stoff für eine längere Geschichte sein. Dann mach daraus einen Roman.
    Bevor du anfängst zu schreiben, kannst du dir noch weitere Überlegungen machen, die später hilfreich sein können. Hier am Beispiel einer Geschichte über einen Drachenjäger erklärt.

    Beispiel Drachenjäger

    Was ist die Prämisse der Geschichte?
    Zum Beispiel: Ein alter Drachenjäger befreundet sich mit einem Drachenküken.

    Was ist das Thema?
    Hier: Überwindung von Vorurteilen gegenüber Drachen.

    Was ist die These und die Antithese?

    These: Drachen sind gefährliche Bestien, die umgebracht werden müssen.
    Antithese: Drachen sind liebenswerte und intelligente Tiere, die einen wichtigen Beitrag im Ökosystem übernehmen.
    Synthese: Der Drachenjäger überredet die Dörfler zur Koexistenz mit den Drachen, da der Drache Ungeziefer verspeist.

    Aus den obigen Überlegungen könnte sich folgende Geschichte ergeben.
    Pitch: Ein alter Drachenjäger ist der Mühen seiner Arbeit leid und nimmt einen letzten Auftrag an. Er soll das Dorf von einem bösen Drachen befreien. Er zieht los und tötet den Altdrachen. Dann bemerkt er, dass im Nest ein einzelnes, hilfloses Drachenbaby liegt. Im Gegensatz zu früher hat er hat Mitleid und hadert mit sich selbst. Schließlich beschließt er das Drachenkind zu retten und die Dörfler davon zu überzeugen mit dem Drachen zu leben. Nach einigen Verwicklungen schafft er es und alle leben glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.

    Jetzt haben wir bereits einen groben Plan. Allerdings ohne jede Spannung, die kommt erst auf, wenn im Mittelteil Konflikte gelöst werden müssen.

    Wir haben in Kapitel II gesehen, dass Kurzgeschichten verdichtet sind und sich auf das Wesentliche beschränken. Für die Drachenjägergeschichte werden wir die Idee also soweit wie möglich vereinfachen.
    Eine Hauptfigur: Der Drachenjäger
    Ein Schauplatz: Die Umgebung des Dorfes
    Ein Konflikt: Der Widerstand der Dorfbewohner gegenüber dem Drachen (Achtung: Ist das wirklich der einzige Konflikt?)

    Jetzt ist es an der Zeit sich einen Handlungsverlauf zu überlegen. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Man kann den Verlauf detailliert Plotten, einen genauen Plan schreiben oder einfach drauf los schreiben. Auf die verschiedenen Möglichkeiten einzugehen, sprengt leider den Rahmen, vielleicht machen wir das beim nächsten Mal. Wichtig ist aber zu erwähnen, dass der Mitteilteil natürlich von den Konflikten lebt, die der Protagonist zu überstehen hat, bevor er das Ziel (Ende) erreicht. Als Autor ist es unsere Aufgabe ihm so viele Hindernisse in den Weg zu stellen wie möglich und dadurch die Spannung zu steigern.

    Der Einstieg
    Jetzt geht es darum die Geschichte zu schreiben. Wenn ich die Geschichte ohne Seitenlimit schreiben würde, dann würde ich typischerweise mit der Landschaft anfangen und beschreiben wie der Drachenjäger mit den Dörflern um den Preis für den Auftrag feilscht und dann den Kampf mit dem Altdrachen in allen Einzelheiten schildern. Danach findet er das Nest mit dem Drachenbaby …
    STOPP
    Wo fängt die Geschichte wirklich an? Wie haben in Teil II gelernt, dass die Kurzgeschichte unmittelbar anfängt. Das heißt hier, dass ganze Vorgeplänkel brauchen wir vielleicht gar nicht. Wir könnten an der Stelle anfangen, wo der Drachenjäger über dem Kadaver des Altdrachen steht und den Rest streichen. Bringt die Dinge auf den Punkt!

    Beispiel
    Leo sitz bekümmert auf seinem Grabstein. Er hatte seit seinem Tod keine Kopfschmerzen mehr, aber heute war er nah dran.
    Aus: Rest in Bits von Uwe Post, Anthologie „Wasserstoffbrennen“, Amrun Verlag

    Ein gelungener Anfang. Der Leser ist sofort mitten in der Geschichte und die spannende Frage wird aufgeworfen, wie der Protagonist auf dem Stein sitzen kann, obwohl er doch tot ist. Außerdem wird der Hauptprotagonist bereits im ersten Satz eingeführt.

