Hallo, liebes Forum!
Seit längerer Zeit geistert mir ein Gedanke durch den Kopf: Wenn man einen Kanon der Fantasy machen würde, was würde dann da hinein gehören?
Erstmal ein paar grundsätzliche Dinge:
Wenn man das Wort "Kanon" erwähnt, provoziert man bei vielen Leuten sofort eine Protesthaltung. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ein Kanon immer irgendwie einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit zu erheben scheint, während er auch viele gute Werke ausschließen muss, weil er sonst jeden Rahmen sprengen würde.
Wozu erstellt man also einen Kanon? Nun, meist hat ein Kanon die Funktion, dass die, die ihn gelesen haben, einen allgemeinen Überblick über die Literaturlandschaft haben sollen. Er umfasst Werke, die wegweisend waren und andere beeinflusst haben. Um es auf die Musik zu übertragen: Man muss kein Black Sabbath-, Metallica- oder Iron Maiden-Fan sein, um deren Einfluss auf die Bands nach ihnen anzuerkennen. Ein Kanon soll (so gut es geht) keine Geschmacksfrage sein.
Das ist hilfreich als Orientierung für beispielsweise Studierende, aber auch alle anderen, die gerne diesen Überblick haben wollen. Da die Zeit nicht stillsteht, muss ein Kanon auch immer mal wieder überarbeitet werden, Bücher werden daraus entfernt und andere hinzugefügt. Wer den Kanon erstellen durfte, wird auch seine Spuren darin hinterlassen, unweigerlich - darum ist es auch interessant, sich Listen aus unterschiedlichsten Ländern anzuschauen. Außerdem kann es durchaus Spaß machen, seinen eigenen, ganz persönlichen Kanon der wichtigsten, wegweisenden Werke zu erstellen.
Was möchte ich hier also?
Nun, einfach gesagt, würde mich interessieren, was ihr hier für die wichtigsten Werke der Fantasy haltet, die man gelesen haben sollte, um die Genrelandschaft überblicken zu können. Niemand muss das wollen! Lest, was ihr wollt! Aber wenn man das nun will, welche Bücher kommen da in Frage?
Welche Bücher oder Reihen sind die Wegweiser, die Eckpfähle, die Leuchtfeuer des Genres? Unabhängig davon, ob es ein eigener Favorit ist, wer hat andere Autoren geprägt und ist noch heute in den Werken anderer verankert? Wer hat die Klischees erst richtig etabliert? Welches Buch hat der Welt gezeigt, was Fantasy auch für Formen annehmen kann und ihr zu ungeahnten Höhen verholfen?
Ich bin mir sicher, dass ihr da noch vieles wisst, was ich nicht weiß.
Nur eine Regel will ich nennen: Pro Autor solltet ihr nur ein Werk nennen! Ob es ein Einzelroman oder eine Romanreihe ist, spielt keine Rolle. Auch ein 7-Teiler gilt für mich als ein Werk, sofern es eine geschlossene Einheit bildet. Und wenn jemand anderes vom gleichen Autoren ein anderes Buch für wichtiger hält, dann kann diese Person das ja stattdessen nennen.
Ich beginne den Kanon mit dem einen Werk, an dem keiner vorbeikommt: Der Herr der Ringe von J. R. R. Tolkien.
Bestimmt könnten andere das noch besser darlegen. Tolkien hat das Genre nicht erfunden, aber sein Wälzer schlug so sehr ein, dass das Genre nicht mehr ohne ihn konnte. Wer Fantasy gelesen hat, die nach Tolkien kam, hat in den meisten Fällen Tolkien mitgelesen, auf indirektem Wege. Dazu kommt die absolut reiche Welt von Mittelerde, die völlig von Magie und eigenen Kulturen durchwirkt ist; die Tragik mancher Helden, wie Frodo, Bilbo oder der Ents; und die beständige Ahnung, dass da überall noch mehr unter der Oberfläche ist, wenn man sich entscheidet, dort etwas zu graben.
In diesem Ausmaß hat Tolkien einen Standard gesetzt, der seither nur in Ausnahmen wieder erreicht wurde.
So in der Art stelle ich mir das vor. Was gibt da noch? Das lege ich jetzt in eure Hände.