    Hausaufgabe
    Überlege dir den Einstieg in die Geschichte des Drachenjägers. Wie könnte ein guter direkter Einstieg sein? Einige Sätze reichen!


    Beim nächsten Mal schauen wir uns eine Methode an, wie man eine Kurzgeschichte strukturieren kann.

    Für Der Wanderer und Cory Thain

    Niemand muß das so machen. Es sind nur Vorschläge!

  • Überlege dir den Einstieg in die Geschichte des Drachenjägers

    Okay, ich würde direkt mit ein bisschen Action beginnen und dann sofort auf das eigentlich wesentliche für die Handlung überleiten. So ungefähr:

    Das spritzende Blut des Drachens verätzte den Schild des Jägers, als dieser seinen Speer durch das Herz der Bestie stieß. Das Ungetüm bäumte sich ein letztes Mal brüllend auf und stürzte dann rücklings zu Boden. Die Stille, die nach dem Tod des Drachens einkehrte, wurde zerrissen durch hohe, wehklagende Schreie aus dem hinteren Teil der Höhle. Als der Drachenjäger nachsah, entdeckte er eine kleine, zusammengekauerte, schuppige Gestalt.

  • Sensenbach

    Heute warte ich mal nicht so lange mit der Hausaufgabe.

    Mühsam kämpfte Darian sich durch das Geröll. Der Steinschlag hatte ihm das Leben gerettet. Nicht nur die wütende Drachenmutter lag zerschmettert am Rand der Klippe, auch ihre widerliche Brut hatte es dahingerafft. Er setzte sich auf den Rand des Nestes, um wieder zu Atem zu kommen.

    Etwas zupfte an seinem Ärmel und der junge Mann erstarrte. Langsam und vorsichtig tastete seine Hand nach dem Messer. Sollte doch noch eines dieser Babymonster am Leben sein, befand er sich ernsthaft in Gefahr.

    Ein schuppiger Kopf schob sich zwischen Arm und Hüfte des Drachentöters hindurch und zwei traurige Kulleraugen blinzelten im Sonnenlicht. Der kleine Drache sah eher aus, wie ein gerupftes Huhn. Als er auch noch winselnde Laute wie ein verlassener Welpe von sich gab, nahm Darian die Hand vom Messergriff.

  • Sensenbach

    Außer die Kurzgeschichten, die du vor kurzem für eine weltberühmte Anthologie korrekturgelesen hast

    Ja, das stimmt natürlich. Aber das Lektorieren der Anthologie war mehr so eine Notwendigkeit. Das Lesen von Kurzgeschichten entspricht sonst eher weniger meinem persönlichen Lesegeschmack :pardon:

    Hausaufgabe
    Was haltet ihr von den Gattungsmerkmalen? Findet ihr, dass sie sinnvoll sind, oder schränken sie die Kreativität ein? Fallen euch noch weitere Merkmale eindrucksvoller Kurzgeschichten ein?

    Viele dieser Gattungsmerkmale klingen für mich sinnvoll und ich denke, man sollte sie als grobe Richtlinie für sich sehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein sehr guter Autor mit einigen dieser Merkmalen durchaus brechen dürfte und trotzdem eine fesselnde Geschichte auf die Beine stellen kann.

    Hausaufgabe
    Überlege dir den Einstieg in die Geschichte des Drachenjägers. Wie könnte ein guter direkter Einstieg sein? Einige Sätze reichen!

    Das Blut des Alten tropfte von seinem Kinn, als Javis sein Gesicht der untergehenden Sonne entgegenstreckte. "Stirb, du Bestie!", flüsterte er kraftlos und versenkte sein Schwert in der Schuppen besetzten Brust des gewaltigen Tieres, das sterbend zu seinen Füßen lag. Ein Stöhnen. Ein letztes Aufbäumen. Dann war es vollbracht. Der Alte war der Letzte seiner Art. Von nun an würde keine jener teuflischen Kreaturen mehr einen Fuß auf das Land seiner Väter setzen. Nie wieder würde der Schatten übergroßer ledriger Schwingen die Sonne seiner Heimat verdunkeln. Die kühle Brise herbstlichen Abendwindes fuhr ihm in die Haare und trug ein Geräusch mit sich. Tak...Tak...Tak.

    Mit einem Ruck befreite Javis die Blut verschmierte Klinge seiner Waffe aus dem Kadaver und näherte sich dem Ursprung jener seltsamen Klänge.Tak...Tak...Tak...

    Der Schreck fesselte ihn und ließ ihn wie gebannt innehalten, als er auf das Ei herabblickte, dessen Schale bereits erste Risse aufwies.

  • So, anbei meine Hausaufgabe(n):

    Variante 1:

    „Uuuuaaah!“, grunzte Gregor durch zusammengebissene Zähne. Einen Drachen zu töten, war schon immer harte Arbeit gewesen und die Last der Jahre, die er mit sich herumtrug, machten es nicht leichter. Hoffentlich war dies der letzte Drache, den er in seinem Leben erledigen musste.

    Gregor lehnte sich noch einmal mit seinem ganzen Gewicht auf die Lanze und stellte so sicher, dass das Biest auch wirklich tot war. Dann ließ er den Schafft los und atmete erleichtert auf.

    Jetzt, da der Kampf vorüber war, war es still in der Höhle geworden. Während Gregor darauf wartete, dass sich auch sein Herzschlag beruhigte, kehrten seine grüblerischen Gedanken zurück, die ihn die letzten Wochen so häufig geplagt hatten.

    Variante 2:

    Um einen Drachen zu töten, braucht man drei Dinge: Glück, Glück und noch mehr Glück. So zumindest verkündete es eine alte Weisheit unter den Drachenjägern. Gregor, seines Zeichens einer der erfahrensten Drachenjäger, wusste, dass es auch Schnelligkeit, Kraft und eine sehr schwere Keule taten, mit der man einen Drachen mit dem ersten Schlag benebeln, dem zweiten betäuben und dem dritten ein für alle Mal erledigen konnte. Danach konnte man sich getrost gegen den Kadaver lehnen und darauf warten, dass sich das eigene, schnell pochende Herz beruhigte. Und das Dröhnen in den Ohren nachließ. Auch der Schwindel würde früher oder später verschwinden. Zumindest hoffte Gregor das.

    Wann war er so alt geworden? Kraftlos lehnte er den Kopf zurück und konzentrierte sich nun nur darauf, dass er nicht aus Versehen das Atmen sein ließ.


    Und ein bisschen Feedback für die bisherigen Hausaufgaben

    Spoiler anzeigen

    Das spritzende Blut des Drachens verätzte den Schild des Jägers, als dieser seinen Speer durch das Herz der Bestie stieß. Das Ungetüm bäumte sich ein letztes Mal brüllend auf und stürzte dann rücklings zu Boden. Die Stille, die nach dem Tod des Drachens einkehrte, wurde zerrissen durch hohe, wehklagende Schreie aus dem hinteren Teil der Höhle. Als der Drachenjäger nachsah, entdeckte er eine kleine, zusammengekauerte, schuppige Gestalt.

    Mir gefällt gut, wie du in den wenigen Sätzen die Drachen deiner Geschichte charakterisierst. Mit ein wenig Action einzusteigen, finde ich auch gut. Mir kam beim ersten Lesen dein Anfang ein wenig zu schnell vor. Ich hab erst einmal darauf verzichtet, das noch lebende Drachenküken zu erwähnen, weil das für mich einfach später in der Geschichte passiert.

    Mühsam kämpfte Darian sich durch das Geröll. Der Steinschlag hatte ihm das Leben gerettet. Nicht nur die wütende Drachenmutter lag zerschmettert am Rand der Klippe, auch ihre widerliche Brut hatte es dahingerafft. Er setzte sich auf den Rand des Nestes, um wieder zu Atem zu kommen.

    Etwas zupfte an seinem Ärmel und der junge Mann erstarrte. Langsam und vorsichtig tastete seine Hand nach dem Messer. Sollte doch noch eines dieser Babymonster am Leben sein, befand er sich ernsthaft in Gefahr.

    Ein schuppiger Kopf schob sich zwischen Arm und Hüfte des Drachentöters hindurch und zwei traurige Kulleraugen blinzelten im Sonnenlicht. Der kleine Drache sah eher aus, wie ein gerupftes Huhn. Als er auch noch winselnde Laute wie ein verlassener Welpe von sich gab, nahm Darian die Hand vom Messergriff.

    Awwww... ^^ Hier gewinnt für mich eindeutig der Awww-Effekt in der zweiten Hälfte. Mir gefällt die Idee mit dem Steinschlag gut, der letztlich den Drachen getötet hat.

    Das Blut des Alten tropfte von seinem Kinn, als Javis sein Gesicht der untergehenden Sonne entgegenstreckte. "Stirb, du Bestie!", flüsterte er kraftlos und versenkte sein Schwert in der Schuppen besetzten Brust des gewaltigen Tieres, das sterbend zu seinen Füßen lag. Ein Stöhnen. Ein letztes Aufbäumen. Dann war es vollbracht. Der Alte war der Letzte seiner Art. Von nun an würde keine jener teuflischen Kreaturen mehr einen Fuß auf das Land seiner Väter setzen. Nie wieder würde der Schatten übergroßer ledriger Schwingen die Sonne seiner Heimat verdunkeln. Die kühle Brise herbstlichen Abendwindes fuhr ihm in die Haare und trug ein Geräusch mit sich. Tak...Tak...Tak.

    Mit einem Ruck befreite Javis die Blut verschmierte Klinge seiner Waffe aus dem Kadaver und näherte sich dem Ursprung jener seltsamen Klänge.Tak...Tak...Tak...


    Der Schreck fesselte ihn und ließ ihn wie gebannt innehalten, als er auf das Ei herabblickte, dessen Schale bereits erste Risse aufwies.

    Auch der Anfang gefällt mir sehr gut, ganz besonders die Darstellung, was der Tod des Drachen für das Land und seine menschlichen Bewohner bedeutet. Doch wie bei Iskaral kündigt sich das Küken zu schnell an.

    Jetzt frage ich mich schon, ob ich der einzige bin, der sich seine Kurzgeschichte eher so überlegt hat, dass der Effekt gegen Ende der sein soll, dass es eben noch einen Drachennachwuchs gibt :hmm:

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Asni

    Jetzt frage ich mich schon, ob ich der einzige bin, der sich seine Kurzgeschichte eher so überlegt hat, dass der Effekt gegen Ende der sein soll, dass es eben noch einen Drachennachwuchs gibt

    Was mich betrifft ganz sicher! Ich hätte eher Freude daran, den weiteren gemeinsamen Weg von Drachentöter und Drachenküken zu erzählen. Da fallen mir gleich ein paar lustige, chaotische und potentiell gefährliche Situationen ein, die so eine Geschichte interessant machen würden.

  • Hausaufgabe:

    "Hah! Du wirst niemanden mehr töten, Ungeheuer!" Triumphierend sah Magno in die Runde. Doch es jubelte niemand. Denn es war niemand da. Magno war allein... Allein mit einem toten Drachen.

    Einem Drachen, der nicht mal halb so groß war wie in den Legenden der Dörfler, die Magno angeheuert hatten.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Meine Hausaufgabe:

    Scheiß die Wand an, es hat mich gebissen!

    Winzige Zähne graben sich in Urs' Lederhandschuh. Frisch geschlüpft, aber die Kiefer können schon zupacken. Besser er erledigt das kleine Mistvieh, bevor es begreift, in wessen Blut er gerade kniet. Urs hebt die Hand, in die der Drache noch immer beißt, zieht sein Jagdmesser und hält es dem Drachenbaby an den Hals. Es hält ganz still, blickt Urs direkt in die Augen und wackelt mit den Flügeln.

    Wenn es wollte, könnte es mir vielleicht die Hand abbeißen.

    Aber warum tut es das nicht? Winzige Nüstern schnauben; frische, weiche Schuppen glänzen im Fackelschein; und die Iris' der Drachenaugen funkeln, funkeln, funkeln ...

    ... und eine Stimme, die keine Stimme ist, sondern eine Empfindung, meldet sich zu Wort: Mama!

    Häupter auf meine Asche!

  • ... und eine Stimme, die keine Stimme ist, sondern eine Empfindung, meldet sich zu Wort: Mama!

    ... ich tät hinter das Mama ein Fragezeichen setzen... irgendwie.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • ... und eine Stimme, die keine Stimme ist, sondern eine Empfindung, meldet sich zu Wort: Mama!

    ... ich tät hinter das Mama ein Fragezeichen setzen... irgendwie.

    Interessanter Einwand. :D Wenn das Baby fragt, dann bemerkt es wahrscheinlich den Kadaver der Mutter. Ich wollte aber, dass das Küken den Urs als Mutter betrachtet. Sowas stellt es dann fest, und muss gar nicht fragen.

    Häupter auf meine Asche!

  • Ich bin beeindruckt. Das sind ja klasse Einfälle!

    Das spritzende Blut des Drachens verätzte den Schild des Jägers, als dieser seinen Speer durch das Herz der Bestie stieß. Das Ungetüm bäumte sich ein letztes Mal brüllend auf und stürzte dann rücklings zu Boden. Die Stille, die nach dem Tod des Drachens einkehrte, wurde zerrissen durch hohe, wehklagende Schreie aus dem hinteren Teil der Höhle. Als der Drachenjäger nachsah, entdeckte er eine kleine, zusammengekauerte, schuppige Gestalt.

    Ein direkter Einstieg in die Geschichte. Jetzt kann die Handlung beginnen. Vielleicht könnte man den Jäger noch etwas charakterisieren. Gefällt mir gut!

    Mühsam kämpfte Darian sich durch das Geröll. Der Steinschlag hatte ihm das Leben gerettet. Nicht nur die wütende Drachenmutter lag zerschmettert am Rand der Klippe, auch ihre widerliche Brut hatte es dahingerafft. Er setzte sich auf den Rand des Nestes, um wieder zu Atem zu kommen.

    Etwas zupfte an seinem Ärmel und der junge Mann erstarrte. Langsam und vorsichtig tastete seine Hand nach dem Messer. Sollte doch noch eines dieser Babymonster am Leben sein, befand er sich ernsthaft in Gefahr.

    Ein schuppiger Kopf schob sich zwischen Arm und Hüfte des Drachentöters hindurch und zwei traurige Kulleraugen blinzelten im Sonnenlicht. Der kleine Drache sah eher aus, wie ein gerupftes Huhn. Als er auch noch winselnde Laute wie ein verlassener Welpe von sich gab, nahm Darian die Hand vom Messergriff.

    Der Steinschlag ist eine sehr schöne Idee, finde ich. Die Handlung hat also schon vorher angefangen! Ich finde auch gut wie die Stimmung kippt: Erst das Monster und am Schluss der verlassene Welpe. Das gefällt mir sehr.

    Das Blut des Alten tropfte von seinem Kinn, als Javis sein Gesicht der untergehenden Sonne entgegenstreckte. "Stirb, du Bestie!", flüsterte er kraftlos und versenkte sein Schwert in der Schuppen besetzten Brust des gewaltigen Tieres, das sterbend zu seinen Füßen lag. Ein Stöhnen. Ein letztes Aufbäumen. Dann war es vollbracht. Der Alte war der Letzte seiner Art. Von nun an würde keine jener teuflischen Kreaturen mehr einen Fuß auf das Land seiner Väter setzen. Nie wieder würde der Schatten übergroßer ledriger Schwingen die Sonne seiner Heimat verdunkeln. Die kühle Brise herbstlichen Abendwindes fuhr ihm in die Haare und trug ein Geräusch mit sich. Tak...Tak...Tak.

    Mit einem Ruck befreite Javis die Blut verschmierte Klinge seiner Waffe aus dem Kadaver und näherte sich dem Ursprung jener seltsamen Klänge.Tak...Tak...Tak...


    Der Schreck fesselte ihn und ließ ihn wie gebannt innehalten, als er auf das Ei herabblickte, dessen Schale bereits erste Risse aufwies.

    Hier hast du den Drachentöter sofort gut charakterisiert.

    Er tötet das letzte Wesen seiner Art … niemals mehr wird die teuflische Kreatur … und dann Tak…Tak…Tak…

    => genial

    Bei beiden Varianten liegt der Fokus auf dem Drachenjäger und seinem Alter. Das finde ich gut, das setzt den Ton für die weitere Geschichte.

    In der ersten Version schilderst du auch, dass der Alte grübelt. Ein innerer Konflikt wird angedeutet. Ein schöner Start.

    "Hah! Du wirst niemanden mehr töten, Ungeheuer!" Triumphierend sah Magno in die Runde. Doch es jubelte niemand. Denn es war niemand da. Magno war allein... Allein mit einem toten Drachen.

    Einem Drachen, der nicht mal halb so groß war wie in den Legenden der Dörfler, die Magno angeheuert hatten.

    Das ist eine schöne Herangehensweise. So etwas geniales würde mir nie einfallen. Da sitzt er jetzt unser "Held" und keiner bejubelt ihn. Und der Drache ist auch nicht so beeindruckend.

    Das mag ich!

    Scheiß die Wand an, es hat mich gebissen!

    Winzige Zähne graben sich in Urs' Lederhandschuh. Frisch geschlüpft, aber die Kiefer können schon zupacken. Besser er erledigt das kleine Mistvieh, bevor es begreift, in wessen Blut er gerade kniet. Urs hebt die Hand, in die der Drache noch immer beißt, zieht sein Jagdmesser und hält es dem Drachenbaby an den Hals. Es hält ganz still, blickt Urs direkt in die Augen und wackelt mit den Flügeln.

    Wenn es wollte, könnte es mir vielleicht die Hand abbeißen.


    Aber warum tut es das nicht? Winzige Nüstern schnauben; frische, weiche Schuppen glänzen im Fackelschein; und die Iris' der Drachenaugen funkeln, funkeln, funkeln ...

    ... und eine Stimme, die keine Stimme ist, sondern eine Empfindung, meldet sich zu Wort: Mama!

    Ich bin grad beinahe vom Sessel gefallen! Das ist ein genialer Anfang. Nein! Eigentlich ist es schon eine ganze Kurzgeschichte.

    Hat der Drache den Jäger magisch beeinflusst?

  • Hausaufgabe:

    Rodricks Hand, um den Schaft der Lanze verkrampft zitterte als die Anstrengung ihren Zoll forderte. Einen Drachen auf die traditionelle Weise zu töten hieß, unter seinen Leib zu kriechen, die wenigen rötlichen Schuppen zu finden, hinter denen sich daß Herz verbarg und dann zuzustoßen, den Spalt dazwischen zu finden.

    An die rauhen Felsen unterhalb des Hortes gepresst hatte er geduldig gewartet, bis der Altdrache wiederkehrte, hatte der Kälte und dem Wind getrotzt, wie er es immer tat. Sich im Nest zu verstecken um den entscheidenden Stoß zu tun war eine Narrheit, die manchem Drachenjäger das Leben gekostet hatte.

    Nein. Er hatte gewartet.

    Auf die Landung, das Rauschen der Flügel, das Beben der Erde, das Leuchten der Schuppen.

    Dann der Stoß in's Herz, der Blutstrom, der darauf auf ihn niederstürzte. Ein Brüllen, daß es ihm die Trommelfelle zerreissen wollte, weithallend in die Täler, aus denen er hochgestiegen war.

    Ein Brüllen, das in einem Röcheln endete. Und letztlich verhallte.

    Stille, für einen Moment.

    Dann ein Geräusch, ein leises Rascheln im Hort. Rodrick wischte sich mit der Hand das Drachenblut aus den Augen.

    "Arräääks!"

    Nein. Das durfte, konnte nicht sein.

    "Arrääääksss!!"

    Fordernder der Schrei.

    Rodnick beugte sich über den Rand des Hortes.

    "Arrrrräääääkksss".

    Unbeholfen wurden winziglederne Flügel gehoben, ein viel zu langer Hals schlenkerte hin und her.Hellstrahlende smaragdgrüne Augen bohrten sich in die des alten Drachenjägers.

    "ÄRRRKKSS!"

    Und obwohl milchigscharfen Zähne nach seiner Hand schnappten, zog Rodrick das Drachenjunge aus dem Schmutz des Hortes, aus den fauligen Überresten ehemaliger Mahlzeiten des Altdrachen und begann den Abstieg in's Dorf.

    Spoiler anzeigen

    Tut mir echt leid, aber kürzer kriege ich meinen Einstieg echt nicht hin...

  • Ich bin grad beinahe vom Sessel gefallen! Das ist ein genialer Anfang. Nein! Eigentlich ist es schon eine ganze Kurzgeschichte.

    Hat der Drache den Jäger magisch beeinflusst?

    Oh, danke! :blush:

    Zur Frage: Ja. :)

    Spoiler anzeigen

    Die längere Antwort ist diese hier: Ich habe den Text erst geschrieben und dann erst verstanden, dass eine magische Beeinflussung die naheliegendste Interpretation ist. Der Drache sollte ihn nur als Mutter erkennen, aber durch die Stilmittel entstand ein anderer Eindruck, der mir dann besser gefiel.

    Tja, das Werk ist manchmal schlauer als der Erschaffer. :pardon: Aber diese Schizophrenie des Schreibens macht es ja so interessant.

    Häupter auf meine Asche!

  • Etiam  Der Wanderer  Asni  Rewa  kalkwiese  Kirisha  Iskaral  Rainbow

    Cory Thain

    Spoiler anzeigen

    Rodricks Hand, um den Schaft der Lanze verkrampft zitterte als die Anstrengung ihren Zoll forderte. Einen Drachen auf die traditionelle Weise zu töten hieß, unter seinen Leib zu kriechen, die wenigen rötlichen Schuppen zu finden, hinter denen sich daß Herz verbarg und dann zuzustoßen, den Spalt dazwischen zu finden.

    Nicht schlecht. Du gehst es von der technischen Seite an. Bin gespannt, wie es jetzt weiter ginge!

    Vierter Teil

    Wie strukturiere ich eine Kurzgeschichte?

    Zur Strukturierung von Geschichten gibt es viele Ideen und Anleitungen. Bei den Geschichten, die ich abgebrochen habe, ist mir aufgefallen, dass ich am Ende nicht die Fragen beantworten konnte, die ich am Anfang aufgeworfen habe. Das lag meist daran, dass diese Fragen nicht sehr eindeutig formuliert waren und mir die Fragen selbst nicht ganz klar waren. Bei diesem Problem können die MICE Elemente helfen.

    Der MICE Elemente

    Die MICE Elemente können helfen eine Geschichte effektiv zu strukturieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie kurz oder lang ist. Diese Methode wurde von Orson Scott Card (Ender’s Game) entwickelt und ist manchmal Bestandteil von Kursen zu kreativen Schreiben (z.B. Mary Robinette Kowal). MICE steht für Milieu, Inquiry (oder Idea), Charakter und Event (Ereignis). Diese vier Elemente legen fest, wo die Geschichte startet, endet und welche Konflikte durchlebt werden.

    Kurze Geschichten haben manchmal nur ein MICE Element, bei längeren Geschichten spielen verschiedene Elemente eine Rolle. Diese können jedoch unterschiedlich gewichtet sein und häufig dominiert eines der Elemente. Im Folgenden, stelle ich die vier verschiedenen Elemente vor.

    Milieu-Geschichten

    Das „Milieu“ ist die Welt, in der die Geschichte spielt. Also die Landschaft, die Lebewesen und Kulturen, das Wetter, Gesetze, Gerüche etc. Bei einer Milieu-Geschichte geht es weniger um die Handlung (den Plot). Die Charaktere sind eher einfach gestaltet und machen oft keine Entwicklung durch. Es gibt in diesen Geschichten längere Abschnitte, in denen die Welt im Vordergrund steht. Solche Geschichten sind im Fantasy- und Science-Fiction Setting häufig. Reine Milieu Geschichten sind selten, dann wären sie ja reine Reiseführer durch eine erdachte Welt. Milieu Geschichten folgen einer bestimmten Plotstruktur.

    Plotstruktur

    Anfang: Die Geschichte beginnt, wenn der Prota eine neue Welt betritt.

    Mitte: In der Mitte spielen sich die Konflikte ab. Warum muss die Welt bereist werden? Wie kommt der Prota mit dem Weg zurecht. Wie kann er überleben? Dem Leser werden die verschiedenen interessanten Orte der Welt gezeigt.

    Ende: Die Geschichte endet, wenn die Reise beendet ist. Der Prota ist wieder zurück zu Hause und hat seine Aufgabe erfüllt.

    Beispiele: „Gullivers Reisen“ oder „In 80 Tagen um die Welt“. Auch „Der Herr der Ringe“ und „Dune“ haben starke „Milieu“ Aspekte.


    Inquiry-Geschichten

    „Inquiry“ Geschichten werden von Fragen angetrieben. Es wird eine Leiche gefunden und die Geschichte dreht sich um das Finden des Mörders. Oder ein Bankraub soll durchgeführt werden und es wird dafür ein Plan entwickelt. Im Fantasybereich gehören viele Mystery Geschichten dazu. Diese Geschichten werden davon angetrieben, dass die Lösung für die Frage gesucht wird und der Leser dies entsprechend gespannt miterlebt. Die Suche nach der Lösung steht also im Zentrum der Inquiry Geschichten. Ausgefeilte Charaktere findet man in diesen Geschichten seltener und eine Entwicklung der Protas ist hier nicht so wichtig. Dies ist besonders bei Serien praktisch, da hier immer derselbe Protagonist den „Fall“ löst.

    Plotstruktur

    Anfang: Die Geschichte beginnt mit einer Frage, oder einem Rätsel, das es zu lösen gilt.

    Mitte: In der Mitte wird beschrieben, wie der Protagonist entgegen aller Hindernisse auf die Lösung kommt.

    Ende: Die Geschichte endet, wenn die Frage beantwortet ist.

    Beispiele: Sherlock Holmes, Geisterjäger John Sinclair, Drei Fragezeichen, Columbo etc. Der „Herr der Ringe“ enthält auch die Frage ‚Wie wird Frodo den Ring wieder los?‘


    Charakter-Geschichten

    In Charakter Geschichten dreht sich alles um das Innere des Hauptprotagonisten. Dieser ist mit seiner Rolle in der Welt nicht zufrieden. Er ist mit sich selbst nicht im Reinen. Er ist unglücklich und möchte etwas an sich selbst ändern. Das kann mit seiner Rolle in der Gesellschaft zu tun haben, oder mit Bindungen, die er auflösen möchte. Häufig hat es auch mit dem Erwachsen werden zu tun. „Coming of Age“ Geschichten schildern zum Beispiel die Entwicklung vom Teenager zum Erwachsenen. Dabei kann der Protagonist früh in der Geschichte aufbrechen und sich selbst suchen, oder er kämpft den Großteil der Handlung damit, alte Bindungen aufzubrechen. Die Hauptfigur wird voll ausgeprägt geschildert, die alte Rolle und die Notwendigkeit des Wandels wird dem Leser nahegebracht.

    Plotstruktur

    Anfang: Der Protagonist ist unzufrieden mit seiner Rolle in der Welt/Gesellschaft.

    Mitte: Der Protagonist kämpft mit sich und seiner Umwelt um ein neues Selbstbild.

    Ende: Der Protagonist findet seine neue Rolle oder verzweifelt.

    Beispiele: Schuld und Sühne, Der Fänger im Roggen. Luke Skywalker macht in „Star Wars“ eine Wandlung vom unzufriedenen und unsicheren Farmerssohn zum mächtigen Jedi durch. Auch hier ist also eine Charakter-Geschichte verborgen.


    Event-Geschichten

    Bei Event (Ereignis) Geschichten wird der Normalzustand durch eine Bedrohung von außen unterbrochen. Die Welt des Protagonisten gerät dadurch aus den Fugen. Zum Beispiel, wenn ein böser Imperator nach der Macht greift oder ein Asteroid sich der Erde nähert. Der Protagonist kämpft dann darum, die alte Ordnung wiederherzustellen oder eine neue Ordnung zu errichten. Der Unterschied zwischen Charakter und Ereignisgeschichten besteht darin, dass bei der Charakter Geschichte die Bedrohung von innen kommt, bei der Ereignisgeschichte aber von außen. Ein Klassiker bei Fantasy Geschichten ist der Überfall auf das Dorf des Protagonisten. Die Charaktere können einfach gehalten sein oder durchaus komplex gestaltet sein.

    Plotstruktur

    Anfang: Die Welt des Protagonisten gerät aus den Fugen

    Mitte: Der Hauptcharakter versucht die Ordnung wiederherzustellen. Das kann vielen Kampfszenen, Explosionen etc. beinhalten.

    Ende: Ein neuer Normalzustand wird erreicht. Der Protagonist war erfolgreich, oder auch nicht.

    Beispiele: Independence Day, Armageddon, bei „Das Rad der Zeit“ startet die Geschichte mit dem Überfall der Trolloks.

    Bei Kurzgeschichten reicht häufig ein einziges der MICE Elemente aus, um die Geschichte darum zu weben. Die meisten komplexeren Geschichten setzen sich aus verschiedenen MICE Elementen zusammen. Hier ergibt sich die Frage, wie die verschiedenen Elemente sinnvoll miteinander verknüpft werden können. Für die Planung solcher Geschichten hat Mary Robinette Kowal ein Vorgehen wie beim Schreiben eines Computercodes vorgeschlagen. Bei einer Charakter-Geschichte wird zunächst die Charakter-Geschichte eröffnet mit <C>, dann folgt zum Beispiel das Milieu <M>. Das ergibt <C><M>. Dann werden die verschiedenen MICE Stränge in der umgekehrten Reihenfolge beenden, wie sie eingeführt wurden <C><M></M></C>.

    M: Milieu

    I: Inquiry

    C: Charakter

    E: Ereignis

    Beispiel: Der Zauberer von OZ

    <C> Dorothy ist unzufrieden mit ihrem Leben als Bauernmädchen

    <E> Tornado, Dorothy wird in die Zauberwelt geblasen

    <M> Dorothy kommt in Oz an.

    <I> Welche Funktion haben die roten Schuhe?

    Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Konflikte treten auf, werden gelöst etc. Dann wird die Geschichte beendet. Die MICE Elemente werden in umgekehrter Reihenfolge geschlossen, wie sie eröffnet wurden.

    </I> Die roten Schuhe sind der Weg nach Hause

    </M> Dorothy verlässt Oz

    </E> Dorothy ist zurück in Kansas

    </C> Auch als Bauernmädchen kann man Abenteuer erleben. Aber: „Kein Platz ist so schön wie zu Hause.“

    Hausaufgabe

    Gehen wir mal zurück zu unserer Geschichte mit dem sentimentalen Drachenjäger. Welche MICE Elemente könnt ihr in euren Anfängen entdecken?

    Einmal editiert, zuletzt von Sensenbach (22. November 2021 um 20:06)